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Quantenphysik: Quanten in der Falle

Quanten-Verschränkung und Teleportation: Für Rainer Blatt sind diese Begriffe Tagesgeschäft. Am Innsbrucker Institut für Quantenoptik und Quanteninformation geht es um solch „verschränkte“ Atome, die in direktem Informationsaustausch stehen. Diese so wenig nachvollziehbaren Phänomene der atomaren Welt zu beherrschen, damit befasst sich der Experimentator seit mehr als drei Jahrzehnten. 2004 gelang ihm ein großer Erfolg: weltweit erstmals konnte er zeigen, dass sich verschränkte Atome, die QuBits, vom Menschen kontrolliert manipulieren lassen.
© hyperraum.TV
Quanten-Verschränkung und Quanten-Teleportation im Innsbrucker IQoQi

Veröffentlicht am: 11.19.2016

Laufzeit: 0:12:51

Sprache: deutsch

Hyperraum TV ist ein von der Medienwissenschaftlerin und Wissenschaftshistorikerin Susanne Päch betriebener Spartensender für Wissenschaft und Technologie.

Rainer Blatt ist Quantenphysiker -und ziemlich dezidiert, wenn es um seine Forschungsdisziplin geht. Er hält nichts vom "Mystizismus", wie er sagt, den die Theorie seit ihren Anfängen bis heute noch umgibt. Die Welt der Wissenschaft hielt sie zuerst einmal für experimentell nicht beherrschbar. Die Quantenphänomene galten als eine Art Parallelwelt, die so gar nicht in unsere beobachtbare Wirklichkeit passt. Niels Bohr meinte deshalb noch in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts: "Wer über die Quantenwelt nicht entsetzt ist, der hat sie nicht verstanden". Die Materie löst sich darin in Bewegung auf, schlimmer noch: Werner Heisenberg konfrontierte die Welt mit der Unschärfe-Relation, die sagt, dass Materie – immer auch Welle zugleich – nur mit einer der beiden Zustandsgrößen experimentell exakt bestimmbar und daher auch messbar ist. Die jeweils andere geht im Rauschen der Unbestimmtheit unter. Der denk-gewaltige Ludwig Josef Johann Wittgenstein äußerte noch Anfang des 20. Jahrhunderts: "Die Welt ist alles, was der Fall ist"; Anton Zeilinger, der den Quanten-Ruhm des Innsbrucker Standortes, an dem auch Blatt tätig ist, maßgeblich initiierte, setzt da hundert Jahre später nicht minder wort-gewaltig noch eins drauf: "Die Welt ist alles, was der Fall ist – und auch alles, was der Fall sein kann."

Auch Albert Einstein hatte seine liebe Mühe, die Welt der Quantenphysik mit seiner Sicht der Welt zur Deckung zu bringen. Er war ein öffentlich bekennender Kritiker der Quantenmechanik, schob sie – bei allem wissenschaftlich ernst genommenen Respekt für die Quantenphysiker – doch in die Welt der Phantasie. Ihn störte vor allem ein Effekt, der aus der schon in den dreißiger Jahren theoretisch erforderlichen "Quanten-Verschränkung" hervor ging: Er sagt, dass Veränderungen der Quantenzustände isolierter Teilchen in allen damit verschränkten Teilchen "instantan" – also gleichzeitig – auftreten. Heute nennt man dies die "Quanten-Teleportation": Der Entdecker der Lichtgeschwindigkeit als maximaler Geschwindigkeit von Teilchen, sprach von der "spukhaften Fernwirkung". Das Zitat entlockt Blatt heute nur ein fast schon genervtes "Ich halte nichts davon". Viel mehr dagegen hält er von Experimenten, mit denen man die Quantenwelt inzwischen immer besser und sehr real unter Kontrolle bringen kann – ganz gleich, was da im Untergrund passieren möge und ob wir das jemals wirklich begreifen können. Das andere Feld überlässt er gern den Philosophen, deren manchmal auch ins Surreale gehende Interpretationen ihn selbst so gar nicht interessieren. Vielleicht ist diese Einstellung die beste Voraussetzung für den gewaltigen Fortschritt, den die Quantentechnologien im Zeitalter der Quanten-Verschränkung und der damit zusammen gewachsenen Quanten-Teleportation nehmen. Auch diese klingen für den in der makroskopischen Wirklichkeit verorteten Menschen reichlich skurril, aber der Effekt bietet inzwischen auch massive technologische Perspektiven. Quantencomputing ist das Ziel, ein Betriebssystem für Quantenrechner, die immer dann, wenn es um das Handling von großen Datenmengen geht, dank ihrer wesentlich höheren Speicherkapazitäten den rasch heiß laufenden Digitalrechnern künftig den Rang ablaufen werden. Zweifeln muss man daran nicht, doch ob es noch fünf oder fünfzehn Jahre dauern wird, bis brauchbare Quantencomputer auf dem Markt sein werden, darüber lässt sich streiten. Eigentlich ist es nur noch eine Frage der Ressource Mensch. Der Hype auf die Quantentechnologie bei jungen Forschern und Entwicklern in der Industrie mag ein Indiz dafür sein, dass es schneller gehen wird, als manch vorsichtiger Geist heute noch erwartet.

Innsbruck ist ein Hotspot dieser Forschungsdiszplin – und irgendwie hofft die Wissenschafts-Community hier auch, einen Nobelpreis für die großen hier geschaffenen Leistungen einheimsen zu können. Allerdings wird der altehrwürdigen Auszeichnung höchst forschender Tätigkeit im Zeitalter der modernen Wissenschaftsstruktur irgendwie der Boden entzogen. Forschung am Rande unserer Erkenntnis funktioniert fast in allen Diszplinen der Naturwissenschaft nur noch im Team und selbst die Grenzen zwischen theoretischer und experimenteller Arbeit verfließen. Dem trägt das von der Akademie der Wissenschaften und der ortsansässigen Universität gegründete Innsbrucker Institut für Quantenoptik und Quanteninformation Rechnung, in dem Theoretiker und Experimentatoren Hand in Hand zusammen arbeiten. Die kurzen Wege führen schneller zum Ziel. Lässt sich wissenschaftliche Innovation heute also überhaupt noch an einzelnen Köpfen festmachen? In Boulder Colorado jedenfalls, dem Wirkungsfeld von David J. Wineberg, Nobelpreisträger im Jahr 2012, gehörte auch Blatt zu jenem Team, das die Quantenphysik der Atome auf eine experimentelle Stufe hob: In einer Ionenfalle haben sie dort ein ionisiertes Beryllium-Atom durch Laserbestrahlung zwischen Spiegeln in eine Stehwelle, also praktisch zum Stillstand gebracht und dann durch weitere Laserbestrahlung so manipuliert, dass das Ion in einem möglichst stabilen Überlagerungszustand gehalten wurde. Dafür muss das ionisierte Atom einen Energiewert halten, der genau zwischen zwei Quantenzuständen liegt. Und manch einer sagt, die Leistung von Wineland wäre ohne das gesamte Team hinter ihm nicht möglich gewesen…

Blatt wollte noch mehr. Denn theoretisch legten Peter Zoller und Ignacio Cirac in Innsbruck Mitte der neunziger Jahre den Grundstein einer wichtigen Erkenntnis. Sie berechneten, dass sich ein Atom in diesem Überlagerungszustand mit einem anderen Atom in Überlagerungszustand verschränken lässt. Anders gesagt: Quanten-Teleportation ist möglich, wenn es gelingt, mehr als ein Atom in einer Ionenfalle zu überlagern. Die in Formeln gefasste Schlussfolgerung: Verschränkte Atome können grundsätzlich als Parallelspeicher für Rechenoperationen dienen. Soweit also die Theorie. Die Vorstellung elektrisierte den Macher Blatt, der inzwischen in Innsbruck sesshaft geworden war: Wie ist es möglich, mehrere Atome in einer Falle zu verschränken? Es brauchte jahrelanges Tüfteln und Probieren, aber 2004 konnte die sensationelle Meldung veröffentlicht werden: In den Innsbrucker Labors war es erstmals gelungen, drei Atome nicht nur in Quantenüberlagerung zu verschränken, sondern sie in diesem Zustand auch noch kontrolliert zu manipulieren. Die experimentelle Tür zu den QuBits war aufgestoßen.

Heute ist die atomare Verschränkung und die Quanten-Teleportation in Blatts Laboren "state of the art". Dennoch gibt es für die Forschung ein weites Aktionsfeld. Die Komplexität des Gesamtsystems, die Aufrechterhaltung der Verschränkung von mehreren Atomen in einer Falle, aber auch die Fehlerkorrektur-Verfahren mit dem laufenden Eingriff ins so instabile Quantensystem oder die Übertragung der Quantenzustandsinformation aus einem Atom mit Photonen in konventionelle Netzwerke hinein – alles das, ist weder theoretisch noch experimentell wirklich voll im Griff – und für den Außenstehenden kaum noch fassbar. In meiner Sendung aus Innsbruck habe ich dennoch versucht, die komplexe forschende und denkende Welt von Rainer Blatt zumindest andeutungsweise transparent zu machen. Klar, dass die dafür so grundlegende Quanten-Teleportation an die Grenzen dessen geht, was für den Nicht-Quantenphysiker noch vorstellbar ist. Es ist dennoch einen Versuch wert, diese Welt wenigstens zu erahnen, denn das, was da gerade passiert, ist faszinierend, spektakulär und technologisch hoch relevant zugleich. Aber bitte auch das: In Sachen Quanten-Teleportation nicht zu hoch fliegen! Sonst gibt es nur Enttäuschung. Wer glaubt, dass sie das Tor zur Teleportation à la Captain Kirk aufstößt, der wird von Blatt gleich eines Besseren belehrt und ziemlich hart auf den Boden der realen Tatsachen zurückgeholt. Schade eigentlich!

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