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Parasitismus: 10 Parasiten, die Tiere zu Zombies machen

Schnecke befallen mit Leucochloridium paradoxum

Neuroparasiten befallen gezielt das Nervensystem ihres Wirts und manipulieren dieses für ihre eigenen Zwecke. Der Parasit hat deshalb gar kein Interesse, seinen Wirt zu töten. Im Gegenteil, er muss behutsam vorgehen, um ihn optimal auszunutzen. Nur so kann er sein Ziel, die Fortpflanzung, erreichen. Wir stellen 10 Parasiten vor, die ihre Wirte zu regelrechten Marionetten machen können.

1. Saugwurm (Leucochloridium paradoxum) |

Dieser Wurm verändert nicht nur gravierend das Verhalten von Schnecken (Succineidae), sondern auch ihr Aussehen. Gelangen Larven des Wurms in den Verdauungstrakt der Schnecke, bilden sich lange Schläuche, so genannte Sporozysten aus, die bis in die Fühler wandern. Sie bewirken, dass die Fühler in leuchtenden Farben pulsieren und aussehen wie eine Raupe (Video). Und Vögel, die der Endwirt des Saugwurms sind, fressen sehr gerne Raupen. Um nun von einem Vogel verspeist zu werden, sorgt die Larve für eine Verhaltensänderung bei der Schnecke. Die verlässt ihr eher dunkles Habitat und bewegt sich in Richtung Licht. Vögel fühlen sich durch die pulsierenden Fühler angezogen und wittern leichte Beute. Frisst ein Vogel nun die Fühler, können sich die Würmer in seinem Verdauungstrakt fortpflanzen. Über den Vogelkot werden die befruchteten Eier verbreitet, und der Kreislauf beginnt von vorne.

2. Kernkeulen (Ophiocordyceps unilateralis) |

Diese parasitische Pilzart manipuliert das Verhalten von Ameisen in den Tropen und Subtropen. Sie keimt zuerst auf dem Exoskelett der Ameisen und infiziert anschließend deren zentrales Nervensystem. Nach drei bis sechs Tagen steuert der Pilz das Insekt und lässt es auf Bäume klettern. Dort angekommen beißt sich die Ameise fest, und der Pilz kann in aller Ruhe aus ihr herauswachsen (Video). Die Sporen fallen nun vom Baum herunter und infizieren neue Ameisen. So kann das Spiel von Neuem beginnen. In den Tropen gibt es regelrechte Ameisenfriedhöfe in den Baumwipfeln.

3. Baculovirus (Lymantria dispar nucleopolyhedrovirus) |

Dieses Virus manipuliert direkt das Erbgut und somit das Verhalten der Raupe des Schwammspinners Lymantria dispar. Anstatt sich in Bodennähe zu verstecken, klettert sie nach einer Infektion mit dem Virus Bäume hinauf. Oben angekommen verflüssigt sich die Raupe regelrecht und tropft vom Baum herunter auf Blätter, die dann von der nächsten Raupe gefressen werden. Diese drastische Verhaltensänderung wird durch die Manipulation eines einzigen Gens, nämlich egt hervorgerufen. Dieses kodiert für das Enzym Ecdysteroid-uridin-5'-diphosphatglucosyltransferase (EGT), das das Häutungshormon 20-Hydroxyecdyson chemisch inaktiviert und dadurch den Verhaltenswandel bewirkt. Wurden Raupen mit Viren infiziert, in denen dieses Gen abgeschaltet war, fand keine Manipulation der Tiere statt.

4. Bandwurm (Schistocephalus solidus) |

Dieser Bandwurm gibt sich nicht mit nur einem Wirt zufrieden – er befällt gleich drei. Sein komplexer Kreislauf beginnt mit dem Hüpferling, einem kleinen Ruderfußkrebs (Codepode), der die Larven des Bandwurms verspeist. Um in seinen nächsten Wirt, den dreistacheligen Stichling zu gelangen, muss er von eben diesem gefunden und gefressen werden. Die Larve verändert das eigentlich zurückhaltende Verhalten des Krebses. Das kleine Tier präsentiert sich förmlich dem Stichling, und dieser schnappt nichts ahnend zu. Nur im dreistacheligen Stichling (es gibt bis zu 16-stachelige) kann die Larve enorm an Masse zulegen, in jedem anderen Fisch würde sie sterben. Nachdem sie ordentlich gewachsen ist, muss die Larve dann in einen Vogel gelangen, denn lediglich dort kann sich der Bandwurm paaren. Der Wurm sorgt auch hier wieder dafür, dass sich die Beute dem Jäger förmlich aufdrängt. Der Stichling schwimmt nahe an der Wasseroberfläche, um sich etwa von einem Fischreiher verspeisen zu lassen und dann zu paaren. Die frischen Wurmeier werden durch den Vogelkot ausgeschieden, und der Zyklus kann von vorne beginnen.

5. Juwelwespen (Ampulex compressa) |

Das Opfer dieser Wespe sind Kakerlaken (Periplaneta americana), obwohl diese sie in ihrer Größe deutlich überragen. Die Wespe lauert der Kakerlake auf, um einen geeigneten Moment abzupassen – dann sticht sie zu. Mit dem ersten Stich lähmt sie die Vorderläufe der Kakerlake und hindert sie an der Flucht. Der zweite Stich geht gezielt ins Zentralnervensystem. Genauer gesagt ins Protocerebrum, eine Region, welche die Fluchtreaktion steuert. Durch das injizierte Gift wird die Kakerlake wortwörtlich zur Marionette der Wespe. Die Wespe ergreift die Antenne der Kakerlake und führt sie in ein Erdloch (Video). Dort legt sie ein Ei auf ihr ab. Dann baut die Wespe das Erdloch mit kleinen Stöcken und Steinchen zu. Die aus dem Ei schlüpfende Larve verpuppt sich nun in der Kakerlake. Nach ungefähr einem Monat schlüpft die junge Juwelwespe und sucht sich ihrerseits ein Opfer.

6. "Der Wespenfeind" (Xenos Vesparum) |

Die Wespe als Paarungstaxi. Im Frühjahr bespringt die Larve des Parasiten Xenos vesparum (Gattung der Fächerflügler) die gallische Feldwespe (Polistes dominulus) und bohrt sich in sie hinein. Fortan ernährt sie sich vom Blut der Wespe und bewirkt bei ihr eine Verhaltensänderung. Die Wespe zieht sich immer weiter zurück und vernachlässigt ihre Pflichten im Nest. Im Sommer schließlich wird sie als eine Art Paarungstaxi missbraucht. Sie verlässt endgültig ihr Nest und fliegt zu einem bestimmten Paarungsort, an dem sich die männlichen und weiblichen Parasiten treffen. Die Männchen durchdringen nun den Körper der Wespe, um die Weibchen zu begatten (Video). Diese strecken nur den für die Befruchtung nötigen Körperbereich aus der Wespe heraus. Das Zombiedasein der Wespe ist damit noch nicht zu Ende. Nun begeben sich die Tiere in eine Winterstarre, damit der Parasitennachwuchs in Ruhe heranwachsen kann. Im Frühjahr schließlich legt die Wespe, noch immer fremdgesteuert, die Larven auf Blätter ab, wodurch der Zombiezyklus aufs Neue beginnen kann.

7. Schlupfwespen (Ichneumonidae) |

Weibliche Schlupfwespen versklaven Radnetzspinnen (Plesiometa argyra) regelrecht. Sie lähmen die Spinne zunächst durch einen gezielten Stich, um dann ein Ei an deren Hinterleib abzulegen. Nach der kurzen Lähmung lebt die Spinne zunächst vermeintlich normal weiter, doch die heranwachsende Larve ernährt sich bereits von der Lymphflüssigkeit des Wirts. Und wenn man schon eine Spinne als Wirt hat, kann man auch die Vorteile ausnutzen. Sobald die Larve reif zum Schlüpfen ist, injiziert sie eine psychoaktive Substanz. Die Spinne beginnt nun anstatt eines flachen Netzes einen Kokon für die Larve zu spinnen. Sobald die Spinne den Larvenunterschlupf fertig gestellt, wird sie durch eine weitere Giftinjektion getötet und zum Schluss verspeist (Video).

8. Brackwespe (Dinocampus coccinellae) |

Den Marienkäfer zum Bodyguard umfunktionieren – das ist die Strategie der Brackwespe. Nachdem sie ihr Ei im Hinterleib des Marienkäfers abgelegt hat, ernährt sich die Larve zunächst von dessen Körpersäften. Hat sie eine gewisse Größe erreicht, funktioniert sie den Marienkäfer zum Schutzpanzer um. Sie kriecht aus dessen Hinterleib heraus und verpuppt sich unter ihm. Der Marienkäfer ist zu diesem Zeitpunkt zwar bewegungsunfähig, zuckt aber unwillkürlich mit seinen Beinchen. Für Fressfeinde der Larve sieht es von außen betrachtet so aus, als würde der Marienkäfer selbst die unter ihm liegende Larve verspeisen und die Beute durch seine zuckenden Beinchen verteidigen. Ist die Brackwespe geschlüpft, kann sich der Marienkäfer tatsächlich komplett von dieser Gehirnwäsche erholen und sich sogar selbst weiter fortpflanzen. Eine Forschergruppe um Guillaume Mitta von der Université de Perpignan deckte einen möglichen Mechanismus auf, wie diese Gehirnwäsche funktionieren könnte. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Wespe offenbar zusätzlich zum Gift ein Virus injiziert. Dieses ist wohl für die Verhaltensänderung des Marienkäfers verantwortlich. Demnach handeln Virus und Brackwespe symbiotisch, um ihr Ziel der Vermehrung gemeinsam zu erreichen.

9. Sackkrebse (Sacculina carcini) |

Das Wort "Sack" ist elementar bei der Strategie dieses Tieres. Denn der weibliche Sackkrebs, aus der Familie der Rankenfüßer, wächst im Inneren seines Wirtes, der weiblichen Krabbe (Carcinus maenas), heran und bildet an ihrem Hinterleib eine sackartige Ausstülpung mit Eiern aus. Dort, wo im Normalfall die Krabbe selbst ihre Eier ablegt und behütet. Der männliche Sackkrebs sucht nun befallene Krabben auf und befruchtet die Eier. Darauf verändert der Sackkrebs nun das Verhalten der Krabbe. Sie behütet und pflegt die vermeintlich eigene Brut an ihrem Hintern. Erstaunlich ist, was passiert, wenn der Sackkrebs eine männliche Krabbe befällt. Dies verändert den Hormonhaushalt der Krabbe und polt sie zu einer weiblichen um. Zuerst wird die Krabbe sterilisiert, dann verändert sich der Hinterleib. Bis sich schließlich auch die männliche Krabbe um den Kuckucksnachwuchs kümmert.

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10. Kleiner Leberegel (Dicrocoelium dendriticum) |

Die Vermehrungsstrategie dieses kleinen Leberegels ist ziemlich ausgeklügelt. Sein Endwirt sind Weidetiere wie Schafe oder Rinder. Einmal eingenistet werden über den Kot der Tiere Eier mit voll entwickelten Larven (Mirazidien) ausgeschieden. Um in den Verdauungstrakt der Weidetiere zu gelangen, nutzt der Parasit gleich mehrere Wirte. Am Anfang steht die Schnecke (Video), denn sie ernährt sich vom Kot der Weidetiere. In ihr entwickeln sich die Mirazidien zu so genannten Zekarien und wandern in die Atemhöhle der Schnecke ein. Das Tier hustet nun die Zekarien in kleinen Schleimbällchen aus. Ameisen finden diesen Schneckenschleim lecker und fressen ihn. Nun beginnt der Wurm aktiv zu manipulieren. Er wandert in das Zentralnervensystem der Ameise und verändert ihr Verhalten. Sie klettert nachts auf Grashalme, beißt sich fest und wartet darauf, von einem Weidetier gefressen zu werden. Geschieht das nicht, bleibt sie je nach Wetterlage entweder auf dem Grashalm oder sie geht zurück zu ihrem Nest. Das Prozedere wiederholt die Ameise dann in der nächsten Nacht, so lange, bis ein Weidetier sie verspeist.

Bonus: Toxoplasma gondii – wird auch der Mensch manipuliert? |

Dieser einzellige Parasit aus der Familie der Protozoen kann sich prinzipiell in allen warmblütigen Tieren durch Teilung vermehren – auch im Menschen. Der Endwirt ist allerdings die Katze – genauer gesagt ihr Darm –, denn dort treffen sich T. gondii zur sexuellen Vermehrung. Um dort hinzugelangen, kann der Parasit das Verhalten von Mäusen gravierend manipulieren. Ist er im Gehirn einer Maus eingenistet, verliert diese jegliche Angst vor Katzen und bietet sich diesen quasi zum Fraß an. T. gondii steht im Verdacht, auch unser Verhalten zu manipulieren. Einige Studien deuten darauf hin, dass der Parasit unsere Risikobereitschaft erhöht und psychische Krankheiten wie Schizophrenie hervorrufen kann. Manche Forscher vermuten sogar eine gesteigerte Selbstmordrate bei infizierten Frauen. Inwiefern der Parasit uns wirklich manipulieren kann, bleibt allerdings unklar. Eine aktuelle Studie einer Arbeitsgruppe um Avshalom Caspi von der neuseeländischen University of Otago, konnte einen Zusammenhang zwischen einer T. gondii-Infektion und psychischen Krankheiten nicht bestätigen. Aber auch sie stellt fest, dass infizierte Menschen eher zu Selbstmord neigen. Tatsächlich ist schätzungsweise ein Drittel der Weltbevölkerung von dem Parasiten befallen. Die häufigste Ursache für eine Ansteckung ist der Kontakt mit verseuchtem Katzenkot. Bei den meisten Menschen bleibt eine Infektion allerdings unbemerkt, da sie nicht zu offensichtlichen gesundheitlichen Symptomen führt. Bekannt ist allerdings, dass der Parasit unter anderem Entzündungen des Gehirns und des Herzmuskels hervorrufen kann. Trotz vieler Studien, die eine Manipulation unseres Verhaltens vermuten lassen, fehlt bisher ein eindeutiger Beweis und ein möglicher Mechanismus, wie T. gondii uns manipulieren könnte.

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