Direkt zum Inhalt

Planet in Bewegung: Fünf Fragen zur Plattentektonik

Die Erde ist ein einzigartiger Planet: Seine Oberfläche ist ein Mosaik aus sich ständig bewegenden Trümmern, die nicht nur Erdbeben und Vulkane verursachen, sondern auch Ozean und Lufthülle beeinflussen.
Bristol Island

Vor allem eine Eigenschaft unterscheidet die Erde von den anderen Gesteinsplaneten Merkur, Venus und Mars: Ihre äußere Kruste besteht aus getrennten Bruchstücken, die sich stetig gegeneinander verschieben. Ohne diese Besonderheit gäbe es keine Kontinente, die Atmosphäre wäre eine ganz andere und die Ozeane vermutlich bis zum Grund gefroren. Die Erde wäre ein völlig fremder Planet. Doch welche Kräfte treiben die Bewegung an, und welche Auswirkungen haben sie im Einzelnen?

Was treibt die Bewegung der Erdplatten an?

Riesige Platten mit Weltmeeren oder ganzen Kontinenten mit Gebirgen, Ebenen und Gewässern auf ihrem Rücken wandern über die Oberfläche der Erde – irgendwo im Globus muss eine Art Motor stecken, der diese Bewegung antreibt. Dieser Antrieb ist nichts anderes als der Kern der Erde, der in seinem Inneren eine feste Kugel mit einem Radius von etwa 1230 Kilometern enthält. Darüber befindet sich der äußere Erdkern, der ungefähr 2300 Kilometer dick und vermutlich ähnlich flüssig wie zähe Lava ist. Dieser Erdkern speichert noch einen Teil der Wärme, die den Planeten aufheizte, als er sich bildete und zu seiner heutigen Form zusammenwuchs. Außerdem wärmen bis heute langlebige, natürliche radioaktive Elemente wie Kalium-40 das Erdinnere zusätzlich, und an der Grenze zum festen inneren Kern kristallisieren Eisen und Nickel und liefern dabei weitere Energie.

Zusammen reicht das, um den inneren Erdkern auf rund 5500 Grad Celsius aufzuheizen, während der äußere Kern an seiner Oberfläche nur noch rund 3000 Grad Celsius heiß ist. Darüber liegt der feste Erdmantel, der rund 1000 Grad kühler ist. Der Kern heizt die untersten 50 bis 100 Kilometer des insgesamt etwa 2900 Kilometer dicken Mantels auf. Dabei verliert das Gestein dort ein klein wenig Festigkeit, eventuell schmilzt auch ein winziger Prozentsatz davon auf. Das genügt, um den so um einige hundert Grad aufgeheizten Mantel geringfügig weniger fest zu machen, bis er ungefähr die Konsistenz eines extrem zähen Knetgummis hat.

Ähnlich wie sich am Boden eines von unten beheizten Kessels aus dem heißen Wasser an verschiedenen Stellen kleine Dampfbläschen bilden, die sich ablösen und im Wasser nach oben steigen, bilden sich auch direkt über dem heißen Erdkern Blasen von der Konsistenz eines Knetgummis. Allerdings haben diese Blasen einen Durchmesser von rund 1000 Kilometern und steigen deutlich langsamer als Wasserdampfblasen auf: »Mit einem Tempo von nicht mehr als zehn Zentimetern im Jahr brauchen diese Plume-Köpfe 30 bis 50 Millionen Jahre, bis sie die Obergrenze des Erdmantels erreichen«, erklärt Bernhard Steinberger vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam.

Diese Plumes bahnen sich einen Weg durch das Gestein des Erdmantels und machen so den Weg frei für weitere vom Erdkern aufgeheizte knetgummiartigen Massen, die später sehr viele Jahrmillionen lang dort nach oben steigen. So entstehen Säulen, in denen Gestein aufsteigt. Unten haben diese Säulen einen Durchmesser von vielleicht 300 Kilometern, nach oben verjüngen sie sich auf rund 100 Kilometer. Weil dieses heiße Material an der Erdoberfläche Vulkane ausbrechen lässt, nennen Geophysiker solche Bereiche Hotspots. Ein solcher einzelner Hotspot speist zum Beispiel die Vulkane von Hawaii.

Plattentektonik | Konvergente und divergente Plattengrenzen. Von links:
Subduktion unter ozeanische Kruste
Mittelozeanischer Rücken
Hotspot samt Vulkaninsel
Subduktion unter einen Kontinent
Kontinentaler Grabenbruch

Die Heizung des Erdkerns lässt aber nicht nur einzelne heiße Plumes nach oben steigen – die gewaltige Temperaturdifferenz zwischen Kern und Kruste lässt den Mantel brodeln wie Wasser im Topf. Diesen Prozess, bei dem heißes Material aufsteigt, während kältere Bereiche zurück ins heiße Innere sinken, bezeichnet man als Konvektion. Die dabei entstehenden Auf- und Abströmungen treiben die Bewegung der Erdplatten an. Im Superschneckentempo von einigen Zentimetern im Jahr übertragen sie als gigantische »Antriebsriemen«, die Tausende von Kilometern umspannen, die Kraft des Motors im Innersten der Erde auf die obenauf gleitenden Platten.

Großräumige Aufwallungen, die sich zum Beispiel tief unter dem Atlantik Tausende von Kilometern weit von Nord nach Süd erstrecken, bilden den aufsteigenden Teil dieser gigantischen Umwälzung. Erreicht dieses Material den Meeresboden, erstarrt es und bildet ein Stück einer neuen Ozeanplatte. Da das aufsteigende Material heißer ist, wölbt sich die Erdkruste an dieser Stelle nach oben, und der neu entstandene Meeresboden beginnt auf beiden Seiten nach Osten und Westen langsam die leicht schräge Ebene hinunterzurutschen, die sich durch dieses Aufwölben gebildet hat. Dadurch werden sowohl die Nord- und Südamerikanische Platte im Westen wie auch die Eurasische und Afrikanische Platte im Osten immer größer und rutschen auf beiden Seiten immer weiter nach Osten und Westen. Ähnliche »mittelozeanische Rücken« treiben auch im Norden der Antarktis, im Pazifik und im Indischen Ozean Teile der Erdkruste vor sich her.

Doch die wohl bedeutendste Triebkraft der Plattenbewegung sind die abtauchenden Äste der Konvektion. Über diesen Zonen liegen die lang gestreckten Tiefseegräben, die in einigen Bereichen bis zu elf Kilometer unter den Meeresspiegel reichen. Hier wird der permanent an den Mittelozeanischen Rücken entstehende Meeresboden schließlich wieder vernichtet – das in dutzenden Millionen Jahren immer kälter und dichter gewordene Gestein trifft hier auf leichtere Kruste – oft einen Kontinent aus weniger dichtem Granit – und taucht unter dieser in den Erdmantel hinein.

Das Gewicht des abtauchenden Krustenfragments zieht den Rest der Platte hinter sich her – nach Ansicht der meisten Fachleute ist dieser Mechanismus der anteilsmäßig bedeutendste Antrieb der Bewegung der Erdplatten. So berechnete eine Arbeitsgruppe vom MIT im Jahr 2015, dass eine besondere Konstellation abtauchender Plattengrenzen die enorme Wanderungsgeschwindigkeit Indiens vor seiner Kollision mit Eurasien erklären kann. Außerdem ist es plausibel, dass diese abtauchenden Gesteinsplatten den Konvektionsströmen selbst ihre Gestalt geben. Das aufsteigende, heiße Material strömt von den Mittelozeanischen Rücken zu den Seiten weg, bis sie an einem solchen steil ins Erdinnere ragenden Hindernis wieder nach unten abbiegen müssen. Der Kontakt mit dem kühlen Krustengestein macht das Material kalt und dicht, so dass es umso bereitwilliger absinkt.

Die seitwärts strömenden Äste der Konvektionsströmungen schließlich sind die dritte Komponente des planetaren Motors der Plattenbewegungen. Sie ziehen die auf ihnen schwimmenden, festen Erdplatten mit sich – können sie aber auch bremsen. Wenn nämlich der Druck des Mittelozeanischen Rückens und der Sog der unwiderstehlich absinkenden Subduktionszone sich vereinen und die Platte schneller mit sich reißen als der Mantel fließt, läuft dieser Teil des Antriebs plötzlich rückwärts.

Weshalb setzte sich die Theorie der Plattenverschiebung zunächst nicht durch?

Von diesen Prozessen konnte Alfred Wegener nichts wissen, als er am 6. Januar 1912 auf der Hauptversammlung der Geologischen Vereinigung in Frankfurt am Main seine ersten Überlegungen zur Wanderung von Kontinenten vorstellte. Dem Meteorologen und Polarforscher war aufgefallen, dass die Konturen der Ostküste Südamerikas und der Westküste Afrikas sehr gut zueinanderpassen.

Weltkarte | Nicht nur Afrika und Südamerika passen auffällig gut zusammen, auch Nordamerika und Eurasien – sofern man nicht die Küstenlinien, sondern die Umrisse der Kontinentalschelfe betrachtet.

Lange vor Alfred Wegener hatten auch andere Forscher bemerkt, dass beide Kontinente so aussehen, als wären sie einst eine einzige Landmasse gewesen. Alfred Wegener aber hatte etliche weitere Indizien gesammelt, die ein solches Auseinanderreißen eindeutig untermauerten: So schienen sich südafrikanische Gebirgszüge in Argentinien fortzusetzen. Auf beiden Kontinenten gibt es Spuren riesiger Eiskappen, die vor 260 bis 360 Millionen Jahren über Südamerika und Afrika lagen. Diamantlagerstätten auf beiden Kontinenten ähneln sich ebenfalls verblüffend.

Auch etlichen Fossilien längst ausgestorbener Arten von Pflanzen und Reptilien zeigten erstaunliche Parallelen. Obendrein leben noch heute in den Flüssen Westafrikas und Südamerikas Manati-Seekühe, die sich ebenfalls sehr stark ähneln. Alles deutete darauf hin, dass es vor Urzeiten tatsächlich einen zusammenhängenden Urkontinent gegeben hatte, den Alfred Wegener Pangäa nannte.

Die Indizien waren überwältigend. Was fehlte, war eine Kraft, die Kontinente auseinanderreißen und so weit von einander wegtreiben konnte, dass heute tausende Kilometer Atlantik zwischen Afrika und Südamerika liegen. Alfred Wegener grübelte zwar über Gezeitenkräfte des Mondes und andere astronomische Einflüsse, überzeugen aber konnte er damit kaum jemanden. Obendrein wurde er als Meteorologe und Polarforscher in den Kreisen der Geophysiker nicht allzu ernst genommen. Als Alfred Wegener im November 1930 auf dem Eis Grönlands starb, schien er die durchaus überzeugende Theorie der Kontinentalverschiebung mangels Beweisen mit in sein eisiges Grab genommen zu haben.

Dann aber tauchten in den 1950er Jahren neue Indizien auf. In Gesteinen hatten Geophysiker eindeutige Beweise gefunden, nach denen sich das Magnetfeld der Erde etliche Male umgekehrt und dabei jeweils den magnetischen Nord- und Südpol vertauscht haben muss. Die Richtung dieser Magnetisierung zeigte aber auch klar, dass viele Gesteinsschichten früher in ganz anderen Breiten lagen als heute.

Welcher Mechanismus diese Gesteine verschoben hatte, erfuhren die Geoforscher, als sie in den 1960er Jahren den Meeresboden des Atlantiks genauer unter die Lupe nahmen. »Dort wechseln sich in regelmäßigen Streifen Gesteine mit jeweils umgekehrter magnetischer Orientierung ab«, sagt GFZ-Forscher Bernhard Steinberger. Und das auf beiden Seiten des Mittelatlantischen Rückens, an dessen Nähe sich jeweils sowohl im Osten wie auch im Westen die Spuren der jüngsten Magnetfeldumkehr vor rund 786 000 Jahren finden. »Nach einiger Zeit akzeptierten die meisten Geophysiker, dass dort eine neue Ozeanplatte entsteht und die älteren Schichten langsam nach Osten und Westen wandern«, fasst Bernhard Steinberger das Wiederauferstehen der Kontinentalverschiebungstheorie von Alfred Wegener zusammen.

Was bedeutet die Kontinentalverschiebung für die Erde?

Das heutige Bild der Erde können sich die Forscher ohne die Plattentektonik gar nicht mehr vorstellen. Das beginnt bereits mit einer grundlegenden Frage der Physik: »Die in vielen Jahrmillionen im Erdmantel aufsteigenden heißen Gesteine transportieren aus dem Erdkern stammende Wärme nach oben«, erklärt GFZ-Forscher Bernhard Steinberger. Dabei entsteht an den Mittelozeanischen Rücken kontinuierlich neue Erdkruste, während früher entstandene Gebiete mit einer Geschwindigkeit von diesem Rücken wegwandern, wie etwa Zehennägel wachsen. Da sich die Oberfläche der Erde kaum vergrößert, treffen diese wandernden Platten zwangsläufig auf andere.

Das passiert zum Beispiel vor Südamerika. Ähnlich wie bei einem Auffahrunfall auf der Autobahn, aber um Größenordnungen langsamer, taucht dabei die Meeresplatte langsam unter den Kontinent, der dabei in die Höhe gedrückt wird. Ähnlich wie sich der Kofferraum des vorderen Autos beim Auffahrunfall aufbeult, wird auch die Kontinentalplatte in die Höhe gedrückt. Dabei entsteht mit den Anden einer der eindrucksvollsten Gebirgszüge der Erde. Auch die Alpen, der Himalaja, die Rocky Mountains und einige andere Gebirge entstanden nach ähnlichen Mechanismen.

»Die Plattentektonik formt aber nicht nur die Oberfläche der Erde mit markanten Gebirgen, sondern hat auch wesentlichen Einfluss auf die Meeresströmungen und damit auf das Klima«, nennt Bernhard Steinberger einen weiteren entscheidenden Einfluss auf das Ökosystem der Erde. Ein eindrucksvolles Beispiel liefert der Kontinent Antarktis, der zwar schon vor 120 Millionen Jahren am Südpol lag, aber damals noch nicht den Eispanzer trug, der den Kontinent heute unter sich begräbt. Ganz im Gegenteil lebten dort damals noch etliche Jahrmillionen lang Dinosaurier und Beuteltiere, die es gern relativ warm haben.

Vor 35 Millionen Jahren aber brachen die Antarktis und das mit ihnen verbundene Südamerika und Australien auseinander. Jetzt lag die Antarktis wie eine gigantische Insel am Südpol und der dort immer kräftig wehende Westwind trieb das kalte Wasser des Südozeans in einem riesigen Kreis rund um die Antarktis. Seit dieser Zeit isoliert dieser kalte Ringstrom den südlichsten Kontinent von den warmen Wassermassen der Tropen. Als dann auch noch der Gehalt des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre abnahm, wuchsen die Gletscher, die vorher nur einige Gebirgstäler bedeckten. Bald lagen große Teile der Antarktis unter einem dicken, weißen Panzer.

Die gigantischen Eismassen lassen im Zentrum des sechsten Kontinents die Temperaturen bis unter minus 80 Grad absacken. Diese eiskalte und dadurch schwere Luft fließt von den Eismassen, die im Durchschnitt mehr als 2000 Meter über den Meeresspiegel aufragen, in stürmischen Winden hinunter zum Ozean und kühlt dort das Wasser kräftig ab. Im Winter frieren die eisigen Stürme um die Antarktis einen breiten Wassergürtel zu Packeis, das im September mit rund 20 Millionen Quadratkilometern doppelt so groß wie die Vereinigten Staaten von Amerika ist. Da Packeis praktisch kein Salz enthält, konzentriert sich das im Meer gelöste Salz im extrem kalten Wasser unter dem Eis. Dadurch wird dieses Wasser sehr schwer, sinkt zum Grund und fließt den Abhang des Festlandsockels der Antarktis hinunter nach Norden. Dabei wirbelt es die Nährstoffe wieder auf, die von oben auf den Grund rieseln.

Als die Antarktis vereiste, schwammen also bald reichlich Nährstoffe im Südpolarmeer, und die Region wurde zum Schlaraffenland, in dem bald Unmengen kleiner Lebewesen im Wasser schwebten, von denen sich noch heute direkt oder indirekt die riesigen Bartenwale, Pinguine, verschiedene Robben und natürlich etliche Fische und andere Meeresorganismen ernähren.

Die Plattentektonik beeinflusst auch andernorts die Meeresströmungen und damit auch das Klima auf dem Globus enorm. Ein weiteres Beispiel passierte erst in jüngerer Zeit, als bei der Kollision der Pazifischen mit der Karibischen Platte vor rund drei Millionen Jahren der Isthmus von Panama entstand, der heute die vorher voneinander getrennten Kontinente Nord- und Südamerika miteinander verbindet. Seither versperrt diese Landbrücke den warmen Wassermassen, die von der afrikanischen Küste über den tropischen Atlantik nach Westen fließen, ihren einstigen Weg in den Pazifik.

Dieser Strom mit warmem Wasser wird daher seit drei Millionen Jahren nach Norden umgeleitet und transportiert als Golfstrom extrem viel Energie in Richtung Pole. Diese Warmwasserheizung aber lässt im Nordatlantik viel mehr Wasser als in anderen Meeren auf ähnlichen Breitengraden verdunsten. Die Feuchtigkeit fällt im Winter als Schnee auf Land und Meer zurück, der unter bestimmten Bedingungen im Norden Nordamerikas und in Skandinavien selbst im Sommer nicht mehr schmilzt. Mit der Zeit bildet sich in diesen Regionen dann Eis, das sich durch Rückkopplungseffekte mehr als einmal bis in die norddeutsche Tiefebene ausdehnte. Gemeinsam mit einem Rückgang des Kohlendioxid-Gehalts in der Atmosphäre hat die Plattentektonik also beim Beginn des jüngsten Eiszeitalters eine zentrale Rolle gespielt. Dabei veränderte sich im Osten Afrikas das Klima möglicherweise so, dass dort eine Savanne entstand, in der sich im Lauf der Jahrmillionen die Menschheit entwickelt hat.

Welche Fragen sind noch offen?

Einige dieser modernen Menschen zerbrechen sich ähnlich wie einst Alfred Wegener noch heute den Kopf über ein paar Phänomene, die sich nicht so einfach mit der Kontinentalverschiebung erklären lassen. So wandern die Erdplatten langsam über die Hotspots hinweg, an denen heißes Material aus den Tiefen des Erdinneren langsam nach oben quillt und schließlich Vulkane ausbrechen lässt.

Im Meer wachsen diese Berge zu beträchtlicher Größe und können nach einiger Zeit sogar einige tausend Meter über den Wasserspiegel aufragen. Allerdings wandern diese Vulkane mit der Erdplatte weiter, während sich der Hotspot nach Meinung vieler Forscher nicht bewegt. Nach vielen Jahrtausenden versiegt daher der Lavanachschub und der Vulkan wächst nicht weiter. Regenfälle schwemmen Material vom Kraterrand nach unten, an der Küste nagen die Wellen an der Insel und der erloschene Vulkan schrumpft, bis er irgendwann unter dem Meeresspiegel verschwindet. Längst hat sich dann aber der Hotspot etliche Kilometer entfernt erneut durch die Erdplatte geschweißt und ein neuer Vulkan bricht aus.

In vielen Jahrmillionen entsteht so eine lange Kette von Vulkanen, Geologen kennen etliche solcher Hotspot-Spuren in den Weltmeeren. Wohl am meisten beeindruckt die 6100 Kilometer lange Hawaii-Emperor-Kette. Deren ältester Vulkan ist der Detroit Seamount in der Nähe der Halbinsel Kamtschatka, der vor rund 80 Millionen Jahren aktiv war. Gleichzeitig schiebt sich südöstlich von Hawaii bereits der Loihi-Vulkan vom Meeresgrund nach oben, dessen Gipfel heute noch 900 Meter unter Wasser liegt. Einziger Schönheitsfehler an dieser Theorie ist der Knick am rund 47 Millionen Jahre alten Daikakuji-Seamount: Während sich die Emperor-Kette von Norden nach Süden zieht, knickt die Hawaii-Kette dort in einem 60-Grad-Winkel nach Südosten ab.

Ursprünglich erklärten sich Geologen diesen Knick damit, dass sich die Bewegung der Pazifischen Platte vor 47 Millionen Jahren abrupt geändert hat. Genau das zeigen auch die Modellrechnungen von GFZ-Forscher Trond Torsvik. Auslöser dieses Abbiegens könnte die Izanagi-Platte gewesen sein, die einst zwischen Hawaii und Japan die Pazifische und die Eurasische Platte voneinander trennte. »Die letzten Reste dieser Izanagi-Platte verschwanden vor rund 47 Millionen Jahren endgültig in die Tiefe«, so GFZ-Forscher Bernhard Steinberger. Als dieser Widerstand verschwunden war, könnte eine andere Platte die Pazifische Platte umgelenkt haben. So entstand zwar der Knick in der Vulkankette. Ungeklärt bleibt aber immer noch, weshalb die Pazifische Platte so abrupt die Richtung geändert hat.

Obendrein reicht dieses Abbiegen noch lange nicht, um die Lage und das Alter der Vulkane in der geknickten Kette zu verstehen. Nur wenn sich gleichzeitig auch der Hotspot unter den Hawaii-Inseln bewegt hat, passt es besser. »Modellrechnungen legen nahe, dass Hotspots ein paar Millimeter im Jahr weiterwandern können«, erläutert Bernhard Steinberger. Zusammen mit der Richtungsänderung der Pazifischen Platte erklärt diese Hotspot-Wanderung dann den Knick in der Vulkankette recht gut, zeigten die GFZ-Forscher 2017 in der Zeitschrift »Nature Communications«.

Vielleicht aber spielen diese Hotspots außer bei der Entstehung langer Vulkanketten im Meer auch noch eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Meeresplatten und damit einer der Grundlagen der Plattentektonik? Wissen die Forscher doch bisher nicht so recht, welches Ereignis mitten in einer dicken Kontinentalplatte den Startschuss für das Entstehen eines Mittelozeanischen Rückens gibt. Möglicherweise spielen dabei Hotspots eine entscheidende Rolle, vermuten Wissenschaftler wie Reinhard Werner am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR). Trifft der Plume-Kopf zufällig auf eine Schwächezone in der Kontinentalplatte, könnte er dort nicht nur extrem ergiebige Lavaströme austreten lassen, sondern auch die Platte praktisch auseinanderreißen, während sie weiterdriftet. Genau das könnte zum Beispiel im Süden des heutigen Afrika vor 135 Millionen Jahren den Startschuss für den Mittelozeanischen Rücken gegeben haben, der heute Afrika und Südamerika auseinandertreibt.

Ein ähnliches Ereignis könnte auch zwischen Afrika und Arabien das Rote Meer geschaffen haben und weiter im Süden am Ostafrikanischen Grabenbruch gerade den Osten vom Rest Afrikas abtrennen. »Genau zwischen diesen beiden Zonen gibt es unter dem heutigen Eritrea und Äthiopien einen Hotspot, der bei dieser Geburt eines neuen Meeres eine tragende Rolle spielen könnte«, sagt GFZ-Forscher Bernhard Steinberger. Ist diese Überlegung richtig, könnte in einigen Jahrmillionen, ähnlich wie heute das Rote Meer Afrika von Asien trennt, ein neuer Meeresarm den Osten Afrikas abspalten.

Ähnlich sah die Situation vor einigen Jahrmillionen anscheinend auch dort aus, wo heute der Oberrheingraben den Schwarzwald von den Vogesen trennt. Im Norden setzt sich dieser Graben bis zu Nordsee und im Süden bis zum Mittelmeer fort. Weshalb die Kräfte aus dem Erdinneren offensichtlich erlahmt sind, die diesen Graben einst entstehen ließen, darüber rätseln die Geophysiker noch immer.

Wann endet die Plattentektonik?

Heute ist der Oberrheingraben ein Einzelfall. In den vergangenen drei Milliarden Jahren aber scheint der Antrieb der Plattentektonik mehr als einmal auch weltweit ins Stocken geraten zu sein, nur um nach einiger Zeit in alter Frische wieder anzuspringen. Solche Zyklen dauern wohl etliche hundert Millionen Jahre, und es sieht nicht so aus, als ob sie nur von den gigantischen Strömungen im Erdmantel abhängen. Vielmehr vermuten GFZ-Forscher Stephan Sobolev und Michael Brown von der University of Maryland im US-amerikanischen College Park in der Zeitschrift »Nature«, dass auch die Erosion auf der Oberfläche des Planeten eine wichtige Rolle spielt.

Beobachten lässt sich dieser Einfluss zum Leidwesen der betroffenen Menschen noch heute an der südamerikanischen Küste. Dort tauchen Meeresplatten unter die Südamerikanische Platte ab und schließen damit einen gigantischen Kreislauf: Während an den Mittelozeanischen Rücken Magma aus dem Erdmantel aufsteigt, neuen Meeresboden bildet und dabei Wärme aus dem tiefen Inneren des Planeten abführt, wird dort eine Platte verschluckt, die gleichzeitig das Erdinnere ein klein wenig abkühlt. Allerdings funktioniert das anscheinend nicht immer völlig reibungslos. Immer wieder verwüsten sehr starke Erdbeben die Region zwischen der chilenischen Insel Chiloé und dem Norden Perus, während weiter im Süden die Erschütterungen meist deutlich weniger heftig sind.

Hintergrund dieses Unterschieds scheint das Klima zu sein: An den Anden weiter im Süden fallen ergiebige Niederschläge, die einen Regenwald der gemäßigten Breiten mit Wasser versorgen, während weiter im Norden sich eine Tausende von Kilometer lange Wüste an der Küste erstreckt. Diesen Unterschied sehen die Forscher auch am Grund des Pazifiks: Während im Süden die heftigen Niederschläge die Anden kräftig erodieren und sehr viel Sediment über die Flüsse ins Meer schicken, sammelt sich weiter im Norden kaum Sediment an. Dieses Sediment und vor allem das darin enthaltene Wasser aber scheint den Bereich zwischen den beiden Platten gut zu schmieren und lässt so die Meeresplatte ziemlich ungestört in die Tiefe flutschen. Weiter im Norden aber fehlt das Sediment und damit das Schmiermittel. Dort verhaken sich die beiden Platten immer wieder. Lösen sich diese Haken nach vielen Jahrzehnten, holen die Platten das zwischenzeitlich versäumte, langsame Aneinandervorbeigleiten mit einem Schlag ruckartig nach und lösen dabei ein heftiges Erdbeben aus.

Stephan Sobolev und Michael Brown vermuten, dass in der Geschichte der Erde dieses Schmiermittel Sediment immer wieder einmal Mangelware war. Dadurch erlahmte das Abtauchen der Meeresplatten und bremste so die gesamte Plattentektonik. Als vor rund 750 bis 630 Millionen Jahren dann große Teile der Erde oder vielleicht sogar der gesamte Globus unter einem gigantischen Eispanzer begraben wurde, schürften die Gletscher dicke Gesteinsschichten an ihrem Grund ab und transportierten so wie überdimensionale Förderbänder riesige Mengen von Sediment in die unter dicken Eispanzern begrabenen Meere. Wie ein Kickstarter brachte dieses Schmiermittel dann die Plattentektonik wieder richtig in Schwung.

Solche riesigen Vereisungen scheinen die Konvektionsströme im Erdmantel mehr als einmal wieder angeworfen zu haben. Besonders wichtig für ein gutes Schmieren aber scheint der hohe Wassergehalt der Sedimente zu sein. »Wenn daher die wärmer werdende Sonne in vielleicht ein bis drei Milliarden Jahren das meiste Wasser von der Erde geblasen hat, könnte die Plattentektonik unwiderruflich enden«, überlegt Bernhard Steinberger. Sollte es dann noch Menschen geben, dürfte das Ende der Kontinentaldrift allerdings eine der geringsten Sorgen sein.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.