Geometrie: Wie man Kuchen wissenschaftlich korrekt schneidet
Im Dezember 1906 erhielt das renommierte britische Wissenschaftsjournal Nature eine Zuschrift des damals bereits sehr bekannten britischen Naturforschers und Statistikers Francis Galton. Dort staunte man nicht schlecht, schließlich war das Thema recht ungewöhnlich: Es ging um das "wissenschaftlich korrekte" Anschneiden eines Kuchens!
Galton formulierte die Voraussetzung mathematisch recht präzise. Gegeben seien ein runder Kuchen mit einem Durchmesser von fünf inches (12,7 Zentimeter) und zwei Personen mit moderatem Appetit. Wie ist der Kuchen zu schneiden, damit die der Luft ausgesetzte Fläche möglichst klein ist? Die "normale Art", dreieckige Stücke aus dem Kuchen zu schneiden, so merkte Galton an, sei jedenfalls "very faulty", also "ganz falsch".
Auf dem berühmten YouTube-Kanal Numberphile führt uns der Brite Alex Bellos, Autor mehrerer Bücher zur Mathematik und Blogger für den Guardian, Galtons Lösung für das Problem vor. Die Idee: Der Kuchen muss so geschnitten werden, dass sich die verbleibenden Teile nahtlos zusammen fügen lassen.
Gut, wenn man nun weiß, was eine Kreissehne ist: nämlich diejenige Gerade, die zwei beliebige Punkte auf einer Kreislinie miteinander verbindet. Schneidet man einen Kuchen beispielsweise entlang zweier paralleler und gleich langer Kreissehnen, erhält man ein nahezu rechteckiges Kuchenstück – und zwei verbleibende Kreissegmente, die perfekt zueinander passen. Kein Stück des saftigen Kucheninneren bleibt dann der Luft ausgesetzt.
Doch was, wenn ein Traditionalist auf dreieckigen Kuchenstücken besteht? Auch wenn das Video nichts darüber verrät: In diesem Fall helfen Kreissehnen ebenfalls weiter. Der erste Schnitt erfolgt dann so, wie ihn Bellos vorschlägt. Der zweite aber setzt nicht parallel dazu an, sondern an einem der Enden des ersten Schnitts. Schließlich wählt man nur noch einen passenden Winkel zum ersten Schnitt aus – und erhält ein (allerdings ziemlich langes) dreieckiges Stück. Weil die Kreissehnen auch in diesem Fall die gleiche Länge haben, passen die Kreissegmente erneut genau aufeinander.
Wahrscheinlich wäre Galton überrascht gewesen, dass sein kleiner Beitrag, der in "Nature" nicht einmal eine Layoutspalte füllte, recht berühmt werden sollte. Auf Numberphile ist dieses Video dasjenige mit der höchsten Klickrate: über 15 Millionen Aufrufe seit seiner Veröffentlichung im Juni 2014!
Doch das war natürlich nur eine Spielerei des großen Wissenschaftlers. Galton (1822 – 1911) entwickelte unter anderem die erste Wetterkarte, gilt als Begründer der Differenzialpsychologie und leistete wichtige Beiträge zur Statistik. Als er Korrelationsstudien auf den Menschen anwandte, kam er darüber hinaus auf die Idee, dass man die menschliche "Rasse" durch Optimierung des Genpools "verbessern" könne. Der Begriff der Eugenik, 1869 von ihm geprägt, wurde später durch die Nationalsozialisten zur Rassenhygiene umgedeutet und zur Rechtfertigung von Massenmorden missbraucht. In einem am Ende des Clips verlinkten Folgevideo berichtet auch Alex Bellos noch manches über das Werk des vielseitigen Forschers.
Für die unterhaltsame und klare Präsentation von "The Scientific Way to Cut a Cake" gibt es definitiv einen Daumen hoch. Nachmachen empfohlen: Künftig wird der ganze Kuchen schmecken wie bisher nur das erste Stück.
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