Zoologie: Mythos Monsterspinne
Kamelspinnen könnten dem Aussehen nach menschenfressende Ungeheuer sein. Als ein entsprechendes Bild im Internet auftauchte, unterstützt von Berichten westlicher Soldaten aus dem Irak und Afghanistan, schien die Legende bestätigt: Die Tiere sind riesig, sie töten ihre Beute mit Gift und können dabei blitzschnell zuschlagen. In England behauptete die Familie eines Soldaten aus Afghanistan sogar, eine Kamelspinne habe ihren Hund getötet.
Der Spinnenforscher Jason Dunlop zeigt in seinem Science Slam die Realität hinter den Gruselgeschichten. Dafür hat er als Anschauungsmaterial eine echte Kamelspinne mitgebracht. Die Tiere gehören zu den Walzenspinnen und sind damit nicht einmal Spinnen im engeren Sinne, sondern viel mehr mit Pseudoskorpionen verwandt. Auf ihrem Speiseplan stehen neben Insekten kleine Säugetiere wie Ratten oder Reptilien – keine Hunde oder gar Menschen. Und sie besitzen auch kein Gift: Stattdessen sind sie schnelle Jäger und fangen ihre Beute allein mit ihren kräftigen Kieferzangen. Heimisch sind die Tiere vor allem in Wüstenregionen. Im Baltikum fanden Paläontologen zudem die Überreste einer Walzenspinne in Bernstein eingeschlossen – ein Zeichen dafür, dass die Tiere vor mehr als 50 Millionen Jahren im Gebiet des heutigen Nordeuropas gelebt haben.
Das Foto aus dem Internet zeigte übrigens einen optischen Trick, wie Dunlop betont. Walzenspinnen können zwar sehr groß werden, einen Körperumfang von 15 bis 20 Zentimetern überschreiten sie dabei jedoch nicht. Und Kannibalismus betreiben die Tiere ebensowenig: Dunlop vermutet vielmehr, das Foto zeigt zwei Walzenspinnen bei der Paarung. Dabei produziert das Männchen ein Spermienpaket und führt es dann mittels seiner Kieferklauen in die Genitalöffnung des Weibchens ein. Weil das Verhalten für Menschen befremdlich erscheinen mag, demonstriert Dunlop den männlichen Part, indem er sich eine milchgefüllte Plastiktüte vors Gesicht hält – nicht das einzige Mal, wo er in seinem anschaulichen Vortrag vollen Körpereinsatz zeigt.
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