Trockenheit in Deutschland: Die Dürre, die nicht enden mag
Viel Regen brachte das neue Jahr zunächst nicht, und auch Schneeflocken wurden kaum gesichtet. Ein kräftiges Hoch hatte sich über Mitteleuropa gelegt; es versorgte den Kontinent mit subtropischer Luft, sogar von Westrussland bis nach Sibirien war es außergewöhnlich warm. Atlantiktiefs zogen über Großbritannien und Skandinavien – nur im Norden und Westen war es hin und wieder nass. Große Mengen Regen kamen jedoch nicht vom Himmel.
Ein kalter, feuchter Winter ließ also auf sich warten. Die Trockenheit, die den Böden schon 2018 und im Jahr 2019 zusetzte, dauert vielerorts an. Schon jetzt sorgen sich Landwirte um Ernten. Zu fürchten ist aber vor allem um die Zukunft der Wälder.
In den großen Dürregebieten der vergangenen beiden Jahre fiel erneut nur wenig Regen, besonders in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Bayern fehlt es an Nässe. Dort zeigt die Deutschlandkarte des Dürremonitors vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig immer noch tiefrote Flächen, es herrscht nach wie vor die höchste von fünf Trockenstufen, Forscher sprechen von einer außergewöhnlichen Dürre. Bis in eine Tiefe von 1,8 Metern ist kaum noch Wasser vorhanden, die Böden haben sich von der Dürre nicht erholt. Daran konnte auch der einigermaßen nasse Herbst nichts ändern.
Der Boden erinnert sich
Verbessert hat sich die Lage hingegen im Oberboden. Bis in eine Tiefe von 25 Zentimetern ist es wieder ausreichend feucht, nur in Sachsen, Brandenburg und Bayern bleibt die Dürre auch im Oberboden bestehen. Da die oberen Bodenschichten sehr schnell auf nasse Wetterphasen reagieren, ist die Aussagekraft der oberen Schichten jedoch nur gering. Das wahre Gedächtnis des Bodens zeigt sich weiter unten.
»Die Dürregefahr ist noch nicht gebannt«, sagt Andreas Marx vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, der den Dürremonitor betreut. Der Oberboden sei nach dem nassen Herbst zwar deutschlandweit wieder deutlich feuchter, aber weiter unten sehe es in den dürregeplagten Regionen nach wie vor schlecht aus. Anders formuliert: Die Wasserreserven sind alle aufgebraucht. Damit sich das ändert, müsste es in den kommenden Wochen und Monaten endlich richtig regnen. Gleichmäßiger Landregen wäre jetzt gut, wie er im Winter häufiger fällt. Heftige Gewitter oder Schauer, wie sie eher im Sommer fallen, würden die Lage hingegen kaum lindern.
In einigen Gebieten fehlen nach Angaben von Marx immer noch mehrere hundert Liter Regen pro Quadratmeter, mitunter ein halber Jahresniederschlag. Als er im vergangenen August in den besonders dürregeplagten Regionen rund um den Harz nachmaß, waren punktuell sogar 600 Liter weniger als im Vergleichszeitraum von eindreiviertel Jahren gefallen. In Regionen mit sandigen Böden, die ohnehin nur wenig Wasser halten können, bedeutete dies den schlimmsten anzunehmenden Zustand, sagt er.
»Zwei Trockenjahre in Folge sind einzigartig«
Andreas Marx
Der Fachmann definiert eine Dürre nicht nur meteorologisch als Ergebnis eines größeren Regendefizits, sondern als Kombination von Regenmengen und Bodenqualität. Sandige, leichte Böden nehmen Wasser zwar schneller auf, können es aber deutlich schlechter speichern als schwere, tonhaltige. Daher sind jene besonders anfällig für Regenarmut. Im Gegensatz dazu sind Böden mit hohem Tonanteil an Trockenphasen besser angepasst, allerdings nehmen sie fallenden Regen langsamer auf – und erholen sich zudem nicht so leicht von Dürrephasen.
Die lang anhaltende Dürre kam unerwartet
Wenn Andreas Marx über die beiden vergangenen Jahre spricht, dann wird er nachdenklich, fast betroffen. »2018 und 2019 haben uns überrascht«, sagt er, zwei Trockenjahre in Folge seien nicht erwartbar gewesen. Zwar habe es in den vergangenen Jahrzehnten wie etwa im Jahr 1976 immer wieder Dürren gegeben, zwei Trockenjahre in Folge seien aber einzigartig und von den Klimamodellen so nicht vorhergesagt worden, sagt Marx. Ein Trockenjahr sei in der Regel auch kein Problem. Zwei, drei Dürrejahre in Folge hingegen schon.
Das Jahr 2018 fiel im gesamten Bundesgebiet zu trocken aus, 2019 gab es vor allem im Osten und Norden viel zu wenig Regen. Einige Gegenden sind regelrecht trockengefallen, zudem hat sich der Grundwasserspiegel abgesenkt. »In der Altmark in Sachsen-Anhalt zum Beispiel war die Trockenheit im vergangenen Jahr noch schlimmer als im Dürrejahr 2018«, sagt Marx.
Die beiden Jahre haben das Land verändert. Vor allem 2018 wird als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem viele Europäer den Klimawandel erstmals vor ihrer eigenen Haustüre wahrnahmen, in dem sie selbst spürten, wozu ein wärmerer Planet in der Lage ist. Es war das Jahr, in dem das Reden über das Wetter seine Unschuld verlor und die Klimadebatte endlich richtig Fahrt aufnahm. Es war das Jahr, in dem nicht nur Ernten zerstört wurden, sondern auch Gewissheiten. Eine davon lautete: In Deutschland regnet es mehr als genug. Wassermangel? Ist doch kein Problem bei uns.
Wie schnell sich diese Gewissheit auflöste, zeigte sich dann spätestens einen Sommer später. Nach einem ebenfalls zu trockenen Winter blieb im Frühling 2019 erneut der Regen aus. Die Saat ging nicht wie gewünscht auf, viele Äcker waren zu Beginn der Vegetationsperiode staubtrocken. Zudem färbten sich die Wälder schon im Frühsommer rot. Viele heimische Baumarten zeigten Trockenschäden, Krankheiten und Schädlinge rafften ganze Waldbestände dahin. Betroffen waren auch robuste Arten wie Buchen und Eichen. Wie schlimm es um den Wald wirklich steht, zeigten die Waldzustandsberichte der einzelnen Bundesländer zum Jahresende. Die Lage sei alarmierend; grundsätzlich habe sich der Zustand des Waldes weiter verschlechtert, hieß es unisono. In einigen Bundesländern ist nur noch jeder fünfte Baum gesund, zudem könnte manche Baumart wie die Esche in Zukunft verschwunden sein.
Es mag nass wirken, ist aber trocken
Andreas Marx war im vergangenen Jahr häufig im Gelände unterwegs, um die Böden genauer zu untersuchen. Er wohnt im Hotspot der Dürre. Stets hatte er eine Schaufel dabei, um das Bodenprofil zu untersuchen. Er sah schon im Frühjahr 2019 ausgedörrte Böden, die selbst nach einem starken Regenguss nur an der Oberfläche Wasser enthielten. »Von oben sieht es nach dem Regen immer nass aus«, sagt Marx, doch weiter unten bliebe der Boden trotzdem staubtrocken. Manchmal sei lediglich eine dünne Mulchauflage wirklich nass geworden.
Im Sommer sickert Wasser schlechter in den Boden, die hohe Verdunstung während Hitzewellen lässt die Böden – im Gegensatz zum Winter – deutlich schneller austrocknen. Dadurch verringert sich die hydraulische Leitfähigkeit, der Boden ist wie imprägniert. Fällt nun, wie häufig im Sommer, sehr viel Regen auf einmal, kommt nur wenig unten an. Das Wasser perlt an der Oberfläche ab und wird in Bäche, Seen oder in die Kanalisation gespült. »Das ist wie beim Kuchenbacken«, sagt Andreas Marx. Schüttet man Milch auf das Mehl, nimmt es diese kaum auf. Ein feuchter Teig hingegen lässt sich schnell vermengen.
Jetzt im Winterhalbjahr sind die Oberböden häufiger feucht, die Verdunstung ist gering. Zudem gibt es seltener Starkregen – deshalb können sich die Wasserspeicher im Winter besser regenerieren. Hitzewellen vergrößern daher indirekt die Dürregefahr, sie trocknen den Oberboden aus und verringern die Wasseraufnahme. Als Infiltrationsrate bezeichnen Wissenschaftler die Wassermenge, die ein Boden in einer bestimmten Zeit aufnehmen kann. Zudem saugen sich Pflanzen während der Vegetationsperiode im Sommerhalbjahr mit Wasser voll, was dem Boden zusätzlich Wasser entzieht.
»Die Situation ist für den Wald insgesamt gefährlicher als für die Landwirtschaft«
Andreas Marx
Wie die Landwirtschaft mit Trockenphasen zurechtkommt, wie sie sich für eine wärmere Welt wappnet, diskutieren Wissenschaftler Mitte Januar auf einer Dürrekonferenz in Leipzig. Veranstalter ist das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, Andreas Marx hält den Eröffnungsvortrag. Viele Landwirte haben den Sommer 2019 überstanden, doch es gab große regionale Unterschiede. Im Süden fiel die Ernte gut aus, im Osten dagegen schlecht. Schlecht war die Ernte bei Weizen und Raps, Obst und Reben gediehen hingegen prächtig. Sorgen bereitet Andreas Marx aber der Wald. »Die Situation ist für den Wald insgesamt gefährlicher als für die Landwirtschaft«, sagt er. Für die Bauern seien höhere Temperaturen nicht unbedingt schlecht. Die Ertragsverluste seien im Vergleich zur Klimanormalperiode von 1961 bis 1990 nicht besonders groß, zudem hätten die Bauern die Möglichkeit, trockenresistentere Kulturen anzubauen. Anpassung ist das Stichwort.
Die Frage, die nun viele bewegt, möchte sich Andreas Marx lieber nicht ausmalen. Was passiert, wenn das Jahr 2020 erneut viel zu trocken ausfällt, wenn die Dürre anhält? Grundsätzlich kann kein Mensch sagen, wie das Jahr wird. Auch wenn das einige schwer erziehbare Meteorologen in der Branche nicht davon abhält, es doch zu tun. Und die Klimamodelle senden – wie bei regionalen Niederschlagsverteilungen üblich – kein robustes Signal für die Zukunft aus. Grob umrissen wird es am Mittelmeer in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wahrscheinlich noch trockener, während Skandinavien wohl mehr Regen abbekommen wird. Was in Mitteleuropa genau passiert, ist unklar. Voraussichtlich steigt auch hier zu Lande die Dürregefahr, ist Marx’ Kollege Michael Peichl vom UFZ überzeugt. Das Wetter wird unberechenbarer. In einer 1,5 bis zwei Grad wärmeren Welt könnten Trockenphasen um ein Drittel häufiger werden, bei drei Grad schon um die Hälfte, sagt er. Im Südwesten könnte sich die Zeit, in denen Dürren auftreten, sogar verdoppeln.
Aber jetzt hoffen die Forscher erst einmal, dass das Jahr 2020 vor allem eins bringt: viel Regen.
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