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Der mathematische Monatskalender: Giovanni Cassini (1625–1712): Beginnt die Karriere als Astrologe

Ludwig XIV: »Cassini hat mir mehr von meinem Königreich weggenommen, als ich durch Eroberungen dazugewinnen konnte.«
Giovanni Domenico Cassini

Geboren in Perinaldo, einem kleinen Ort der Republik Genua, wächst Giovanni Domenico Cassini zunächst in der Obhut eines Onkels auf. Später besucht er das Jesuiten-Kolleg in Genua, wo seine wissenschaftliche Neugier und sein besonderes Interesse für Dichtung, Mathematik und Astronomie bemerkt wird.

Eigentlich ist es mehr die Astrologie, die ihn fasziniert, auch wenn er der Überzeugung ist, dass astrologische Vorhersagen einer wissenschaftlichen Grundlage entbehren. Seine umfangreichen Kenntnisse in der Astrologie tragen jedoch dazu bei, dass er seine erste Anstellung findet: Der vermögende Marquis Cornelio Malvasia bietet ihm eine Stelle an einem Observatorium in Bologna an, das er gerade errichten lässt. Unterstützt wird Cassini dabei durch die beiden berühmten Astronomen des Jesuitenordens, Giovanni Battista Riccioli und Francesco Maria Grimaldi; Letzterer ist übrigens der Erste, der eine Veröffentlichung über den Wellencharakter des Lichts und das Phänomen der Lichtbeugung verfasst (1662).

Diese beiden Vorbilder prägen Cassinis lebenslangen Anspruch, die Genauigkeit der Beobachtungen durch ständige Verbesserung der Beobachtungs- und Messinstrumente zu steigern – allerdings tragen sie auch dazu bei, dass Cassini bis zu seinem Lebensende neuen Theorien mit Misstrauen gegenüber tritt: So hält er bis zum Schluss die Lehren des Nicolaus Kopernikus für falsch und neigt eher zum Kompromissmodell von Tycho Brahe, in dem Mond und Sonne um die Erde kreisen, und die Planeten um die Sonne. Auch lehnt er die Existenz einer Gravitationskraft ab.

Dank der Einflussnahme von Malvasia wird Cassini im Jahr 1650 zum Professor für Mathematik und Astronomie an der Universität von Bologna berufen und übernimmt so den seit drei Jahren vakanten Lehrstuhl Bonaventura Cavalieris.

In den darauf folgenden Jahren beschäftigt sich Cassini insbesondere mit der Beobachtung von Kometenbahnen und Messungen der Position der Sonne im Jahresablauf. In diesem Zusammenhang lässt er in der Basilika San Petronio, der fünftgrößten Kirche der Welt (und größte unter allen Backsteinkirchen) eine Wandöffnung in der Art einer Lochkamera herstellen, so dass ein scharf umrandetes Abbild der Sonne auf dem Kirchenboden entsteht. Die Kunde von dieser Sehenswürdigkeit, mit der nunmehr Messungen der Sonnenbahn in bisher nicht gekannter Präzision möglich sind, verbreitet Cassinis Ansehen als Wissenschaftler. Papst Alexander VII bittet ihn, zwischen den Städten Bologna und Ferrara zu vermitteln, die wegen der Regulierung des Flusses Reno in Streit geraten sind. Nach dieser erfolgreichen Mission wird Cassini sogar zum päpstlichen Aufseher der Befestigungsanlagen des Kirchenstaates und zum Beauftragten für Wasserfragen ernannt. Eine feste Anstellung in päpstlichen Diensten lehnt er jedoch ab, da ihn astronomische Fragen mehr interessieren.

Dank eines stark verbesserten Teleskops gelingen ihm von 1664 an sensationelle Beobachtungen: Er entdeckt die starke Abplattung des Jupiter an den Polen sowie die farbigen Bänder und Flecken auf der Oberfläche (den großen roten Fleck beschreibt er fast zeitgleich mit Robert Hooke). Er misst die Dauer der Drehung des Planeten um seine Rotationsachse (in späteren Jahren bemerkt er, dass die Schichten der Atmosphäre unterschiedliche Rotationsgeschwindigkeiten haben).

Cassini führt Messungen bezüglich der Umlaufzeiten der Jupitermonde durch und legt umfangreiche Tabellen an, die Vorhersagen bzgl. der Sichtbarkeit ermöglichen. Allerdings treten Abweichungen von bis zu 17 Minuten auf – je nachdem, ob der Planet in Richtung der Sonne (also »hinter« der Sonne) oder in entgegengesetzter Richtung beobachtet wird. Cassini vermutet zunächst als Grund hierfür, dass das Licht für die verschieden großen Strecken auch unterschiedlich lange Zeit benötigt, lehnt aber dann doch den Gedanken ab, dass die Lichtgeschwindigkeit endlich ist, weil dies nicht der traditionellen Lehre entspricht. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass 1676 sein eigener Assistent Ole Christensen Rømer aus den Messdaten Cassinis den richtigen Schluss zieht.

1666 veröffentlicht Cassini seine äußerst präzisen Werte der Rotationsdauer des Mars und seine Beobachtungen bezüglich der Veränderungen auf der Oberfläche dieses Planeten, insbesondere die weißen Polkappen (ein Jahrtausendereignis).

Aufgrund der Aufsehen erregenden Entdeckungen erhält Cassini von König Ludwig XIV eine Einladung nach Paris, um dort die Einrichtung des neuen Observatoriums zu unterstützen. Der Senat von Bologna und der Papst haben keine Einwände gegen eine solche Reise, da sie davon ausgehen, dass Cassini die bestehenden Arbeitsmöglichkeiten in Italien zu schätzen weiß. Die Ernennung zum Mitglied der »Académie Royale des Sciences« und seine Berufung zum Leiter des Pariser Observatoriums verbunden mit großzügigen finanziellen Mitteln führen zum baldigen Sinneswandel: Cassini nimmt die französische Staatsangehörigkeit an und ändert den Vornamen in Jean-Dominique um.

Durch seine Heirat mit der aus einer vermögenden Familie stammenden Geneviève de Laistre wird er Besitzer eines Schlosses, das er als Sommerresidenz nutzt. Die Reihe sensationeller Entdeckungen setzt sich in Paris fort: Er entdeckt die ersten vier Saturnmonde und die Lücke im Ringsystem des Planeten (so genannte Cassinische Teilung). Die Genauigkeit seiner Zeichnungen der Mondoberfläche wird erst nach der Erfindung der Fotografie übertroffen.

Cassinis Daten zu den Umlaufbahnen der Jupitermonde können dazu benutzt werden, die Längengrade von verschiedenen Orten der Erde zu bestimmen. Aus dem Vergleich der Messdaten bezüglich der Position des Planeten Mars durch Jean Richer in Französisch Guyana und in Paris kann zum ersten Mal eine ungefähre Größe der mittleren Entfernung von Erde und Sonne ermittelt werden. Richer folgert aus der Tatsache, dass ein Sekundenpendel in Cayenne kürzer ist als ein solches in Paris, dass dies mit der Erdabplattung an den Polen zusammenhängt, was den Beobachtungen beim Jupiter entsprechen würde. Cassini akzeptiert dies nicht und bleibt bei der auch von Descartes vertretenen Meinung, dass es – wenn überhaupt – eine Zuspitzung zu den Polen gibt.

Vermessungen längs des durch Paris verlaufenden Längengrads sollen Klarheit schaffen; die Aktion muss 1685 aus finanziellen Gründen zunächst abgebrochen werden. Erst vom Jahr 1700 an wird die gesamte Strecke von Amiens bis Perpignan trianguliert. Dabei stellt sich heraus, dass die tatsächliche Fläche Frankreichs erheblich geringer ist als bisher geschätzt, was Ludwig XIV veranlasst zu sagen: »Cassini hat mir mehr von meinem Königreich weggenommen, als ich durch Eroberungen dazugewinnen konnte.« Cassini sieht in den Messergebnissen eine Bestätigung seiner Vorstellungen zur Form der Erde; heute weiß man, dass die Daten zu ungenau waren, um aus ihnen Schlüsse ziehen zu können. Erst die Große Geodätische Expedition von 1736 schafft mehr Klarheit.

Um 1680 untersucht Cassini einen besonderen Typ von Kurven, die durch folgende Eigenschaft definiert sind:

  • Jeder Punkt P(x|y) der Kurve hat die Eigenschaft, dass das Produkt der Abstände zu zwei gegebenen Punkten P1(+c|0) und P2(-c|0) konstant gleich a2 ist (wobei a, c ≥ 0).

Aus dieser Definition ergibt sich die folgende Beziehung zwischen den Koordinaten x, y: (x2 + y2)2 – 2c2(x2 – y2) = a4 – c4.

Es ergeben sich drei mögliche Fälle mit a < c, a = c und a > c. Cassini hält den ersten, ovalen Typ von Kurven für geeignet, die Bewegung der Sonne um die Erde zu beschreiben, also anders als Kepler, der aufgrund seiner Messungen von einer elliptischen Form ausgeht.

Von 1709 verschlechtert sich Cassinis Sehvermögen, schließlich erblindet er. Sein Sohn Jacques wird sein Nachfolger als Leiter des Pariser Observatoriums – wie danach auch dessen Sohn sowie dessen Enkel – diese Dynastie (Cassini I bis IV) endet erst mit der Französischen Revolution.

Giovanni Cassini

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