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Infektionskrankheiten: Fünf Fakten zu Grippe und zur Grippeimpfung

Die alljährliche Grippewelle greift inzwischen auch in Deutschland um sich. Gleichzeitig wächst die Kritik am aktuellen Impfstoff. Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema.
Clean fotografiert: Eine Spritze, die mit der Kanüle in einer Ampulle steckt.

Winterzeit ist Erkältungszeit. Pünktlich zum Jahreswechsel hat daher auch die Zahl Grippeerkrankungen in Deutschland rapide zugenommen, wie die Daten der Arbeitsgemeinschaft Influenza des Robert Koch-Instituts zeigen. Vor allem von Anfang Februar stiegen die akuten Atemwegserkrankungen sprunghaft an, mit bislang mehr als 5500 bestätigten Influenzafällen alleine in der sechsten Kalenderwoche 2015. Am stärksten sind der Osten und der Süden Deutschlands betroffen.

Der aktuelle Impfstoff geriet dabei schon kurz vor Beginn der eigentlichen Grippewelle in die Kritik. Da er sich nicht besonders gut mit den derzeit zirkulierenden Virenstämmen decke, sollen auch geimpfte Menschen ein erhöhtes Risiko tragen, zu erkranken. Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Informationen zum Thema Grippe und Grippeimpfung.

Was unterscheidet eine Grippe von einer normalen Erkältung?

"Ich habe die ganze letzte Woche mit einer dicken Grippe im Bett gelegen!" – Solche oder ganz ähnliche Sätze hört man im Herbst und im Winter von vielen Menschen. In den wenigsten Fällen meinen die Betreffenden aber wirklich das, was sie da gerade gesagt haben – zum Glück! Denn im Vergleich zu einer eher harmlosen Erkältung ist mit einer "echten" Grippe oftmals nicht zu spaßen. Schuld an diesem Missverständnis sind die Begriffe "Erkältung", "Grippe" und "grippaler Infekt", die häufig alle in einen Topf geworfen werden. Dabei gibt es medizinisch betrachtet deutliche Unterschiede.

Die Grippe, auch Influenza genannt, wird durch Influenzaviren ausgelöst. Diese lassen sich ganz allgemein in drei Typen unterteilen: A, B und C. Für Erkrankungen beim Menschen sind meistens aber nur Viren des Typs A und B verantwortlich. Das Virus hat eine kugelige Form und besteht aus acht RNA-Segmenten, die das Virusgenom bilden und von einer Virusmembran umschlossen werden. Wichtig für die Immunantwort des Wirts sind dabei vor allem die Glykoproteine Hämagglutinin (HA) und Neuraminidase (NA), die als so genannte Spikes über die Oberfläche des Virus hinausragen. Bisher haben Forscher 16 verschiedene HA-Proteine und neun NA-Proteine entdeckt, die auch für die Benennung der Influenza-A-Viren ausschlaggebend sind. So kommen etwa Namen wie "H1N1" oder "H5N1" zu Stande. Bei Influenza-B unterscheidet man dagegen keine Subtypen, sondern nur zwei unterschiedliche genetische Linien, die Yamagata- und die Victoria-Linie.

Eine Erkältung – oder auch ein "grippaler Infekt" – wird dagegen von einer Reihe ganz unterschiedlicher Atemwegsviren ausgelöst, wie Rhino-, Adeno- oder Coronaviren. Auch die Symptome sind anders als bei einer Grippe: Eine Erkältung kommt meist schleichend, der Anstieg der Körpertemperatur hält sich in Grenzen, und hauptsächlich läuft den Betroffenen die meiste Zeit über die Nase. Die Influenza beginnt dagegen plötzlich und löst in aller Regel hohes Fieber aus, das von einem trockenen Reizhusten, Hals-, Kopf- und Gliederschmerzen begleitet wird. Zusätzlich können weitere Symptome auftreten wie etwa Schweißausbrüche, Übelkeit und Erbrechen.

Influenzavirusmodell | 3-D-Modell eines Influenzavirus: Die Virushülle enthält die Oberflächenmoleküle Hämagglutinin (blau), Neuraminidase (rot) und Matrixproteine (lila). Im Virusinneren befindet sich das einzelsträngige RNA-Genom. Die zufällige Veränderung der Oberflächenmoleküle ist für die jährlich veränderten Virustypen verantwortlich. Diese Veränderungen kommen durch die natürliche Vervielfältigung des Virus zu Stande und erschweren so seine medizinische Bekämpfung.

Im Gegensatz zur normalen Erkältung kann eine Grippe auch lebensbedrohliche Ausmaße annehmen, das heißt, im schlimmsten Fall führt sie sogar zum Tod. Denn während das Immunsystem mit der Bekämpfung der Influenzaviren beschäftigt ist, können sich gleichzeitig Bakterien leichter in den Körper einschleichen und dort weitere Infektionen wie beispielsweise eine Lungenentzündung auslösen. Gefährdet sind vor allem Menschen, deren Abwehrkräfte ohnehin schon schwächeln, sei es durch Alter, Schwangerschaft oder verschiedene Vorerkrankungen.

Wer also in der kalten Jahreszeit mit Husten und Schnupfen mal zwei bis drei Tage das Bett hüten muss, der hat sich wahrscheinlich keine Grippe eingefangen, sondern nur eine dicke Erkältung. Allerdings treten auch nicht bei allen Menschen, die sich mit dem Influenzavirus infizieren, die klassischen Symptome auf. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts haben vermutlich ein Drittel der Betroffenen sogar gar keine Beschwerden – trotzdem können sie andere anstecken. Das macht es bei einer Epidemie oft schwerer, die Ausbreitung der Erreger einzudämmen.

Wie steckt man sich an?

Sowohl die Influenzaviren und als auch die anderen Atemwegsviren werden von Mensch zu Mensch durch Tröpfcheninfektion übertragen – also vor allem durch Husten und Niesen. Möglicherweise könnten aber auch winzige Tröpfchenkerne, die zum Beispiel beim Atmen und Sprechen entstehen und dann in der Atemluft schweben, schon für eine Ansteckung ausreichen. Eine Influenza ist im Durchschnitt bis zum vierten oder fünften Tag nach Auftreten der ersten Symptome ansteckend, im Einzelfall auch länger.

Um die Erreger so gut es geht von seinen Mitmenschen fernzuhalten, sollte man diese daher logischerweise nicht anhusten oder anniesen. Mund und Nase bedeckt man dabei am besten mit der Ellenbeuge, denn wer sich zuerst in die Hand niest und anschließend dem Arbeitskollegen die Hand schüttelt oder an die Türklinke fasst, hat ebenfalls gute Chancen, seine Viren weiterzuverbreiten. Am besten ist es ohnehin, sich in Ruhe zu Hause auszukurieren, anstatt seine Viren mit ins Büro zu bringen. Gründliches Händewaschen und regelmäßiges Lüften können die Ausbreitung der Erreger ebenfalls eindämmen.

Der wirksamste Schutz gegen eine Influenzaerkrankung – und vor allem gegen schwer wiegende Komplikationen – ist aber die Grippeimpfung.

Wie funktioniert die Grippeimpfung?

Die Influenzaimpfstoffe, die in Deutschland zum Einsatz kommen, sind Totimpfstoffe. In ihnen befinden sich auch keine vollständigen Viren mehr, sondern lediglich deren wichtigste Bestandteile – im Wesentlichen jene HA- und NA-Proteine, die aus der Virushülle herausragen. Sie werden als Antigene vom Immunsystem erkannt und setzten somit eine Abwehrreaktion in Gang. Infolgedessen bilden sich passgenaue Antikörper und auch so genannte Gedächtniszellen, die im Fall einer "echten" Infektion mit dem gleichen Erreger eine schnellere und spezifischere Immunantwort auslösen. Die Krankheitsabwehr probt an der Impfung also sozusagen schon einmal den Ernstfall.

Vorbeugender Schutz | Vor allem für Menschen mit geschwächtem Immunsystem kann eine Grippeimpfung sinnvoll sein, um einem schweren Verlauf vorzubeugen.

Allerdings verändern sich die Oberflächenstrukturen des Influenzavirus durch Punktmutationen im Erbgut stetig – es kommt zu einer "Antigendrift". Solche winzigen Veränderungen reichen oftmals bereits aus, um die eingeübte Abwehrreaktion im Sande verlaufen zu lassen und im schlimmsten Fall eine ganze Epidemie auszulösen. Deshalb werden die Impfstoffe jedes Jahr neu zusammengesetzt und bestmöglich auf die wichtigsten, aktuell in der Bevölkerung grassierenden Varianten abgestimmt. Das ist auch einer der Gründe, warum man sich jedes Jahr aufs Neue gegen Influenza impfen lassen sollte. Der Impfstoff für die Grippesaison 2014/15 enthält nach Empfehlungen der WHO die Antigene von zwei Varianten des Influenza-A-Virus und ein bis zwei Influenza-B-Viren.

Seit Herbst 2012 gibt es in Deutschland auch einen Lebendimpfstoff in Form eines Nasensprays. Dieser Impfstoff ist für Kinder und Jugendliche zwischen 2 und 17 Jahren zugelassen und enthält abgeschwächte aktive Erreger. Verschiedene Studien konnten zeigen, dass der Wirkstoff vor allem bei Patienten unter sieben Jahren eine bessere Schutzwirkung hervorruft als die Totimpfstoffe, mit denen auch Erwachsene geimpft werden. Inwiefern dieser Effekt auch für andere Altersgruppen gilt, ist bisher allerdings noch unklar.

Da die meisten Grippewellen Deutschland in den vergangenen Jahren um die Jahreswende herum trafen, sollte man sich nach Empfehlung des Robert Koch-Instituts am besten im Oktober oder November impfen lassen – und ansonsten so zeitnah wie möglich. Bis der volle Impfschutz besteht, können bis zu zwei Wochen ins Land gehen. Die alljährliche Grippewelle der Saison 2014/15 begann nach Definition der Arbeitsgemeinschaft Influenza in der zweiten Kalenderwoche 2015.

Wie sinnvoll ist die Impfung?

Einen hundertprozentigen Schutz gegen Grippe bietet auch eine Impfung nicht. Zudem könnte man sich bereits vor der Impfung – oder bevor der volle Schutz besteht – mit dem Virus anstecken. Oder man wird von einem anderen Virus befallen, dessen Antigene eben nicht im aktuellen Wirkstoffmix enthalten sind. Bei guter Übereinstimmung kann die Schutzrate vor einer Erkrankung bei gesunden Menschen nach Angaben des Robert Koch-Instituts bis zu 90 Prozent betragen.

Für die Grippesaison 2014/15 hat sich allerdings bereits gezeigt, dass die Übereinstimmung zwischen Impfstoff und zirkulierenden Grippeviren vergleichsweise schwach ist. Für einen Hauptteil der Erkrankungen in Europa und in den USA ist bisher vor allem der Subtyp A(H3N2) verantwortlich. Dieser ist zwar auch Bestandteil des Impfserums – die aktuellen Viren haben sich aber im Vergleich zum Impfstamm A/Texas/50/2012 deutlich genug verändert, um die Wirkung des Impfstoffs abzuschwächen.

Wie gut die Impfung tatsächlich wirkt, hängt im Einzelfall zudem von vielen verschiedenen Faktoren ab, so dass man pauschale Aussagen eigentlich kaum treffen kann. Bei älteren Menschen jenseits der 60 arbeiten die Abwehrkräfte beispielsweise nicht mehr so zuverlässig. Hier fällt die Wirkung der Impfung dementsprechend ohnehin deutlich schwächer aus.

Alles Grippe? | Die meisten Infekte, die uns mit dickem Kopf und laufender Nase an Bett oder Couch fesseln, sind eher harmlose Erkältungen.

Doch auch wenn die Grippeimpfung eine Erkrankung nicht vollständig verhindern kann: Zumindest schlimme Verläufe bis hin zum Tod bleiben durch sie oftmals aus. Die Ständige Impfkommisson des Robert Koch-Instituts (STIKO) empfiehlt die Impfung daher gerade für jene Risikogruppen, bei denen das Immunsystem unter Umständen nicht mehr so richtig auf Trab ist. Dazu zählen Personen, die 60 Jahre oder älter sind, Schwangere spätestens ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel sowie Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die bereits bestimmte Vorerkrankungen, etwa von Herz, Leber oder Nieren, oder eine Immunschwäche haben. Als sinnvoll wird der zusätzliche Grippeschutz zudem für Menschen erachtet, die einer erhöhten Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind. Das betrifft etwa Ärzte, Krankenschwestern oder Mitarbeiter von Pflegeheimen. (Die vollständigen Empfehlungen der STIKO finden Sie hier.)

Auch Menschen, die direkten Kontakt zu Geflügel oder Wildvögeln haben, sollten sich auf Anraten der STIKO impfen lassen. Die saisonalen Wirkstoffe schützen zwar nicht vor jenen Influenzaviren, die bei Tieren grassieren, sie verhindern aber immerhin eine Doppelinfektion, bei der menschliche und tierische Erreger in einem Wirt zusammentreffen. Das kann sich als gefährlich erweisen, wenn es zu einer so genannten Reassortierung kommt, bei der zwei ähnliche Viren genetische Informationen untereinander austauschen oder sich vermischen. Dadurch kann eine neue Virusvariante entstehen, die im schlimmsten Fall die "besten" Eigenschaften von beiden Erregern hat und sich auch von Mensch zu Mensch verbreitet. Bisher übertragen sich Erreger wie die der Vogelgrippe A/H5N1 in aller Regel nur vom Tier auf den Menschen.

Bei jungen, gesunden Menschen ist die Influenzaimpfung nach aktueller Studienlage ein Kann, aber kein Muss. Ihr Immunsystem wird in den meisten Fällen auch allein mit dem Virus fertig.

Kann man durch die Grippeimpfung krank werden?

Nach einer Influenzaimpfung kann sich die Einstichstelle vorübergehend röten und leicht anschwellen. Auch Schmerzen im Arm, die oft an einen Muskelkater erinnern, kommen vor. Diese Nebenwirkungen betreffen nach Angaben der Hersteller etwa 1 bis 10 von 100 geimpften Personen. Sie sind allerdings kein Alleinstellungsmerkmal der Grippeimpfung, sondern treten auch bei anderen Impfungen auf.

Ähnlich oft werden Geimpfte von Symptomen geplagt, die tatsächlich einer leichten Erkältung ähneln. Dass man von einer Grippeimpfung eine Grippe bekommen kann, ist allerdings ein Mythos. Da sich in dem Wirkstoff nicht einmal mehr vollständige Erreger befinden, ist eine Influenzainfektion auf diesem Weg nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) ausgeschlossen. Fühlt man sich nach der Impfung abgeschlagen oder fiebrig, ist dies meistens ein Zeichen dafür, dass das Immunsystem als Reaktion auf die Impfung gerade eifrig bei der Arbeit ist.

Häufig stecken sich die Betroffenen auch kurz zuvor – oder im Wartezimmer des Hausarztes – mit einer normalen Erkältung an, die erst im Anschluss in Erscheinung tritt, möglicherweise auch dadurch, dass das Immunsystem gerade mit den Grippeviren beschäftigt ist. Das ist vor allem dann ein Problem, wenn viele Menschen sich erst impfen lassen, während die herbstliche Erkältungswelle bereits in vollem Gang ist. Die Beschwerden werden dann auf die Grippeimpfung geschoben – in diesem Fall zu Unrecht.

An dieser Stelle sei noch einmal ganz deutlich gesagt: Egal wie gut die Grippeimpfung im Einzelfall auch wirken mag, sie schützt niemanden vor einer Erkältung! Genauso wenig verbessert sie die Gesundheit oder die Resistenz gegen Krankheitserreger im Allgemeinen. Auch wer sich gegen Influenza hat impfen lassen, kann einfach mal einen Winter lang Pech haben – und sich eine Erkältung nach der anderen einfangen.

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