Himmelsbeobachtung: Wenn Satelliten blitzen

Bis zum Jahr 2019 galten »Iridium-Flares« bei Amateurastronomen als visuelle Attraktion: exakt prognostizierbare Reflexionen des Sonnenlichts an den Antennenflächen dieser Kommunikationssatelliten in rund 800 Kilometer Höhe. Das plötzliche Aufleuchten (englisch: flare) konnte bis zu –8 mag hell werden – heller als die Venus – und sorgte in Volkssternwarten nach sekundengenauer Ansage regelmäßig für Begeisterung unter den Besuchern. Das Kommunikationssystem Iridium besteht zwar weiterhin, jedoch sind die Satelliten der ersten Generation mittlerweile außer Betrieb und in der Erdatmosphäre verglüht; ihre hellen Flares sind somit nicht mehr zu beobachten. Es gibt aber seit Jahrzehnten einen analogen, wenngleich weniger auffälligen und seltener beobachteten Effekt bei geostationären Satelliten in rund 36 000 Kilometer Höhe über dem Erdäquator. Zeitweise lassen sich auch hier helle Reflexionen an den Solarpaneelen beobachten, sowohl fotografisch als auch visuell.
Flares treten auf, wenn ein geostationärer Satellit in den Erdschatten eintritt beziehungsweise aus ihm austritt. Außerhalb dieser Zeiten erscheinen uns die Satelliten der geostationären Bahn auf Grund ihrer großen Entfernungen sehr lichtschwach. Ihre scheinbaren Helligkeiten liegen dann nur bei 12 bis 14 mag, so dass sie ausschließlich im Teleskop sichtbar sind. Bereits im Jahr 1998 hatten die Schweizer Amateurastronomen Stefano Sposetti und Bruno Tilgner mittels fotografischer Langzeitbelichtungen sieben geostationäre ASTRA-Satelliten beobachtet und auf diese Weise die kleinen elliptischen Schleifenbahnen dokumentiert, welche die Satelliten im Lauf eines Tages beschreiben (siehe suw.link/2502-AP1).
Sobald die Satelliten jedoch Sonnenlicht über ihre Solarzellen direkt zu uns reflektieren, werden sie kurzzeitig bis zu 10 000-mal heller: Sie erreichen dann scheinbare Helligkeiten von bis zu 3 mag, was ungefähr der Helligkeit von Megrez, dem lichtschwächsten Stern im Kasten des Großen Wagens, entspricht. Die Flares lassen sich deshalb mit bloßem Auge beobachten. Im Folgenden möchte ich näher betrachten, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um solche Flares beobachten zu können. Ereignisse dieser Art habe ich in den zurückliegenden 15 Jahren wiederholt dokumentiert, zuletzt im September 2023 mit einem nachgeführten Zeitraffervideo auf der Astrofarm Tivoli in Namibia.
Helle Flares trotz großer Entfernung
Die geostationäre Bahn verläuft über dem Äquator der Erde und hat einen Radius von 42 164 Kilometern bezüglich des Erdmittelpunkts. In dieser Distanz gleicht die Umlaufperiode eines Satelliten der Rotationsperiode unseres Planeten. Für einen Beobachter auf der Erde stehen die Satelliten in dieser Entfernung somit praktisch stationär am Himmel; sie haben also einen konstanten Höhenwinkel über dem Horizont (Elevation) und einen gleich bleibenden Richtungswinkel bezüglich des Südmeridians (Azimut).
Einem Beobachter am Äquator erscheinen die geostationären Satelliten entlang des Himmelsäquators aufgereiht wie die Perlen einer Kette. Die günstigsten Bedingungen für helle Flares herrschen zur Zeit der Tagundnachtgleiche, wenn die Sonne innerhalb der Äquatorebene der Erde und deshalb auch in der Bahnebene der geostationären Satelliten steht. Theoretisch würden diese Satelliten dann das Sonnenlicht zum Beobachter hinunter reflektieren – dies unter der Bedingung, dass ihre Solarzellen zur Sonne ausgerichtet sind.
Nachdem die Sonne im Westen untergegangen ist, geht im Osten der Erdschatten auf und steigt am Himmel umso höher, je tiefer die Sonne unter den Horizont sinkt. Um Mitternacht erreicht er seine größte Höhe über dem Horizont. So wandert der Erdschatten im Lauf einer Nacht von Osten nach Westen über den Himmel und überstreicht währenddessen die Kette der geostationären Satelliten. Unser Beobachter könnte demnach das sequenzielle Aufleuchten der äquatorialen Perlenkette verfolgen – aber leider nur theoretisch. In der Praxis durchlaufen die Satelliten genau innerhalb jener Zeit, zu der das Sonnenlicht senkrecht auf die Paneele fallen würde, den Schatten der Erde und erhalten deshalb während einer Dauer von bis zu 70 Minuten kein Sonnenlicht (siehe »Erdschatten und geostationäre Satelliten«).

Dennoch können wir helle Flares beobachten: Die günstigsten geometrischen Bedingungen hierfür herrschen zu Beginn und am Ende der Nacht. Dann sehen wir Flares von denjenigen Satelliten, die am Rand des Erdschattens stehen und zugleich senkrecht auftreffendes Sonnenlicht erhalten. Am Abend sehen wir das Aufblitzen vor dem Eintritt, also am westlichen Rand des Erdschattens; in den Morgenstunden erscheinen die Flares nach dem Austritt aus dem Erdschatten, das heißt an seinem östlichen Rand.
Eine einfache Überlegung demonstriert den Helligkeitsbereich, der für Flares aus dem geostationären Orbit zu erwarten ist: Die Iridium-Satelliten der ersten Generation befanden sich in rund 780 Kilometer Höhe und erzeugten regelmäßig Flares mit scheinbaren Helligkeiten von bis zu –8 mag. In einer geostationären Bahn, die 55-mal weiter entfernt ist, würde ein solcher Flare um einen Faktor 55² = 3025 lichtschwächer erscheinen, weil die Helligkeit quadratisch mit der Distanz abnimmt. Dies entspricht einem Helligkeitsunterschied von rund 9 mag. Somit wäre der Flare am Himmel immer noch bis zu 1 mag hell. Erfahrungsgemäß erreichen die hellsten von geostationären Satelliten beobachteten Flares bis zu 4 mag oder sogar 3 mag; sie lassen sich teilweise länger als zehn Minuten mit bloßem Auge beobachten.
Der Erdschatten über Europa
Sollen die Flares abseits des Erdäquators beobachtet werden, dann ist die jeweilige geografische Lage zu berücksichtigen: Von einem Ort auf der Nordhalbkugel der Erde schauen wir stets ein wenig von oben auf die geostationäre Bahn hinunter; sie scheint deshalb ein Stück unterhalb des Himmelsäquators zu liegen. Beispielsweise sehen wir die Satelliten in Mitteleuropa, bei +50 Grad geografischer Breite, bei einer Deklination von rund –7 Grad am Himmel; diesen Effekt bezeichnet man fachsprachlich als topozentrische Parallaxe in Deklination (siehe »Flares in Europa«).

Damit das von einem Satelliten reflektierte Sonnenlicht optimal beobachtet werden kann, muss die Deklination der Sonne mit derjenigen des Satelliten übereinstimmen. Dementsprechend unterscheiden sich Termine der besten Sichtbarkeit von Flares für Beobachtungsorte abseits des Äquators von der Zeit der Tagundnachtgleiche: Die Sonne steht jeweils in den Tagen um den 3. März und um den 11. Oktober bei –7 Grad Deklination; dies sind somit die optimalen Zeiträume für die Beobachtung von Flares in unseren Breiten.
Diejenigen Flares, die Anfang März auftreten, sehen wir in Europa zwischen den Sternbildern Jungfrau und Sextant, während die im Oktober sichtbaren Flares zwischen den Sternbildern Fische und Walfisch aufleuchten – also in jenen Himmelsregionen, die der Sonne zu den genannten Zeiten gegenüberliegen (siehe »Am Sternhimmel über Europa«). Bei der visuellen Sichtung kann es auch für erfahrene Beobachter verblüffend sein, wenn ein Sternbild scheinbar minutenlang durch mehrere neue am Himmel aufgereihte Sterne erweitert wird. Verblassen die Flares nach einigen Minuten wieder, können sie weiterhin im Teleskop – ohne Nachführung – verfolgt werden. Im Okular sind sie leicht zu identifizieren, denn alle Sterne ziehen im Hintergrund langsam an ihnen vorüber.

Besonders reizvoll ist es, das Phänomen nicht nur visuell zu beobachten, sondern auch in einem Zeitraffervideo festzuhalten. Nach mehreren fotografischen Nachweisen seit April 2009 gelang mir erstmals am 5. März 2011 auf der Rigi-Kulm in den Schweizer Voralpen ein schönes Video (siehe suw.link/2502-AP2). Dieser kurze Film lässt etwa zehn helle geostationäre Flares wie aufgereiht erkennen. Diese Perlenkette erinnerte einige Betrachter an Bilder des zerbrechenden Kometen Shoemaker-Levy 9 kurz vor seinem spektakulären Absturz auf den Planeten Jupiter im Juli 1994.
Nach dem Jahr 2011 habe ich geostationäre Flares regelmäßig beobachtet und auch per Zeitraffer gefilmt. Da Mondlicht oder Wolken manchmal stören, ist dies typischerweise nur im Abstand von einigen Jahren optimal möglich. In zwei mondlosen Nächten am 5. März 2014 und am 11. Oktober 2015 konnte ich vom Gornergrat (siehe suw.link/2502-AP3) und von der Diavolezza (siehe suw.link/2502-AP4) in den Schweizer Alpen den Effekt, einschließlich Bergpanoramen im Vordergrund, während einer ganzen Nacht dokumentieren.
Der Erdschatten über Namibia
Im September 2023 verbrachte ich gemeinsam mit Freunden eine Woche auf der Astrofarm Tivoli in Namibia, auf dem südlichen Wendekreis bei –23,5 Grad geografischer Breite. Die geostationären Flares erscheinen dort bei einer Sonnendeklination von +3,5 Grad. Dementsprechend sind sie beispielsweise am 13. September im Sternbild Fische zu sehen (siehe »Flares am südlichen Himmel«).
In den Neumondnächten vom 12. bis zum 14. September konnte ich – diesmal mit nachgeführter Zeitrafferkamera (siehe suw.link/2502-AP5) – rund 200 geostationäre Flares festhalten. Auch auf Zeitraffervideos des nächtlichen Himmels über Landschaften, die einige Kollegen aufgenommen hatten, waren die Flares unübersehbar, sofern man im richtigen Sternbild suchte (siehe suw.link/2502-AP6 und suw.link/2502-AP7). Für die Nacht vom 12. auf den 13. September 2023 summierte ich jeweils 30 Minuten lange Sequenzen mit je 60 Bildern à 30 Sekunden Belichtungszeit. Aus den insgesamt 21 Sequenzen wurden schmale Streifen ausgeschnitten und zu einem Übersichtsbild zusammengefügt. Diese Fotomontage zeigt eindrücklich die Flares im Lauf von zehneinhalb Stunden während dieser Nacht (siehe »Satellitenflares im Lauf einer Nacht«). Sie veranschaulicht, wie die Satelliten abends hell aufleuchten, bevor sie im Erdschatten verschwinden.

In den Morgenstunden passierte dann das Umgekehrte: Die Satelliten leuchteten beim Verlassen des Erdschattens hell auf. Auf diese Weise ließen sich auch die Größe und die Bewegung des Erdschattens in der geostationären Entfernung fotografisch erfassen – ein Effekt der topozentrischen Parallaxe des Beobachters auf der rotierenden Erdkugel. Die mittlere Position der Flares bleibt am Sternhimmel nahezu gleich, entsprechend der Position der Sonne; der Beobachter sieht den Erdschatten jedoch im Verlauf der Nacht nach Westen wandern, analog zu einem äußeren Planeten während seiner jährlichen Oppositionsschleife.
Bald ist es wieder so weit
In Mitteleuropa sind geostationäre Flares das nächste Mal Anfang März 2025 zu beobachten – und diesmal stört kein Mondlicht. Eine Suche am richtigen Ort und zur vorhergesagten Zeit lohnt sich. Übrigens sind nicht alle Sonnenzellen von Satelliten immer exakt zur Sonne ausgerichtet, was manchmal zu Flares abseits der prognostizierten Positionen führen kann.
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