Hirnforschung: Warum schlafen wir überhaupt?
Man kann es sich kaum vorstellen: Auch heutzutage ist immer noch nicht klar, warum wir überhaupt schlafen müssen. Der italienische Psychiater Giulio Tononi von der University of Wisconsin legte vor einigen Jahren gemeinsam mit einer Kollegin eine originelle Theorie vor. In diesem Vortrag, gehalten im Rahmen eines Symposiums des Allen Institute for Brain Science, präsentiert er die Synaptic Homeostasis Hypothesis vor Fachleuten.
Tononi geht zunächst von der heutigen Standarderklärung dafür aus, wie Erinnerungen zustande kommen. Demnach beruhen sie darauf, dass sich die Synapsen von Neuronen verstärken, wenn sie als Reaktion auf eine Sinneswahrnehmung gemeinsam feuern. Dann aber folgt seine überraschende Pointe: Verstärkte Synapsen kosten mehr Energie und nehmen mehr Raum ein, der anschließende Schlaf müsse darum für Ausgleich sorgen. Laut Tononi kehren die Synapsen dabei im Durchschnitt wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurück. Die Verbindungen werden im Schlaf abgeschwächt und so der Energieverbrauch gesenkt. Vor allem unwichtige, schwache Verknüpfungen werden geschwächt oder sogar ganz gekappt. Erhalten bleiben nur wesentliche Gedächtnisinhalte.
Tononis Artikel Warum wir schlafen in Spektrum der Wissenschaft 12/2014 (€) macht unter anderem deutlich, wo seine Theorie quer zum wissenschaftlichen Mainstream steht. Denn eigentlich geht man bislang davon aus, dass sich Erinnerungen im Schlaf verfestigen, indem sich die entsprechenden Synapsen weiter verstärken.
Der interessierte Zuschauer sei allerdings vorgewarnt: Der Vortrag des Psychiaters (der auch schon über die spannende Frage nachgedacht hat, wie sich eigentlich Bewusstsein quantifizieren lasse) geht inhaltlich in die Vollen. Außerdem legt er beim Anhäufen der Indizien, die seine Theorie belegen, ein ganz ordentliches Tempo vor.
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