Tiefseebergbau: Schätze in der Tiefe
Auf dem Grund der Weltmeere, in lichtlosen Tiefen, liegen erstaunliche Schätze – Gold, Silber, Kupfer, Kobalt und seltene Erden. Seit mehreren Jahrzehnten planen Staaten oder Firmen, diesen Reichtum an die Oberfläche zu holen. Aber ganz so einfach ist das nicht. Deshalb wird bisher in der Tiefsee ausschließlich Öl und Erdgas gewonnen, alle anderen Rohstoffe sind noch unangetastet. Die reichen Metallvorkommen haben zwar Begehrlichkeiten geweckt, aber der kommerzielle Abbau hat bisher nirgendwo begonnen. Das liegt aber wohl weniger an den Bedenken der Umweltschützer, die unabsehbare Folgen für die Ökosysteme der Tiefsee befürchten, als mehr an den technischen Schwierigkeiten des Abbaus.
In der Tiefsee gibt es drei ganz unterschiedliche Arten von Lagerstätten: die Kobaltkrusten, die Manganknollen und die Massivsulfide. Kobaltkrusten bilden steinharte Beläge an den Hängen untermeerischer Vulkane, und zwar vor allem dort, wo starke Strömungen das Absetzen von Sedimenten verhindern. Die Krusten wachsen außerordentlich langsam, die Schichtdicke erhöht sich dabei in einer Million Jahre maximal um fünf Millimeter. Es ist also kein Wunder, dass sie nirgendwo mehr als 26 Zentimeter dick sind. Streng genommen ist der Ausdruck »Kobaltkruste« etwas missverständlich, denn die Krusten bestehen vorwiegend aus Eisen und Mangan. Der Kobaltanteil beträgt weniger als ein Prozent. Weil das stahlgraue Schwermetall aber für Lithiumbatterien und für verschiedene elektronische Bauelemente unentbehrlich ist, macht es die Krusten kommerziell erst interessant. Sie sind nicht gerade selten, ihre Gesamtmasse dürfte sich in Milliarden Tonnen bemessen.
Die schwarzen, tennisball- bis blumenkohlgroßen Manganknollen liegen in einigen flachen Tiefseebecken einfach auf dem Meeresboden herum. Auch hier ist der Hauptbestandteil Eisen und Mangan. Man könnte sie mit einem gigantischen Staubsauger oder Rechen einsammeln und an die Oberfläche bringen. Bei durchschnittlich etwa 15 Kilogramm Knollen pro Quadratmeter müsste man aber schon sehr große Flächen abgrasen, um nennenswerte Mengen zu ernten. Zurzeit ist das ohnehin eine eher theoretische Überlegung. Die Welt braucht im Moment weder Eisen noch Mangan so dringend, dass sich der Abbau lohnen würde. Die Knollen enthalten zwar auch Nickel und Kupfer, aber diese Metalle sind auf dem Weltmarkt – im Moment jedenfalls – so billig zu haben, dass sie die Rechnung nicht wesentlich verändern.
Das Video von »Verge Science« befasst sich ausschließlich mit der dritten Sorte von Lagerstätten, den Massivsulfiden. Jene sehr metallreichen Ablagerungen sind ein Produkt der so genannten hydrothermalen Schlote in der Tiefsee. Das sind eine Art kochender Quellen, aus denen bis zu 400 Grad Celsius heißes Wasser aus dem Boden tritt. Wegen des hohen Wasserdrucks in der Tiefe bleibt das Wasser auch bei solcher Temperatur flüssig.
Diese Quellen findet man in untermeerischen vulkanischen Regionen, und zwar vorwiegend in der Gegend der mittelozeanischen Rücken. Die unterseeischen Gebirgsketten ziehen sich durch alle Ozeane an den Nahtstellen der großen Platten, aus denen die Erdkruste besteht. Früher sprach man von Kontinentalplatten, aber einige davon, wie die pazifische Platte, bestehen ausschließlich aus ozeanischer Kruste, weshalb die Bezeichnung Lithosphärenplatten genauer ist. Die eher starren Platten bewegen sich auf dem zähflüssigen Gestein des darunterliegenden Erdmantels. Sie führen einen unendlich langsamen Tanz auf, in dem sich aufeinander zu, voneinander weg und aneinander vorbeibewegen. Überall dort, wo in den Ozeanen die Platten auseinanderstreben, strömt heißes Magma aus dem Erdmantel nach, bildet neue ozeanische Kruste und türmt die mittelozeanischen Rücken auf. Durch viele Spalten in der jungen Kruste versickert Meerwasser im Boden, trifft dort auf das heiße Magma, erhitzt sich und steigt wieder auf, um an den hydrothermalen Schloten erneut an die Oberfläche zu kommen. Auf dem Weg durch das Gestein löst das heiße Wasser Schwefel und verschiedene Metalle. Wenn es mit dem nur zwei Grad Celsius warmen Wasser des Meeresbodens zusammentrifft, fallen die gelösten Metalle als Schwefelverbindungen (Sulfide) aus und bilden eine schwarze Wolke. Deshalb spricht man auch von schwarzen Rauchern.
Im Lauf der Zeit ergeben die ausgefällten Stoffe einen bis zu mehrere dutzend Meter hohen Schlot und lagern sich in meterdicken Schichten in der Umgebung ab. Je nach den örtlichen Gegebenheiten setzt sich der Schlot nach Jahrzehnten bis Jahrtausenden mit Ablagerungen zu, und der Wasseraustritt stoppt.
Ein Schlot steht selten allein, und so bilden die Raucherfelder nach und nach mehrere Quadratkilometer große, teilweise 70 Meter dicke Ablagerungsfelder, die schon erwähnten Massivsulfide. Sie enthalten vor allem Eisen, aber mitunter auch große Mengen an Gold, Silber, Kupfer und seltenen Erden, je nachdem, welche Metalle das Wasser aus dem Fels lösen konnte. Die Gesamtlänge aller mittelozeanischen Rücken beträgt mindestens 65 000 Kilometer, und so sind Massivsulfide nicht gerade selten. Und das macht sie zum vorrangigen Ziel für den Unterseebergbau.
Die Pläne der Bergbauunternehmen alarmieren wiederum die Umweltschützer, denn in der Umgebung der schwarzen Raucher existieren absolut einmalige, bisher noch wenig erforschte Ökosysteme. Würde man die Massivsulfide abfräsen, zu Schlamm zermahlen und an die Oberfläche befördern, sterben diese Lebensgemeinschaften. Bei genauem Hinsehen stellt sich die Sache allerdings etwas komplizierter dar. Schwarze Raucher tauchen relativ plötzlich auf und verschwinden erneut. Es kommt auch immer wieder vor, dass emporquellendes Magma den Rauchern und dem gesamten Leben am Meeresgrund ein abruptes Ende bereitet.
Die Lebensgemeinschaften müssen also in der Lage sein, sich schnell anzusiedeln und weiterzuwandern. Sie würden den Bergbau wahrscheinlich überstehen, wenn er nicht gerade ganze Regionen verwüstet. Außerdem würden die Bergbaufirmen wohl zuerst erloschene Raucherfelder abbauen, denn 400 Grad heißes Salzwasser, das teilweise den pH-Wert von Magensäure hat, würde den Bergbaumaschinen schwer zusetzen. Anderseits wohnen auf den älteren Massivsulfiden ebenfalls ganz spezifische Lebensgemeinschaften. Sie entwickeln sich im sehr kalten Wasser aber vermutlich deutlich langsamer. Der Tiefseebergbau würde sie dann stärker und länger beeinträchtigen. Dazu gibt es bisher jedoch kaum Untersuchungen.
Vorläufig ist die Gewinnung der Metalle vom Meeresgrund aber noch so teuer, dass großflächige Verwüstungen nicht zu erwarten sind. Das kanadische Unternehmen Nautilus Minerals, ein Pionier des kommerziellen Tiefseebergbaus, hat nach vielen Verzögerungen und Rückschlägen am 22. Februar 2019 Schutz vor Gläubigerforderungen beantragt.
Die japanische Regierung überlegt zurzeit, ob sie Abbaulizenzen für ein gewaltiges Tiefseevorkommen von seltenen Erden vor der isoliert liegenden japanischen Pazifikinsel Minami-Torishima vergeben soll. In 5800 Meter Tiefe liegen dort nach aktuellen Schätzungen mehr als zehn Millionen Tonnen seltene Erden, die für die Elektronikindustrie unentbehrlich sind. Bis zu einem kommerziellen Abbau werden wohl noch einige Jahre ins Land ziehen, das Vorkommen soll zunächst weiter erkundet werden.
Deutschland hat sich von der ISA (International Seabed Authority) zwei Explorationslizenzen gesichert. Sie erlauben es, in internationalen Gewässern auf insgesamt 75 000 Quadratkilometern die Rohstoffreservoirs zu erkunden. Aber selbst wenn sie reiche Vorkommen entdecken – der Abbau ist vorläufig nicht erlaubt. Bis heute hat die ISA noch keine Abbaulizenz vergeben. Jeder Abbau von Tiefseerohstoffen in internationalen Gewässern wäre damit illegal.
Das Video von »Verge Science« behandelt das Thema eher oberflächlich und etwas flapsig. Als kurze Einführung in das Thema ist es aber durchaus geeignet. Wer sich näher mit den Lebensgemeinschaften an den schwarzen Rauchern und mit den Rohstoffvorkommen der Tiefsee befassen möchte, wird auf Spektrum.de schnell fündig.
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