Der Weltuntergang: Wir werden alle sterben LIVE beim Spektrum-Jubiläum
Willkommen zu unserer kleinen Unterhaltungseinlage beim Spektrum-Jubiläum. Weil wir ja heute unter anderem Grußkarten drucken durften, hatte ich mir eigentlich überlegt, etwas über all die scheußlichen Krankheiten zu berichten, die man sich dabei einfangen kann. Es gibt ganze Bücher darüber. Aber wir wollen ja niemanden den Appetit verderben, deswegen habe ich mir ein etwas leichteres Thema ausgesucht, und zwar den Weltuntergang.
Wo geht man hin, wenn man den Weltuntergang sehen will? Richtig, zum Heidelberger Schloss!
Die Felswand über dem Schloss besteht aus Buntsandstein, der vor ungefähr 250 Millionen Jahren entstand und kurz über dem Schloss in einer anderen Formation endet, dem Zechstein. An dieser Grenze, zwischen den Erdzeitaltern Perm und Trias, fand der Weltuntergang statt.
Der Zechstein entstand in einem Meer, das große Teile von Mitteleuropa bedeckte und immer wieder teilweise eintrocknete. In diesem Meer lebten Seeskorpione und Ammoniten, es gab Riffe, und an den Küsten jagten Kreaturen wie Dimetrodon in Wäldern aus Farn, und zwar ziemlich genau bis vor 252 Millionen Jahren. Danach lebte praktisch nichts mehr.
In einem kurzen geologischen Augenblick sind vermutlich etwa 90 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten ausgelöscht worden. Die Erde vor der Katastrophe war das erste Mal eine Welt, die uns vage vertraut erschienen war, so mit Meeren voller Leben, Wäldern, Insekten und so weiter. Die bedeutendsten Großtiere an Land waren entfernte Verwandte von uns. Diese Welt wurde so komplett ausgelöscht, dass ein Forscher im Jahr 1860 die Fossilien vor und nach der Katastrophe als Beweis präsentierte, dass Gott das Leben auf der Erde zweimal erschaffen hat.
Dazwischen war der Planet bizarrer als alles, was wir uns vorstellen können.
Die Meere dieser fremden Welt enthielten bis nahe an die Oberfläche keinerlei Sauerstoff. Das wissen wir, weil man die Überreste grüner Schwefelbakterien gefunden hat, die Fotosynthese betreiben und dabei Schwefel freisetzen. Statt der Riffe lebten im Flachwasser Stromatolithen, das sind Kissen aus Bakterien, die nur existieren können, wenn sie nicht von vielzelligen Lebewesen abgegrast werden.
Das Ende der Welt
Das Leben auf dem Land war auch praktisch komplett vernichtet. Das weiß man daher, dass zu der Zeit Flüsse nicht mehr wie heute in genau begrenzten Kanälen flossen, sondern in Zopfmustern, wie man das heute auf den Geröllflächen am Ausgang von Gletschern sehen kann. Das passiert, wenn es keine Pflanzen mehr gibt. Dafür gab es nach dem Untergang für eine Weile sehr viele Pilzsporen, als praktisch die gesamte Biosphäre auf einmal verrottet ist.
Okay, wie ist das passiert? Da hab ich eine schlechte und eine gute Nachricht. Die schlechte ist: Schuld ist ziemlich sicher ein extremer Klimawandel durch sehr viel Kohlendioxid in sehr kurzer Zeit. Kommt uns ein bisschen bekannt vor. Die gute Nachricht ist, dass das, was damals passierte, doch noch ein bisschen größer war, als Menschen heute verursachen können. Ursprung des großen Sterbens an der Perm-Trias-Grenze war einer der größten Vulkanausbrüche der bekannten Erdgeschichte.
In Sibirien ist über einen Zeitraum von 200 000 Jahren genug Lava ausgeflossen, um die gesamte EU anderthalb Kilometer hoch mit Basalt zuzudecken. Die Überreste dieser Lavafelder sind immer noch zum Teil mehrere Kilometer dick. Entsprechend viel vulkanisches Gas ist ausgetreten, hauptsächlich Kohlendioxid und Schwefeldioxid, und schon das hätte gereicht, um die Welt durch einen vulkanischen Winter und anschließenden Klimawandel ziemlich zu entvölkern.
Allerdings ist die Erdgeschichte voll mit solchen Flutbasalten verschiedener Größen. Was die Perm-Trias-Grenze so tödlich machte, war ein dummer Zufall der Geografie. Der Vulkanausbruch durchstieß ein mit kilometerdicken Ablagerungen gefülltes Becken und hat den ganzen Kohlenstoff da rausgekocht. Das heißt, bevor die Lava überhaupt durch die Erdoberfläche stieß, hatte sie schon mehr fossiles Kohlendioxid freigesetzt als die Menschheit bisher.
In der wissenschaftlichen Literatur bezeichnet man den Zustand der Welt während des Perm-Trias-Aussterben als postapokalyptisches Treibhaus. Die globale Durchschnittstemperatur stieg um etwa sechs Grad, das Meer wurde stark sauer und bis zu 40 Grad warm, das Land bis zu 60. Die Verbrennungsprodukte des Sedimentbeckens zerstörten die Ozonschicht komplett, Hitze und UV-Strahlung vernichteten große Teile der Tier- und Pflanzenwelt.
Der Sauerstoff verschwand aus dem Ozean, stattdessen war das Wasser voller Schwefelwasserstoff. Durch das sehr heiße Wasser entwickelten sich Superstürme, die das Meer aufwühlten und sehr viel Schwefelwasserstoff in die Atmosphäre zogen, so dass das Gas den Rest des Lebens auf dem Land auslöschte. Im Wald hinter dem Schloss liegen die Gesteine eines völlig fremden, lebensfeindlichen Planeten.
Das erstaunliche ist: Es gab Überlebende. Es hat viele Millionen Jahre gedauert, aber unsere Welt ist zurückgekommen. Insofern sind 40 Jahre Spektrum auch ein Grund zu feiern, dass es uns und den Wissenschaftsjournalismus überhaupt gibt, und nicht einfach nur Mikrobenschleim. Es hätte auch anders ausgehen können.
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