Wir werden alle sterben: Weihnachten - die tödlichste Zeit im Jahr
Überraschungen zu Weihnachten sind ja eher eine zweischneidige Sache, und ganz besonders, wenn es das unerwartete Ableben zu den Feiertagen betrifft. Man sollte zwar meinen, dass zum Fest der Liebe die Sterblichkeit vielleicht sogar ein bisschen zurückgeht, aber tatsächlich passiert das Gegenteil: An Heiligabend sterben weit mehr Leute als man erwarten sollte.
Anders als oft vermutet, sind allerdings Suizide an den Weihnachtsfeiertagen nicht übermäßig häufig, im Gegenteil. Ein Blick auf die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigt, dass der Dezember die wenigsten Freitode zu verzeichnen hat. Das gleiche scheint für selbstverletzendes Verhalten zu gelten, das speziell um die Weihnachtsfeiertage deutlich zurückgeht.
Dafür verdrängen die Menschen ihre Probleme lieber, und das geht am besten mit Alkohol. Dementsprechend steigen auch alle Todesfälle rund um Alkohol an: Gewalt, vor allem häusliche, Unfälle und Verkehrstote. Der eigentliche Grund für die höhere Sterblichkeit sind aber erstaunlicherweise nicht die brennenden Tannenbäume oder sonstigen externen Umstände – an den Weihnachtstagen sterben auch deutlich mehr Menschen an natürlichen Todesursachen. Laut der einschlägigen, auch im Video zitierten Veröffentlichung von David Phillips et al., gilt das in den USA für alle häufigen Todesursachen, von Krebs bis Atemwegsproblemen, und in allen Altersklassen, außer bei Kindern. Die Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Krankheiten steigt zum Beispiel um fünf Prozent. Warum das so ist, weiß man nicht, und die Spekulationen gehen da in alle möglichen und unmöglichen Richtungen. Bei den Herzkrankheiten ist meine Lieblingshypothese, die eines gewissen Ken Eagle, nach der Flavonoide in Wein und Schokolade ein Enzym namens Sulfotransferase hemmen und so verhindern, dass Adrenalin abgebaut wird. Wenn dann noch Stress dazu kommt, verursacht der hohe Adrenalinspiegel Herzrhythmusstörungen.
Ich bin da – wie bei allen Geschichten über Wirkungen von Einzelstoffen in der Nahrung – nicht überzeugt. Falsches Essen und Trinken steht im Zeitalter der Nahrungsmittelneurosen aber grundsätzlich ganz oben auf der Liste der Verdächtigen, unabhängig von irgendwelchen Stoffklassen. Da ist natürlich auch was dran – denn zwei, drei Tage "Fressrausch" können die eine oder andere Vorerkrankung über die Schwelle zum Notfall erheben.
An diesem Punkt kommt dann ein weiterer Effekt zum Tragen, der in den Abbildungen im Video gut zu erkennen ist. Die beiden Spitzen an Weihnachten und Silvester in den beiden Kategorien "Notaufnahme" (ED) und "schon tot reingekommen" (DOA), aus den Daten von US-Krankenhäusern, deuten darauf hin, dass tatsächlich auftretende Notfälle an Feiertagen oft schwerwiegender sind. Dafür sprechen auch Daten aus Großbritannien, nach denen an den Feiertagen die Chance deutlich höher ist, bei einem Notfall im Krankenhaus zu sterben.
Die Gründe sind ganz banal: Die Leute haben rund um Weihnachten besseres zu tun als zum Arzt zu gehen, zumal viele Praxen geschlossen sind. Sie haben Urlaub und soziale Verpflichtungen und oft auch einfach keine Lust. Unpässlichkeiten kuriert man dann lieber auf dem Sofa aus und ruft den Krankenwagen erst wenn es wirklich dramatisch wird. Und oft zu spät.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.