Blutstropfen-Diagnostik: Mikrofluidik und Big-Data ermöglichen neue Gesundheitsdienste
Die amerikanische Biotechnologin und Mikrofluidik-Spezialistin Elisabeth Holmes gilt mit einem Vermögen von fast fünf Milliarden Dollar als die jüngste Milliardärin der Welt. Mit ihren patentierten Nanotainern mischt sie den amerikanischen Markt für Laboruntersuchungen seit 2013 gewaltig auf. Für rund siebzig unterschiedliche Bluttests reicht ein einziger Blutstropfen, der heute über eine Kooperation mit Theranos bereits in ersten Filialen der Kette des amerikanischen Drogeriemarktes Walgreens extrem preiswert analysiert werden kann. Beispielsweise kostet die aus dem Blutstropfen gewonnene Bestimmung des Cholesterin-Wertes nur 2,80 Euro.
Schon seit den achtziger Jahren hat die Forschungsdisziplin der Mikrofluidik im Verbund mit der Chromatographie und der Massenspektrometrie die Grundlage dafür geschaffen, nur kleinste Spuren von Stoffen wie dem Blut hinsichtlich ihrer Bestandteile zu analysieren. Einer dieser Pioniere, der Nanoforscher Andreas Manz, hat in diesem Jahr den Europäischen Erfinderpreis für sein Lebenswerk erhalten. Dennoch ist die Methode bis heute nicht in die Arztpraxen eingezogen, in denen noch das alte Verfahren mit großen Ampullen üblich ist. Theranos ist nun angetreten, das schwerfällige Gesundheitssystem jetzt von außen zu revolutionieren – mit raketenhaftem Aufstieg.
Metabolomic Discoveries, ein Start-Up aus Potsdam, hat vor einigen Jahren damit begonnen, im Blut dem Stoffwechsel nachzugehen. Wie beeinflussen Ernährung, Sport und Lebensstil den Stoffwechsel im Blut – und damit auch die Gesundheit? Eine gewaltige Aufgabe, denn nur etwa zehn Prozent der rund tausend im Blut vorhandenen chemischen Stoffe, die als Metaboliten bezeichnet werden, sind hinsichtlich ihrer direkten Wirkungsmechanismen im Körper erforscht. Das Unternehmen aus Bioinformatikern und Biotechnologen bietet die aufgebaute Plattform als Dienstleister für Pharmaunternehmen oder wissenschaftliche Institutionen an.
Auf dieser Basis baut Metabolomic Discoveries jetzt einen Lifestyle-Dienst auf. "Kenkodo" – das japanische Wort für "der Weg zur Gesundheit" – ist weltweit der erste Service, mit dem man sich das eigene Blutbild mit allen Metaboliten von Vitaminen bis zu Hormonen analysieren lassen kann. Die Schöpfer des Dienstes hoffen darauf, dass die Analyse von Bluttropfen nicht nur wie bei Theranos die Welt der Medizin revolutioniert, sondern zu einem trendigen Massenphänomen vorsorgebewusster Bürger wird. HYPERRAUM.TV interviewte den Gründer und Geschäftsführer Dr. Nicolas Schauer über die Motivation für den Aufbau des künftigen Service.
Die Metaboliten-Forscher wollen mit ihren Big-Data-Algorithmen auch typische Muster erkennen, aus denen sich individuelle Empfehlungen für einen gesunden Lebensstil entwickeln lassen. Dafür ist zuerst einmal ein Set relevanter Basisdaten von Lebensstilen nötig, die dann mit metabolischen Werten in Verbindung gebracht werden können. Dafür hat das Unterehmen vor kurzem ein Crowd-Funding-Projekt initiiert: Dreihundert Testpersonen konnten sich für 149 Euro beteiligen. Sie mussten sich vorab bereit erklären, drei Monate lang mindestens einmal in der Woche eine Mikroblutprobe abzugeben. Zudem war Bedingung für die Teilnahme, auf einer Webplattform eigene Lebensdaten laufend zu dokumentieren. Aus diesem Datensatz will das Team um Nicolas Schauer bis Anfang 2016 mit einschlägigen Algorithmen erste grundlegende Hinweise finden, wie der Stoffwechsel des Menschen mit Ernährungs- und Lebensstilen oder auch der Gesundheit zusammenhängt. Das Jahresabonnement für zwölf Proben soll 150 Euro kosten. Die muss man dann für die Auswertung allerdings noch ziemlich traditionell per Post an Metabolomic Discoveries schicken.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.