Astronomie für Einsteiger: Das Analemma
Ganz selbstverständlich nehmen wir den täglichen Sonnenlauf hin. Daneben ist jedem der sich über die Jahreszeiten hinweg verändernde Sonnenstand wohl vertraut. Beobachtet man das Tagesgestirn jedoch mit astronomischer Aufmerksamkeit, liefert uns sein Gang am Firmament einen tieferen Einblick in die Himmelsmechanik. Jeden Tag zur selben Stunde verfolgt, wird man erkennen, dass sich die Sonne über die Jahreszeiten sowohl in Deklination als auch in Rektaszension bewegt. Diese Positionsänderung über ein ganzes Jahr hinweg festgehalten ergibt in Projektion auf die Himmelssphäre eine schiefe Acht, das Analemma.
Schon mit recht einfachen Mitteln lässt sich dieses Phänomen gut aufzeichnen. Hierzu wird eine Digitalkamera an einem Ort positioniert, von dem aus die Sonne während des gesamten Jahres zu ein und derselben Zeit sichtbar ist. Das Objektiv wird mit einem Filter oder einer Sonnenschutzfolie bedeckt. Ferner ist darauf zu achten, dass das Gesichtsfeld groß genug ist, um das Analemma in seiner Gesamtheit zu erfassen; das bedeutet vor allem in der Höhe (Deklination) den jahreszeitlichen Sonnenhöchst- beziehungsweise -tiefststand abzubilden. Der Auslöser lässt sich bequem mit einem Zeitschalter steuern, so dass man selbst davon unabhängig ist. Außerdem ist es ratsam, in bestimmten zeitlichen Abständen die Aufnahmen auf einem Computer zu speichern oder die Speicherung automatisch auf einem angeschlossenen PC vornehmen zu lassen. Nun ist nur noch auf möglichst viele wolkenfreie Tage zu hoffen. Aus der Überlagerung aller brauchbaren Einzelbilder entsteht schließlich die Himmelsacht.
Je nach dem, zu welcher Tageszeit die Aufnahmen durchgeführt werden, steht die Acht senkrecht am Himmel (bei Meridiandurchgang um die Mittagszeit) oder wird gen Osten (vormittags) oder Westen (nachmittags) geneigt sein. Zudem hängen Form und Höhe des Analemmas vom Breitengrad ab, von dem aus beobachtet wird.
Um aus dem Analemma Parameter wie die Exzentrizität der Erdumlaufbahn sowie den Neigungswinkel der Ekliptik gegenüber dem Himmelsäquator möglichst exakt ableiten zu können, ist es sinnvoll, bei der Bestimmung der Sonnenposition auf (frei verfügbare) Astrometriesoftware zurückzugreifen. Die Orte der Sonne lassen sich dann in ein Koordinatensystem eintragen, auf dessen Abszisse etwa die Rektaszension und auf dessen Ordinate die Deklination dargestellt sind.
Neigung der Ekliptik
In Deklination pendelt die Sonne im Jahreslauf zwischen Sonnenhöchst- und Sonnentiefststand, den Solstitien, oberhalb und unterhalb des Himmelsäquators hin und her. Den höchsten und den tiefsten Punkt durchläuft sie jeweils zur Sommer- beziehungsweise Wintersonnenwende. Der Abstand zwischen diesen beiden Orten ist in Winkelgraden genau das Doppelte des Winkels der Neigung der Ekliptik gegenüber dem Himmelsäquator (oder der Neigung der Erdachse gegenüber der Senkrechten zur Ebene der Erdumlaufbahn um die Sonne). In Rektaszension schwankt die Position der Sonne zwischen (relativer) maximaler Ost- beziehungsweise Westauslenkung zweimal im Jahr hin und her. Auf diese Weise kommt letztlich die Form der Acht zu Stande.
Doch wie entsteht diese Bewegung? Nachdem sich die Erde genau einmal um sich selbst gedreht hat, wendet sie sich wieder derselben Himmelsposition, das heißt demselben Sternhintergrund, zu. Eine solche Rotation heißt daher Sterntag und dauert 23 Stunden, 56 Minuten und 4 Sekunden. Innerhalb derselben Zeitspanne wandert aber die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne ein kleines Stück weiter. Bis sich nun die Erde wieder mit derselben Seite der Sonne zuwendet, oder diese für einen Beobachter auf der Erde wieder an derselben Himmelsposition erscheint, muss sich die Erde noch ein klein wenig weiter drehen. Im Mittel dauert dies vier Minuten länger als ein Sterntag; der so genannte (mittlere) Sonnentag dauert also 24 Stunden.
Wann die Sonne tatsächlich im Vergleich zum Vortag mittags wieder den Meridian durchschreitet, hängt jedoch von ihrer aktuellen Äquatorialgeschwindigkeit ab. Diese schwankt über den Jahresverlauf aus zweierlei Gründen: Die Geschwindigkeit der Sonne entlang der Ekliptik setzt sich aus einem Anteil in Deklinations- und einem in Äquatorialrichtung zusammen. Wegen der Neigung der Ekliptik gegenüber dem Himmelsäquator ändern sich beide Anteile im Einzelnen über das Jahr hinweg, so auch die Äquatorialkomponente.
Exzentrizität der Erdbahn
Zudem ist die Geschwindigkeit der Erde während ihres Umlaufs um die Sonne – und somit die Geschwindigkeit der Sonne entlang der Ekliptik – nicht konstant, da sich die Erde nicht auf einer kreisförmigen, sondern auf einer elliptischen Bahn bewegt.
Ist nun die aktuelle Äquatorialgeschwindigkeit geringer als die über das Jahr gemittelte, erreicht die Sonne etwas später am Mittag den Meridian. Täglich zur selben Zeit beobachtet, ist sie an solchen Tagen östlich von ihrer mittleren Position anzutreffen. Liegt die Geschwindigkeit dagegen oberhalb des jährlichen Mittels, kulminiert sie früher und die Sonne befindet sich zur gegebenen Zeit bereits westlich der mittleren Position. Die Differenz zwischen tatsächlicher und mittlerer Kulmination wird als Zeitgleichung bezeichnet (siehe Grafik oben). So entsteht schließlich die Himmelsacht, das Analemma.
Ein Film und weitere Details zum Analemma-Projekt von Robert Nufer finden sich auf der Website: http://RobertNufer.ch
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