Astronomie für Einsteiger: Eine Winternacht nur mit Feldstecher und Opas alter Kamera
Ganz entspannt beobachten – aber wie?
Gerade der Winterhimmel ist besonders reich an spektakulären Objekten für den Feldstecher. Und diese einfache Form der Beobachtung hat einen enormen Reiz, für den viele gern auch mal auf ihr erheblich größeres Teleskop verzichten können: Das beidäugige aufrechte Sehen ist elementarer, wirkt plastischer, reicht tiefer und erscheint realer als der Blick durch ein monokulares astronomisches Fernrohr. Außerdem lässt sich mit dem Fernglas ganz schnell von einem Objekt zum nächsten schwenken, fast so wie beim natürlichen Sehen, und ein Himmelsareal ist auch viel schneller nach einem bestimmten Objekt abgesucht.
Besonders eindrucksvoll ist der Anblick der bekannten Messier-Objekte mit einem Großfeldstecher. Dieses Instrument verbindet eigentlich die Vorteile eines kleinen Teleskops (größere Auflösung und Reichweite) mit denen eines normalen Fernglases. Aber solch ein zwei bis vier Kilogramm schwerer Koloss (16 x 70 oder 20 x 80) muss dazu auch stabil montiert werden! Schon bei einem 10 x 50-Feldstecher bemerken Sie sogleich, dass dann das Bild wesentlich ruhiger und detailreicher wird.
Hier jedoch beginnen auch die Probleme: Ein Fotostativ steht nämlich bei Beobachtungen in Zenitnähe immer irgendwie dem eigenen Körper im Weg! Erschwerend kommt hinzu, dass ein steil nach oben gerichteter Großfeldstecher auch sehr rücklastig ist und nach hinten wegkippt, sobald Sie die Höhenklemme lösen. Mit entspanntem Beobachten war eigentlich etwas anderes gemeint! Bildstabilisierte Ferngläser bieten eine tolle, aber leider auch sehr teure Lösung des Problems. Eine gute Idee ist der drehbare Beobachterliegestuhl mit integrierter Feldstecherhalterung, aber so ein "Biest" kann ganz schön schwer zu schleppen sein! Auch hält der bauliche Aufwand so manchen Sternfreund davon ab.
Mit Materialien des Baumarkts lässt sich eine einfache Lösung für die entspannte Feldstecherbeobachtung realisieren: Mit einer Art Galgen, beim Autor an der Rückwand des Hauses verdübelt, wird der Feldstecher von oben her, das heißt an einem stabilen Fotostativkopf über dem Kopf des Beobachters montiert. Ein geeignetes Gegengewicht in Verlängerung des Neigerhebels balanciert selbst schwere Binokulare so gut aus, dass Sie bei gelösten Klemmen mit dem Fernglas durch den Himmel "gleiten" können – genau so entspannt wie bei der Beobachtung mit freier Hand, aber bei absolut ruhigem Bild! Sofern der Beobachter nicht wechselt, wird bei der "Galgenaufhängung" auch keine Höhenverstellung benötigt: Der in den Nacken gelegte Kopf dreht die Augen um etwa dasselbe kleine Stück hoch, um das sich die Okulare des zenitwärts schwenkenden Feldstechers anheben! Mit Hilfe eines stabilen, sehr hohen Stativs lässt sich diese Aufhängung auch auf freiem Feld realisieren. So gerüstet macht das Beobachten dann wieder Spaß, und ein großer Feldstecher wird zu Ihrer Lieblingsoptik werden!
Die Top-15-Liste für den Feldstecher
Unsere Top-15-Liste beginnt mit der vor allem unter dunklem Nachthimmel riesigen (bis zu drei Grad ausgedehnten) Andromedagalaxie, M 31. Die weiter südöstlich im Dreieck gelegene kleinere Spirale M 33 ist dann als knapp 3/4 Grad großer, leicht ovaler Lichtfleck zu erkennen. Wer dagegen von einem aufgehellten Himmel geplagt wird, der kann sich am prächtigen Doppelhaufen h und chi Persei, gleich östlich der Kassiopeia gelegen, satt sehen. Dann folgen eine ganze Reihe von recht hellen, 1/4 bis 1/2 Grad großen, meist schon im Fernglas aufgelösten Sternhaufen: M 34 an der Westgrenze des Perseus, die drei Fuhrmannhaufen M 38, M 36 und M 37 sowie M 35 am Westrand der Zwillinge.
Tiefer im Süden, im Umfeld des gleißend hellen Sirius und in der südlichen Wintermilchstraße, finden wir den beeindruckenden Haufen M 41 (sogar 4,5 mag hell und 38 Bogenminuten groß) sowie die nicht zu verachtenden M 50, M 48, und schließlich die Paarung M 46 und M 47. Im Osten kommt derweil schon die eigentlich zum Frühlingshimmel gehörende Praesepe (M 44) hoch genug für eine erste Beobachtung. Die bekannten Plejaden (M 45) und den unvergleichlichen Orionnebel (M 42) sollten Sie sich dagegen bis zum Schluss aufheben. Diese beiden Objekte sind selbst unter Stadtbedingungen noch recht gut zu sehen. Ein dunkler Himmel zeigt aber Details, die sonst verloren gehen: die zarten Plejadennebel und die äußeren Arme des Orionnebels. Gerade an solch lichtschwachen und kontrastarmen Details zeigt sich der Vorteil des beidäugigen Sehens mit dem Fernglas! Vergessen Sie jedoch nicht, regelmäßig die augenseitigen Okularlinsen zu reinigen, denn hier bildet sich schnell ein schmieriger Belag, der das Sternlicht streut und zarte Nebelchen verschwinden lässt.
Nebenbei fotografiert: Polstrichspuren
Auch auf ein fotografisches Andenken an derartig schöne und entspannte Beobachtungsnächte müssen Sie nicht verzichten! Zwar steht der technische Aufwand der Astrofotografie gemeinhin dem entspannten Beobachten im Wege, aber es gibt da eine Ausnahme: mehrstündige Strichspuraufnahmen der Polregion!
Stellen Sie dazu eine alte mechanische Kamera mit einem normalen Fotostativ auf und richten Sie diese gen Himmelspol. Mit einem klemmbaren Drahtauslöser wird für mehrere Stunden bei Blende 4 belichtet. Ein aus Pappe selbst gefertigter Trichter am Objektiv verringert die Gefahr von Taubeschlag. Ganz normale 100 ASA Dia- oder Farbnegativfilme sind bestens geeignet, denn bei derart langen Zeiten bildet sich der Himmel auf empfindlicheren Filmen zu hell ab. Das gelungene Resultat: eine äußerst dynamisch wirkende Veranschaulichung der Himmelsdrehung! Mit einem Weitwinkelobjektiv lässt sich auch ein attraktiver Vordergrund einfangen oder, mit viel Glück, eine Sternschnuppe. Während der langen, wartungsfreien Belichtung können Sie ungestört beobachten – aber nicht vergessen, am Ende auch die Kamera wieder auszuschalten und mitzunehmen!
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