Raumfahrt: 5 Fakten über unsere Reisen zum Mars
Die schnellste und die weiteste Reise
Mars ist – die Venus einmal beiseitegelassen – der Planet des Sonnensystems, der uns am nächsten liegt und damit im Prinzip auch am schnellsten zu erreichen ist. Trotzdem konnte man es schon immer leichter machen (wie 1969 die Sonde Mariner 7) oder schwerer (wie die Vikingsonden 1976), um zum Mars zu gelangen.
Natürlich ist von Beginn an schon die Ausgangsgeschwindigkeit nach dem Start entscheidend – also der Wumms, den die Rakete den Sonden mitgibt. Weit entscheidender für unterschiedliche Flugzeiten ist aber die Konstruktion des Sonnensystems: Wegen der exzentrischen Sonnenumlaufbahn des Mars schwankt über die Jahrzehnte der Minimalabstand zwischen uns und dem äußeren roten Nachbarn, den wir im Durchschnitt alle knapp 800 Tage überholen, recht deutlich zwischen etwa 55 Millionen Kilometern und 101 Millionen Kilometern. Dies sorgt dafür, dass sich günstige Startfenster für kurze Flüge von rund 60 Millionen Kilometern zum Mars nur alle rund 15 bis 17 Jahre öffnen – zum Beispiel 1971, 1986, 2003 und 2022. Dabei ist der Minimalabstand auf dem direkten Weg für Weltraumnavigatoren nicht einmal besonders interessant: Zum Mars fliegt man auf gebogenen Kursen wie den Hohmann-Bahnen, die auch notwendigen Brems- und Orbitmanövern und den weiteren Missionszielen Rechnung tragen müssen. Und da hatten es die frühen Versuche wie die des Mariner-Programms, die einfach nur eine Sonde irgendwie knapp am Mars vorbeihuschen ließen, deutlich einfacher als spätere Missionen, bei denen hohe Nutzlasten wie Lander transportiert oder ein Gerät auf Dauer in den Marsorbit eingeparkt werden sollte.
Der Rekordhalter Mariner 7 konnte daher schon nach 128 Tagen vor Ort sein, während das Viking-2-Duo aus Orbiter und Lander 333 Tage Flugzeit benötigte. All das ist allerdings nichts verglichen mit der Weltraumodyssee des japanischen Marskandidaten Nozomi/Planet-B: Im Sommer 1998 gestartet, sorgten Fehlkalkulationen und Kurskorrekturen für eine Reisedauer von fünfeinhalb Jahren. Trotzdem blieb es dann bei einem kurzen Abstecher: Wegen Triebwerksdefekten flog Nozomi 2003 schließlich am Mars vorbei.
Die längste Mission
Nach einem möglichst kurzen Flug sollte dann, am Ziel angekommen, möglichst lange alles glatt laufen. Maßstäbe setzt in dieser Hinsicht heute noch die Sonde "2001 Mars Odyssey": Gestartet im April 2001, fliegt sie seit Oktober 2001 um den Mars, brach 2010 schließlich den 3340-Tage-Rekord der Sonde Global Surveyor und fliegt und sendet und fliegt und sendet bis heute, derzeit also schon über 15 Jahre lang. Länger als dieser Mars-Orbiter hat keiner durchgehalten. Ein Ende ist noch schwer abzusehen: Irgendwann wird der Odyssee der Treibstoff für notwendige Bahnkorrekturen ausgehen, wann genau ist aber schwer zu schätzen. Schon 2010, als die Sonde den Orbit-Rekord von Global Surveyor gebrochen hatte, meinte der Missionswissenschaftler Jeffrey Plaut, die Sonde könnte womöglich durchaus noch zehn weitere Jahre durchhalten. Und wer weiß, wie lange danach vielleicht der europäische Marsorbiter Mars Express noch funktioniert: Er ist seit Weihnachten 2003 am Mars und muss für einen neuen Orbit-Rekord das noch ungewisse Ende von Mars Odyssey um weitere zweieinhalb Jahre überdauern.
Und auf dem Mars? Das älteste auf der Liste künstlicher Objekte auf dem Mars zählt nicht wirklich: Irgendwo verstreut nahe am Marsäquator liegen seit 1971 gut 1200 Kilogramm der russischen Sonde "Mars 2", die beim allerersten aller Landeversuche der Menschheit auf dem Roten Planeten gescheitert ist. Die am längsten erfolgreich mit der Erde kommunizierende Sonde ist dagegen längst der Rover Opportunity, der seit nun zwölfeinhalb Jahren Postkarten vom Meridiani Planum des Mars schickt und seinen Rekord weiter und weiter ausbaut. Auf Platz zwei liegt übrigens nur ganz knapp dahinter nicht sein mittlerweile verstummter Zwilling Spirit: Die Sonde Viking 1 hatte bis zum letzten Signal im November 1982 fast sechseinhalb Jahre und damit einen Monat länger als Spirit von der Marsoberfläche aus gesendet.
Der teuerste Flug
Apropos Viking-Mission: 1975 hatten die USA zwei Lander und zwei Orbiter zum Mars geschickt – für wohl insgesamt etwa eine Milliarde Dollar, die heute inflationsbereinigt etwa viereinhalb Milliarden wert wären. Damit waren die Vikings vielleicht die teuersten bis heute zum Mars geschickten Gerätschaften – ebenso sind sich Mars-Enthusiasten aber bis heute einig, dass der Einsatz sich damals gelohnt hat. Nie vorher waren derart gute Aufnahmen vom Marsboden gelungen, zudem führten die Lander Experimente durch, die bis heute für Aufregung nicht nur in der Astrobiologengemeinde sorgen.
Trotzdem war nach den Vikingsonden plötzlich Schluss mit teuren und sehr teuren Nachfolgemissionen: Andere Projekte wie der Aufbau des Star-Wars-Raketenschilds und des Space-Shuttle-Programms unter Präsident Reagan verschlangen zu große Summen, zudem schlug die groß angelegte Mars-Observer-Mission gründlich fehl. Danach waren kleinere und kostengünstigere Projekte gefragt – bis der Erfolg der Rover Spirit und Opportunity, realisiert mit zunächst 800 Millionen US-Dollar, dann wieder Projekte wie den bis zum Start schon 2,5 Milliarden US-Dollar teuren Flug des Landers Curiosity möglich machte.
Die schlimmste Pechsträhne
Sie schreibt eindeutig die sowjetisch/russische Marsraumfahrt: Fast keine der derzeit 19 abgeschlossenen Missionen hat über die vergangenen Jahrzehnte hinweg je alle ihre Ziele erreicht. Im Gegenteil: Seit dem Abheben von "Marsnik 1" – das war 1960, womit die Sowjets immerhin gut vier Jahre vor dem Mariner-Programm der US-Konkurrenz am Start waren – erreichten peinlich viele russische Marssonden nicht einmal die Erdumlaufbahn, vom Mars selbst ganz zu schweigen. Erst der zehnte Versuch verlief 1971 halbwegs erfreulich, weil "Mars 2" immerhin nicht, wie alle unglücklichen Vorgänger, entweder beim Start verglühte, irgendwann den Funkkontakt verlor oder sich auf dem Weg zum Roten Planeten irgendwo verirrte, sondern tatsächlich in den Marsorbit einschwenken und zumindest ein paar Messungen senden konnte, bevor der Landeversuch dann unsanft und endgültig endete. Die fünf Mars-Schwestersonden waren dann bis 1973 für ein paar Sekunden oder wenige Minuten ähnlich mittelgut, und "Mars 5" knipste sogar wenigstens rund 60 Bilder in neun Tagen Marsumrundung, der größte Teilerfolg der unglücklichen Affäre Mars-UdSSR. Angeben konnte die sowjetische Raumfahrt damit schon nicht mehr: Die US-Sonde Mariner 9 hatte ein paar Monate zuvor die gesamte Marsoberfläche mit über 7000 Aufnahmen kartografiert.
Und auch wenn die Russen weiter nicht aufgeben wollten, Mars brachte ihnen einfach kein Glück: In den 1980er Jahren scheiterten die Fobos-Sonden an technischen Pannen, 1996 stürzte Mars96 kurz nach dem Start ab, und 2011 ließ ein Computerdefekt Fobus-Grunt nicht nach Monaten auf dem Marsmond Phobos niedergehen, sondern nach Tagen vor Chile ins Meer (Erde) stürzen. Aktuell ist die russische Raumfahrtagentur Roskosmos übrigens an der europäischen ExoMars-Mission beteiligt, die im März gestartet ist und die ersten Beinahekatastrophen schon erfolgreich gemeistert hat. Drücken wir die Daumen.
Die fantastischste Mars-Utopie
Die Hartnäckigkeit nach Fehlschlägen, vor allem aber die vielen erfolgreichen Missionen zum Mars zeigen, wie sehr der Nachbarplanet die Fantasie von Realisten beflügelt hat. Vielleicht noch stärker inspirierte er natürlich die Vorstellungskraft von Fantasten – und manchmal ist nicht ganz klar, in welches Lager die Optimistischen der Marsmissions-Planer gehören. Man findet Kandidaten wie den Raumfahrtingenieur Robert Zubrin, der seit Jahren unermüdlich mit seinen Mars-Direct-Planspielen darum wirbt, ein paar menschliche Pioniere möglichst kostengünstig und nachhaltig in einem dauerhaften Habitat auf dem Mars anzusiedeln. Deutlich früher dran und zwischenzeitlich erstaunlich weit fortgeschritten waren mit einem Plan, Menschen auf den Roten Planeten zu bringen, allerdings wieder die Sowjets: Sie arbeiteten unter der Federführung des legendären Raketen-Chefkonstrukteurs Sergej Koroljow schon seit den 1950er Jahren sehr ernsthaft daran, bis 1974 einen bemannten Flug zum Nachbarplaneten zu starten. Das hat nicht geklappt. Und, mit Blick auf die Fehlschläge der unbemannten sowjetischen Marssonden: Hätte es denn je klappen können?
Tatsächlich waren die Pläne gigantisch: Die mächtige Trägerrakete N1 sollte bis zu 90 Tonnen schwere Einzelteile zunächst in den Erdorbit transportieren, wo dann Spezialisten ein fast 100 Meter langes, vielleicht 600 Tonnen schweres Raumfahrzeug zusammenbauen sollten. Dieser "Bemannte Raketenkosmische Marskomplex" (MPRKK) hätte bewohnbare Module für den Flug zum und vom Mars, Antriebsstufen sowie Mars- und Erdlandegeräte und Hitzeschilde kombiniert. Tatsächlich war er bis Mitte der 1960er Jahre auch schon in Details erstaunlich ausgereift, zumindest in der Theorie: Man dachte an ein Recycling von Sauerstoff mit Grünalgen und wollte Wasser mit gefriergetrockneten Nahrungsmitteln sparen, die durch Vitamine aus einer durch Spiegel gebündelt solarbeleuchteten Bord-Orangerie ergänzt wurden, in der Gemüse angebaut werden sollte. Langzeitsimulationen am Boden hatten sogar belegt, dass Menschen in diesem Komplex einen Flug zum Mars überstehen können. Leider aber war dann 1964 alles für die Katz: Die Parteiführung intervenierte und bestand darauf, die Marsrakete in eine Mondrakete umzufunktionieren, mit der man schneller auf dem Mond als die Amerikaner sein könnte. Erst das, glauben Experten heute, führte am Ende zu desaströsen Problemen. Etwa bei der N1-Trägerrakete, die für den Mondflug nun noch einmal stärkere Triebwerke brauchte als für den Start in den Montageorbit um die Erde: Die umfunktionierte Rakete explodierte bei allen vier Teststarts spektakulär. Das Mastermind hinter den Marsplänen, Koroljow, konnte damals schon nicht mehr gegensteuern – er war 1966 gestorben. Auf den ersten Mann auf dem Mars warten die Marsfans der Menschheit bis heute.
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