Sciencefiction: 40 Jahre »Alien« - und kein Ende absehbar
Vor rund 120 Jahren veröffentlichte der englische Schriftsteller H. G. Wells seinen Roman »Der Krieg der Welten«. Darin lässt er krakenartige Marsbewohner die Erde erobern. Das Publikum war fasziniert, und bald gehörten bedrohliche Außerirdische zum festen Bestandteil des Sciencefiction-Genres. So gesehen brachte der Film »Alien – das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt« bei seinem Kinostart keine wirklich neuen Ideen auf die Kinoleinwand. Trotzdem wurde er zu einem Welterfolg und begründete eine Filmreihe, zu der bis heute sechs Filme und zwei Crossovers zählen. Gleich drei Beteiligte wurden weltberühmt: Der englischen Regisseur Ridley Scott, die amerikanische Hauptdarstellerin Sigourney Weaver und der 2014 verstorbene Schweizer Surrealist Hans Rudolf Giger, bekannt unter dem Künstlernamen HR Giger.
Die Grundidee des Plots ist ein klassisches Horrormotiv: Eine Gruppe von nichtsahnenden Normalbürgern trifft auf ein Monster, und sie realisieren erst viel zu spät das Ausmaß der Bedrohung. In »Alien« sind die Protagonisten die Besatzung eines Frachtraumschiffs. Ein Notruf führt zu einem außerirdischen Raumschiff, von dem sie das absolute Grauen mit auf ihr Schiff nehmen. Das Monster tötet alle bis auf einen, der knapp entkommt. In einem Subplot stellt die Besatzung plötzlich fest, dass der Wissenschaftsoffizier in Wahrheit ein Android ist. Die Gesellschaft, für die das Frachtraumschiff fährt, hat ihn beauftragt, das Menschen fressende Alien lebend zu fangen, um damit viel Geld zu verdienen. Die Besatzung hingegen sei entbehrlich. Das Alien, so erklärt er, sei perfekt, und er bewundere es dafür. Das Monster ist nicht böse, es ist lediglich ein wildes Tier. Die Rolle des Bösen fällt hier den rücksichtslosen Topmanagern zu, die ihre Leute bereitwillig für den Profit opfern.
Ridley Scott steigerte meisterhaft das Tempo des Films. Von der willkommenen Unterbrechung der Routine durch den Notruf bis zur mittels Zeitzünder eingeleiteten Selbstzerstörung des Schiffs wird der Film immer schneller, unterbrochen von wohldosierten Ruhepausen für den Zuschauer. Gleichzeitig baut sich die zunächst völlig unterschätzte Bedrohung immer stärker auf. Dem Alien unterstellte der Film einen komplexen Lebenszyklus. Aus amphorengroßen, offenen Eiern springt zunächst ein »Facehugger«, eine Art Knochenhand mit Ringelschwanz. Er klammert sich im Gesicht eines unvorsichtigen Besatzungsmitglieds fest und fällt nach einem Tag tot ab. Aber da hat er im Wirt schon eine Larve platziert. In einer der berühmtesten Szenen der Filmgeschichte sieht man die unterarmlange Larve, wie sie sich aus dem Wirt herausbeißt und -gräbt. Binnen Stunden wächst sie zu einem zwei Meter großen, mörderischen Raubtier mit einem Hautpanzer oder Exoskelett heran. Der Entwurf des Aliens oblag HR Giger. Wie aber kommt ein Schweizer Künstler an einen Auftrag für einen amerikanischen Film? Regisseur Ridley Scott, so heißt es, war von Gigers »Biomechanoiden«-Zeichnungen ungeheuer beeindruckt. Deshalb beauftragte er ihn, das fremde Raumschiff und das Alien mit seiner kreativen Symbiose aus mechanischer und biologischer Formensprache zu gestalten. Das Ergebnis wirkte fremdartig und doch zugleich vertraut, ganz so, als hätte man das alles schon gesehen, nur nicht in dieser Zusammenstellung. Giger gewann den einzigen Oscar, den der Film erhielt (für beste visuelle Effekte). Das Frachtraumschiff »Nostromo« gestaltete das Filmteam als idealen Zufluchtsort für mordlüsterne Aliens. Dunkle Gänge und vollgestellte enge Räume bieten überall ideale Verstecke. Wasser tropft, Rost liegt auf Schrauben und Rohren, in unaufgeräumten Werkräumen herrscht Durcheinander. Der Zweck vieler seltsamer Installationen bliebt unklar, und die spartanische Einrichtung der Krankenstation weckt den dringenden Wunsch, gesund zu bleiben.
Sigourney Weaver spielt Ripley als starke, intelligente und nervenstarke Frau, die auch unter extremem Druck überlegt handelt. Dabei wirkt sie aber niemals kalt und gefühllos. Trauer, Angst und Entsetzen muss sie erkennbar überwinden. Der Film und die Heldin trafen den Geschmack des Publikums. Damit war schnell klar, dass es Fortsetzungen geben würden. »Alien – die Rückkehr« (1986), »Alien 3« (1992) und »Alien – Wiedererweckung« (1997) spielten zwar im gleichen Universum, setzten aber andere Akzente. Sigourney Weaver spielte in jeder Folge die Hauptrolle, in denen sie nicht nur älter, sondern auch stets tougher und wortkarger wurde. Ridley Scott führte allerdings in keinem dieser Filme Regie. »Alien – die Rückkehr« war eher als Actionfilm angelegt, »Alien 3« brachte das heldenhafte Ende der Protagonistin. In »Alien – Wiedererweckung« wurde sie aus Geweberesten geklont und landete in einem militärischen Raumschiff. Grausame Wissenschaftler, gleichermaßen von Frankenstein wie von KZ-Ärzten inspiriert, versuchten, die DNA von Menschen und Aliens zu mischen, um Intelligenz mit Grausamkeit zu paaren. Nur mit allerletztem Einsatz verhinderte die Heldin, dass die Aliens die Erde erreichten. Die beiden letzten Filme, »Prometheus – Dunkle Zeichen« (2012) und »Alien: Covenant« (2017), wieder unter der Regie von Ridley Scott, spielen vor den Ereignissen in »Alien«. Ein neuer Film ist bereits in Arbeit, wird aber nicht vor 2021 in die Kinos kommen. Der mittlerweile 81-jährige Ridley Scott soll wieder die Regie übernehmen. In zwei weiteren, so genannten Crossover-Filmen mussten sich die Aliens mit dem Predator auseinandersetzen, einer intelligenten Spezies, die selbst gerne Menschen jagt.
Wenn man von dem hohen Unterhaltungswert der Filmreihe mal absieht – muss die Menschheit bei ihrem Weg ins All ernsthaft damit rechnen, einem solchen Wesen zu begegnen? Die Antwort lautet hier: Eher nein, aber es gibt eventuell doch ein Problem. Parasiten sind normalerweise an ihre Wirte gut angepasst. Der Mensch wäre damit für das Alien allenfalls ein so genannter Fehlwirt. Der Parasit nistet sich dort zwar ein, aber er findet keine passenden Bedingungen. Trotzdem kann der Wirt dabei gefährlich krank werden. Vermutlich wäre ein infizierter Mensch längst gestorben, bevor die Alienlarve die Größe erreicht, mit der sie durch die Bauchdecke seines Opfers bricht. Um so schnell zu wachsen, wie im Film gezeigt, müsste das Alien auch etwas essen oder trinken. Weil es ein Exoskelett wie ein Skorpion oder Krebs hat, würde es sich vielfach häuten müssen. Das kostet Zeit und Energie. Bis der neue Panzer aushärtet, wäre das Tier extrem verwundbar. Das Alien im Film ist ein Produkt der Vorstellungskraft von HR Giger, sehr überzeugend gestaltet, aber aus biologischer Sicht eher unmöglich. In den Filmen ab »Alien 3« tauchen immer wieder Hybride zwischen Aliens und ihren Wirten auf. Die genetische Vermischung zwischen Aliens und Menschen soll ebenfalls möglich sein, mit ziemlich widerlichen Ergebnissen, wie in »Alien – Wiedererweckung« gezeigt. Die Vorstellung von Mischwesen zwischen Menschen und Tieren oder auch verschiedenen Tieren ist uralt. Auf der schwäbischen Alb wurde 1939 die Skulptur eines Löwenmenschen entdeckt, vor fast 40 000 Jahren von einem unbekannten Künstler aus Elfenbein geschnitzt. Aber selbst die modernste Gentechnik macht solche Experimente nicht möglich. Eine Hybride zwischen Mensch und Alien wäre nicht lebensfähig. Selbst ein Android mit Gotteskomplex, wie in »Alien: Covenant« gezeigt, hätte keine Chance, Mischwesen solcher Art zu erschaffen. Wir dürfen uns also auch weiterhin wohlig gruseln – in der Gewissheit, dass es solche Aliens so wenig gibt wie Vampire, Werwölfe und Zombies.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.