Sciencefiction: Auf Raubzug durch die Galaxis
Ein riesiges ringförmiges Alienraumschiff landet in einem abgelegenen Gebiet der USA und lässt über sich eine Art Kristallturm wachsen, der entfernt an einen Weihnachtsbaum aus buntem Glas erinnert. Leider antworten die Aliens auf keine Kommunikationsversuche, sie sitzen einfach nur da, wochenlang, monatelang. Irgendwie stellt das findige US-Militär aber fest, dass die Aliens offenbar vom Sternsystem π canis majoris kommen. Folgerichtig beschließt die Regierung, das US-Raumschiff »The Salvare« (zu Deutsch: »Der Retter« oder »Der Erlöser«) mit FTL-Antrieb dorthin zu schicken. FTL steht für »faster than light«, und die Reise über die Entfernung von 96 Lichtjahren soll deshalb nur einige Monate dauern. Die Besatzung hat den Auftrag, mit den Aliens Kontakt aufzunehmen, um festzustellen, ob sie feindselig sind. Der Film betont mehrfach, dass es sich um die wichtigste Mission der Menschheit handelt. Trotzdem beschließt das Militär, lediglich die dritte Mannschaft der A-Jugend zu schicken – unter der Leitung der von Schuldgefühlen zerrissenen Trainerin Niko Breckinridge, gespielt von Katee Sackhoff. Ihr Mann leitet währenddessen die Wissenschaftlergruppe, die auf der Erde versucht, mit dem stummen Kristallturm der Aliens eine Verständigung aufzubauen.
Die eifrigen Jungspunde im Raumschiff sind allerdings mehr mit ihrem unausgeglichenen Hormonhaushalt als mit den Aliens beschäftigt. Keiner von ihnen fällt durch besondere fachliche Fähigkeiten auf. Über alle zehn Folgen der ersten Staffel hinweg kämpfen die Schauspieler mehr mit dem völlig konfusen Drehbuch als mit Aliens oder Havarien. Die Serienmacher haben sich großzügig bei Filmen wie »Arrival«, »Alien« oder »Star Wars« bedient. Auch Motive aus den Serien »The 100«, »Stargate« und »Nightflyer« sind unübersehbar. Aus diesen heterogenen Vorlagen hat die kanadische Produktionsfirma Halfire Entertainment eine Storyline zusammengestoppelt, die offenbar möglichst viele der erfolgreichsten Ideen kopieren soll. Spuren einer wissenschaftlichen Beratung sucht man vergeblich. So sollte es sich eigentlich herumgesprochen haben, dass vorbeischwebende Raumschiffe im Vakuum nicht die Triebwerksgeräusche startender Flugzeuge verursachen. Auch sonst stimmt technisch, physikalisch und astronomisch eigentlich nichts. Ein Beispiel: Bei dem Trip zum Alien-System taucht unerwartet eine Wolke aus Dunkler Materie auf. Sie ist so undurchsichtig, dass man sie umfliegen muss, weil man nicht weiß, was sich im Inneren verbirgt. Nun heißt Dunkle Materie aber nicht etwa so, weil sie alles verdunkelt, sondern weil sie selbst kaum wahrnehmbar ist. Ihre Existenz zeigt sich nur durch ihre Gravitationswirkung. Und dass dichte Dunkle Materie wie ein Aphrodisiakum wirken soll, ist so unsinnig, dass es schon fast witzig ist.
Will die Serie vielleicht absichtlich Sciencefiction-Klischees parodieren? Nein, sie nimmt sich leider vollkommen ernst. Die Dialoge klingen oft hölzern und aufgesagt. Im Grunde geht es auch nicht um Aliens und Raumschiffe, sondern um die Konflikte in einer Jugendgruppe auf einer unerwartet stressigen Reise. Das gäbe dem Drehbuch eigentlich Gelegenheit, die Reifung der Charaktere zu zeigen, aber davon ist nichts zu sehen. Lediglich für die Kommandantin Niko Breckinridge wird die Reise zu einer Rehakur, in der sie alle Fehler und Schuldgefühle ihrer Karriere aufarbeitet. Katee Sackhoff grimassiert sich dafür durch alle Stadien der Entschlossenheit und Verzweiflung. Ihre häufigste Textzeile lautet: »I am SORRY!« Teure CGI-Effekte sind rar, kurz und, bis auf die gelungene Anfangsszene mit dem landenden Alienraumschiff, eher unspektakulär. Alle Außenaufnahmen, ganz gleich ob sie auf der Erde oder auf einem fremden Planeten spielen, lassen erkennen, dass die Produktionsgesellschaft im Westen Kanadas zu Hause ist. Für größere Reisen oder teure Bauten reichte vermutlich das Budget nicht.
Immerhin könnte die Serie vielleicht den Preis für die mitfühlendste KI der Filmgeschichte gewinnen. Sie ist die gute Seele des Raumschiffs und erscheint in Form des Hologramms eines bärtigen Schwarzen, der für alle stets freundliche Worte bereit hat, besonders aber für Niko. Wir lernen zu unserem Erstaunen, dass auch KIs gelegentlich unter grässlichem Liebeskummer leiden. Übrigens können sie auch Kinder kriegen. Sie sind eben auch nur Menschen. Ist die Serie bis hierher einfach nur schwach, so gibt es einige Punkte, an denen sie ernsthaft bedenklich wird. Das Raumschiff hat eine mächtige Waffe an Bord, mit der es ohne Vorwarnung ganze Städte oder sogar Planeten auslöschen kann. Eine neue Dimension des Wettrüstens im Weltraum! Das scheint aber niemanden wirklich zu stören. Der Planet der Aliens soll nur zerstört werden, wenn es nicht anders geht. Die Entscheidung darüber obliegt einer dysfunktionalen Jugendgruppe auf Selbstfindungstrip. Sollten die Aliens bis hierher nicht feindselig gewesen sein, wäre jetzt sicher der richtige Moment dafür. Aber natürlich waren sie es bereits vorher und nicht nur das: Sie sind auch noch hinterhältig. Die Drehbuchautoren haben ihnen den Namen eines antiken Volkes verpasst, das vor langer Zeit ein hölzernes Pferd vor eine feindliche Stadt stellte. Vielleicht wähnte sich die Produktionsfirma auf der sicheren Seite, wenn sie die Erfolgsrezepte möglichst vieler Sciencefiction-Filme einfach zusammenrührt. In diesem Fall hätte sie es geschafft, ihre Arbeitshypothese überzeugend zu widerlegen.
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