Überraschendes Experiment: Levitron oder Der schwebende Kreisel
Wäre es nicht schön – und nützlich –, wenn wir Objekten gegen die Schwerkraft zum freien Schweben verhelfen könnten? Tatsächlich gelingt das seit langem, zum Beispiel mit Druckluft oder akustischen Verfahren. Oder man nutzt die abstoßende Wirkung von Magneten aus. Dazu kommen natürlich Supraleiter in Frage; der Aufwand, sie auf niedrigste Temperaturen zu kühlen, ist allerdings recht erheblich. Einfacher ist es, kleine Diamagneten von geringer Masse in einem starken statischen Magnetfeld frei schweben zu lassen, und selbst größere Objekte, etwa den vieldiskutierten Transrapid, kann man abheben lassen.
Das Problem ist aber immer dasselbe: Bei der geringsten Störung von außen wird deutlich, dass es sich bei der jeweiligen Anordnung um eine sehr wacklige Angelegenheit handelt. Der Transrapid zum Beispiel bleibt nur deshalb stabil, weil er über eine ausgefeilte elektronische Steuerung verfügt und die beteiligten Magnetfelder ständig nachjustiert werden.
Kann man einen Körper aber nicht vielleicht doch frei und stabil im statischen Feld eines Ferromagneten oder wenigstens Paramagneten schweben lassen? Keine Chance: Schon im Jahre 1842 veröffentlichte der britische Geistliche und Physiker Samuel Earnshaw ein aus den Maxwell-Gleichungen abgeleitetes grundlegendes Theorem, demzufolge genau diese Art der Levitation nicht möglich ist. Die Praxis hat seine Gültigkeit längst bestätigt, zumindest erweist es sich gegenüber allen Bemühungen von Tüftlern als überaus resistent. Auch der formale Beweis von Earnshaws Behauptung ist zwischenzeitlich gelungen.
Dennoch gibt es listige Anordnungen, die zumindest ein temporäres freies Schweben ermöglichen. Anfang 1994 wurde in den USA ein magnetischer Kreisel namens Levitron auf den Markt gebracht, und genau dieses Spielzeug sehen wir im Video in Aktion. Sein Kernstück ist eine so magnetisierte Platte, dass über ihr ein magnetischer Kreisel zum Schweben gebracht werden kann, solange seine Rotationsgeschwindigkeit eine gewisse Mindestgeschwindigkeit nicht unter- und eine Höchstgeschwindigkeit nicht überschreitet.
Angeworfen wird der Kreisel, indem man ihn zunächst auf eine über der Magnetplatte liegende Plexiglasscheibe stellt, so dass sich Kreiselnordpol und Plattensüdpol anziehen. In dieser Lage wird er angedreht. Anschließend hebt man den rotierenden Kreisel mitsamt der Scheibe wenige Zentimeter an. Sobald man spürt, dass er unabhängig von der Scheibe schwebt, kann man diese entfernen – und der Kreisel rotiert frei in der Luft.
Zumindest hält er sich einige Minuten lang, bis ihn vor allem der Luftwiderstand so weit abgebremst hat, dass er die Mindestrotationsgeschwindigkeit unterschreitet, kippt und dann herunterfällt.
Entscheidend ist die Rotation. Das Magnetfeld der Platte übt auf den schwebenden magnetischen Dipol des Kreisels ein Drehmoment aus, das den Kreisel umzukippen versucht. Da der Kreisel rotiert, weicht die Kreiselachse senkrecht zur angreifenden Kraft aus und präzediert um die durch die Kreiselspitze gehende Senkrechte. Die Kreiselachse umläuft dabei einen Präzessionskegel, den man bei langsamer Rotation sogar deutlich beobachten kann.
Das Earnshaw-Theorem gilt trotzdem. Weil der magnetische Kreisel rotiert, ist auch das Magnetfeld nicht statisch – wir beobachten also kein statisches, sondern ein "dynamisches" Schweben.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.