Bernhard Hoëckers gute Frage: Können Menschen sich an den Konsum von Salzwasser gewöhnen?
Wenn wir nichts trinken, verdursten wir. Aber auch wenn wir Meerwasser trinken, verdursten wir – und zwar von innen. Das liegt am Salz: Meerwasser enthält auf 100 Milliliter Wasser etwa einen Teelöffel davon. Die Salzkonzentration ist viermal höher als in unseren Körperzellen. Wenn wir zu viel Meerwasser trinken, strömt deswegen Flüssigkeit nicht mehr in die Zellen hinein, sondern sie strömt wie Luft aus einem Luftballon heraus, um das salzig gewordene Blut zu verdünnen.
Dahinter steckt ein grundlegender physikalischer Mechanismus, die Osmose: Wassermoleküle wandern durch die Zellmembran zur höheren Salzkonzentration. Um so ein Austrocknen durch Osmose zu verhindern, müsste unser Organismus das überschüssige Salz gezielt aus dem Körper befördern. Im Prinzip machen das unsere Nieren, aber so stark wie bei Salzwasser nötig können die Nieren den Urin nicht aufkonzentrieren. Dagegen können wir auch mit Gewöhnung nichts tun.
Natürlich wollen Menschen es immer ganz genau wissen, und darum haben das ein paar Abenteurer selbst ausprobiert. Zu einiger Berühmtheit gelangte der Franzose Alain Bombard. Er ist 1952 zwei Monate lang auf einem Schlauchboot im Atlantik geblieben und hatte nach eigenen Angaben nur das salzige Meerwasser und die Flüssigkeit gefangener, ausgepresster Fische zu sich genommen. Nicht einmal auf Regenwasser war er angewiesen – hat er zumindest behauptet. Als aber wenig später der deutsche Arzt Hannes Lindemann versucht hat, das Experiment am eigenen Leib nachzuvollziehen, ebenfalls einsam auf einem Boot im Atlantik, gelang ihm das nicht. Er konnte nur mit Regenwasser überleben. Jedenfalls haben beide trotz sorgfältiger Vorbereitungen und Trainings über ständigen, kaum zu ertragenden Durst und erhebliche körperliche Beschwerden geklagt.
Das Prinzip der Osmose gilt nicht nur für uns Menschen. Auch Tiere, die am, im oder über dem Meer leben, haben auf der Ebene ihrer Zellen das gleiche physikalische Problem wie wir. Im Gegensatz zu uns haben viele Meeresbewohner allerdings im Lauf der Evolution Wege gefunden, das Salz aktiv und hochkonzentriert wieder aus dem Organismus zu befördern, bevor es Schaden anrichtet. Seevögel beispielsweise haben Salzdrüsen im Kopf, mit denen sie nahezu reines Salz über die Nasenlöcher ausscheiden können. Auch Fische können mit Zellen in ihren Kiemen das gelöste Salz wieder abgeben. Wir Menschen müssen ohne derart spezialisierte Drüsen und Zellen auskommen. Unser Körper ist deswegen machtlos gegen die Osmose – und wir sind ohne Süßwasser verloren.
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