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Astronomie für Einsteiger: Doppelsterne problemlos präzise messen

Über die Jahrzehnte hinweg können sich die Winkelabstände, vor allem aber die Positionswinkel von Doppelsternen merklich ändern. Dies verwundert auch nicht, denn einige Doppelsterne haben Perioden von unter hundert Jahren. Selbst bei längeren Perioden kommt es bei exzentrischen Bahnen zur Zeit des Periastrons, des geringsten Abstands der beiden stellaren Komponenten, zu merklichen Veränderungen in wenigen Jahrzehnten. Die quantitative Beobachtung der "astrometrischen" Doppelsterne ist also durchaus interessant. Dank moderner, digitaler CCTV-Technik ist es heute auch gar nicht schwer, präzise Messergebnisse zu erzielen.
Ein enges Doppelsternsystem aus Roten Zwergen

Damals: Messen mit Spinnenfäden

Über fast drei Jahrhunderte hinweg war das Fadenkreuzmikrometer, eingebaut in ein Okular, das Hauptmessinstrument des Astronomen. Die feinsten und zähesten Fäden stammen von Spinnen, selbst ein Kinderhaar ist ein dicker Balken dagegen. Deshalb wurde beispielsweise von der Werkstatt der Hamburger Sternwarte noch nach dem 2. Weltkrieg eine besonders gut geeignete Art von Spinnen gehalten! Mit Hilfe der tierischen Lieferanten konnten die empfindlichen Okularmikrometer mit ihren frei in der Luft gespannten Fäden (einem unbeweglichen Fadenkreuz und einem per Mikrometerschraube fein verschiebbaren Messfaden) stets repariert werden. Im Lauf des 20. Jahrhunderts haben sich dann jedoch zunehmend fein geätzte, gegeneinander verschiebbare Strichplättchen durchgesetzt.

Teleskop mit CCD-Kamera | Eine Schwarz-Weiß-Kamera von The Imaging Source und ein Filterrad am Okularauszug dieses 25-Zentimeter-Newton-Teleskops erlauben astrometrische Untersuchungen von Doppelsternen.

Der wohl berühmteste aller Doppelsternbeobachter, Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793 – 1864), hat seine vielen Messungen mit genau so einem einfachen Fadenkreuzmikrometer durchgeführt, die meisten davon am Neun-Zoll-Refraktor in Dorpat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die mit dem griechischen Buchstaben Sigma bezeichneten Doppelsterne, die Sie vielfach in Tabellen finden, sind seine Entdeckungen.

Positionswinkel und Winkelabstand

Der scheinbare Abstand der Komponenten eines Doppelsterns wird üblicherweise in Bogensekunden gemessen. Dazu muss die Skala des Fadenmikrometers am Abbildungsmaßstab des Teleskops kalibriert werden. Eine schnelle Methode bietet das Stoppen der Durchlaufzeit eines Sterns bei abgeschalteter Nachführung, wozu der Messfaden um mehrere volle Mikrometerdrehungen ausgefahren wird. Da in Äquatornähe pro Zeitsekunde genau 15 Bogensekunden zurückgelegt werden, lässt sich per Dreisatz sofort errechnen, wie viele Bruchteile einer Bogensekunde auf einen Skalenwert der Mikrometerschraube entfallen. Genauer und ohne Stoppuhr lässt sich diese Kalibrierung natürlich mit einem gut bekannten, sehr weiten Doppelstern vornehmen.

Der Doppelstern Kastor im Sternbild Zwillinge | Der leicht zu trennende Doppelstern Kastor (Alpha Geminorum) nebst Messergebnis.

Heute: "Lucky Imaging"

Derartige Messungen mit einem Fadenmikrometer, das heißt direkt am Stern, erfordern eine sehr robuste Montierung mit guter Nachführung, viel Fingerspitzengefühl sowie ruhige Luft und Windstille. Die hohen instrumentellen Anforderungen werden nur von wenigen Privatsternwarten erfüllt. Lange Zeit lagen daher präzise Doppelsternmessungen außerhalb der Möglichkeiten der Amateurastronomie.

Dies hat sich jedoch in den letzten zehn Jahren dramatisch geändert, nämlich durch die Entwicklung eines aus der Videotechnik hervorgegangenen Verfahrens der Planetenfotografie, des "Lucky Imaging". Hierzu wird eine lichtempfindliche, moderne Überwachungskamera (digitale CCTV) benutzt, wie die speziell für Nachteinsätze entwickelten Mintron- und DMK-Modelle. Das Bild auf der linken Seite zeigt die DMK von Rainer Anton in Kiel und ein Filterrad, montiert an seinem 25-Zentimeter-Newton-Teleskop (f/6). Der Abbildungsmaßstab der kleinen CCTV-Kamera-Chips mit ihren nur 5,6 Mikrometer messenden Pixel ist so gewaltig, dass schon eine Zweifach-Barlowlinse reicht, um die volle Auflösung des Teleskops (etwa 0,5 Bogensekunden) auf knapp zwei Pixel zu verteilen. Ein PC oder Laptop mit USB2- oder Firewire-Schnittstelle zeichnet dann den Bildstrom von bis zu 30 kurzen Belichtungen pro Sekunde auf. Später untersucht eine Software wie etwa das Freeware-Programm Giotto (siehe www.videoastronomy.org) im PC alle einzelnen Bilder nach ihrer Qualität und wählt die besten ("lucky images") aus, welche die kurzen Momente "stehender" Luft erwischt haben. Diese 50 bis 100 besten von 1500 bis 4000 Aufnahmen werden zueinander zentriert zu einem sehr rauscharmen Endbild aufaddiert.

Die Messgenauigkeit profitiert nun ganz erheblich von der Bildqualität, welche die theoretische Auflösung erreicht, und vom großen Abbildungsmaßstab (siehe Bild oben links). Wichtig ist hierbei eine möglichst kurze Belichtungszeit (im Bereich von 1 bis 30 Millisekunden, je nach Sternhelligkeit), weshalb sich die empfindlicheren Schwarz-Weiß-Versionen der CCTV-Kameras empfehlen.

Genau wie beim Fadenkreuzokular muss der Abbildungsmaßstab und die Nordrichtung genau kalibriert werden: Messungen von Aufnahmen sehr weiter Doppelsterne mit gut bekanntem Winkelabstand ergeben, welche Bruchteile einer Bogensekunde auf ein Pixel entfallen. Unter Umständen, etwa wegen einer ungenau definierten Barlowlinsen-Lage, muss dies zu Beginn jeder Messnacht erfolgen. Zur Bestimmung der aktuellen Nord- oder Ost-West-Richtung wird dann eine Bildserie bei abgeschalteter Nachführung erstellt, wobei ein heller Stern einmal quer durch das ganze Gesichtsfeld wandern sollte.

Von der Aufnahme zur Messung am PC

Zunächst wird der Bildstrom des besagten Sterndurchlaufs zu einem Bild aufaddiert und so die aktuelle Ost-West- oder Nordrichtung in den Aufnahmen der Messnacht ermittelt (siehe Bild oben). Dann erfolgt die Auswertung der aufgenommenen, bekannten weiten Doppelsterne, um den aktuellen Maßstab zu ermitteln. Bei all diesen Messungen erstellt ein astrometrisches Unterprogramm zunächst für jeden betreffenden Stern eine Serie ringförmiger Isophoten. So lässt sich die Lage eines jeden Sternschwerpunkts auf Bruchteile eines Pixels genau ermitteln – rund zehnmal genauer als die Teleskopauflösung! Dies macht die anschließend berechneten Abstände und Positionswinkel so genau, was wiederum auch hohe Anforderungen an die beschriebenen Kalibrierungen von Maßstab und Nordrichtung stellt.

Sofern Sie nach einer kleinen Liste von astrometrischen Doppelsternen mit vergleichsweise kurzer Periode vorgehen, können Sie tatsächlich bereits innerhalb einiger Jahre systematische Veränderungen, vor allem im Positionswinkel, feststellen!

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