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Wir Werden Alle Sterben: Der Supervulkan vor unserer Haustür

Erdbeben erschüttern die Phlegräischen Felder, einen riesigen Vulkankrater in Italien. Doch sie kündigen keinen großen Ausbruch an - im Untergrund passiert etwas anderes.
© Lars Fischer, Mike Zeitz
Der Supervulkan vor unserer Haustür

Heute geht es um den Supervulkan quasi vor unserer Haustür, der dieser Tage wieder einmal bedenkliche Zeichen von Aktivität zeigt. Und zwar die Phlegräischen Felder an der Bucht von Neapel, die vor 40 000 und 15 000 Jahren gewaltige Vulkanausbrüche hervorbrachten. Seit dem Sommer hebt sich der Erdboden wieder schneller, Erdbebenschwärme erschüttern die Region – zuletzt ein Erdbeben der Stärke 3,8. Steht also in Süditalien ein gigantischer Ausbruch bevor?

Das fragt man sich tatsächlich schon seit über einem halben Jahrhundert. Denn seit den 1950er Jahren ist der Krater nämlich merklich aktiver geworden. Es gibt immer wieder Episoden mit vielen kleineren Erdbeben, und die ganze Region hebt sich – manchmal gemächlich, manchmal in schnellen Schüben. 1984 und 1985 gab es besonders viele Erdbeben und das Land stieg um einen ganzen Meter an. Aus Sorge über die heftigen Beben wurde die Stadt Pozzuoli evakuiert. Aber nichts passierte.

Avocados, Katzen, Supervulkane – die Welt ist voller Gefahren. In dieser Videoserie stellen die Spektrum-Redakteure Lars Fischer und Mike Zeitz regelmäßig spannende, ungewöhnliche oder einfach kuriose Dinge vor, die auf die eine oder andere Art zum unerwarteten Frühableben führen können.

Die übrigen Folgen der Serie finden Sie auf dieser Sammelseite.

Bei einem normalen Vulkan würde man Erdbeben und Landhebungen ganz klar als Vorzeichen eines Ausbruchs deuten. Magma steigt von unten auf und lässt die Erde beben, und dadurch wölbt sich der Berg darüber merklich auf. Bis er dann ausbricht. Der Verdacht liegt natürlich nahe, dass sich die Magmakammer des Supervulkans jetzt auch wieder füllt und ein großer Vulkanausbruch immer näher rückt.

Gas und Wasser heben das Land

Allerdings sind die Phlegräischen Felder kein normaler Vulkan. Er kommt zwar nicht an Giganten wie den 70 Kilometer messenden Yellowstone-Krater heran, ist mit rund 15 Kilometern Durchmesser aber immer noch sehr eindrucksvoll. Beim letzten Ausbruch vor 15 000 Jahren leerte sich die mehrere Kilometer messende Magmakammer in der Tiefe, so dass ein enormer Hohlraum entstand, dessen Decke einbrach. Die so gebildete Senke ist heute zur Hälfte vom Meer bedeckt.

Und nach allem, was wir heute wissen, funktioniert ein Krater dieser Größe etwas anders als kleinere Vulkane. Das ist einerseits eine gute Nachricht, weil die Beben und Landhebungen nicht anzeigen, dass geschmolzenes Gestein kurz vor dem Ausbruch steht. Was dort passiert, ist etwas anderes.

In etwa acht Kilometern Tiefe liegt eine große Magmakammer mit einer Mischung aus geschmolzenem und festem Gestein. Aus der steigt immer wieder Schmelze bis in etwa drei bis vier Kilometer Tiefe auf, wo sie hängen bleibt und Gänge bildet. Über diesem aufsteigenden Magma aber liegt ein hydrothermales System: mit Wasser und Gasen gesättigtes Gestein, das für sich genommen genug Druck entwickeln kann, um die Erdoberfläche anzuheben.

Das darunter liegende, aufgestiegene Magma gibt nun permanent vulkanische Gase ab, die den Druck im System erhöhen. Und das führt zu den Erdbeben und dazu, dass sich die Erde aufwölbt. Nahezu alle Erdbeben der letzten 70 Jahre fanden in diesem Hydrothermalsystem statt, und die Aufwölbung um mehrere Meter ist zwar eindrucksvoll, aber zu klein, als dass wirklich große Magmamengen im Spiel sein könnten. Das heißt also, dass die Aktivität derzeit kein direktes Warnzeichen eines bevorstehenden Mega-Ausbruchs ist. Entsprechend konzentrieren sich Notfallpläne vor allem auf Erdbeben.

Ausbrüche fast ohne Vorwarnung

Andererseits gibt es aber zwei schlechte Nachrichten. Die eine ist, dass durch den steigenden Druck womöglich der Gesteinsdeckel über dem Hydrothermalsystem brechen kann. Dampf und vulkanische Gase könnten durch die Druckentlastung explosionsartig an die Oberfläche schießen und Schäden anrichten. Die zweite schlechte Nachricht ist, dass es vor einem Ausbruch der Phlegräischen Felder womöglich gar keine langfristigen Warnzeichen gibt. Analysen von Mineralen eines Ausbruchs vor 4000 Jahren nämlich haben gezeigt, dass ein ganz entscheidender Prozess am Beginn des Vulkanausbruchs nicht allmählich stattfindet, sondern sehr abrupt.

Damit ein normaler Vulkan ausbricht, muss der Druck in der Magmakammer groß genug sein, um das darüberliegende Gestein aufzusprengen. Das passiert aber nicht, weil immer mehr Magma in den Vulkan gepumpt wird, bis er platzt. Entscheidend sind gelöste Gase, die aus dem Magma ausperlen und dadurch Druck und Auftrieb erhöhen, bis das Magma zur Oberfläche durchbricht. Das passiert normalerweise nach und nach über einen längeren Zeitraum, so dass sich Ausbrüche ankündigen.

Bei den Phlegräischen Feldern scheint das nicht der Fall zu sein. Das zeigen kleine Einschlüsse aus ursprünglicher Schmelze in Mineralen, laut denen das Ausperlen des Gases nur eine extrem kurze Zeit einnahm. Das Gas perlte nur wenige Tage vor dem Ausbruch aus, so dass das System womöglich binnen einer Woche von einer scheinbar ruhigen Magmakammer zu einer Eruption übergeht. Was der Auslöser dieses sehr schnellen Prozesses ist, wissen wir nicht. Möglicherweise kommt der erste Anstoß tatsächlich davon, dass das Gestein über dem Hydrothermalsystem bricht und sich die Druckentlastung nach unten fortsetzt.

Auf jeden Fall bedeutet die Entdeckung: Möglicherweise vergeht zwischen den ersten Anzeichen eines Problems und dem großen Ausbruch selbst keine Woche. Und wir wissen nicht einmal, wie diese Anzeichen aussehen könnten. Die gute Nachricht dabei ist natürlich, dass die Phlegräischen Felder nicht nur gigantische, katastrophale Ausbrüche produzieren, im Gegenteil. Kleinere lokale Eruptionen wie jene von 1538, bei der der 130 Meter hohe Monte Nuovo entstand, sind viel häufiger.

Der Haken an der Sache ist natürlich, dass wir schlicht nicht sicher wissen, was die aktuelle Aktivität wirklich bedeutet. Bisher gibt es überhaupt keine Erfahrungen damit, wie sich ein Vulkan dieser Größe verhält. Auch wenn wir recht sicher wissen, dass die aktuelle Aktivität von Wasser und Gasen in der Erdkruste stammt und nicht vom Magma selbst, ist das keine Garantie. Es ist durchaus vorstellbar, dass wir nicht verstehen, wie die Prozesse miteinander zusammenhängen, und wir eben doch das Vorspiel zu einem wirklich gigantischen Ausbruch sehen.

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