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Neozoen: 10 der schlimmsten tierischen Einwanderer

Katze mit erbeuteter Meise

Die Globalisierung verfrachtet auch Tiere in alle Welt. Und nicht jede Reise endet harmlos. Welchen Schaden Ratten, Füchse oder Kaninchen anrichten können, ist vielleicht bekannt. Manchmal werden aber sogar Schnecken, Käfer oder Stare zum Problem. Wir stellen einige der weltweit schlimmsten tierischen Einwanderer vor, die nicht nur große ökologische, sondern auch ökonomische Schäden verursachen.

Agakröte – der giftige Lurch frisst sich durch Australien |

Ursprünglich sollten die aus Süd- und Zentralamerika stammenden Agakröten (Bufo marinus) australische Zuckerrohrplantagen vor einem schädlichen Käfer bewahren. Zehntausende der Lurche wurden 1935 freigesetzt. Doch ihr Appetit weitete sich schnell auch auf andere Tiere aus: Sie fraßen einheimische Kleinsäuger ebenso wie die meisten anderen Frösche und Kröten, die sie erbeuten konnten. Heute übersteigt die Zahl der Agakröten womöglich die Gesamtpopulation aller anderen Amphibien Australiens. Erschwert wird das Problem durch verschiedene Charaktereigenschaften der Tiere: Zum einen sondern sie ein giftiges Drüsensekret ab, so dass potenzielle Fressfeinde nach einer Attacke verenden oder zumindest von ihnen ablassen – die Kröten können daher nahezu ungestört die Ökosysteme erobern. Selbst Krokodile verschwinden, wo sie sich breitmachen. Zum anderen entwickelten sich die Agakröten weiter und bildeten längere Hinterbeine als im ursprünglichen Verbreitungsgebiet aus, so dass sie sich schneller in neue Territorien bewegen können. Immerhin wirkt sich die Evolution auch bei einheimischen Arten aus: Verschiedene Schlangenarten bekommen mittlerweile schmälere Kiefer, mit denen sie nur entsprechend kleinere und weniger giftige Agakröten fangen können.

Nachtbaumnatter – wo sie auftaucht, singt bald kein Vogel mehr | Während des Zweiten Weltkriegs herrschte reger Flugbetrieb zwischen den Kampfgebieten, etwa rund um die Insel Neuguinea und dem US-Stützpunkt auf Guam. Irgendwann gelang es Braunen Nachtbaumnattern (Boiga irregularis), sich in eines der Frachtflugzeuge zu schmuggeln. Für die auf Guam entkommene Schlange war das Eiland ein Paradies: Sie hatte hier keine Fressfeinde, und umgekehrt kannten die heimischen Tiere keinen Gegner wie sie. Seit damals folgt ein Lehrstück darüber, was passiert, wenn die Nahrungskette durcheinandergebracht wird. Die Schlange rottete zehn der zwölf nur auf dieser Insel vorkommenden Vogelarten sowie verschiedene Reptilienarten aus und dezimierte die heimischen Flughunde. Ohne ihre natürlichen Gegenspieler konnten sich Insekten explosionsartig vermehren, was wiederum von Spinnen reichlich genutzt wird. Wer heute durch den Wald auf Guam geht, hört kaum einen Vogel singen, läuft aber permanent durch Spinnennetze. Immer wieder wird auch über Attacken auf kleine Kinder berichtet. Zudem verursachen die Schlangen wirtschaftliche Schäden durch Stromausfälle – sie nisten sich gerne in Verteilerkästen ein. In ihrer Not überlegen die Behörden, vergiftete Mäuse aus dem Flugzeug abzuwerfen, um die Plage einzudämmen. Das soll auch das Risiko minimieren, dass die Nattern auf andere Inseln verschleppt werden.
Ratten – treue Begleiter des Menschen |

Ursprünglich stammen die Wander- (Rattus norvegicus) und die Hausratte (Rattus rattus) aus Ost- und Südasien. Doch mit dem Menschen breiten sie sich schon seit Hunderten oder gar Tausenden von Jahren aus. Mit sich brachten sie Pest übertragende Flöhe, die weltweit Millionen Menschen das Leben kostete. Auf Schiffen gelangten die Nagetiere bis in die letzten Winkel der Erde und selbst auf abgelegene Inseln. Ohne Feinde konnten sie sich dort ungestört vermehren – und lösten durch ihren Appetit ein Massenaussterben von endemischen Tier- und Pflanzenarten aus. Manche Wissenschaftler schätzen, dass das Verschwinden mehrerer hundert Spezies auf das Konto von Ratten geht. Inzwischen holten Ökologen allerdings zum Gegenschlag aus: Weltweit haben sie mit Hilfe von Gift Dutzende Inseln von den Plagegeistern befreit, darunter South Georgia Island. Mit diesem bislang größten Erfolg wollen sie sich aber nicht zufriedengeben. Denn ganz Neuseeland soll bis 2050 rattenfrei werden.

Asiatischer Laubholzbockkäfer – kaum ein Baum ist vor ihm sicher | Erstmals wurde der Asiatische Laubholzbockkäfer (Anoplophora glabripennis oder kurz ALB) 1996 im Osten der USA nachgewiesen. Wahrscheinlich gelangten die Tiere in einer unzureichend sterilisierten Holzpalette oder mit Zierpflanzen ins Land. Seitdem sind die Behörden in Aufruhr: Befallene Bäume werden sofort gefällt und verbrannt, betroffene Gebiete unter Quarantäne gestellt. Denn wenn sich das Insekt ausbreitet, könnte ein Drittel aller Laubbaumarten der Region bedroht sein. Im schlimmsten Fall rechnen Experten mit mehr als 600 Milliarden Dollar Schaden für die Holzindustrie und den Tourismus, wenn ALB sein schädliches Werk beginnt – oder besser gesagt seine Larven. Der Nachwuchs bohrt unter anderem die Saftgänge der Bäume an und sorgt dafür, dass sie rasch absterben. Wegen der unspezifischen Wirtspflanzen kann ALB ganze Ökosysteme schädigen, weshalb er zu den 100 gefährlichsten Neozoen der Welt gezählt wird. Auch in Deutschland und anderen Teilen Europas traten die Käfer bereits auf und werden dann intensiv bekämpft. Ob sie sich davon auf Dauer aufhalten lassen, bleibt jedoch fraglich.
Rotfeuerfisch – Aquarienzierde wird zum hungrigen Problemfisch | In Aquarien und bei Tauchgängen an Korallenriffen gelten Rotfeuerfische der Gattung Pterois als Zierde, doch außerhalb ihres natürlichen Lebensraums im Indischen Ozean, Pazifik und dem Roten Meer werden die gefräßigen Fische rasch zum Problem. Da dort ihre natürlichen Feinde fehlen, dezimiert die Art Pterois volitans die Bestände anderer Rifffische, beispielsweise vor der US-Ostküste. Wahrscheinlich hatten Aquarianer ihre ehemaligen Lieblinge einfach in den Atlantik gekippt. Mittlerweile gibt es regelrechte Wettbewerbe von Sportfischern, um die Zahl der Rotfeuerfische einzudämmen. Im Mittelmeer macht sich eine andere Art breit: Pterois miles gelangte wohl über den Sueskanal hierher – und frisst sich jetzt langsam durch das Ökosystem.
Star – der Singvogel, der Amerika erobert |

Schuld ist Eugene Schieffelin. Der US-amerikanische Arzneimittelproduzent wollte im New Yorker Central Park angeblich alle Vögel ansiedeln, die in Shakespeares Werken irgendwo Erwähnung finden. Mit vielen Arten scheiterte er, doch die ebenfalls ausgesetzten europäischen Stare (Sturnus vulgaris) wurden zu seinem größten, wenn auch zweifelhaften Erfolg. 200 Millionen Stare soll es heute in Nordamerika geben – deutlich mehr als in ihrer alten Heimat. Mit ihrem massenhaften Auftreten schädigen sie Obstbauern und Winzer, und als Höhlenbrüter verdrängen sie einheimische Vogelarten wie Spechte. Deshalb dürfen sie intensiv bejagt werden; aber das dämmt ihre Population nicht nennenswert ein. Womöglich waren sie so erfolgreich, weil sie verglichen mit ihren Verwandten ein größeres Hirn haben, so lautet eine Theorie.

Ziegen – sie fressen alles kurz und klein |

Um auf ihren Reisen immer wieder frischen Proviant aufnehmen zu können, setzten Seefahrer allerlei Nutztiere auf den Inseln der Erde aus. Neben Schweinen gehörten Ziegen (Capra hircus) zu den beliebtesten "Mitbringseln": Sie sind zäh, ausdauernd und überleben auch unter harten Bedingungen, weil sie selbst dornige Pflanzen fressen. Für die Vegetation zahlreicher Eilande war die Besiedlung mit den Ziegen verheerend, denn wo das Pflanzenkleid schwand, trugen Wind und Wasser rasch den Boden ab. Weil diese Ziegenherden dadurch nicht nur einzelne Arten, sondern komplette Ökosysteme gefährden, gehört ihre Ausrottung zu den vordringlichsten Aufgaben von Ökologen, etwa auf den Galapagosinseln. Dabei bedienen sich die Wissenschaftler übrigens so genannter Judasziegen: Sie statten Einzeltiere mit Sendern aus und lassen sie frei. Da die Ziegen rasch ihre Herden suchen, um sich ihnen wieder anzuschließen, führen sie die Jäger direkt zum Ziel.

Feuerameise – die Sechsbeiner beherrschen die Welt |

Einige Ameisenarten wie die Feuerameise (Solenopsis invicta), die Argentinische (Iridomyrmex humilis) oder die Gelbe Spinnerameise (Anoplolepis gracilipes)gehören zu den besonders invasiven Insekten und gelten vielerorts als ausgemachte Plagen. Sie können so genannte Superkolonien bilden, die sich teilweise über hunderte Kilometer erstrecken und in denen tausende Königinnen sowie Milliarden einfache Ameisen leben. Dabei verdrängen sie nicht nur einheimische Ameisenarten, sondern verursachen auch wirtschaftliche Schäden in Höhe von mehreren Milliarden US-Dollar pro Jahr, weil sie Ernten beeinflussen und sogar die Infrastruktur belasten. Sie wieder loszuwerden, ist fast unmöglich. Selbst auf kleinen Inseln wie der australischen Weihnachtsinsel ist das Unterfangen praktisch zum Scheitern verurteilt. Dort bedrohen die Gelben Spinnerameisen das Ökosystem mit seinen Millionen Roten Landkrabben und seltenen Vogelarten.

Afrikanische Riesenschnecke – keine andere Schnecke ist vor ihr sicher |

Bei invasiven Arten denkt man vielleicht als Letztes an Schnecken. Doch auch die langsamen Weichtiere können neue Lebensräume erobern, wenn der Mensch ihnen dabei hilft. Die Spanische Wegschnecke (Arion vulgaris) kommt in Deutschland wohl erst seit wenigen Jahrzehnten vor. Ursprünglich lebte sie wahrscheinlich nur in einer kleinen Region in Südwestfrankreich – heute gilt sie hier zu Lande als der größte Gärtnerschreck. Verglichen mit der Großen Achatschnecke (Achatina fulica) aus Afrika ist sie aber wohl das kleinere Übel: Die bis zu 30 Zentimeter langen Giganten fressen nicht nur 500 verschiedene Pflanzenarten, sondern sogar den Putz von Wänden, mit dem sie ihren Kalkbedarf decken. Da sie auch verschiedene Krankheitserreger wie etwa einen Meningitis verursachenden Wurm übertragen können, versucht man sie vielerorts zurückzudrängen. Mitunter setzte man dabei ebenfalls auf ein Weichtier, die Rosige Wolfsschnecke (Euglandina rosea). Aber das hatte nicht den gewünschten Erfolg: Die Tiere verzehrten lieber kleinere Baumschnecken der Gattung Partula und rotteten dabei gleich mehrere Arten aus.

Hauskatze – sie verursacht am häufigsten Streit |

Vielen Menschen gelten Katzen als harmlose Haustiere, die vielleicht ab und an eine Maus oder einen Spatz nach Hause bringen, sonst aber keinen Schaden anrichten. Ökologen betrachten die süßen Miezen jedoch deutlich kritischer – vor allem wenn es sich um die verwilderten Exemplare handelt, die millionenfach durch den australischen Busch oder nordamerikanische Laubwälder ziehen. Wahrscheinlich hauptsächlich auf das Konto dieser verwilderten Hauskatzen geht das Aussterben von 33 Inselvogel- und 28 australischer Beuteltierarten. Nach Hochrechnungen fallen ihnen in den USA jedes Jahr etwa eine Milliarde Vögel zum Opfer. Neben Ratten, Ziegen und Schweinen gehören sie daher zu den schlimmsten invasiven Säugetieren weltweit. Da sie gleichzeitig viele Liebhaber haben, ist ihre Bekämpfung heftig umstritten. In den USA propagieren Naturschutzorganisationen deshalb, die Tiere im Haus zu halten. Auf vielen Inseln wie auch im australischen Outback werden Katzen dagegen eliminiert: Australien möchte damit einige bedrohte Beuteltierarten retten.

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