Stoffwechsel: Weshalb Nacktmulle nicht ersticken
Wenn der Nacktmull morgens aufsteht, macht er das nicht allein, sondern gemeinsam mit zahlreichen Artgenossen. Und meist bleiben ein paar der Nager reglos liegen: Ihnen ist in ihrem unterirdischen Bau über Nacht schlicht die Luft ausgegangen. Doch kaum weht wieder ein frischer Wind, stehen sie putzmunter auf, als wäre nichts gewesen.
Warum das so ist, berichten Forscher nun in Science. Das nur zweieinhalb Minuten lange Video taucht natürlich kaum in die Details der Untersuchung ein. Aber man lernt vom Erstautor der Studie, Thomas Park von der University of Illinois in Chicago, einiges über diese ungewöhnlichen Tiere und erfährt vor allem die Gründe, weshalb sich die Forschung zunehmend für sie interessiert. Und man kann den unermüdlichen Tierchen bei ihrem geschäftigen Treiben zusehen.
Welche Strategie verfolgen die possierlichen Nager also? Geht ihnen der Sauerstoff aus, fallen sie in eine Art Winterschlaf und schalten dabei von einem Glukose- auf einen Fruktosestoffwechsel um. Dieser versorgt empfindliche Zellen in Gehirn und Herz weiter mit Energie, ganz ohne Sauerstoff. "Sie leben wie in einem Insektenstaat und haben Stoffwechselwege wie Pflanzen", sagt Park.
Nur kurz thematisiert das Video die Überlegung, ob auch Schlaganfall- oder Herzinfarktpatienten – denen durch akuten Sauerstoffmangel im Gewebe massive Folgeschäden drohen – vorübergehend auf Fruktose als Energielieferant umgestellt werden könnten. Zumindest unsere Leber und zum Teil unsere Niere beherrschen diese Stoffwechselvariante tatsächlich. "Der Unterschied zwischen uns und den Nacktmullen liegt darin, dass sie den Transporter für Fruktose auch im Hirn und Herz vorrätig haben", erklärt Stefan Kempa vom Berliner Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Das Transportprotein ist nötig, um Fruktose in das Innere der Zellen zu schleusen. Dort wird sie dann von speziellen Enzymen weiterverarbeitet und schließlich für die Energiegewinnung eingesetzt.
Die Wissenschaftler müssten also dafür sorgen, dass der Transporter nicht nur in Leber und Niere, sondern auch anderswo synthetisiert wird. "Die dafür nötige Information liegt in unserem Erbgut, man muss daher nur die Genexpression anschalten", erklärt Kempa. Wäre der Transporter dann vorhanden und gelänge die Fruktose mit seiner Hilfe tatsächlich in das Innere von Gehirn- oder Herzzellen, hinge alles weitere von vielen Details ab. "Im Grundsatz aber", so der MDC-Forscher, "können unsere Enzyme dasselbe wie die der Nacktmulle." Die Fruktose selbst könnte man den Notfallpatienten per Infusion verabreichen.
Doch das ist nur eine der vielen Gedanken, die ihn und seine Kollegen umtreiben. "Für uns stellt sich erst einmal die Frage", so Kempa, "welche neuen Ansätze sich aus unserer Arbeit ergeben." Welche Gewebearten reagieren wie auf die Zufuhr von Fruktose? Können etwa auch Blutzellen davon profitieren? Und existieren möglicherweise Krebstumoren, die von sich aus schon Fruktose verwerten und so einen neuen Ansatzpunkt zu ihrer Bekämpfung bieten?
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