Doku: Traumlandschaft mit Pumas
Patagonien ist eine außergewöhnlich vielgestaltige Landschaft, die den gesamten südlichen Teil Lateinamerikas umfasst. Man findet dort Wälder, kühle und kalte Steppen, Wüsten, aktive Vulkane, Fjorde, Hochgebirge und zwei ausgedehnte Eisschilde, die von der letzten Eiszeit übrig geblieben sind. Ungefähr neun Zehntel der Fläche liegen in Argentinien, das restliche Zehntel in Chile. Das Gebiet ist sehr dünn besiedelt: Auf der dreifachen Fläche Deutschlands verteilen sich zwei Millionen Menschen. Rund die Hälfte davon wohnen in den drei größten Städten der Region, so dass in den meisten Gegenden weniger als ein Mensch pro Quadratkilometer lebt. Man könnte also meinen, es handle sich um ein Naturparadies, aber der wichtigste Teil der eher trockenen Gebiete ist im Privatbesitz und wird, wo immer möglich, für die Weidewirtschaft genutzt. Trotzdem ist durchaus genügend Platz für Raubtiere, unter denen der Puma das größte ist.
Die zu den Neuweltkatzen zählenden Pumas leben fast in ganz Amerika, von Kanada im Norden bis zur Magellanstraße an der Spitze Südamerikas. Im gesamten Osten und in Teilen des mittleren Westens Nordamerikas sind sie bereits ausgerottet, aber in Südamerika finden sie sich vom tropischen Dschungel Brasiliens bis zum kalten und trockenen Südwesten Chiles. Sie jagen im Flachland ebenso wie im Hochgebirge, bis über die Baumgrenze hinaus. In Amerika heißen Pumas auch Berglöwen oder, wegen der Fellfarbe, Silberlöwen. Anders als bei Hauskatzen ziehen sich ihre Pupillen rundlich zusammen. Sie verfügen über ein außergewöhnliches Sprungvermögen und können fast aus dem Stand mehr als fünf Meter hoch auf einen Baum oder einen Felsen springen. Trotz dieser erstaunlichen Eigenschaften sind Pumas in Deutschland hauptsächlich für ihren üblen Geruch bekannt und das wohl weitgehend zu Unrecht. Es war also eine gute Idee der österreichischen Produktionsgesellschaft Terra Mater Factual Studios, eine zweiteilige Dokumentation über diese vielseitigen Raubtiere zu erstellen.
Die Dokumentation spielt komplett im 2400 Quadratkilometer großen chilenischen Nationalpark Torres del Paine, zu deutsch etwa »Türme des blauen Himmels«. Namensgebend sind drei majestätisch und steil aufragende Granitwände, die zwischen 2600 und 2850 Metern hoch sind. In der grandiosen Landschaft aus Seen, Wäldern, Grasland, Gebirge und Gletschern entfaltet sich das Leben der Pumas. Man sieht Mutter Puma mit Babys auf der Jagd, bei der widerwilligen Überquerung eines Flusses, beim Liebeswerben. Das Weibchen, im Film Solitaria genannt, ist allein erziehend. Pumas sind Einzelgänger, Männchen beteiligen sich nicht an der Brutpflege, sie widmen sich ganz dem Erhalt ihres dutzende Quadratkilometer umfassenden Reviers.
Aber natürlich leben auch andere Tiere im Park, zum Beispiel die mit den Lamas verwandten Guanakos. Sie streifen in Herden von zirka 10 bis 30 Weibchen und einem männlichen Leittier durch die Gebirgslandschaft. Obwohl Guanakos deutlich größer und schwerer sind als Pumas, stehen sie ganz oben auf dem Speisezettel der Raubkatzen. Ab und zu zeigt der Film auch die Andenkondore, die zu den größten Greifvögeln der Welt zählen.
Leider bietet die Dokumentation über die wunderschönen Bilder hinaus nur wenig konkrete Informationen. Der Kommentar beschränkt sich über lange Strecken auf eine Art mythisches Raunen und spart mit konkreten Information über das Leben der Tiere. Es wird nie klar, ob der Film eine magische Natur beschwören, das Leben der Pumas dokumentieren oder die kindgerechte Abenteuergeschichte von Solitaria erzählen will. Er bleibt irgendwo in der Mitte stecken. Der eingesprochene Text versucht, aus den Bildern eine stimmige Geschichte zu konstruieren. Dabei vermenschlicht er die Tiere so stark, dass streckenweise ein schiefer Eindruck entsteht. Ist die Mutter der jungen Pumas tatsächlich, wie behauptet, plötzlich verschwunden, oder ist dies das normale Verhalten der einzelgängerisch lebenden Tiere? Versucht eines der jungen Pumaweibchen daraufhin wirklich, »die Familie zusammenzuhalten«? Beobachten die Andenkondore die Kinderstube der Pumas aus der Luft? Die im Filmtitel erwähnten Legenden kommen im Film nicht vor. Das ist schade. Wir erfahren nicht, welche magischen oder göttlichen Eigenschaften die ansässigen Indianerstämme den Raubkatzen zuordnen oder welche Sagen sie sich darüber erzählen.
Die Dokumentation hätte vielleicht auch erwähnen sollen, dass die chilenische Regierung den Nationalpark Torres del Paine zur Touristenattraktion ausgebaut hat. Im Jahr 2016 besuchten mehr als 250 000 Menschen den Park. Ein Netz von ausgebauten Wanderwegen mit Schutzhütten sorgt dafür, dass sie die grandiose Aussicht ohne allzu große Anstrengungen und Gefahren erleben können. Die Tieraufnahmen sind also nicht »am Ende der Welt« in einer ungestörten Natur entstanden, wie der Erzähltext suggeriert. Servus TV schreibt, die zweiteilige Sendung zeige »die dramatische Geschichte einer Pumafamilie«. Das ist richtig, und sie bietet den Zuschauern mit teilweise grandiosen Bildern eine Art meditatives Naturerlebnis. Eine wissenschaftlich ausgerichtete Dokumentation sollte man aber nicht erwarten.
Der zweiteilige Film »Pumas – Legenden der Anden« läuft auf Servus TV ab Mittwoch, 17. Juni im Abendprogramm.
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