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Haustiere: Wie Katzen uns und die Welt sehen

Katzen sind die beliebtesten Haustiere hierzulande. Und sie sind zu erstaunlichen geistigen Leistungen fähig: 9 Fakten zur Kognition der Vierbeiner.
Eine Katze spielt mit einem Ball

Wenig überraschend setzen Wissenschaftler bei Verhaltensexperimenten lieber und häufiger Hunde als Katzen ein; ganze Forschergruppen und Fachtagungen beschäftigen sich mit dem Thema "Hundekognition", was dazu geführt hat, dass wir unsere vierbeinigen Freunde immer besser verstehen. Katzen sind dagegen von Natur aus weniger kooperativ, verhalten sich in sozialen Situationen nervöser und eignen sich deshalb schlechter für experimentelle Untersuchungen. Kristyn Shreve und Monique Udell trugen das bislang gesammelte Wissen über das Denken unserer (manchmal auch recht abweisenden) Begleiter zusammen.

Die Sinneswahrnehmung der Katzen

Einer der am besten untersuchten Bereiche der Katzenkognition ist ihre Wahrnehmung, also ihre Fähigkeit zu hören, zu riechen, zu sehen und ihre Schnurrhaare zur Reizerkennung einzusetzen. Die olfaktorische Wahrnehmung (das Riechvermögen) ist vor allem für Katzenbabys wichtig, denn sie beeinflusst maßgeblich die Beziehung zur Mutter. Auf akustische Reize reagieren junge Katzen dagegen erst im Alter von 11 bis 16 Tagen, visuelle Reize werden sogar erst nach 16 bis 21 Tagen wahrgenommen.

Geruchssignale spielen auch im weiteren Leben von Katzen eine wichtige Rolle; erwachsene Tiere setzen Duftmarken, um ihr Revier zu markieren, und können die Territorien anderer Individuen über die Nase erkennen. Wie auch bei Hunden liefert der Duft ihrer Artgenossen den Katzen soziale Informationen. Trotz der Bedeutung von Gerüchen für Katzen konzentriert sich bei diesen Tieren der weitaus größte Teil der Verhaltensexperimente dennoch schwerpunktmäßig auf das Sehvermögen. Unser derzeitiges Wissen, wie Katzen die Welt über ihre Nase wahrnehmen, ist also ziemlich begrenzt.

Schlecht gelaunte Katze | Werden Katzen sehr früh auf Menschen geprägt, können sie sehr anhänglich werden – sonst sind sie von uns vielleicht eher mal genervt.

Die Objektpermanenz der Vierbeiner

Unter Objektpermanenz versteht man die Fähigkeit, sich ein Objekt zu "merken", auch wenn sich dieses aus dem Blickfeld bewegt. Mit anderen Worten: zu wissen, dass das Verschwinden einer Sache nicht bedeutet, dass diese für immer weg ist. Rollt beispielsweise ein Ball unter ein Sofa, so wissen wir, dass dieser noch da ist, auch wenn wir ihn nicht mehr sehen können. Beim Menschen entwickelt sich diese Fähigkeit recht früh; Kleinkinder unter zwei Jahren sind bereits in der Lage, Dinge im Gedächtnis zu behalten. Jeder, der schon einmal eine Spielzeugmaus unter einem Möbelstück verschwinden ließ und dabei von einer Katze beobachtet wurde, die der Maus hinterherstarrte, würde richtigerweise vermuten, dass auch Katzen Objektpermanenz entwickelt haben.

Katze mit Spielzeugmaus | Die Objektpermanenz von Katzen ist weniger gut als die von Hunden – doch wenn Forscher ihre Spielzeugmaus verstecken, haben sie eine gewisse Ahnung, wo sie suchen müssen.

In einem Experiment zeigte beispielsweise ein Versuchsleiter einer Katze ein Futterversteck, woraufhin das Tier tatsächlich kurze Zeit später dort nach Nahrung suchte. Zudem können sich Katzen anscheinend nicht nur ein Objekt merken, das aus ihrer Sichtweite verschwindet. Sie schlussfolgern auch, wohin es gelangt sein muss – selbst wenn sie nicht direkt sehen, wie jemand das Objekt bewegt. Um dies im Versuch zu überprüfen, wird einer Katze ein Behälter mit Futter gezeigt, den der Versuchsleiter dann hinter einem Sichtschutz verschwinden lässt. Das Futter wird heimlich entfernt, und die Katze bekommt den leeren Behälter zu sehen. Sollte das Tier jetzt schlussfolgern, dass das Futter hinter dem Sichtschutz versteckt ist, müsste es die Nahrung an jener Stelle suchen. Bei diesem so genannten "invisible displacement test" schneiden Katzen vielleicht nicht ganz so gut ab wie Hunde, es ist bislang jedoch schwer zu sagen, ob das Ergebnis tatsächlich die Fähigkeiten der Tiere widerspiegelt oder vielleicht nur dem experimentellen Design geschuldet ist.

Physikalische Kausalität erkennen

Kognitionsforscher gehen häufig der Frage nach, ob Tiere "physikalische Gesetzmäßigkeiten" verstehen: ob ein Tier begreift, wie die Objekte in seiner Umgebung miteinander in Verbindung stehen. Vögel werden beispielsweise in Versuchsanordnungen getestet, in denen sie Futter erreichen müssen, das am Ende von senkrecht herabhängenden Schnüren befestigt ist. Dabei sollte der Vogel genau verstehen, auf welche Art und Weise er die Schnur unter Zuhilfenahme seines Schnabels und seiner Füße nach oben ziehen muss, um an die Belohnung zu gelangen. Derartige Untersuchungen wurden mit Katzen bisher leider kaum durchgeführt; allerdings gibt es eine Studie, in der die Tiere ihre Fähigkeiten in einem solchen Experiment unter Beweis stellen konnten. Bei dieser Versuchsanordnung war ein Teil der Schnüre "sinnvoll" am Futter befestigt, andere verliefen jedoch horizontal oder über Kreuz in einer (zumindest für uns) ungeeigneten Weise, um die Nahrung durch Ziehen erreichen zu können. Die Katzen schienen bei diesem Experiment nicht zu verstehen, was eigentlich vor sich ging, denn sie zogen wahllos an sämtlichen Schnüren. Dies könnte jedoch ebenso eher auf den Versuchsaufbau zurückzuführen sein und weniger auf die begrenzten Fähigkeiten der Katzen. Oder aber es liegt ganz einfach daran, dass Katzen nun mal gern an Schnüren ziehen – ob daran Futter hängt oder nicht.

Katze spielt mit Schnur | Ziehen sie einfach nur gern an Schnüren? Oder reicht die Physikwahrnehmung der Katze nicht so weit, dass sie erkennt, an welchen Schnüren sie für ihre Belohnung ziehen muss? Das ist noch nicht endgültig geklärt.

An anderer Stelle haben Katzen allerdings belegt, dass sie durchaus zu physikalischen Schlussfolgerungen in der Lage sind: Sie reagieren verdutzt, wenn physikalische Regeln scheinbar nicht eingehalten werden. Sie beobachteten in einem Versuch, wie ein Behälter zunächst geschüttelt und anschließend auf den Kopf gedreht wurde. Manche Durchläufe verliefen nach einem wenig überraschenden Schema: Die Katzen hörten zunächst ein ratterndes Geräusch beim Schütteln des Behälters und konnten anschließend mitansehen, wie ein Objekt herausrollte, wenn dieser umgedreht wurde. Andere Durchgänge schienen dagegen den Regeln der Physik zu widersprechen: Die Tiere hörten etwa ein Geräusch beim Schütteln des Bechers, aber es fiel nichts heraus. Oder sie hörten nichts, und trotzdem kam am Ende ein Objekt zum Vorschein. Die Auswertung der Videoaufnahmen zeigte, dass die Katzen grundsätzlich länger zu einem rappelnden Behälter blickten als zu einem stummen. Doch auch widersprüchlichen Vorgängen schenkten sie mehr Aufmerksamkeit als solchen mit erwartbarem Ergebnis – ganz so, als würden sie ahnen, dass da etwas faul ist.

Unterscheidung von Mengen

Auf diesem Gebiet gibt es nur wenige Forschungsaktivitäten, allerdings können Katzen lernen, zwischen zwei und drei Punkten zu unterscheiden. Das heißt, sie sind in der Lage, kleine Größenunterschiede zu erkennen.

Soziales Bewusstsein

Während die Hauskatze von vielen Menschen als Einzelgänger angesehen wird, suchen sich frei laufende Hauskatzen anscheinend ganz gezielt bestimmte Individuen, mit denen sie sich auf ihren Streifzügen herumtreiben. Während einige dieser Interaktionen aggressiver Natur sind, geschehen andere aus reiner Neugier oder sogar, um Kontakt aufzunehmen. Katzen haben ebenfalls unterschiedliche Beziehungen zu verschiedenen Personen. Üblicherweise lernen die Tiere während der ersten zwei bis sieben Wochen ihres Lebens soziales Verhalten – sowohl im Umgang mit anderen Katzen als auch mit Menschen. Allgemein gilt, dass Katzen, die in dieser entscheidenden Phase mehr Kontakt zu Menschen hatten, sich diesen gegenüber auch für den Rest ihres Lebens zutraulicher verhalten.

Haben Katzen ein Gespür für Zahlen? | Auch das wurde noch nicht ausreichend getestet. Aber erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass sie zumindest in kleinerem Umfang Mengen erkennen können.

Empfänglichkeit für menschliche Signale

Katzen wurden als Haustiere gezüchtet und leben schon seit langer Zeit in Gesellschaft des Menschen – man würde also erwarten, dass sie menschliche Signale in gewissem Ausmaß deuten können. Jeder Katzenbesitzer weiß allerdings, dass die Tiere nicht immer ganz so reaktionsfreudig sind, wie wir uns vielleicht wünschen.

Wir Menschen versuchen häufig mit Tieren in unserer Umgebung zu interagieren, indem wir auf Dinge zeigen. Da es sich hierbei um ein typisch menschliches Kommunikationswerkzeug handelt, macht dieses Verhalten eher unsere eigenen Grenzen als die unserer tierischen Freunde deutlich. Eine Studie von Ádám Miklósi und Mitarbeitern aus dem Jahr 2005 ergab dennoch, dass Katzen tatsächlich menschlichen Gesten folgen können, um Nahrung zu finden. Die Forscher untersuchten ebenfalls, ob Katzen generell bei Menschen Hilfe suchten, wenn sie eine Aufgabe nicht erledigen konnten. Dies taten die Tiere jedoch nicht.

In einer weiteren Arbeit gingen Wissenschaftler der Frage nach, ob sich Katzen in Situationen, die sie als unsicher empfinden, an den Menschen wenden. Dieses so genannte "soziale Referenzieren" ist ein Verhalten, das sowohl Kinder als auch Erwachsene zeigen. So kann zum Beispiel ein Clown zunächst Furcht erregend wirken, doch wenn alle anderen Spaß haben, lernen wir schnell, dass wir in dieser Situation keine Angst haben müssen (wobei es natürlich immer Ausnahmen gibt). Um das Phänomen bei Katzen zu überprüfen, konfrontierte man sie mit einem Ventilator, an dem Luftschlangen befestigt waren und der potenziell bedrohlich auf die Tiere wirkte. Eine Katze wurde zusammen mit ihrem Besitzer in einen Raum gebracht, der Ventilator wurde eingeschaltet, und der Katzenhalter sollte entweder neutral, verängstigt oder zufrieden/entspannt reagieren.

Katze vor gefülltem Futternapf | Wenn es ums Fressen geht, können Katzen besonders aufdringlich schnurren.

Die meisten Katzen (rund 80 Prozent), so fanden die Forscher heraus, schauten zwischen Ventilator und Mensch hin und her, anscheinend um ihre eigene Reaktion auszuloten. Die Tiere sprachen ebenfalls auf die Gefühlsreaktion ihrer Besitzer an: Sahen diese verängstigt aus, bewegten sich die Katzen eher vom Ventilator weg und interagierten mit den Menschen. Dieses Ergebnis ist schwierig zu interpretieren; nach Ansicht der Autoren suchten die Katzen möglicherweise bei ihren Besitzern nach Geborgenheit. Die Ergebnisse weiterer Studien zeigen gleichermaßen, dass Katzen auf menschliche Gefühlslagen reagieren: Sie suchen seltener die Nähe von Menschen, die sich traurig fühlen, und gehen eher auf jene zu, die sich in extrovertierter oder aufgeregter Stimmung befinden. Warum dies so ist, bleibt allerdings unklar.

Erkennen menschlicher Stimmen

Im Jahr 2013 demonstrierten die Wissenschaftler Atsuko Saito und Kazutaka Shinozuka, dass Katzen die Stimme ihres Halters erkennen können. Um dies nachzuweisen, spielten die Forscher Katzen Tonaufnahmen vor, auf denen die Tiere von ihrem Besitzer oder anderen Menschen beim Namen gerufen wurden. Die Katzen reagierten am stärksten, wenn ihr Halter nach ihnen rief; die Reaktion wurde dabei hauptsächlich an Bewegungen der Ohren oder des Kopfes sichtbar und weniger daran, dass sich das Tier – wie etwa ein Hund – in die Richtung der Stimme bewegte.

Katze sitzt vor dem Computer | Katzen lassen sich in Verhaltenstests nicht so leicht untersuchen wie Hunde. Mit bestimmten Aufgaben kann man ihre Aufmerksamkeit aber fesseln.

Kommunikation per Miau

Junge Katzen besitzen etwa neun unterschiedliche Arten der Lautäußerung, erwachsene Tiere dagegen ungefähr 16. Interessanterweise unterscheiden sich auch Hauskatzen und wild lebende Katzen in ihrer Vokalisation. Das deutet darauf hin, dass die Beziehung zum Menschen einen Einfluss auf die "Katzensprache" hat. Einer der vielleicht bekanntesten Töne von Katzen ist das Schnurren. Die Tiere schnurren allerdings nicht nur, wenn sie von Menschen gestreichelt werden, sondern auch im Umgang mit Artgenossen und Jungtieren. Darüber hinaus verändern Katzen ihr Schnurren, um der Lautäußerung eine andere Bedeutung zu geben. Fordern sie zum Beispiel von ihrem Besitzer Futter, wird das Schnurren dringender und unangenehmer; dabei betten die Tiere für gewöhnlich auch ein hohes Miauen in das tiefe Schnurren ein. Ob allerdings diese Art der Forderung nach Fressen spezifisch für die Beziehung zwischen Katze und Mensch ist oder auch in anderem Zusammenhang eingesetzt wird, ist zurzeit noch nicht bekannt.

Bindung an den Besitzer

2007 führten Claudia Edwards und Mitarbeiter den so genannten "Ainsworth Strange Situation Test" durch, um zu überprüfen, ob Katzen enger an ihren Besitzer gebunden sind als an einen beliebigen anderen Menschen. Bei diesem Test wurde die Katze in einen Raum gebracht und musste dort entweder allein, zusammen mit ihrem Besitzer oder mit einer fremden Person bleiben. Die Forscher stellten fest, dass die Tiere länger Körperkontakt mit ihrem Halter suchten als mit der fremden Person. Außerdem liefen sie ausschließlich hinter ihrem Besitzer her und spielten nur mit diesem. In Anwesenheit ihres Besitzers zeigten sich die Katzen im Allgemeinen erkundungs- und bewegungsfreudiger. Waren die Tiere allein oder in Gegenwart der fremden Person, verhielten sie sich wachsamer und saßen längere Zeit in der Nähe der Tür. Die meisten Lautäußerungen gaben die Katzen von sich, wenn sie sich allein im Raum befanden. Es scheint also, dass Katzen tatsächlich eine Bindung an ihren Halter besitzen, die stärker ist als an fremde Personen – dies mag einigen vielleicht ein kleiner Trost sein.

Mann kuschelt mit Katze | Tatsächlich scheinen Katzen eine stärkere Bindung an ihren Halter als an fremde Personen zu haben. Vielleicht ist das einigen Menschen ein kleiner Trost.

Katzen erleben anscheinend auch Trennungsangst; auch das weist auf eine Verbundenheit zu ihren Besitzern hin. Werden sie von ihren menschlichen Bezugspersonen getrennt, zeigen die Tiere häufiger Stressverhalten, wie etwa Urin- und Kotabsatz an unpassenden Stellen, übermäßige Lautäußerung, Zerstörungsdrang sowie übertriebene Fellpflege.

Während die bestehenden Untersuchungen zur Kognition bei Katzen dazu beigesteuert haben, zumindest einige Fähigkeiten unserer schwer zu durchschauenden Hausgenossen ans Licht zu bringen, ist ein Großteil des Verhaltens von Katzen immer noch wenig untersucht, und es gibt viele Aspekte, die wir nicht verstehen. Eine umfassendere Kenntnis des Katzenverhaltens und wie wir es beeinflussen, wird zu einem besseren Miteinander von Mensch und Katze und einem gesteigerten Wohlergehen dieser Tiere führen. Und hoffentlich trägt es auch dazu bei, die Zahl der Katzen zu verringern, die in Tierheimen landen oder eingeschläfert werden.

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