Medizintechnik: Prothesen mit Gefühl
Die Prothese als starrer, weitgehend funktionsloser Ersatz für einen verlorenen Körperteil hat längst ausgedient. Armprothesen wie jene von Landwirt Wolfgang Bauer sind auch in der Lage, sich zu öffnen und zu schließen oder zu rotieren. Oder – mit einiger Übung – sogar einzelne Finger zu bewegen. Der Landwirt, der in dem kurzen Youtube-Video von BR24 seine künstlichen Hände vorstellt, nutzt zur Steuerung dieselben elektrischen Signale, mit denen er vor seinem Unfall auch seine echte Hand gesteuert hat. Elektroden an seinem Armstumpf lesen über die Haut Muskelimpulse aus und übersetzen sie in Anweisungen an die in die Prothese integrierten Elektromotoren. Wie im Video eindrucksvoll gezeigt wird, ermöglicht ihm das, sämtliche Arbeiten auszuführen, die auf seinem Hof anfallen.
Neben seiner »Hand fürs Grobe« zeigt uns Bauer auch eine Prothese mit beweglichen Fingern. Laut dem Orthopädietechnikunternehmen Pohlig, das die Hand angepasst hat, erlaubt sie eine Vielzahl von Griffmustern. Dazu werden über eine personalisierte App zunächst individuelle Bewegungsmuster gespeichert. Die Prothese »lernt« also, die Bewegungsabsichten des Trägers zu erkennen. So kann sie später die jeweiligen Muskelspannungen unmittelbar in den gewünschten Griff umsetzen. Trotz solcher Fortschritte haben jedoch auch moderne Prothesen noch einen schwer wiegenden Mangel: Sie vermitteln dem Träger keinerlei Gefühl von den Objekten in seiner Hand. Doch wie ein aktuelles Forschungsergebnis der University of Utah zeigt, ist auch das (zumindest unter Laborbedingungen) bereits möglich. Allerdings reichen in diesem Fall Elektroden auf der Haut nicht aus, um eine Verbindung zwischen den elektrischen Signalen des Nervensystems und denen der Prothese herzustellen.
Deshalb haben die Forscher um den Biomedizintechniker Gregory Clark ihrem Patienten ein Bündel von 100 Mikroelektroden in den Armstumpf implantiert, über die der Informationsfluss in beide Richtungen laufen kann. Für die Steuerung werden die Signale der Nerven ausgelesen und – ähnlich wie bei der Prothese von Wolfgang Bauer – in Bewegungen übersetzt. Gleichzeitig werden Signale von der mit Drucksensoren gespickten künstlichen Hand an das Nervensystem übermittelt. Der Patient erhält dadurch ein Feedback, das ihm etwa verrät, wie groß ein erfasstes Objekt ist und ob es sich um einen harten oder weichen Gegenstand handelt. So führt zum Beispiel ein Auslösen des Drucksensors an der Spitze des künstlichen Zeigefingers der Prothese zu einer Empfindung des Trägers am entsprechenden »Phantomfinger«. Das ermöglicht unter anderem feinfühlige Tätigkeiten wie Traubenpflücken oder das Hochheben eines Eis, ohne es zu zerbrechen.
Noch ist der LUKE-Arm (benannt nach der künstlichen Hand von Luke Skywalker in »Das Imperium schlägt zurück«) über Kabel mit einem Computer verbunden. Die Forscher arbeiten jedoch bereits an einer kabellosen Variante, die es dem Träger ermöglichen soll, sich freier zu bewegen.
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