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Wissenschaftstheorie: Metascience und Komplexität

Klaus Mainzer hält den Lehrstuhl für Wissenschaftstheorie an der TU München. Der Philosoph befasst sich gern mit Algorithmen, Komplexitätsforschung und Big Data. Vor kurzem hat er mit dem Computerwissenschaftler Leon O. Chua aus Berkeley das grundlegende Prinzip der Strukturbildung in komplexen dynamischen Systemen veröffentlicht. Diese Theorie, so ist Mainzer überzeugt, habe die Grundlagen für den bisher nicht formulierten dritten Hauptsatz der Thermodynamik geschaffen.
© Hyperraum.TV
Metascience und Komplexität

Veröffentlicht am: 23.19.2014

Laufzeit: 0:20:44

Sprache: deutsch

Hyperraum TV ist ein von der Medienwissenschaftlerin und Wissenschaftshistorikerin Susanne Päch betriebener Spartensender für Wissenschaft und Technologie.

Die Theorie der "lokalen Verstärkerfunktion von dissipativ gekoppelten Elementen", die Klaus Mainzer mit Leon Chua 2013 veröffentlicht hat, steht derzeit im Zentrum des Schaffens eines Philosophen, der sich selbst gern als "Grundlagentheoretiker" bezeichnet. Die Unendlichkeit mit der Metamathematik zu begreifen, ist für ihn ein ernsthaftes Anliegen, den Zufall hält er für das kreative Element im Universum und aus der Quantenfluktuation entstehende Parallelwelten für wahrscheinlich. Der kommunikationsfreudige Mainzer ist ein brillianter Geist, der praktisch zu allen Fragen der modernen Wissenschaft wie der Gesellschaft nicht nur eine dezidierte, sondern auch eine theoretisch fundiert abgeleitete Meinung hat.

Susanne Päch gab er nicht nur ausführlich Auskunft über seine Theorie, sondern bettete sie auch gleich in die zweitausendjährige Wissenschaftsgeschichte des Abendlandes ein. Zudem hat Mainzer in diesem Gespräch ein breites Spektrum an weiteren Fragen beantwortet, die von der Geschichte der Philosophie über das Verständnis der Stringtheorie bis zur Einschätzung des NSA-Skandals reichen. Da das Volumen dieser Tour d’Horizon den Rahmen der Sendung bei weitem sprengte, kann das Gespräch in drei weiterführenden Bonus-Clips verfolgt werden.

Gottfried Wilhelm Leibniz ist jener Philosoph, den Mainzer am meisten schätzt – kein Wunder, gilt er doch als ein Pionier des Denkens in Algorithmen, die zur Triebfeder unserer Gesellschaft geworden sind. Schon im 17. Jahrhundert hat Leibniz mit seinem Kalkül programmatische Arbeiten zur Logik und zur "Gedanken­rechnung" vorgestellt, die ihn zum Vorläufer der Künstlichen Intelligenz machen. Mainzer ist Logiker durch und durch, bezeichnet die Disziplin als ein "messerscharfes Skalpell", als eine Art Universalwerkzeug, mit dem es uns möglich wird, zu neuen Kenntnissen, aber auch zur Bewertung des eigenen Handelns zu kommen. Was die großen Denker dieser Disziplin – von Aristoteles über Leibniz und Laplace bis zu Hilbert und Turing – beigetragen haben, kennt er alles – und hat es zweifellos auch verstanden. So zeichnet er die Geschichte der Algorithmisierung als moderne Schlüsseltechnologie der Informationsgesellschaft von den Anfängen in der Antike bis ins 21. Jahrhundert nach, um am Ende darauf hinzuweisen, dass wir inzwischen Gefahr laufen, von ihr regelrecht überrollt zu werden. Da scheint ihm sogar eine drastische Formulierung angemessen, er spricht davon, dass wir aufpassen müssten, sonst würde uns diese "total algorithmisierte Welt um die Ohren fliegen" – und hält das Gegensteuern durch logische Analyse des eigenen Handelns für eine unausweichliche Aufgabe der eigenen Forschungs-Community. Ein guter Wissenschaftler, so Mainzer, könne nur sein, wer auch ein Philosoph ist und über die Metaebene zu den Grundlagen seiner eigenen Disziplin vorstoße. Doch das sei mehr Wunsch als Wirklichkeit, führt er auf Nachfrage dann aus. In kritischer Nabelschau attestiert Mainzer den Kollegen vielfach nur mangelhaften philosophischen Tiefgang.

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