Ernährung: 10 gewöhnungsbedürftige Speisen aus aller Welt
Schon mal Milbenkäse, frittierte Spinne oder Nattō probiert? Auch der Hakarl aus Island gilt vor Ort als Delikatesse. Diese Gerichte bereichern den internationalen Speiseplan, treffen allerdings sicher nicht jeden Geschmack. Empfindliche Gemüter oder Mägen sollten die folgenden Bilder aber nur mit Vorsicht betrachten.
Vor der Erfindung des Kühlschranks mussten sich die Menschen gut überlegen, wie sie verderbliche Nahrungsmittel haltbar machen konnten. Eine der gängigsten Möglichkeiten, beispielsweise Fisch zu konservieren, war (und ist) das Einlegen in salzigen Lösungen. Durch das Fermentieren entstanden in heißen Ländern, aber auch in den skandinavischen Nationen beliebte Speisen wie der schwedische Surströmming. Der vergorene Hering war bei vielen Menschen des Landes Alltagsnahrung und ist heute noch eine Delikatesse, die auch in Dosen im Supermarkt angeboten wird. Kenner verzehren den Fisch auf einem dünnen Fladenbrot mit Mandelkartoffeln, Butter, rohen Zwiebeln und saurer Sahne, auch wenn viele den Geruch als »bestialisch nach Exkrementen« beschreiben. Grundlage des Gerichts sind laichreife Heringe, die Fischer im Mai aus dem Meer holen. Anschließend packt man die Tiere in Salzlauge und lässt sie darin bis Juli ziehen. Dann werden sie in Dosen gepackt, wo die Gärung weitergeht, bis im August der Verkauf startet. Wegen potenzieller Explosionsgefahr haben manche Fluglinien zumindest zeitweise die Mitnahme dieser Konserven untersagt.
Quallen gehören sicher zu den eher unbeliebten, vor allem aber stark unterschätzten Meerestieren: Badetouristen fürchten ihre giftigen Nesseln, Fischer, dass sie andere Meerestiere verdrängen und Netze verstopfen können. Dabei weisen die Lebewesen eine fragile Schönheit auf und spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem – unter anderem bilden sie eine wichtige Nahrungsquelle für Meeresschildkröten. Gerade in Ostasien sind aber auch schon Menschen auf den Geschmack gekommen, wo die Tiere etwa als Salat oder Beilage auf den Tisch kommen. Verwendet werden vor allem ungiftige Arten, denen die Händler den Mundstiel mit den Tentakeln entfernen. Anschließend legen sie die restlichen Körper in Salz ein und entwässern sie dadurch – mit einem Volumenverlust von 90 Prozent. Vor dem Verzehr legt man die Quallen wieder in Wasser ein, damit sie wieder aufquellen.
In der Not...: Angeblich geht das Gericht »frittierte Vogelspinne« auf die Zeit der Khmer-Diktatur zurück, als Nahrung auf dem Land oft knapp war. Vor allem um den Ort Skuon herum schätzen die Menschen heute die Achtbeiner aber als knusprigen Snack, für den sie vor allem die Art Haplopelma albostriatum, der die Fänger noch bei lebendigem Leib die Giftklauen ausreißen. Anschließend wälzen die Garküchenbetreiber sie in Glutamat, Salz und Zucker, bevor sie – immer noch lebendig – mit Knoblauch in einer heißen Pfanne gebrutzelt werden. Sobald die Beine einen gewissen Festigkeitsgrad erreicht haben, werden sie als Knabberei gereicht. Das Fleisch soll wie eine Mischung aus Huhn und Kabeljau schmecken.
Dieses Gericht wird ebenfalls durch Fermentieren erzeugt – in diesem Fall von Sojabohnen, die geschmacklich dadurch entfernt an Nüsse erinnern sollen. Manche westliche Gourmets behaupten allerdings auch, dass sie genusslich eher Lebertran ähneln. Auf alle Fälle ist der Anblick für viele Menschen außerhalb der japanischen Heimat Nattos gewöhnungsbedürftig: Die Speise gilt dann als reif, wenn sie Fäden zieht. Verglichen mit anderen Fermentationsprozessen vollzieht sich dieser Wandel schnell; innerhalb eines Tages, bei Erwärmung auf bis zu 43 Grad Celsius sogar in sechs bis acht Stunden sind die Bohnen fertig zum Verzehr. Der Geruch gleicht dann den von Schimmelkäse, doch essen Japaner die Bohnen nicht nur mit deftigen Gewürzen, Reis, Fisch oder Fleisch, sondern manchmal auch mit Honig – und das schon zum Frühstück. Gesundheitlich soll die Speise Wunder wirken: Sie verfügt über einen sehr hohen Gehalt an Vitamin K2, was die Knochenbildung anregt. Nattō fördert die Bindung von Kalzium, hat antibakterielle Substanzen und hilft womöglich gegen Thromben, Bluthochdruck, Osteoporose und Magengeschwüre. Als gesichert gilt hingegen, dass Japaner schon seit Jahrhunderten auf dieses Nahrungsmittel schwören.
Insekten gelten als relativ neuer Schrei in der westlichen Lifestyle-Küche: Sie produzieren relativ klimaschonend und ökologisch Proteine ohne den Platz- und Futterbedarf von Kühen, Schweinen und Hühnern. Seit Anfang 2018 fallen Insekten unter die EU-Verordnung für neuartige Lebensmittel, und jeder siebte Deutsche hat nach eigener Auskunft bereits Heuschrecken, Mehlwürmer oder andere Sechsbeiner getestet. Gerade in tropischen Ländern isst man die Kerfe dagegen schon lange: Heuschrecken beispielsweise werden frittiert und mit Chilipulver zum Knabbern angeboten. Neben dem Ekel müssen Europäer aber noch andere Schwierigkeiten beim Verzehr überwinden. Im Gegensatz zu Garnelen etwa entfernt man den Darm der Tiere vor der Zubereitung nicht, wodurch Krankheiten übertragen werden könnten – es bietet sich daher an, den Insekten bis zu zwei Tage vor Verwertung kein Futter mehr zu geben. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass wir Kerf und Co indirekt auf die Tafel bekommen, nachdem sie als Viehfutter zum Einsatz kamen.
Ganz so alt sind sie nicht, wie sie heißen: Die Hundert- oder Tausendjährigen Eier lagern tatsächlich nur drei Monate in einem Brei aus Anis, Szechuanpfeffer, Teeblättern, Piniennadeln, Fenchelkörnern, Salz, warmem Wasser, gebranntem Kalk, Holzasche sowie Sägespänen, bis sie ihre charakteristische Farbe und den typischen Geschmack entwickeln. Danach halten sie aber ungekühlt bis zu drei Jahre lang. Besonders beliebt sind sie in China, doch kommen sie auch in Thailand und Laos auf den Tisch. Die zumeist verwendeten Enteneier verändern sich während der dreimonatigen Reife durch Autolyse – der Selbstauflösung der Proteine –, wobei das Eiweiß zu einer geleeartigen, bernsteinfarbenen Masse wird und das Eigelb eine quarkige Konsistenz sowie eine grünliche Farbe erhält. Je nach Art der Zutaten bei der Konservierung schmecken sie von zart bis beißend mit lange anhaltendem Nachgeschmack. Zudem kann der bisweilen pissoirartige Duft empfindliche Nasen vom Verspeisen abhalten. Wer sich davon nicht abhalten lässt, für den hält die philippinische Küche eine weitere Herausforderung parat: Balut, angebrütete und gekochte Vogeleier.
Grönlandhaie können ein durchaus biblisches Alter erreichen: Auf mindestens 400 Jahre bringen es manche der Fische – wenn sie nicht vorher gefischt und verarbeitet werden. Von Natur aus wäre er eigentlich ungenießbar, denn im Fleisch des Hais reichert sich giftiger Harnstoff an, der sich im toten Tier nur über Monate hinweg abbaut. Doch aus der Not machten die Isländer eine Tugend und den Hai in Form von Hákarl zu einer Spezialität. Seine Zubereitung zieht sich allerdings hin, denn nach dem Fang, Ausnehmen, Entgräten und Waschen, packen ihn die Produzenten in eine Felsgrube, wo das Fleisch mit Steinen beschwert wird: Sie sollen das Fleisch im Laufe der nächsten Wochen bis Monate auspressen. Während der gleichen Zeit verwandelt sich der Harnstoff in Ammoniak, das anschließend während des Trocknens der Haistücke an der Luft ausgast. Dennoch bleibt das Odeur nicht nur für sensible Nasen streng. Das salzige Fleisch hat eine gummiartige Konsistenz und wird von Isländern meist mit einem Schnaps heruntergespült. In kleinen Mengen genossen, hilft er angeblich bei Verdauungsbeschwerden. Ob sich das nur auf Fisch oder vor allem auf die Wirkung des Schnapses bezieht, bleibt dabei dem Gourmet überlassen.
Die Zahlen sind immens: Allein Frankreich soll jährlich 150 Millionen Froschschenkel einführen, weltweit fallen wohl rund 500 Millionen Frösche dem menschlichen Appetit zum Opfer – Zahlen, die ökologisch längst nicht mehr nachhaltig sind, obwohl immerhin die Hälfte der Lurche aus Zuchtfarmen stammen soll. In Ländern wie Bangladesch und Indien wurden teilweise so viele Amphibien gefangen und exportiert, dass sie als Schädlingsbekämpfer ausfielen und Insekten daher mit Pestiziden bekämpft werden mussten. Letztlich führte dies zu einem Ausfuhrstopp, doch sprangen andere Staaten wie Indonesien in die Bresche. Tierschützern kritisieren ebenfalls, dass Frösche aufgetischt werden: Oft würden den Tieren bei lebendigem Leib die Hinterbeine abgetrennt und der Rest einfach weggeworfen. Wer dennoch zugreifen möchte: Das Fleisch soll so ähnlich wie Hühnchen schmecken.
Auf Deutsch lautet sein Name »Verdorbener Käse«. Und doch findet der sardische Casu Marzu seine Liebhaber, obwohl sein Verzehr durchaus krank machen kann. Um ihn herzustellen, lässt man sardischen Pecorino aus Schafsmilch einfach so lange liegen, bis er von den Larven der Käsefliege Piophila casei durchlöchert und umgewandelt wurde. Die Maden verdauen den Käse und scheiden ihn verdaut wieder aus, wodurch das Produkt eine sehr cremige Konsistenz und ein äußerst kräftiges Aroma erhält. Nach ausreichender Reifung verspeisen Kenner ihn entweder mit verbundenen Augen oder verdeckt mit einem Brot – denn die Larven leben bei gutem Casu Marzu noch, erst wenn sie tot sind, gilt der Käse als verdorben. Die Maden überleben jedoch oft die Passage durch den Magen und können dann den Darm befallen, wo sie eine Myiasis auslösen: Sie knabbern den Darm an und durchlöchern ihn bisweilen sogar, was zu Übelkeit, Erbrechen und bei schwerem Verlauf sogar zum Tod führen kann. Deshalb muss man den Käse gut durchkauen oder aufs Brot streichen und die Larven dabei zerquetschen. Wegen dieser Nebenwirkungen verbot die EU Handel und Verkauf des Käses 2005, doch gibt es Bestrebungen die Sorte als regionale Spezialität zu schützen und mithilfe keimfreier Zuchtfliegen bessere Hygienestandards zu erreichen. Wer zumindest etwas Ähnliches probieren möchte, kann auf den offiziell zugelassenen und gesundheitlich unbedenklichen Würchwitzer Milbenkäse zurückgreifen.
Freunde possierlicher Haustiere müssen jetzt ganz tapfer sein. Denn in den Andenstaaten Südamerikas gelten Meerschweinchen weniger als nette Hausgenossen, sondern als veritable Speise gerade auch für ärmere Bevölkerungsschichten. Allein in Peru wandern jedes Jahr schätzungsweise über 50 Millionen Tiere gegrillt über die Theke. Sie werden meist im Ganzen gegrillt und dann mit Kartoffeln und Gemüse serviert. Der Geschmack erinnert den europäischen Gaumen wohl am ehesten an Kaninchen, auch wenn beide Arten nicht näher miteinander verwandt sind. Doch Vorsicht scheint durchaus geboten: Bei unsachgemäßer Schlachtung und Zubereitung übertrugen sie in Einzelfällen wohl schon die Pest.
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