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Robotik: Paket vom Laufroboter?

Ein vierbeiniger Laufroboter soll Pakete zustellen, an Grundstücksgrenzen patrouillieren oder Hilfseinsätze in Katastrophengebieten unterstützen. Doch ist die Technik schon so weit?
http://www.youtube.com/watch?v=GZgNPmeaTjo
Boston Dynamics Shows Latest Advancements in Robotics at CEBIT 2018

Veröffentlicht am: 14.06.2018

Laufzeit: 0:30:13

Sprache: englisch

Er ist knallgelb und hat die Gestalt eines Hundes: Auf der CeBit 2018 hat Boston Dynamics seinen neuesten vierbeinigen Roboter »SpotMini« vorgeführt. Marc Raibert, der Gründer der Roboterfirma, kündigte an, dass dieses Modell ab Ende des Jahres in Serie produziert werden soll. Das ist eine Zeitenwende für das Unternehmen, denn bisher ist keines ihrer Produkte über das Stadium eines Prototyps hinausgekommen.

Boston Dynamics entstand im Jahr 1992 als Ausgründung des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und gilt als einer der führenden Entwickler von Laufrobotern. Während sich Tiere ganz selbstverständlich auf zwei oder vier Beinen bewegen, tun sich Maschinen damit sehr schwer. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass Boston Dynamics mehr als zwölf Jahre brauchte, bevor es der Öffentlichkeit den ersten vierbeinigen Roboter vorstellen konnte, den 100 Kilogramm schweren BigDog. Die DARPA, die Forschungsbehörde des US-Militärs, hatte die Entwicklung finanziert. Die US-Army suchte nach geeigneten Lastenträgern für militärische Operationen in unwegsamen Gebieten, und ein laufender Roboter schien eine gute Alternative zu Mulis oder Pferden zu sein. Mit seinen vielen Sensoren zum Scannen der Umgebung und einem leistungsfähigen Rechner an Bord meisterte BigDog klaglos schwierige Märsche durch ein Gelände ohne Weg und Steg. Sein Benzinmotor machte allerdings einen Höllenlärm, und so befand das Militär schließlich, er sei doch nicht das Richtige für Feldeinsätze.

Das jetzt vorgestellte System SpotMini ist der kleinere Nachfolger des Roboters »Spot«. Auch dieser Roboter hat vier Beine, arbeitet aber wesentlich leiser, weil er elektrisch angetrieben wird. Spot sollte 18 Kilogramm Last tragen, was aber für das Militär wiederum zu wenig war. SpotMini soll nun ab Ende 2018 in einer Kleinserie produziert und für zivile Anwendungen vermarktet werden. Marc Raibert stellt sich vor, dass SpotMini Pakete ausliefert, an Grundstücksgrenzen patrouilliert oder Hilfseinsätze in Katastrophengebieten unterstützt.

Noch wirkt SpotMini allerdings etwas unbeholfen, fast wie ein Hundewelpe, der gerade gelernt hat, nicht über seine eigenen Pfoten zu stolpern. Ganz überrascht das nicht. Beim Menschen und den meisten anderen Wirbeltieren übernimmt das Kleinhirn die Koordination von Bewegungen und das Erlernen automatisch ablaufender Bewegungsfolgen. Während das Großhirn des Menschen beeindruckende 1300 Gramm auf die Waage bringt, muss sich das Kleinhirn mit 130 Gramm begnügen, dafür vereinigt es rund 70 der 86 Milliarden grauen Zellen. Es ist im Hintergrund ständig damit beschäftigt, Wahrnehmung und Motorik optimal auszubalancieren, so dass sich das Großhirn ungestört höheren Aufgaben widmen kann.

Auch aus diesem Grund darf bezweifelt werden, dass der Roboter wirklich einen breiten Markt für die anvisierten Aufgaben findet. Menschen liefern Pakete immer noch schneller und zuverlässiger aus als ein Roboter, dessen Batterie allenfalls für wenige Stunden reicht. Der Schutz von Grundstücksgrenzen ist ein eigener Wirtschaftszweig geworden. Die ausgefuchsten Systeme lassen sich durch einen steifbeinigen Roboter kaum verbessern. Und für die erste Hilfe nach Flutkatastrophen oder Erdbeben bietet SpotMini – im Moment jedenfalls – zu wenige Fähigkeiten. Für die Bewegung durch das teilweise extrem tückische Gelände ist er nicht gebaut. Und für einen schnellen Überblick würde man heutzutage wohl eher Drohnen einsetzen.

Boston Dynamics gehört zwar zu den Technologieführern der Roboterbranche, hat deswegen aber keine Monopolstellung. Die chinesische Firma Unitree Robotics etwa baut den Roboter Laikago, der SpotMini erstaunlich ähnlich sieht. Er zeigt in einem Video beeindruckendes Standvermögen und gute Laufeigenschaften, scheint jedoch keine Sensoren für die autonome Umgebungserkennung zu besitzen. Und die amerikanische Firma Agility Robotics möchte schon Ende 2018 seine ersten zweibeinigen Roboter in Kalifornien testen.

Werden wir also schon ganz bald die ersten Roboter durch unsere Straßen staksen sehen? Wohl eher nicht. Keines der Unternehmen hat bisher Videos veröffentlicht, die ihre Roboter im normalen Straßenverkehr zeigen. Es ist demnach unklar, ob die künstlichen Zwei- und Vierbeiner in einer Umgebung mit vielen bewegten Objekten sicher manövrieren können. Ohne diese Fähigkeit wären sie aber in der freien Wildbahn weitgehend unbrauchbar.

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