Titan-Mission: Mit dem Oktokopter durchs Sonnensystem
Wie ist das Leben auf der Erde entstanden? Soviel auch über die heutigen Zustände und Probleme der Lebewesen auf unserem Planeten bekannt ist, der Ursprung des Lebens liegt trotz langjähriger Forschung immer noch im Dunkeln. Man weiß, dass die ersten Lebensformen relativ rasch nach der Abkühlung der Erde entstanden sind – aber nicht, welcher Art die chemischen Prozesse waren, die schließlich zur Herausbildung fortpflanzungsfähiger Organismen geführt haben. Auf der Erde hat sich die Oberflächenchemie seit diesen frühen Tagen auf Grund der Anwesenheit von Leben radikal gewandelt, so dass es ausgesprochen schwierig ist, die frühesten Prozesse zu rekonstruieren.
Nun gibt es einen Himmelskörper in unserem Sonnensystem, der eine ähnliche Mischung an Kohlenwasserstoffen aufweist wie die junge Erde: der Saturnmond Titan. Ein Wissenschaftlerteam um Elizabeth Turtle, Planetenwissenschaftlerin an der Johns Hopkins University in Laurel, Maryland, hat deshalb eine besondere Mission vorgeschlagen, um auf Titan, quasi wie auf einer Zeitreise zurück in die Vergangenheit unseres eigenen Planeten, dessen komplexe Kohlenwasserstoffchemie zu studieren. Dabei wollen die Forscher mit einer achtflügeligen Drohne namens »Dragonfly« auf Titan von Ort zu Ort fliegen. Während dieser Oktokopter auf dem Boden Messungen macht, lädt eine Radioisotopenbatterie seine Flugakkus wieder auf. Dann kann es Dutzende Kilometer weitergehen, und neue Messungen stehen an. Insgesamt rund zwei Jahre soll »Dragonfly« an ganz verschiedenen Orten auf Titan die physikalischen und chemischen Parameter studieren und dabei hoffentlich spannende Erkenntnisse über seine chemische Komposition liefern. Die NASA hat »Dragonfly« nun offiziell in ihr »New Frontiers«-Programm aufgenommen, zu dem auch die Raumsonde »New Horizons« zählt, die 2015 an Pluto vorbeigeflogen ist und die nun weiter die Außenbezirke unseres Sonnensystems durchforstet.
Titan ist nach dem Jupitermond Ganymed der zweitgrößte Mond im Sonnensystem und der einzige mit einer dichten Atmosphäre. Zwar ist die Atmosphäre von Titan wegen der großen Entfernung zur Sonne sehr kalt und deshalb reaktionsträge. Aber auf der Oberseite der dichten Wolkenschicht kann die UV-Strahlung der Sonne komplexe chemische Reaktionsketten auslösen, wie sie vermutlich auch auf der jungen Erde stattgefunden haben. Die Bedingungen für ein fliegendes Gerät sind auf Titan optimal: Die Schwerkraft ist ungefähr so groß wie auf dem Erdmond. Man muss im Vergleich zur Erdoberfläche nur rund ein Siebtel an Kraft aufbringen, um abheben zu können. Trotz dieser geringen Schwerkraft ist die vor allem aus Stickstoff und Methan bestehende Atmosphäre sehr dicht. Von allen Felskörpern im Sonnensystem – also abgesehen von den großen Gasplaneten – hat nur die Venus eine dichtere Atmosphäre. Der Luftdruck auf Titan ist um rund die Hälfte höher als auf der Erde und die Dichte sogar um den Faktor fünf – perfekte Bedingungen, um mit Hilfe von Rotoren Auftrieb zu erzeugen. Sogar Menschen könnten auf Titan fliegen, wenn sie Flügel hätten.
Die »Dragonfly«-Mission verspricht faszinierende Einblicke. Sollten sogar einfache Lebensformen auf Titan entstanden sein, könnte »Dragonfly« sie anhand chemischer Signaturen finden. Im Gegensatz zu Rovern kann eine solche Drohne einen viel größeren Bereich der Oberfläche untersuchen. Dafür kann ein fliegendes Labor natürlich trotz der guten Bedingungen auf Titan nur ein vergleichsweise abgespecktes Instrumentarium mit sich herumschleppen. Die ingenieurtechnischen Herausforderungen für ein solches Fluggerät, das auch einen Raketenstart und den Eintritt in die Titan-Atmosphäre überstehen muss, sind beachtlich. Aber wenn im Jahr 2026 die Mission wie geplant startet und 2034 bei Titan ankommt, wird hoffentlich erstmals eine menschengemachte Drohne über einen anderen Himmelskörper surren.
Den Artikel zur Dragonfly-Mission finden Sie hier.
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