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Verschwörungstheorien: Warum glauben Menschen an Verschwörungstheorien?

Die Mondlandung war ein Fake, den 11. September hat die US-Regierung auf dem Kerbholz, und Impfungen verursachen Autismus: Oft haben Forscher Schwierigkeiten, sich einen Reim auf Verschwörungstheorien zu machen.
Why People Are Attracted To Conspiracy Theories Like Flat Earth - And Why They're Dangerous

Veröffentlicht am: 08.03.2018

Laufzeit: 0:03:50

Sprache: englisch

Untertitel: englisch

Tech Insider - Business Insider ist ein zur Axel Springer SE gehörendes Internet-News-Portal.

Wissenschaftler betrachten sich in aller Regel als rational denkende Menschen. Entsprechend schwer tun sie sich damit, die verworrenen Argumentationsstränge von Verschwörungstheorien zu erklären. Gar nicht selten misslingt das gründlich, wie leider auch in diesem Video. Eigentlich soll es begreiflich machen, warum Verschwörungstheorien attraktiv und zugleich gefährlich sind. Die Redaktion von Business Insider, eines zur Axel Springer SE gehörenden Internet-News-Portals, hat den niederländischen Psychologen Jan-Willem van Prooijen von der Universität Amsterdam um Aufklärung gebeten, der sich auf dieses Thema spezialisiert hat. Doch sein kurzer Vortrag erfasst kaum auch nur einen wesentlichen Punkt.

Bevor man sich an Verschwörungstheorien abarbeitet, sollte man vielleicht darauf hinweisen, dass Verschwörungen oder Intrigen durchaus alltägliche Phänomene sind. Ständig und überall verabreden sich Personen zu Straftaten oder zu moralisch fragwürdigen gemeinsamen Handlungen, man denke nur etwa an die Abgasskandale der Autoindustrie. Es ist also nicht von vornherein abwegig, irgendwo ein Komplott anzunehmen. Bei allen Verschwörungstheorien mit einer nennenswerten Anzahl von Anhängern lassen sich jedoch zusätzliche Merkmale festmachen. Zum einen sind die Verschwörer immer diejenigen, denen man sowieso misstraut, und zum anderen richtet sich ihr angeblicher, hinterhältiger Plan immer gegen die eigene soziale Gruppe.

Die europäischen Juden wissen ein bitteres Lied davon zu singen. Seit dem Mittelalter, frühe Fälle sind seit etwa dem Jahr 1150 aktenkundig, gab es immer wieder Pogrome, weil ihnen aberwitzige Verbrechen unterstellt wurden. Die Nazis verkündeten etwa, ein globales jüdisches Netzwerk wolle die deutsche Nation versklaven.

Im Video eröffnet van Prooijen seine Betrachtungen über Verschwörungstheorien mit der Bemerkung, dass Verschwörungstheorien immer mit einem sehr großen und erschreckenden Ereignis beginnen, wie beispielsweise einer Epidemie oder der Zerstörung des World Trade Center am 11. September 2001. Die Menschen, so sagt er, wollten damit verstehen, welchen Sinn dieses Ereignis hat. Das ist falsch, wie das Beispiel der Judenpogrome zeigt. Sie begannen oft aus nichtigem Anlass. 1946 war im polnischen Kielce ein achtjähriger Junge für zwei Tage verschwunden. Ein wütender Mob beschuldigte daraufhin die Juden des Ortes, sie hätten den Jungen entführt, um ihn aus rituellen Gründen umzubringen. Dem Progrom fielen letztlich 42 Juden, Überlebende des Holocaust, zum Opfer.

Und selbst wenn ein großes Verbrechen komplett aufgeklärt wird, erfinden die Menschen Verschwörungstheorien. Am 11. September 2001 zerstörten bekanntlich islamistische Terroristen das World Trade Center und beschädigten das Pentagon. Im Weltbild vieler Menschen rangierten Islamisten aber nicht hoch genug oben auf der Skala der organisierten Bösewichter, um ein so gewaltiges Verbrechen zu begehen. Sie sahen die Erzschurken eher in der amerikanischen Regierung, die die Anschläge herbeigeführt oder zumindest nicht verhindert hätte, um im darauf folgenden Kampf gegen den Terror etwa Bürgerrechte einschränken zu können.

Menschen neigen dazu, große Verbrechen solchen Gruppen anzuhängen, die sie als mächtige und verschlagene Feinde betrachten. Das Fehlen sicherer Beweise stört sie nicht unbedingt. Schließlich zeigt es, wie sorgfältig die Verschwörer ihre Spuren verwischt haben – ein weiterer Beweis für ihre Heimtücke und Gefährlichkeit. Diese Umstände spricht das Video nicht an.

Dafür befasst es sich ausführlich mit den so genannten »Flatearthern« und den Anhängern der »Hohlwelttheorie«. Die Flatearther behaupten, die Erde sei eine flache Scheibe mit dem Nordpol in der Mitte. Nach der aus dem 17. Jahrhundert stammenden Hohlwelttheorie ist die Erde dagegen zwar rund, aber hohl wie ein Fußball. Beides ist natürlich blühender Unsinn. Es ist nicht einmal ganz klar, ob viele Flatearther sich überhaupt selbst ernst nehmen oder ob sie lediglich provozieren wollen. Insgesamt dürften in Deutschland allenfalls einige hundert Menschen diesen Ideen anhängen.

Das Video bezeichnet diese pseudowissenschaftlichen Lehren als Verschwörungstheorien. Das ist nicht richtig, es fehlt ihnen das Element der finsteren feindlichen Mächte. Denn erst in einem zweiten Schritt kommt bei den pseudowissenschaftlichen Lehren ein Faktor hinzu, der fast alle abwegigen Ideengebäude stützen muss, damit sie nicht in sich zusammenfallen. Wie auch die Anhänger paramedizinischer Lehren und Ufo-Gläubige hegen Flatearther den finsteren Verdacht, Politiker, Journalisten und Wissenschaftler hätten sich verabredet, ihren Lehren die gebührende Anerkennung zu verweigern. Insgesamt ist es doch sehr fraglich, ob man die Attraktivität von Verschwörungstheorien ausgerechnet an Ideen erläutern sollte, von denen sich kaum jemand angesprochen fühlt.

Sind also Verschwörungstheoretiker harmlose, versponnene Menschen mit dem berühmten Aluhut, der verhindern soll, dass Strahlen ihre Gedanken beeinflussen? Nein, so einfach ist das nicht, und man soll die Gefahren nicht unterschätzen. Van Prooijen erläutert das am Beispiel der Legende, dass Impfungen das Risiko von Autismus erhöhen und die Pharmafirmen diesen Zusammenhang leugnen (siehe hierzu auch diese Rezension). Diese Verschwörungstheorie sei im Mainstream angekommen, sagt er, und deshalb brächen immer mehr Krankheiten aus, die durch eine einfache Impfung zu verhindern wären. Die Fakten sprechen allerdings eine andere Sprache.

In der EU liegen die Impfquoten in den letzten Jahren durchgehend über 90 Prozent und haben auch nicht erkennbar abgenommen. Eine Steigerung der Zahl von Masernerkrankungen 2018 beruht fast ausschließlich auf einer Epidemie in der Ukraine. Dort grassiert aber keine Impfskepsis, vielmehr leidet der Staat dort seit Jahren unter einem chronischen Versagen der staatlichen Organe. Das bekommt auch die medizinische Versorgung zu spüren. In anderen Bereichen wirken sich Verschwörungstheorien sehr viel schlimmer aus:

  • Verschwörungstheorien haben immer wieder zu Übergriffen auf Minderheiten geführt, wie das Beispiel der Judenpogrome zeigt.
  • Sie dienen Diktatoren zur Festigung ihrer Macht und als Legitimation zur Unterdrückung der Opposition, wie man zurzeit in der Türkei und in Venezuela gut beobachten kann.
  • Sie vertiefen Spaltungen in der Gesellschaft. Dieses Problem ist gut bekannt und wird weidlich ausgenutzt. Russische Trolle haben 2016 in allen sozialen Medien versucht, die Spannungen zwischen den politischen Lagern in den USA anzuheizen und so den Präsidentschaftswahlkampf zu beeinflussen.
  • Populisten in Europa und in den USA raunen über Verschwörungen von Ausländern und von einheimischen Eliten gegen das Volk und sammeln Stimmen damit, dass sie Vorurteile ausbeuten und verstärken.

Leider geht van Prooijen auf keinen dieser Aspekte ein. Insgesamt behandelt das Video eher Nebenaspekte des Themas und ist nicht frei von sachlichen Fehlern. Zur Aufhellung der Frage, was Verschwörungstheorien so anziehend und gefährlich macht, trägt es eher wenig bei.

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