Science-Talk: Mäuse, Menschen und Methoden
Hört man Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Hrabě de Angelis, den Chef des Instituts für experimentelle Genetik, sprechen, dann nimmt man den guten Eindruck mit, dass sich deutsche Genforschung im internationalen Vergleich tatsächlich sehen lassen kann. Es gibt Inseln, in denen deren Erkenntnisse auf der globalen Bühne durchaus relevant sind und entsprechende Beachtung finden. De Angelis berichtet etwa davon, dass hier am Institut vor etlichen Jahren die weltweit erste Mausklinik eingerichtet wurde, deren Aufgabe darin besteht, das Modell Maus systemisch mit allen Mitteln der medizintechnischen Kunst zu untersuchen und die vielfältigen Daten einer koordinierten interdisziplinären Auswertung menschlicher Fachexpertise zu unterziehen. Inzwischen wurde daraus nicht nur ein von Wissenschaftlern aus aller Welt gern genutztes Kompetenzzentrum für die Genforschung an Mäusen. Die Mausklinik hat inzwischen weltweit „Schule“ gemacht. Mehr als zwanzig solcher Kliniken sind weltweit schon entstanden, und das vom Helmholtz Zentrum München gegründete International Mouse Phenotyping Consortium hat sich zum Ziel gesetzt, in einer international koordinierten Zusammenarbeit dieser Super-Kliniken die Aufgaben der zwanzigtausend Gene hinsichtlich ihrer Funktion im Körper zu klassifizieren.
Andere globale Großforschungen befassen sich mit denjenigen Teilen des Genoms, die sogenannt "nicht-kodierend" sind. Lange Zeit galten sie als wenig interessant; ihre Funktionen blieben bisher völlig im Dunklen. Die Forschung in den letzten Jahrzehnten hatte sich fast ausschließlich mit den kodierenden Teilen der DNA befasst, also jenen rund zwanzigtausend Genen, die den Aufbau von Proteinen steuern. Doch es gibt in jeder Zelle, wie de Angelis im Gespräch ausführt, "rechts und links davon" eine große Zahl nicht-kodierender Gene und Transkripte, diese 95 Prozent wären in ihren Funktionen noch weitgehend unbekannt. Immer mehr setzt sich jetzt die Erkenntnis durch, dass auch ihnen wichtige Aufgaben bei der Zellsteuerung zukommen. Ein Teil davon wird heute bereits als Auslöser der inzwischen nachgewiesenen epigenetischen Steuerung untersucht, also der Vererbung im Leben erst erworbener Eigenschaften auf die Nachkommenschaft. Diese internationalen Forschungsanstrengungen, davon ist de Angelis überzeugt, werden dazu führen, dass die Lehrbücher der Genetik neu geschrieben werden müssen.
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