Direkt zum Inhalt

Dunkle Materie: "Xenon 1 T" mit Reinheits-Gebot

„Xenon 1 Tonne“ ist eines der weltweit führenden internationalen Forschungsprojekte für den Nachweis Dunkler Materie. Tief in den Bergen des Gran-Sasso-Gebirgsmassivs in den Abruzzen bauen Astroteilchenphysiker eine Versuchsanlage der Extraklasse auf. 2015 soll sie nach den hypothetischen Teilchen der Dunklen Welt, den sogenannten WIMPs, suchen. Das Experiment erfordert extreme technologische Vorkehrungen.
© Hyperraum.TV
»Xenon 1 T« mit Reinheits-Gebot

Veröffentlicht am: 15.12.2014

Laufzeit: 0:15:01

Sprache: deutsch

Hyperraum TV ist ein von der Medienwissenschaftlerin und Wissenschaftshistorikerin Susanne Päch betriebener Spartensender für Wissenschaft und Technologie.

Auch wenn bisher noch kein Forscher ein Teilchen aus der Dunklen Welt des Universums hat beobachten können, so haben Theoretiker bereits Berechnungen darüber angestellt, wie ein derartiges Teilchen beschaffen sein könnte. Kosmologen geben den sogennanten WIMPs, den Weakly Interacting Massive Particles, gute Chancen: ein massereiches Teilchen ohne Ladung – und somit ein Pendant zu den Neutrinos des sichtbaren Universums. Schon Neutrinos sind aufgrund ihrer ladungslosen Konstitution äußerst schwer nachzuweisen. Nur bei der direkten Kollision mit einem Atomkern können diese normalerweise alle Materie problemlos durchdringenden Teilchen nachgewiesen werden. Gleiches gilt für WIMPs – allerdings muss bei einer Versuchsanlage für Dunkle Materie zusätzlich garantiert werden, dass die gemessene Kernreaktion tatsächlich von einem Teilchen aus der Dunklen Welt stammt und nicht von einem hochenergetischen Teilchen der kosmischen Strahlung herrührt.

Der WIMP-Detektor ist mit einer Tonne aus verflüssigtem, und daher dicht gepacktem Xenon gefüllt. Dafür muss das Xenon auf minus hundert Grad abgekühlt werden. Trifft ein WIMP in diesem Cryostaten auf einen Xenon-Kern, dann kann dieses Ereignis in Photomultipliern sowohl hinsichtlich der räumlichen Position als auch hinsichtlich der Ladung gemessen werden.

Allerdings müssen die Experimentatoren möglichst ausschließen, dass Kernprozesse aus der sichtbaren Welt das Messergebnis "verschmutzen": Deshalb wird die Anlage 1.400 Meter tief im Inneren des Bergmassivs Gran Sasso aufgebaut und ist zusätzlich in einem gewaltigen Wassertank untergebracht, der störende Strahlung vom Detektor fernhält. Trotz noch so guter Abschirmung kommt es im Xenon jedoch zu weiteren, unerwünschten Störfeuern – durch Strahlungsprozesse von innen. Denn das gesamte Baumaterial der Anlage enthält wie alle irdischen Stoffe radioaktive Spurenelemente – beispielsweise Radon 222. Dessen radioaktive Zerfallsprozesse verschmutzen das Xenon vor allem im Bereich nahe der Innenwände des zylindrischen Behälters. Deshalb wird das Xenon permanent über eine chemische Reinigungsanlage ausgetauscht. Geht das Experiment an den Start, dann sind drei Tonnen von Xenon in Umlauf. Zudem werden nur Messungen direkt im Kern des Xenon für die Auswertung zugelassen.

Susanne Päch hat das Projektteam im Herbst 2014 beim letzten großen Meeting in Gran Sasso besucht und zeigt die Versuchsanlage, die 2015 mit dem Betrieb beginnen soll. Die Experimentatoren geben Einblicke in die technologischen Herausforderungen, die ein Projekt dieser Extraklasse an die "Reinheit" der Technologie stellt und welche Vorkehrungen getroffen werden, um den Nachweis Dunkler Materie in einem Detektor tatsächlich erbringen zu können. Das Team hat langjährige Erfahrung mit der Technologie, die es im Vorläuferprojekt "Xenon 100" sammeln konnte. Zwar ließ sich damit bisher kein WIMP-Teilchen nachweisen, aber die Technologie für das neue Ein-Tonnen-Projekt konnte damit weiter perfektioniert werden. So meint denn auch einer der Projektleiter, Prof. Dr. Manfred Lindner, dass der Nachweis eines WIMPs in den nächsten Jahren hier gelingen müsste. Andernfalls sollte seiner Auffassung nach das theoretische Modell der WIMPs für die Dunkle Materie grundsätzlich überdacht werden.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.