Dokumentation: Schneeleoparden in Tibet
Das tibetische Hochland gehört zu den unwirtlichsten Gegenden in Asien. Und doch wohnen hier erstaunlich viele Tiere, die sich an das Leben in mehr als 3000 Meter Höhe hervorragend angepasst haben. Der Film der österreichischen Terra Mater Factual Studios befasst sich mit den Schneeleoparden, einer Art aus der Gattung der Eigentlichen Großkatzen. Dazu rechnet man unter anderem die Leoparden, die Löwen, die Tiger und die Jaguare. Anders als der Name nahelegt, ist der Schneeleopard enger mit Löwen oder Tigern als mit den afrikanischen Leoparden verwandt.
Sein Lebensraum ist unter seiner Gattung einmalig. Er lebt in 2000 bis 4000 Meter Höhe in den Hochgebirgen Innerasiens. Die Tiere sind Einzelgänger, die ein gigantisch großes Territorium durchstreifen. 150 Quadratkilometer sind für die etwas kleineren Weibchen nur Durchschnitt, die Männchen beanspruchen oft mehr als 200 Quadratkilometer. Bis zu 1000 Quadratkilometer und mehr sind schon beschrieben worden. Die Territorien von Männchen und Weibchen überlappen sich. Der Film zeigt Szenen aus dem Leben von Schneeleoparden in der chinesischen Provinz Qinghai (gesprochen wie »Tsinghai«). Der Lebensraum der Schneeleoparden verteilt sich auf zwölf Länder, mindestens die Hälfte liegt jedoch in China.
Die Art gilt als gefährdet. Laut der International Union for the Conservation of Nature (IUCN) teilen sich nur 2700 bis 3400 Tiere den riesigen Lebensraum; andere Angaben reichen bis etwa 8700 Exemplare. Die genaue Zahl ist schwer zu schätzen. Nach einer aktuellen Veröffentlichung könnte der tatsächliche Bestand sogar noch wesentlich geringer sein als bisher vermutet. Das seltene Tier ist inzwischen überall geschützt. Trotzdem ist es vor Nachstellungen nicht sicher. Hirten schießen immer noch auf Schneeleoparden, die ihre Herden angreifen. Auch das Fell der Großkatzen erzielt gute Preise, und die Knochen gelten in der traditionellen chinesischen Medizin als Heilmittel.
Der Film erwähnt ausdrücklich, dass in den Schutzgebieten des chinesischen Tibetplateaus Schneeleoparden, Tibetbären, Tibetfüchse und Himalaja-Wölfe seit 2006 nicht mehr getötet werden dürfen. Ihre Bestände sollen sich inzwischen erholt haben. Eine unabhängige Bestätigung dafür ist nicht zu bekommen, die IUCN beschreibt die Anzahl der Schneeleoparden als abnehmend.
Es wäre also durchaus möglich, dass diese Aufnahmen zu den letzten gehören, die den Schneeleoparden noch in freier Wildbahn zeigen. Das tröstet etwas darüber hinweg, dass die Filmsequenzen teilweise von minderer Qualität und weitgehend unspektakulär sind. Man sieht die bedrohten Tiere bei der Jagd, beim Liebeswerben und bei der Paarung im Frühjahr. Im Juni werden die Jungen geboren und lugen zunächst vorsichtig aus ihrem Nest, einer kleinen Felsenhöhle. Leider umfasst der Film nur den ersten Sommer der Familienidylle. Die Mutter versorgt ihre Jungen bis zum Alter von etwa 18 bis 24 Monaten und bringt sie damit durch die ersten beiden Winter. Danach sind sie auf sich gestellt. Der Film konzentriert sich nicht allein auf Schneeleoparden, er zeigt auch umherstreifende Tibetbären, einen Tibetfuchs bei der erfolgreichen Jagd auf einen Pfeifhasen und ein Rudel Wölfe beim Versuch, ein Jungtier aus einer Yakherde zu holen. Für die Hirten sind die Raubtiere mehr als nur ein Ärgernis, denn sie leben in jeder Hinsicht von ihren Yaks. Die großen Rinder, auch als Grunzochsen bekannt, liefern ihnen Milch, Wolle und Fleisch. Mit dem Dung heizen die Menschen ihre Häuser, denn Holz ist in dieser Höhe Mangelware.
Der Film wurde ausschließlich auf dem Gelände des geplanten chinesischen San-jiang-yuan-Nationalparks in der Provinz Qinghai gedreht. China baut seit 2016 ein System von Nationalparks auf, und der San-jiang-yuan (Quellen der drei Flüsse) wird mit seinen 123 100 Quadratkilometern ungefähr eine Fläche von Hessen, Bayer und Baden-Württemberg bedecken. Für die dort lebenden Familien von Yakhirten wird damit vermutlich das Ende ihrer traditionellen Lebensweise anbrechen, denn die chinesische Regierung erwägt ihre Umsiedlung. Noch im Jahr 2020 soll der Park offiziell eröffnet werden. Ob das reicht, um die Schneeleoparden zu retten, ist unklar. Die globale Erwärmung hat die Temperaturen auf dem tibetischen Hochplateau in den letzten 20 Jahren um drei Grad in die Höhe getrieben. Beutetiere wandern ab, die Wasserversorgung verändert sich. Die Raubkatzen könnten dadurch in naher Zukunft bis zu einem Drittel ihres Lebensraums verlieren. Dieses Thema schneidet der Film leider nicht an.
Die Landschaftsbilder sind teilweise grandios, aber bei einem Film mit dem Titel »Das Jahr des Schneeleoparden« erwartet man deutlich mehr Fakten über die Verbreitung und den Schutz der gefährdeten Großkatzenart. Der Kommentar versucht dagegen eher eine Art mythische Naturstimmung zu erzeugen und geizt mit konkreten Informationen. Sehenswert für Naturliebhaber ohne allzu hohe Ansprüche. Die Dokumentation läuft am Mittwoch, 21.10. um 20:15 auf Servus TV und ist anschließend in der Mediathek abrufbar.
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