Rohstoffe: Fünf Fakten über Fracking
Was ist Fracking?
Der Begriff Fracking, abgeleitet vom englischen hydraulic fracturing, bezeichnet ein allgemeines Verfahren, bei dem man in tiefen Bohrlöchern mit einer Flüssigkeit unter hohem Druck Risse im umliegenden Gestein erzeugt. Die Technik stammt aus den späten 1940er Jahren und war ursprünglich dazu gedacht, bereits vorhandene Bohrlöcher zu "stimulieren", also um die im Lauf der Zeit absinkende Förderrate zu erhöhen. Deswegen bezeichnet man die Technik im deutschen Sprachraum auch als hydraulische Stimulation.
Das Prinzip der Technik ist einfach: Man pumpt eine Flüssigkeit ins Bohrloch, so dass der Druck bereits vorhandene Klüfte und Haarrisse aufweitet sowie neue Risse schafft. Feste Partikel in diesem so genannten Fracking-Fluid sorgen dafür, dass sich die Risse auch beim Absenken des Drucks nicht mehr vollständig schließen. Ursprünglich verwendete man als Fracking-Flüssigkeit verdicktes Öl, das mit Flusssand versetzt war, inzwischen basieren die meisten Fracking-Fluide jedoch auf Wasser mit verschiedenen Zusätzen.
Notwendig sind solche Verfahren, weil Gas- und Öllagerstätten in verschiedenen Gesteinsarten vorkommen, die unterschiedlich durchlässig sind. Konventionelle Lagerstätten sind so porös, dass Öl oder Gas allein durch den Druck innerhalb des Gesteins zum Bohrloch fließen. Die Öllagerstätten des Nahen Ostens zum Beispiel sind fast so durchlässig wie Sand. Je weniger Poren ein Gestein hat, desto schlechter fließen jedoch Öl und Gas. Auch einige der konventionellen Gaslagerstätten Deutschlands sind nicht durchlässig genug, um ohne zusätzliche Behandlung dauerhaft wirtschaftlich lohnende Förderraten zu gewährleisten. Zwischen 1961 und 2011 fanden in Deutschland etwa 300 solcher "Fracs" statt. Seitdem werden hier zu Lande wegen der öffentlichen Debatte keine neuen Bohrungen und Fracs mehr genehmigt.
Gegenstand der aktuellen Fracking-Debatte ist jedoch ein Spezialfall dieser Technik, nämlich Gesteine mit so geringer Durchlässigkeit, dass aus einem normalen Bohrloch überhaupt nichts herauskommt. In solchen Formationen, überwiegend Tonschiefer aus dem Unterkarbon vor etwa 350 Millionen Jahren, lagern unter Deutschland etwa 1,3 Billionen Kubikmeter förderbares Erdgas, vermutet die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Das Zerbrechen des Gesteins schafft bei diesen unkonventionellen Lagerstätten überhaupt erst die Voraussetzung für eine Förderung – mithin ist der Aufwand wesentlich größer. Statt die Quelle einmal mit Wasserdruck quasi aufzufrischen, muss die gesamte kohlenwasserstoffhaltige Gesteinsformation mit Rissen durchzogen werden.
Dazu bohrt man die Formation nicht mehr nur an, sondern führt die Bohrung mehrere hundert Meter horizontal durch die gewünschte Gesteinsschicht, bevor man mit hohem Druck das Fracking-Fluid hineindrückt. Durch diese horizontale Bohrtechnik deckt man viel mehr Gestein ab. Trotzdem zeigt sich in den USA, dass die Förderung aus solchen Bohrungen recht schnell zurückgeht und relativ bald neue Teile der Lagerstätte erschlossen werden müssen. Entsprechend häufig muss man neue Bohrungen niederbringen.
Wie weit reichen die künstlich erzeugten Risse?
Die Rissausbreitung im Gestein folgt im Wesentlichen den Spannungsverhältnissen – die Brüche nehmen den Weg des geringsten Widerstandes. Entsprechend entstehen die Frakturen nahezu halbkreisförmig zu den Seiten und nach oben – abwärts entstehen wegen des Widerstandes des Gesteins nur kurze Risse, während sie in Richtung Oberfläche am weitesten reichen. Nahe der Bohrung erreichen die Risse Durchmesser von etwa drei Zentimetern.
Prinzipiell ist die Risslänge im Gestein durch die Energie begrenzt, die durch den hydraulischen Druck ins Bohrloch übertragen wird. Außerdem stoppen undurchlässige Schichten wie Tone wegen ihrer Elastizität meist auch Risse, so dass die Auswirkungen des Frackings nicht weit über die Zielformationen hinausreichen; zumal Pumpleistung Geld kostet, und frackende Unternehmen deswegen natürlich nur so viel Energie aufwenden wie unbedingt nötig.
Heutzutage berechnet man die wahrscheinliche Rissausbreitung im Gestein mit Hilfe von Computerprogrammen, die die wichtigsten Parameter wie Gebirgsspannung, die mechanischen Eigenschaften des Gesteins, Flüssigkeitsvolumen und Druck berücksichtigen. Berechnungen zeigen, dass in den meisten Fällen bei einer künstlichen Risslänge von ungefähr 90 Metern Schluss ist. Durch das entstehende Rissvolumen sinkt der Druck zu stark, um den Fels weiter aufzubrechen.
Dementsprechend gilt es als unwahrscheinlich, dass Risse aus der Fracking-Zone bis in flache Trinkwasserleiter reichen können. Die Schiefer liegen in Tiefen von 1000 bis 5000 Metern. Zusätzlich ist der Untergrund, was Grundwässer betrifft, in Deutschland weit gehend zweigeteilt: In der Tiefe liegen teils extrem salzige Wasserleiter, die durch Tonschichten vom Trinkwasser in den flachen Lagen getrennt sind. Beide Wassertypen sind laut chemischen Analysen teils seit Jahrmillionen getrennt, so dass es auch unwahrscheinlich ist, dass Fracking-Flüssigkeiten durch natürliche Verwerfungszonen in die Trinkwasserleiter steigen.
Woraus besteht die Fracking-Flüssigkeit?
Moderne Fracking-Fluide bestehen zu mehr als 90 Prozent aus Wasser. Hinzu kommt der Lückenfüller, ein krümeliges, hartes Material, das die entstehenden Risse daran hindert, sich wieder zu schließen. Dieses Material macht etwa zwei Volumenprozent der Flüssigkeit aus. Zu Beginn der Fracking-Ära handelte es sich um Sand, heute verwendet man außerdem Keramikgranulate definierter Größe, Bauxit oder Korund. Damit das Wasser diese schwere Fracht an ihren Wirkort transportieren kann, setzt man unter Umständen spezielle Gelbildner zu, die die Flüssigkeit zäher machen – so dass sich die Krümel nicht so schnell absetzen.
Dabei handelt es sich meist um Stärke oder ähnliche Polymere aus Zuckerbausteinen – chemisch verändertes Guar oder Zellulose, beide gelten als unbedenklich. Zusätzlich gibt man dann Vernetzer hinzu wie Nitrile, Borate oder andere anorganische Salze, die die Molekülketten untereinander verbinden. Außerdem enthalten die Fluide Polyacrylamid – das Saugmaterial aus Windeln –, um Turbulenzen zu unterbinden und so die Reibung während des Pumpens zu verringern. Dadurch sinkt der Energieverbrauch. Analog zu Gelbildnern kann man auch Schäume verwenden. Die Schaumbildner allerdings sind meist giftiger als die Gelierungsmittel.
Da das Wasser auch wieder aus dem Bohrloch herausgepumpt werden muss, enthalten die Fluide so genannte Kettenbrecher. Das sind chemische Verbindungen, für langsame Freisetzung eingekapselt, die im Lauf der Zeit die Polymere wieder zerstören und das Gel erneut flüssig machen. Typische "Breaker" sind Bromate und andere oxidierende Chemikalien, die unter Umständen als gesundheitsschädlich eingestuft werden.
Am stärksten in der Kritik stehen Desinfektionsmittel, die Mikroben am Wachstum hindern sollen – die Mikroorganismen könnten sonst das Fracking-Fluid verändern, die aufwändig geschaffenen Risse zuwachsen oder gar Schwefelwasserstoff erzeugen, der aus dem geförderten Gas erst mühselig wieder entfernt werden müsste. Zum Einsatz kommen Magnesiumsalze, aber auch als giftig eingestufte organische Verbindungen. Die Industrie geht jedoch nach eigenen Angaben immer mehr dazu über, stattdessen unbedenkliche Biozide zu verwenden, so zum Beispiel Glutaraldehyd oder Ozon, beziehungsweise eine Chlorierung wie im Schwimmbad durchzuführen.
Zusätzlich zu diesen Hauptbestandteilen enthalten Fracking-Fluide weitere Verbindungen mit spezifischen Funktionen. So zum Beispiel Säuren, Säurepuffer und Korrosionshemmer, dazu Komplexbildner, die bestimmte Ionen in Lösung halten, sowie Tenside, die Emulsionen erzeugen oder verhindern. Aber dank einer regulatorischen Lücke enthalten Fracking-Fluide in den USA auch Dieselöl, mit dem chemisch behandeltes Guar in Lösung gebracht wird. All diese in kleinen Mengen zugesetzten Substanzen sollen die Eigenschaften des Fracking-Fluids optimieren und werden meist speziell auf die örtlichen Gegebenheiten abgestimmt. Einige von ihnen sind gesundheitlich und ökologisch alles andere als unbedenklich, so dass die Industrie derzeit auf der Suche nach Ersatzstoffen ist, um auch strengeren rechtlichen Anforderungen zu genügen.
Nicht alle Substanzen, die beim Fracken in eine Bohrung hineingehen, kommen auch wieder heraus. Oberflächenaktive Substanzen lagern sich an die Gesteinsoberflächen an, Puffer und Säuren werden chemisch verbraucht, die Biozide zersetzen sich meist durch die Hitze. Von diesen kleinen Molekülen bleiben nach Angaben der Industrie 80 Prozent im Bohrloch, selbst die Polymere kommen nur zur Hälfte wieder an die Oberfläche.
Schadet Fracking Umwelt und Gesundheit?
Diese wesentliche Frage ist heftig umstritten, vor allem, ob die Belastungen über konventionelle Effekte durch Industrie und Verkehr hinausgehen – ob also Fracking als solches gefährlicher ist als andere technische Prozesse. Während Befürchtungen, beim Fracking-Vorgang selbst würden flache Grundwasserleiter durch Fracking-Fluide kontaminiert, sich nicht bestätigt haben und wohl übertrieben sind, lehren die Erfahrungen in den USA, dass Gefahren für Umwelt und Gesundheit bestehen, denen man sowohl technisch als auch politisch mit entsprechenden Verfahren und Vorschriften begegnen muss.
So erzeugen die Bohrungen mittelbar und unmittelbar starke Luftverschmutzung, wie zum Beispiel eine Studie an einem Öl- und Gasfeld in Utah nachwies. Die Schadstoffe kommen dabei nicht nur von den Bohrstellen, sondern gehen zu einem beträchtlichen Teil auf die zusätzliche Verkehrsbelastung zurück. Auch die Gefahr für oberflächennahe Grundwässer ist vor allem konventioneller Natur – Schadstoffe können durch Verkehr oder Baumaßnahmen versickern, zusätzlich besteht die Gefahr, dass beim Umgang mit großen Mengen Fracking-Flüssigkeiten, deren technischen Zusätzen und den entstehenden Abwässern gefährliche Flüssigkeiten auslaufen. Anders als in den USA allerdings müssen Bohrplätze hier zu Lande mit Beton versiegelt sein, so dass auslaufende Flüssigkeiten aufgefangen werden können.
In trockenen Gebieten stellt bereits die Entnahme der für das Fracking nötigen Wassermengen ein Problem dar, im vergleichsweise wasserreichen Mitteleuropa allerdings gilt das Augenmerk eher dem mit Fracking-Hilfsstoffen versetzten Abwasser. Davon entsteht beim Ausbeuten unkonventioneller Lagerstätten wegen der höheren Anzahl Fracs deutlich mehr als bei den bisher in Mitteleuropa typischen Bohrlochbehandlungen konventioneller Lagerstätten. Diese Abwässer sollen wie in den USA durch Verpressen in tiefe, als Trinkwasser unbrauchbare Grundwasserleiter entsorgt werden.
Diese gebrauchten Fracking-Flüssigkeiten geraten in den USA immer wieder wegen potenzieller Umweltschäden in die Schlagzeilen – auch weil Gesetze lückenhaft sind oder mutwillig von einigen Unternehmen umgangen werden. In Kalifornien etwa pressten Unternehmen Fracking-Abwässer in dafür nicht vorgesehene Grundwasserleiter, die dadurch mit Schwermetallen belastet wurden. Diese stammen aus so genannten Formationswässern, sehr salzhaltige Laugen, die unter Umständen giftig oder radioaktiv sein können – so zum Beispiel im US-amerikanischen Marcellus-Schiefer. Vergleichbare Gaslagerstätten in Deutschland sind nach Angaben des Unternehmens ExxonMobil allerdings trocken, enthalten also keine solchen Laugen.
Forscherteams in den USA haben außerdem nachweisen können, dass in einigen Fällen tatsächlich Grundwasserleiter durch die Fracking-Bohrungen verunreinigt wurden. Ursache für die nachgewiesenen Kontaminationen im Grundwasser ist jedoch mutmaßlich nicht der Prozess des Frackings selbst, sondern die Bohrung: Wenn das Bohrloch nicht sorgfältig verschalt und zementiert ist, können Gas und andere Fluide an der Außenseite der Verschalung nach oben steigen und in flache Grundwasserleiter eindringen.
Wie groß dieses Problem ist, ist umstritten. Fracking-Gegner betrachten brennbare Gase in Grundwasserleitern, die durch den Film "Gasland" bekannt wurden, als Beleg für eine fast zwangsläufige Kontamination durch Fracking, während Befürworter und Industrie darauf verweisen, dass Gase aus Lagerstätten auch auf natürlichem Weg aufsteigen und künstliche Verunreinigungen durch entsprechende technische Maßnahmen kontrolliert werden können. Studien zum Thema sind widersprüchlich. Zwei Untersuchungen aus dem Jahr 2011 zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen Methankonzentration im Trinkwasser und nahen Gasquellen, andere dagegen deuten darauf hin, dass die lokale Geologie oft einen größeren Einfluss auf den Methangehalt im Wasser hat als Anwesenheit oder Abwesenheit von Fracking-Bohrungen.
Noch schwieriger nachzuweisen sind direkte gesundheitliche Beeinträchtigungen in der Folge von Fracking in unkonventionellen Lagerstätten. Zwar schienen 2013 gleich zwei statistische Untersuchungen tatsächlich einen Effekt zu zeigen; beide Studien haben jedoch nur eine begrenzte Aussagekraft, was die Existenz der Effekte und deren Ursachen angeht.
In einer der Untersuchungen schienen angeborene Herzfehler bei Kindern häufiger zu sein, deren Mütter im Umkreis von Schiefergasbohrungen lebten, in einer weiteren Studie war niedriges Geburtsgewicht mit Fracking assoziiert. Beide Studien jedoch sind kaum mehr als Voruntersuchungen – in letzterer erwies sich das Ergebnis sogar als sehr abhängig von der gewählten Auswertung: Je nach Wahl der Parameter hatten Kinder um Fracking-Bohrungen überwiegend normale, mit anderen Parametern eher abnorme Geburtsgewichte. Wegen der geringen Fallzahlen sind Schlussfolgerungen aus solchen statistischen Untersuchungen generell schwierig, zumal die Autorinnen der Studien selbst zu bedenken geben, dass die Ergebnisse nichts über tatsächliche Ursachen aussagen.
Löst Fracking Erdbeben aus?
Seismische Aktivität in Zusammenhang mit Fracking ist inzwischen vielfach belegt. Dabei ist es gar nicht so sehr das Aufbrechen des Gesteins selbst, das für die Erschütterungen verantwortlich ist, sondern die Entsorgung der Fracking-Flüssigkeit. In den USA werden diese Wässer durch alte Bohrungen in tiefe Lagerstätten oder Grundwasserleiter eingepresst. Das Wasser füllt die Poren des Gesteins und wirkt quasi als Schmiermittel für natürliche Verwerfungen. Die entstehenden Erschütterungen sind jedoch meist unmerklich gering. Nur ein kleiner Anteil der Beben ist wahrnehmbar, und noch seltener sind Beben mit Magnituden über fünf, die Schäden anrichten können.
Obwohl die meisten durch Bohrungen ausgelösten Beben sehr klein sind, verdient das Problem der Seismizität Beachtung. Als warnendes Beispiel dient dabei die so genannte reservoirinduzierte Seismizität – Erdbeben durch Staudämme. Auch dort erhöht Wasser den Porendruck im Gestein und löst so zusätzliche Erdbeben aus. Die sind meist sehr schwach, allerdings nicht immer: Das vermutlich durch den Zipingpu-Damm ausgelöste Sichuan-Erdbeben von 2008 kostete etwa 80 000 Menschenleben. Die Gefahr einer solchen Katastrophe besteht in Deutschland aber wohl nicht – Wasserdruck erzeugt keine Beben, die nicht schon potenziell in der Geologie angelegt sind, und die deutschen Fracking-Regionen sind nach allem, was bekannt ist, seismisch unauffällig.
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