Sci-Fi-Serie Origin: Nichts Neues unter fremden Sonnen
Zehn einander unbekannte Personen in einem verlassenen Raumschiff. Einige werden ermordet. Einer misstraut dem anderen. Lange, dunkle Gänge und ein fieses Alien. Ein – angeblich – paradiesischer Exoplanet und verschwiegene Gefahren: Keine dieser Ideen ist wirklich neu. Aber auch einem alten Thema lassen sich faszinierende neue Aspekte abgewinnen, wie die Serie »Westworld« überzeugend vorführt. Der neuen, exklusiv bei YouTube Premium abrufbaren zehnteilige Serie »Origin« gelingt das nur mit Einschränkungen.
Das Raumschiff Origin soll eigentlich Siedler zum fünf Lichtjahre entfernten Planeten Thea transportieren, aber nach einem Meteoritentreffer sind alle Menschen von Bord gegangen – bis auf zehn, die durch einen unglücklichen Zufall zurückblieben. Dafür sind mit dem Meteoriten zwei Aliens an Bord gekommen, die sich als fiese Parasiten erweisen. Sie kriechen den Menschen ins Gehirn und übernehmen ihren Körper. Einer stirbt zusammen mit seinem Wirt und wird daraufhin gefunden. Aber jetzt wissen die Überlebenden, dass einer von ihnen kein Mensch mehr ist. Misstrauen breitet sich aus …
Alle Protagonisten haben einen sehr guten Grund, ihre Vergangenheit zu vergessen und ein neues Leben anzufangen. Ihre quälenden Erinnerungen zeigt der Film in immer neuen Rückblenden. Alle hoffen darauf, dass die Origin sie zu einem paradiesischen Planeten tragen wird. Aber darf man auf die Versprechungen einer Firma vertrauen, die den ominösen Namen Siren (zu Deutsch: Sirene) trägt?
Die Serie zeigt immer wieder Rückblenden auf die irdische Vergangenheit der Protagonisten. Hier könnten die Drehbuchautoren den Zuschauern vorführen, wie sie sich die nahe Zukunft der Menschheit vorstellen. Leider nutzen sie diese Gelegenheit kaum. Frankreich wird durch ein provenzalisches Landhaus in leuchtender Landschaft repräsentiert, Berlin durch eine Wohnung im Fin-de-Siècle-Stil. Tokio glitzert vor Leuchtreklamen, ein amerikanischer Senator lebt in einem eleganten Ferienhaus am Meer. Einzig das dystopisch zerfallende London fällt etwas aus dem Rahmen. Es drängt sich die Vermutung auf, dass die Serienproduzenten keine begeisterten Brexit-Anhänger sind. In dieser Rückblende treten auch Androiden auf, deren geistige Fähigkeiten absichtlich gekappt werden, damit die technologische Singularität nicht zu früh kommt. Nach einem oft zitierte Aufsatz des Sciencefiction-Autor Vernor Vinge aus dem Jahr 1993 soll die Ära der Menschen zu Ende gehen, sobald Computer eine übermenschliche Intelligenz entwickeln. Er ging davon aus, dass dieser Wendepunkt, die besagte Singularität, schon vor 2025 erreicht werde. Ob künstliche Dummheit dagegen hilft, ist eher zweifelhaft, könnte man aber durchaus diskutieren. Die Serie belässt es leider bei der bloßen Erwähnung.
Auch die Situation auf dem Raumschiff selbst bringt wenig originelle Aspekte. Eine zusammengewürfelte Gesellschaft von Menschen mit Problemen – dieses Thema hat die Serie »Lost« sehr viel dramatischer aufgerollt. Die Idee der von Aliens übernommenen Menschen ist ebenfalls nicht gerade neu. Lange, leere und schwach beleuchtete Korridore in Raumschiffen sind das Standardinventar von Sciencefiction-Horrorfilmen. Und die abgeschlossene Gesellschaft mit den verborgenen Schurken ist ein klassisches Motiv von Krimis. Als Beispiel sei hier nur Agatha Christies berühmtes Theaterstück »Die Mausefalle« genannt. Die Macher von Origin haben die bekannten Zutaten durchaus gekonnt neu abgemischt, sie finden aber keine eigene Linie. Erst in der letzten halben Stunde der Abschlussfolge deutet sich an, dass die Serie neue Aspekte entwickeln könnte.
Obwohl Origin eher dem Hard-SF zuzuordnen ist, bleiben die astronomischen und technischen Hintergründe vage und unstimmig. So soll der Planet Thea fünf Lichtjahre entfernt sein, aber in diesem Abstand von der Erde existiert weit und breit kein Stern. Die kurz eingeblendete Karte des fremden Planetensystems deutet auf den lichtschwachen roten Zwergstern Proxima Centauri, der 4,2 Lichtjahre entfernt liegt. Thea wäre dann identisch mit dem Exoplaneten Proxima Centauri b. Dieser 2016 entdeckte Himmelskörper ist ungefähr so groß wie die Erde und kreist in der habitablen Zone um seine Sonne. Bisher hat die International Astronomical Union für ihn keinen Namen vergeben, Thea ist eine Erfindung der Filmmacher. Allerdings neigt Proxima Centauri als so genannter Flarestern zu heftigen Strahlungsausbrüchen, die das Leben auf all seinen Planeten ziemlich ungemütlich gestalten könnten.
Auf eine aufwändige Simulation von Schwerelosigkeit verzichtet die Serie fast vollständig. Das Raumschiff Origin besteht aus rotierenden Ringen, die an einer Zentralachse aufgereiht sind. Die Drehung erzeugt eine künstliche Schwerkraft am äußeren Rand der Ringe, aber natürlich nicht in der Zentralachse. Die Szenen vor den Fahrstühlen in der Zentralachse zeigen aber die volle Erdschwerkraft. Bei einem dramatischen Außeneinsatz sieht es so aus, als ob außerhalb des Raumschiffs keine oder nur geringe Schwerkraft herrscht, die beim Erreichen der Luftschleuse aber sofort wieder einsetzt.
Auf der Habenseite muss man verbuchen, dass die Serie in weiten Teilen interessant gestaltet und gut gespielt ist. Glücklicherweise verzichtet die Regie weitgehend auf die heute oft eingesetzte wackelige subjektive Kamera. Dadurch entsteht eine eher ruhige Atmosphäre. Die Spannung entwickelt sich aus dem Plot und den Interaktionen. Die hochauflösende Animation des Raumschiffs wirkt ausgesprochen eindrucksvoll und die CGI-Effekte sind unauffällig in das Geschehen integriert. Wer nicht allzu viel Realismus und keine Visionen für zukünftige Gesellschaften erwartet, findet bei »Origin« spannende Unterhaltung auf gutem Niveau – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die gut gemachte Wendung in der letzten Folge und der Cliffhanger zum Schluss könnten auf eine Fortsetzung deuten, die dann hoffentlich mehr eigene Ideen einbringt.
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