Freier Fall: Völlig losgelöst: Musikvideo in der Schwerelosigkeit
Menschen in Schwerelosigkeit – genauer: in der Mikrogravitation, in der die Schwerkraft eben nur fast aufgehoben ist – hat man heutzutage schon oft gesehen, meist in den schönen Videos der Astronauten auf der Internationalen Raumstation ISS. Aber so überkandidelt, wie sie in diesem Musikvideo daherkommen?
Die US-amerikanische Rockband OK Go dürfte für ihre Musikvideos bekannter sein als für ihre Musik. Mal zeigen die vier Künstler eine low-budget-Produktion, in der sie, gefilmt mit einer einzigen Kameraeinstellung, acht Fitness-Laufbänder strapazieren (Here it goes again), mal einen Clip, in dem selbststabilisierende Einräder eine Hauptrolle spielen (I won't let you down), und mal rasen sie durch einen gigantischen Klangparcours, der sich irgendwo zwischen Musikvideo und Auto-Werbespot (Sponsor in der Tat: Chevrolet) positioniert (Needing/Getting).
Da war es abzusehen, wohin die Liedzeile "Gravity’s just a habit that you’re pretty sure you can't break" aus ihrem Song "Upside Down Inside Out" die Band bringen würde. Schwerkraft ist eben nicht mehr als eine Gewohnheit, mit der es auch einmal zu brechen gilt. Zum Beispiel an Bord eines Flugzeugs des russischen Kosmonauten-Trainingszentrums: Dieses Musikvideo drehte die Band während eines Parabelflugs und damit in so gut wie schwerelosem Zustand.
Innerhalb einer geschlossenen Kabine ist in guter Näherung nicht zu unterscheiden, ob sie komplett schwerelos dahinschwebt, weit entfernt von allen Gravitationsquellen, oder sich im freien Fall befindet. Diese Ununterscheidbarkeit verdankt sich dem sogenannten Äquivalenzprinzip, das wiederum Grundlage der Allgemeinen Relativitätstheorie ist, Albert Einsteins geometrischer Theorie von Raum, Zeit und Gravitation.
Bereits Newtons Gravitationstheorie kennt die Universalität des freien Falls. Wenn alle Dinge in trauter Eintracht nebeneinander herfallen – im Video also Musiker, Flugzeugkabine, Laptops, tanzende Stewardessen und farbgefüllte Ballons –, dann verschwindet eben der Großteil der Gravitationseinflüsse.
Dasselbe geschieht in der Raumstation. Es ist keineswegs die fehlende Gravitation, welche die Astronauten darin sanft schweben lässt. Schließlich herrschen auch in 400 Kilometer Höhe immer noch knappe 90 Prozent der Erdschwerkraft. Vielmehr ist die Station bis auf kleinere Störeinflüsse nur der Erdanziehung ausgesetzt, bewegt sich also in guter Näherung im freien Fall. Nur dem Umstand, dass sie eine Anfangsgeschwindigkeit parallel zur Erdoberfläche besitzt, verdankt sie, dass sie auf einer Umlaufbahn bleibt und nicht einfach abstürzt.
Die Erfindung des Parabelflugs, bei dem ein Flugzeug entlang einer Parabelbahn erst aufwärts steigt und dann wieder abwärts fällt, geht übrigens auf die Brüder Heinz und Fritz Haber zurück. Sie schlugen ihn als Instrument der medizinischen Forschung vor, während sie nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Luftfahrtmedizinischen Institut der US Air Force tätig waren. Heinz Haber? Genau: der Haber, der ab den 1960er Jahren im deutschen Fernsehen einige der ersten populären Wissenschaftssendungen produzierte.
Wer nachrechnet, dem wird das rund dreiminütige Musikvideo übrigens recht lang vorkommen. Bei jeder einzelnen Parabel, die ein solches Flugzeug fliegt, dauert der freie Fall typischerweise nicht mehr als 30 Sekunden. Doch das reicht: Die Macher des Films Apollo 13 haben in so kleinen Häppchen knapp vier Stunden Szenen in der Schwerelosigkeit gedreht. Und auch das Musikvideo von OK Go hat Schnitte, wie das How-we-did-it-Video zeigt. Am besten achtet man im Original auf diejenigen Momente, in denen wie zufällig gerade kein Gegenstand und keine Person am Schweben ist, um sie ausfindig zu machen.
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