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Stacheln, Tentakel, Harpunenzungen: Die 10 giftigsten Meerestiere

Ein stachelloser Seeigel, der stattdessen mit zahllosen blütenartigen Ärmchen besetzt ist.

Badeurlaub doch lieber im Planschbecken? Diese Sammlung gefährlicher Meerestiere jedenfalls lässt den Strandgenuss speziell in tropischen Regionen in einem anderen Licht erscheinen. Fast jede Tiergruppe im Meer kann mit hochgiftigen Arten aufwarten: Brennende Tentakel, spitze Stacheln und sogar Harpunenzungen warten unter der Wasseroberfläche auf unvorsichtige Opfer.

Gebänderte Seeschlange (Hydrophis belcheri) |

Es gibt eine ganze Reihe Seeschlangenarten. Gemeinsam ist ihnen, dass sie in tropischen Gewässern leben und extrem giftig sind – weit giftiger als die landlebenden Giftnattern, von denen sie abstammen. Als giftigste unter ihnen gilt Belchers Seeschlange – aus ihren Fangzähnen kommt ein Giftcocktail, der angeblich hundertfach wirksamer ist als jener der giftigsten Landschlange. Das ist vermutlich eine Übertreibung, aber Giftschlangen reihen sich mühelos unter die giftigsten Wirbeltiere ein. Über das Gift selbst ist nicht viel bekannt, verwandte Arten besitzen jedoch Neurotoxine, die Rezeptoren des Signalstoffes Azetylcholin in den Muskeln blockieren und so Atmung und Herz lähmen. Zusätzlich injizieren die Schlangen hämolytische Enzyme und Metalloproteinasen, die die Blutgerinnung hemmen. Das Gift von Hydrophis belcheri ist auch für Menschen sehr schnell tödlich, allerdings gilt die Schlange als gutmütig und beißt nur, wenn sie mehrfach provoziert wird. Und selbst dann injiziert sie nur in etwa einem Viertel der Fälle überhaupt Gift.

Rotfeuerfisch (Pterois volitans) |

Eigentlich sind Rotfeuerfische harmlose und zurückhaltende Gesellen – doch wer klug ist, belästigt sie nicht. Die Arten aus der Gruppe der Pteroinae gehören zu den giftigsten Fischen, ihr Stich ist zwar nicht tödlich, aber oft höchst unangenehm. Ihre Stacheln an Rücken- und Bauchflossen enthalten Giftdrüsen, die eine Mischung aus Proteinen und kleinen Molekülen abgeben, sobald die Hülle um den Stachel herabgedrückt wird. Der Giftcocktail verursacht nicht nur extreme Schmerzen, sondern auch Lähmungen bis hin zu Atem- und Herzproblemen und in schweren Fällen Kreislaufkollaps. Das Gift enthält unter anderem den Neurotransmitter Azetylcholin, der die Synapsen des Nervensystems überstimuliert – der Effekt entspricht jenem von Nervengasen wie Sarin, allerdings nur lokal.

Zusätzlich geben die Giftdrüsen Proteine ab, welche die Blutzellen und das Gewebe um die Einstichstelle zerstören sowie die Arterien weiten und den Herzschlag verlangsamen. Stiche durch Rotfeuerfische betreffen häufig Aquarianer, die bei der Handhabung ihrer Schützlinge nicht aufpassen. Die Wirkung scheint von Person zu Person zu schwanken. Manche Opfer berichten lediglich von Schmerzen und einer leichten Schwellung, die nach einigen Stunden vergeht, andere dagegen beschreiben die Folgen als nahezu unerträglich. Möglicherweise spielt dabei auch die Stärke der Immunreaktion eine Rolle.

Portugiesische Galeere (Physalia physalis) |

Die Portugiesische Galeere ähnelt auf den ersten Blick einer gewöhnlichen Qualle. In Wirklichkeit ist sie aber etwas ganz anderes: Sie gehört zu den Staatsquallen und besteht aus hunderten einzelner Tiere. Was aussieht wie ein Organismus, ist eine ganze Kolonie aus vier hoch spezialisierten Typen von Individuen. Die bis zu 50 Meter langen Tentakel bestehen aus den Dactylozooiden, die bis zu 1000 Nesselzellen pro Zentimeter Länge tragen. Im Gegensatz zu anderen Nesseltieren besitzen die Physalia-Kolonien zwei Arten von Nesselzellen: große zum Töten der Beute, kleine zum Betäuben.

Das Gift der Portugiesischen Galeere enthält einen Proteincocktail, in dem der Hauptbestandteil Physalitoxin etwa 28 Prozent ausmacht. Dieses Protein aktiviert Nervenzellen und andere Zelltypen und erzeugt Poren in Zellmembranen, die zum Beispiel rote Blutkörperchen zum Platzen bringen können. Das Gift stört außerdem die Funktion des Herz-Kreislauf-Systems und gelegentlich der Lunge. Dennoch ist es für Menschen nur in seltenen Fällen tödlich, zum Beispiel für Allergiker. Die Tentakel der Portugiesischen Galeere verursachen einen brennenden Schmerz, der etwa eine Stunde anhält. Zudem erzeugt das Gift rote Quaddeln, die nach Peitschenstriemen aussehen und nach etwa drei Tagen wieder verschwinden. Allerdings nesseln an den Strand gespülte Tentakel unter Umständen noch Tage oder Wochen später.

Blauring-Oktopus (Hapalochlaena lunulata) |

An seinen leuchtend blauen Ringen erkennt man diesen kleinen Kraken sofort, doch wenn er sich bedroht fühlt, zeigt der im Schnitt nur etwa 30 Gramm schwere Kopffüßer sein wahres Gesicht: Die blauen Ringe leuchten noch intensiver als vorher, während sich seine Haut intensiv gelb färbt. Das Warnsignal lässt keinen Zweifel daran: Dieses Tier ist giftig. Was die meisten Menschen nicht wissen: Alle Oktopusarten produzieren Gift. Doch keine von ihnen erreicht die tödliche Perfektion des blau geringelten Oktopus. Die Tiere haben zwei Giftdrüsen, die Toxine in den Speichel abgeben – und eine davon produziert das extrem giftige Tetrodotoxin, ein Molekül mit komplizierter Struktur, das auch im Pufferfisch und bei Pfeilgiftfröschen auftaucht. Tetrodotoxin ist etwa 1200-mal so giftig wie Zyanid, ein Oktopus enthält genug Gift, um etwa zehn erwachsene Menschen zu töten. Die Substanz blockiert die spannungsaktivierten Natriumkanäle der Nervenzellen, so dass keine Nervenimpulse mehr weitergeleitet werden. Die Konsequenz sind Lähmungen der Muskeln, unter anderem der Atemmuskulatur. Ein Gegengift gibt es nicht. Aber wenn das Opfer beatmet wird, lässt der Effekt nach einer Weile nach. Der Oktopus stellt das Gift nicht selbst her, sondern gewinnt es aus Bakterien. Wie das im Detail funktioniert, ist nicht geklärt.

Rosen-Seeigel (Toxopneustes pileolus) |

Dass Seeigel sich wehren können, erkennt man gemeinhin schon an den Stacheln. Der gefährlichste Vertreter dieser Tiergruppe allerdings kommt täuschend unstachelig daher: Nach außen zeigt er nur seine blütenartigen Anhängsel, die Pedicellarien. Die aber haben es in sich. Sie sind die Verteidigungswaffen der Tiere und bestehen aus einer zentralen Muskelplatte mit drei Giftzähnen, die menschliche Haut durchdringen können. Die Pedicellarien beißen sich fest und lösen sich vom Seeigel, während sie weiter Gift ins Opfer pumpen. Dessen wichtigste Bestandteile sind die Enzyme Contractin A, das Blutzellen verklumpen lässt und unkontrollierte Krämpfe in Muskeln auslöst, und Peditoxin, das eine Art Schockzustand verursacht, der tödlich enden kann. Es gibt Berichte über Todesfälle durch Rosen-Seeigel bei Tauchern. Vermutlich führen die lähmenden und sedierenden Effekte der Giftbestandteile dazu, dass Menschen ertrinken.

Irukandji (Carukia barnesi) |

Lange war über dieses hochgiftige Tier kaum etwas bekannt. Die Irukandji-Würfelqualle ist mit einem bis zwei Zentimeter Schirmdurchmesser so klein und unscheinbar, dass lange Zeit niemand von ihr wusste – bis man gezielt nach ihr suchte, um endlich das Tier hinter dem äußerst unangenehmen Irukandji-Syndrom zu finden, das damals auf eine Qualle ähnlich der Seewespe zurückgeführt wurde. Zu Recht, wie sich zeigte. Die Nesselzellen von Carukia barnesi sitzen zu Ringen geordnet an den Tentakeln, das Gift wirkt mit einer Verzögerung von bis zu einer Stunde und verursacht sehr spezifische Vergiftungssymptome mit starken Muskelschmerzen am Torso, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Lungenödeme. Auch von Hirnblutungen gibt es Berichte; derart schwere Komplikationen sind oft mit Todesfällen verbunden. Über die genaue Zusammensetzung des Irukandji-Gifts ist bisher kaum etwas bekannt, außer dass es auf das Herz-Kreislauf-System wirkt. Man vermutet sogar, dass hinter dem Syndrom gleich mehrere Arten stecken.

Steinfisch (Synanceia verrucosa) |

Der vermutlich giftigste Fisch der Welt ist ausgesprochen gut getarnt – wenn er weitgehend regungslos am Meeresboden liegt, macht er seinem Namen alle Ehre. Treten sollte man auf diesen "Stein" allerdings besser nicht: Auf seinem Rücken reihen sich 13 nadelspitze Stacheln aneinander, die ein hochwirksames Nervengift injizieren, das zu Atemlähmung und Herzstillstand führen kann. Das Gift enthält die Proteine Stonustoxin, das Zellen und Gewebe nahe der Einstichstelle zerstört und das Herz-Kreislauf-System beeinflusst, und Hyaluronidase, die Bindegewebe zersetzt. Diese Wirkung ist dafür verantwortlich, dass der Effekt des Stiches an der Einstichstelle noch über Monate hinweg anhält.

Der Hauptbestandteil des Gifts, Verrucotoxin, wirkt über zelluläre Adrenalinrezeptoren und verändert den Kalziumhaushalt von Nervenzellen. Das ist möglicherweise auch der Grund dafür, dass das Gift des Steinfisches zum Herzstillstand führen kann – allerdings sind viele Aspekte seiner Wirkung noch nicht geklärt. So deuten medizinische Berichte darauf hin, dass es neben Schwäche, Lähmungen und Taubheit auch Lungenödeme verursachen kann. Neben den lebensgefährlichen Vergiftungserscheinungen verursacht das Gift außerdem extreme, als pulsierend beschriebene Schmerzen, die sich von der Einstichstelle in den ganzen Körper ausbreiten und bis zu 48 Stunden anhalten. Ein Opfer beschrieb den Stich folgendermaßen: "Als wenn nacheinander die Fingerknöchel, das Handgelenk, Ellenbogen und Schulter über die Dauer einer Stunde mit einem Vorschlaghammer geschlagen würden." Gestorben ist am Stich eines Steinfisches immerhin seit langer Zeit niemand mehr: Es gibt ein wirksames Gegengift.

Kegelschnecke (Conus textile) |

Sammler schätzen ihre prächtigen Gehäuse seit Langem – aber auch für die Freunde der gepflegten Agonie hält diese Meeresschnecke einen echten Leckerbissen bereit. Sie besitzt eines der stärksten bekannten Gifte der Tierwelt, das sie ihren Opfern mit einem hohlen Stachel injiziert. Normalerweise fängt die Schnecke auf diesem Wege kleine Fische, doch die kleine Harpune durchdringt auch Handschuhe, Taucheranzüge und menschliche Haut. Das Gift besteht aus einer Sammlung relativ kleiner Proteine, die man unter der Bezeichnung Conotoxine zusammenfasst: hochpotente, extrem schnell wirkende Nervengifte, die Ionenkanäle an Nervenzellen blockieren und allerlei Zellrezeptoren ansprechen. Wegen ihrer großen Bandbreite an Wirkungen sind diese Eiweiße für die Medizin hochinteressant. Für die Schnecke zählt allerdings vor allem ein Effekt: Die Beute ist sofort gelähmt, und das Weichtier kann zu fressen anfangen. Bei betroffenen Menschen tritt zuerst ein intensiver Schmerz an der Einstichstelle auf, dann folgen neurologische Symptome wie Schwäche, lokale Taubheitsgefühle, Muskellähmungen oder Atemnot. Bei der Untersuchung einiger Todesopfer entdeckte man schwere Hirnblutungen. Conotoxine gelten wegen ihrer Giftigkeit als potenzieller chemischer Kampfstoff.

Stachelrochen |

Eine weitere Tiergruppe, die man tunlichst nicht ärgern sollte, sind die Stachelrochen. Ihren Namen verdanken diese bizarren Fische ihrem langen Schwanz, an dessen Ansatz sie bis zu sieben widerhakenbewehrte Giftstacheln tragen. Anders als die meisten Stacheln tragenden Fische wie der Rotfeuerfisch setzen die Rochen ihre Waffe auch keineswegs nur defensiv ein. Wenn sie sich bedroht fühlen, schwingen sie ihren Schwanz über den Rücken nach vorn, etwa wie ein Skorpion. Häufige Opfer sind Taucher, die aus Versehen auf einen im Sand verborgenen Rochen treten und dann einen Stachel in der Wade stecken haben. Die Stacheln sind von einer Membranhülle umgeben; an ihrem unteren Ende befindet sich eine Giftdrüse. Dringt ein Stachel in das Opfer ein, zerreißt die Hülle und das Gift fließt in die Wunde.

Das enthaltene Serotonin verursacht heftige, sehr schmerzhafte Muskelkrämpfe, zusätzlich zerstören zwei Proteine, 5-Nucleotidase und Phosphodiesterase, das umliegende Gewebe. Den größeren Schaden allerdings verursacht die scharfen, gezackten Stacheln selbst, die tiefe Wunden reißen und mit denen größere Rochen sogar Menschen töten können. Der australische Tierfilmer Steve Irwin zum Beispiel starb, nachdem ihn am Great Barrier Reef ein Rochen mit über zwei Meter Spannweite mehrmals in die Brust stach und dabei auch sein Herz traf.

Seewespe (Chironex fleckeri) |

Die Seewespe, die in den Gewässern Nordaustraliens und Südostasiens lebt, gilt als das giftigste aller Meerestiere. Obwohl die meisten Kontakte mit Quallen mit schmerzhaften, aber milden Verbrennungen enden, sterben regelmäßig Menschen nach dem Kontakt mit diesen unscheinbaren Gallertwesen. Seewespen gehören zu den Würfelquallen, die nach ihrem kastenförmigen Schirm benannt und mit den klassischen Quallen nur entfernt verwandt sind. Nach Schätzungen besitzt ein einzelnes Tier genug Nesselgift, um 60 Menschen auf einmal zu töten – in extremen Fällen sterben die Opfer schon fünf bis zehn Minuten nach dem Kontakt.

Verantwortlich dafür sind vermutlich neben Ionenkanal-Inhibitoren die so genannten Cytolysine CfTX-1 und CfTX-2 im Gift der Seewespe, die beide Membranporen bilden. Dadurch gelangt so viel Kalium ins Blut, dass das Herz stehen bleiben kann. Durch die durchlöcherten Membranen platzen auch die roten Blutzellen, und das Gewebe rund um die Einstichstelle wird ebenfalls geschädigt; dadurch bleiben manchmal sichtbare Narben. Das Gift verursacht extreme Schmerzen, die vermutlich durch ein eigenes Protein hervorgerufen werden, zusammen mit dem für Nesselgifte typischen Brennen – nach Beschreibungen ähnlich einem auf die Haut gedrückten heißen Bügeleisen. Im Gegensatz zu dem, was Gerüchte behaupten, hilft es nicht, auf die Verbrennungen zu urinieren; doch Essig kann rasch helfen, nicht geplatzte Nesseln zu neutralisieren. Es gibt ein Gegengift, das allerdings rasch verabreicht werden muss.

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