Filmkritik: "Ex machina": Wie menschlich kann eine Künstliche Intelligenz werden?
Möglichkeiten und Gefahren der künstlichen Intelligenz – aus diesem Thema könnte man einen gähnend langweiligen akademischen Vortrag machen, oder, wie der britische Regisseur Alex Garland, ein fesselndes cineastisches Kammerspiel.
Die Hauptpersonen sind ein moderner Frankenstein, seine Schöpfung und ein unbedarfter junger Informatiker. Im 21. Jahrhundert ist Gothic Horror natürlich überholt. Das Schloss ist zu einem durchgestylten einsamen Haus in den Bergen mutiert, und statt aus Leichenteilen einen narbenübersäten Riesen zusammenzunähen, pflanzt der moderne Prometheus eine übermenschliche künstliche Intelligenz in einen atemberaubend schönen Frauenkörper. Bald beginnt zwischen den Protagonisten ein geduldiges Vexierspiel, ein kluges und unerbittliches Duell zwischen Mensch und Maschine, bei dem nur einer den Platz als Sieger verlassen wird.
Garland, der auch das Drehbuch schrieb, hat in seinen 100-minütigen Spielfilm viele Bestandteile der philosophischen Fragen zu Intelligenz, Wahrnehmung und Bewusstsein eingewebt. Im Verlauf der Geschichte tragen sie immer stärker zur Aura des Unwirklichen bei, die den Film durchzieht. So wird Ava etwa zur Akteurin im Gedankenexperiment Marys Zimmer, das die Frage stellt, ob vollständiges Wissen um sämtliche Aspekte menschlicher Farbwahrnehmung das eigentliche Erleben von Farben ersetzen kann.
Leider fehlt Ex Machina jedoch die Wucht, die Tiefe, die kreative Fantasie unter der glatten Oberfläche. Vielen Fragen geht der Film aus dem Weg: Wie fremd erschiene uns eine Intelligenz, die aus siliziumbasierten Schaltelementen besteht? Hätte sie eine Seele, ein Bewusstsein? Oder sind das Begriffe aus dem menschlichen Erleben, die auf Künstliche Intelligenz nicht anwendbar sind? Könnten Menschen ein System, das komplexer ist als ihr eigenes Gehirn, überhaupt noch begreifen, geschweige denn beurteilen?
Sicher, auch die Gelehrten streiten darum, was zum Beispiel das Bewusstsein überhaupt sein soll. Der amerikanische Philosoph Daniel Dennett etwa hält es für eine Illusion, sein australischer Kollege David Chalmers glaubt, dass sich die Frage nach seiner Existenz vielleicht überhaupt nicht entscheiden lässt.
Ein Künstler könnte und sollte aber Stellung beziehen, wenn er sich der Sache annimmt. Garland jedoch zeigt nur die Oberfläche, hinter der die eigentlichen Fragen lauern. Seine Androidin Ava wirkt beinahe menschlich, sie erscheint als willensstarke, kluge und skrupellose Frau vor der Wahl zwischen dem Leben im Gefängnis ihres Schöpfers und ihrem Ausbruch in die Welt. Bereits vor fast fünfzig Jahren lotete Philip K. Dick in seinem berühmten Roman: "Träumen Androiden von elektronischen Schafen?" diese Fragen ungleich tiefer aus.
Auch bei der Darstellung der aktuellen Robotik schwächelt der Film. Gehirn und Körper der Androidin entspringen der Fantasie des Regisseurs, die Herstellung solcher technischen Meisterwerke liegt noch weit in der Zukunft.
Insgesamt ist Ex Machina ein sehenswertes und optisch hochpoliertes Gesamtkunstwerk, eine auch philosophische Reflexion über das alte Thema der Gefahren menschlicher Hybris. Aber lohnt das Philosophieren wirklich, wenn es sich nicht auch an Antworten versucht? Und wäre die Aussage des Films nicht noch eindringlicher ausgefallen, wenn er die aktuelle Entwicklung von Robotik und künstlicher Intelligenz genauer abgebildet hätte?
Ex Machina, VoD, DVD und Blu-ray, Großbritannien 2015. Regie: Alex Garland
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben