Astronomie für Einsteiger: Uranus mit bloßem Auge beobachten
In vielen einführenden Astronomiebüchern findet sich der Hinweis, dass der ferne Planet Uranus unter günstigen Bedingungen noch mit dem bloßen Auge sichtbar sei. Dank seiner mittleren Oppositionshelligkeit von 5,6 mag sollte es möglich sein, ihn unter einem dunklen Himmel und bei klarer Luft aufzuspüren. Wer jedoch in den zurückliegenden Jahrzehnten versuchte, Uranus von Mitteleuropa aus aufzusuchen, wurde zumeist enttäuscht, denn in jener Zeit durchlief er die südlichen Sternbilder des Tierkreises, die bei uns niemals hoch über den Horizont gelangen. Deswegen musste das Licht des Planeten einen relativ langen Weg durch die Erdatmosphäre zurücklegen, wobei es stark abgeschwächt wurde. So war die tatsächliche Helligkeit von Uranus selbst zur Oppositionszeit deutlich geringer als 6 mag.
Mittlerweile hat Uranus aber den nördlichen Himmel erklettert und erreicht nun in Mitteleuropa eine Höhe von mehr als 40 Grad über dem Horizont. Daher wird sich ein erneuter Versuch nun lohnen!
Kalter Eisriese
Ursache für die relativ geringe Helligkeit des Uranus ist vor allem seine große mittlere Distanz. Mit 19,2 Astronomischen Einheiten ist er gut doppelt so weit von der Sonne entfernt wie Saturn. Hinzu kommt, dass er weniger als halb so groß ist. Die US-amerikanische Raumsonde Voyager 2 besuchte Uranus im Jahr 1986. Die damals aufgenommenen Bilder zeigen eine blassblaue Gaskugel, die kaum Details erkennen lässt. Diese Ansicht sollte sich in den darauffolgenden Jahren wandeln, denn langfristige Beobachtungen mit dem 1990 gestarteten Weltraumobservatorium Hubble und erdgebundenen Großteleskopen offenbarten ein lebhaftes Wettergeschehen.
Als weitere Besonderheit ist Uranus von einem dunklen Ringsystem umgeben. Es kann allerdings nicht mit demjenigen des Saturn konkurrieren und ist in Amateurteleskopen unsichtbar. Unter der Gashülle des Planeten aus Wasserstoff verbergen sich gefrorenes Ammoniak, Methan und sogar größere Mengen Wasser. Deshalb wird Uranus, ebenso wie sein ferner Kollege Neptun, auch als Eisriese bezeichnet. Doch die Geschichte der Uranusbeobachtungen reicht viel weiter zurück als bis in das Raumfahrtzeitalter – mindestens bis in das 17. Jahrhundert.
Am Abend des 12. März 1781 fiel dem Astronomen William Herschel beim Blick durch sein selbst gebautes 6,2-Zoll-Spiegelteleskop ein Objekt auf, das nicht wie ein Stern aussah. In seinem Beobachtungsbuch vermerkte er, es sei ein "nebelhafter Stern" oder vielleicht ein Komet. Zahlreiche Positionsmessungen ermöglichten es in der darauffolgenden Zeit, die Bahn des Objekts zu berechnen – und das Ergebnis überraschte: Es musste bedeutend weiter von der Sonne entfernt sein als Saturn und sich auf einer kreisähnlichen Bahn bewegen, was für die damals bekannten Kometen untypisch war. Im Jahr 1783 stand endgültig fest, dass sich der Himmelskörper auf einer leicht elliptischen Bahn bewegt und dass Herschel mit seiner Entdeckung den Durchmesser des bekannten Sonnensystems schlagartig verdoppelt hatte.
Vor der offiziellen Entdeckung
Schon bald stellte sich die Frage, ob sich der Planet in älteren Aufzeichnungen versteckte, die ihn irrtümlich als Stern aufführten. Den Anstoß zu einer systematischen Suche gab der deutsche Astronom Johann Elert Bode (1747 – 1826), der alle erhältlichen Informationen über Uranus sammelte und auch den Namen für den Planeten vorgeschlagen hatte. Im Berliner Astronomischen Jahrbuch des Jahres 1784 äußerte sich Bode verwundert darüber, dass ein Planet, der hell genug ist, um noch mit bloßem Auge sichtbar zu sein, so lange unentdeckt bleiben konnte. Bode und weitere Astronomen fahndeten in Durchmusterungen und Beobachtungsbüchern nach Indizien und wurden fündig: In den Jahrzehnten vor der offiziellen Entdeckung war Uranus mindestens 23 Mal in das Blickfeld astronomischer Teleskope geraten!>
Einer der frühen Beobachter des Planeten ist John Flamsteed, der als First Astronomer Royal am Observatorium Greenwich einen Katalog erstellte und dafür die einzelnen Sternbilder durchmusterte. Am 23. Dezember 1690 – rund 90 Jahre vor Herschel – katalogisierte er Uranus im Sternbild Stier als "34 Tauri". Gut zwei Jahrzehnte später, als Flamsteed seine himmlische Wanderbaustelle in das Sternbild Löwe verlegt hatte, war Uranus bereits dort angekommen und erhielt diesmal die Bezeichnung "Rho Leonis". Insgesamt hatte Flamsteed den Planeten sieben Mal erfasst, aber seine Bewegung blieb ihm verborgen.
Zudem sah Flamsteeds Kollege James Bradley um das Jahr 1750 Uranus drei Mal. Eine weitere Sichtung im Jahr 1756 geht auf das Konto des deutschen Wissenschaftlers Tobias Mayer in Göttingen. Als unbestrittener Rekordhalter gilt jedoch der französische Astronom Pierre Charles Le Monnier, der es ab 1750 auf stattliche zwölf Sichtungen brachte. Von ihm wird allerdings berichtet, dass er es mit der systematischen Erfassung seiner Beobachtungen nicht allzu genau nahm. Zwar notierte er jedes Mal die Position des vermeintlichen Sterns, aber seine berüchtigte Zettelwirtschaft verhinderte, dass er die Bewegung des Himmelskörpers erkannte und eine der größten astronomischen Entdeckungen aller Zeiten für sich verbuchen konnte.
Es geht auch ohne Teleskop
Unser Ausflug in die Geschichte der Uranusbeobachtungen offenbart eine beobachtungstechnische Tücke: Bei geringer Vergrößerung, insbesondere mit bloßem Auge, erscheint Uranus wie ein Fixstern. Und er bewegt sich viel langsamer als die hellen Planeten am Himmel. Nehmen wir aber Bodes Bemerkung aus dem Jahr 1784 wörtlich, dann stellt sich die Frage, ob Uranus nicht schon lange vor der Erfindung des Teleskops als Planet erkannt worden sein könnte. Darum wollte ich mir selbst einen Eindruck vom Anblick des Uranus am Himmel verschaffen.
Erstmals suchte ich Uranus im Jahr 2003 mit bloßem Auge auf. Obwohl der Planet damals seine Oppositionsschleife weiter südlich zog als heute, erschien mir ein Versuch lohnend: Eine gute Gelegenheit versprach eine SuW-Leserreise, die im Spätsommer nach Teneriffa führte. Dort bot sich mir in 2200 Meter Höhe über dem Meer, in der schroffen Felslandschaft am Fuß des Vulkans El Teide, in mondloser Nacht ein tadellos klarer Himmel. Mit Hilfe einer Sternkarte machte ich mich mit der Himmelsgegend vertraut, in der sich Uranus befand, und merkte mir markante Sterne, an denen ich mich orientieren konnte. Beim Aufsuchen stellte ich fest, dass der Planet Mars unweit der fraglichen Position am Himmel leuchtete – so hell, dass ich ihn mit der Hand abblenden musste, um weiter nach Uranus suchen zu können. Einige Minuten später konnte ich Uranus mühelos identifizieren.
Neun Jahre sollten vergehen, ehe mir auch ein Versuch von Deutschland aus gelang. Am 21. Oktober 2012 gegen 23:30 Uhr MESZ war die Luft sehr klar, die Sterne erschienen mir heller als sonst und hoben sich von einem tiefschwarzen Himmelshintergrund ab. Erst drei Wochen zuvor hatte Uranus in Opposition gestanden, und wiederum hatte ich mir seine Himmelsposition eingeprägt. Obwohl meine Augen noch nicht völlig dunkeladaptiert waren, konnte ich den Planeten schnell finden. Dabei kam mir zupass, dass in dem kleinen nordhessischen Dorf, in dem ich zu Gast war, die gesamte Straßenbeleuchtung täglich um 23 Uhr abgeschaltet wird. Nach Hause zurückgekehrt, gelang es mir, Uranus auch in Stadtnähe zu finden.
Was meinen Sie: Könnte es sein, dass Menschen früherer Epochen, die aufmerksam den Himmel entlang der Ekliptik beobachteten, auf den sechsten Planeten aufmerksam wurden? Oder ist er einfach zu unauffällig, zu sternähnlich und bewegt sich zu langsam am Himmel? Verschaffen Sie sich selbst einen Eindruck und suchen Sie Uranus einmal mit bloßem Auge auf! In den nächsten Jahren ist die Gelegenheit hierfür besonders günstig, denn er durchwandert eine Region im Sternbild Fische, in der es nicht viele helle Sterne gibt, die bei der Suche stören könnten. Eine Aufsuchkarte, dunkeladaptierte Augen und ein klarer Himmel abseits heller Lichtquellen genügen. Sie werden feststellen: Es ist einfacher als gedacht!
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