Ökologie: Die 5 wichtigsten Fragen zur Vogelfütterung
1. Sollte man überhaupt Vögel füttern?
Alle Jahre wieder – die Diskussion, ob (und wenn ja, wann) Vögel gefüttert werden sollten, entbrennt spätestens, sobald der erste Schnee gefallen ist. Brauchen Vögel in unseren Breiten die Zufütterung? Oder schadet der Eingriff ins Ökosystem sogar? Manche Forscher befürchten, dass die Fütterung vor allem Räuber wie Krähen, Eichhörnchen und Brutschmarotzer stärkt, die später den Singvögeln zu Leibe rücken. Eine Anfang Dezember 2016 erschienene Studie bestätigt beispielsweise genau diese These: In Gebieten Ohios, in denen viel gefüttert wurde, schien es weniger Singvögel und mehr Beutegreifer zu geben als in vergleichbaren Gebieten, in denen kaum einer Futter auslegte. Das zumindest beobachteten Ornithologen von der Ohio State University. Auch der gut gemeinte Griff zum Meisenknödel könnte also einen unbeabsichtigten Nebeneffekt haben.
Peter Berthold, langjähriger Leiter der Vogelwarte Radolfzell – einer Zweigstelle des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen – tut die Untersuchung jedoch als Effekthascherei ab: Die Schwäche der Studie sei, dass sie lediglich die ländlichen Gebiete einschließe. In städtischen Gebieten gebe es viele Futterstellen, an denen sich tatsächlich Krähen, Elstern und Waschbären die Bäuche vollschlagen würden. Nur: Das schade nicht den Singvögeln. Denn ausreichend gestärkte Räuber plündern nicht mehr die Nester von Singvögeln. Durch diese so genannte Ablenkungsfütterung können laut Berthold Nestjunge geschützt werden – man solle also froh sein, wenn Krähen die Futterstelle im eigenen Garten aufsuchen.
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) warnt jedoch davor, den Nutzen der Fütterung zu überschätzen: Es würden vor allem Vogelarten profitieren, die sowieso eine stabile Populationsgröße haben. Für den Schutz bedrohter Arten müsse mehr getan werden, als nur ein paar Körner zu streuen. Allerdings lassen sich an Futterstellen verschiedene Vögel aus nächster Nähe beobachten – und genau das schaffe insbesondere bei Kindern ein Bewusstsein für Vögel und Umwelt.
In die Tat umsetzen kann man dies beispielsweise bei der "Stunde der Wintervögel", einer Mitmachaktion von NABU und LBV, die vom 6. bis 8. Januar läuft.
2. Wann nutzt den Vögeln eine Fütterung am meisten?
Wer sich zum Füttern entschlossen hat, der steht gleich vor dem nächsten Problem: Mit dem ersten Frost, nur bei geschlossener Schneedecke oder doch schon im Herbst – es herrscht große Uneinigkeit darüber, wann mit der Vogelfütterung begonnen werden sollte. Der Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) rät Vogelfreunden, sich nach dem Wetter zu richten und dann anzufangen, wenn die natürlichen Futterquellen weniger werden, beispielsweise mit beginnendem Frost. Allerdings dürften Vogelfreunde auch bei noch milden Temperaturen füttern, meint der LBV.
Berthold hingegen wünscht sich sogar eine Ganzjahresfütterung, denn: "Im Sommerhalbjahr ist der Energiebedarf am höchsten. Die Tage sind dann am längsten, die Vögel am aktivsten, da sie Jungen aufziehen. Dafür fliegen sie bis zu 300-mal am Tag. Das kostet Energie, und die muss ja irgendwo herkommen." Bei mäßigen Temperaturen im Winter müssen die Vögel laut Berthold jedoch nichts anderes machen als rumsitzen und darauf warten, dass wieder Frühjahr wird. Und sonderlich üppig sei das Nahrungsangebot auch im Sommer nicht, meint der Vogelforscher: In den "ausgeräumten Landschaften" Europas gebe es oft keine Wildkräuter und nur noch wenige Insekten. Die Alttiere fräßen dann die Nahrung, die eigentlich von den Jungvögeln benötigt würde – diese verhungern dann. In Neuseeland und Australien, Indien, Südafrika und auch England würde schon lange das ganze Jahr über gefüttert.
Der NABU wendet jedoch ein: Auch dort habe die ganzjährige Fütterung den Rückgang von Vogelarten nicht aufgehalten. Viel wichtiger als die Erschaffung eines "Freiluftzoos" sei die Erhaltung von vielfältigen und gesunden Lebensräumen. Wer dennoch gerne füttern möchte, sollte dies am besten im Winter von November bis Ende Februar tun, heißt es beim NABU.
3. Was sollte gefüttert werden?
Für die Ganzjahresfütterung empfiehlt Berthold dreierlei Futter: Ein Körnermischfutter für Körnerfresser wie Stieglitze oder Gimpel; ein Fettfutter, das sind Hafer- oder Getreideflocken, die mit Öl angereichert sind – beliebt bei Amseln und Drosseln; und reines Fett wie zum Beispiel die bekannten Meisenknödel für alle Meisenarten. Der LBV schlägt vor, zusätzlich zum Körnerfutter auch Weichfutter wie Äpfel, Rosinen und Haferflocken für Rotkehlchen und Zaunkönige in Bodennähe auszulegen. Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass dieses Futter nicht durchfriert: Äpfel lasse man am besten ganz, die Vögel würden sich dann geeignete Stellen rauspicken.
Dem Gerücht, dass bestimmtes Futter, insbesondere Sonnenblumenkerne, für Jungvögel gefährlich werden kann, widerspricht Berthold vehement: Ein Sonnenblumenkern würde niemals ein Meisenjunges umbringen. Entweder spucke es den Kern sofort aus, oder es ist bereits so schwach, dass es nicht mehr dazu in der Lage ist. Dann liege diese Schwäche jedoch daran, dass dieser Jungvogel vermutlich das Nesthäkchen im bis zu zwölfköpfigen Wurf ist: "In guten Jahren kommen alle zum Ausfliegen, in schlechten Jahren nicht. Wenn so einem kleinen Vogel dann etwas in den Schnabel gestopft wird, ist er nicht mehr dazu fähig, es zu schlucken. Das passiert auch bei seinem Lieblingsfutter: kleinen Räupchen."
Aufpassen sollten Vogelfütterer dagegen, ob das Futter mit Pflanzenschutzmitteln oder ähnlichen Giften kontaminiert ist; das kann beispielsweise passieren, wenn man im Garten Rosen gegen Blattläuse spritzt. Es dürfen auch keine Brot- oder salzige Essensreste verfüttert werden, diese sind für die Vögel gefährlich.
Eine Gefahr für Mensch und Natur stellt Futter dar, das mit Ambrosiasamen verunreinigt ist. Vor allem unter abgepackten Sonnenblumenkernen aus Risikogebieten wie Ungarn und Nordamerika finden sich die Samen der hochgradig invasiven Pflanzenart. Das führt dazu, dass sich das Wildkraut auch hier zu Lande ausbreitet. Ambrosia kann Heuschnupfen, Asthma oder Atembeschwerden hervorrufen.
4. Wie sollte der Futterplatz aussehen?
Bei dieser Frage sind sich LBV, der NABU und Berthold einig: Die Futterstelle sollte möglichst frei stehend, jedoch mit drei bis vier Metern Abstand zum nächsten Gebüsch aufgebaut sein. So können Singvögel beobachten, ob sich beispielsweise eine Katze nähert, und bei Gefahr schnell ins Dickicht flüchten. Glasscheiben sollten mit hellen Aufklebern vogelsicher gemacht werden. Außerdem sind mehrere kleine Futterstellen besser als eine große.
Es sollte nicht zu viel Futter auf einmal gereicht werden, damit es nicht feucht wird und anfängt zu schimmeln. Daher eignen sich laut NABU so genannte Futtersilos besser als die klassischen Häuschen: Die Vögelchen können nicht im Futter herumlaufen und es mit Kot verschmutzen. Vogelhäuschen sollten regelmäßig ausgefegt und mit warmen Wasser ausgewischt werden. Dabei dürfen Vogelfreunde allerdings keine scharfen Chemikalien verwenden.
Der NABU warnt vor den klassischen Meisenknödeln: Diese sind oft in Plastiknetze eingewickelt. Die Tiere könnten sich verheddern und schwer verletzen. Häufiger noch würden größere Vögel wie Krähen die Knödel im Plastiknetz als Ganzes klauen und mitnehmen, meint Berthold. Die leer gepickten Plastiknetze blieben dann in der Landschaft liegen – das ist schlecht für die Umwelt. Beide sind sich darum einig, dass es am besten ist, die Meisenknödel ohne Netz in einer Gitterkonstruktion anzubieten.
5. Verlernen es die Vögel, selbst nach Futter zu suchen?
Seltene Einigkeit herrscht auch in dieser Frage. Der LBV schreibt: "Die Vögel verlieren trotz regelmäßiger Fütterung nicht die Fähigkeit, Nahrung in der Natur zu finden." Auch Berthold erklärt, dass die Vögel nach wie vor auf natürliche Futterquellen zurückgreifen. In einem Bucheckernmastjahr, wie 2016 eines war, würden sie in jedem Fall lieber Bucheckern fressen als das Futter aus Gärten. Den Vögelchen, sagt der Ornithologe, könne die selbstständige Futtersuche durch Zufütterung im Garten nicht aberzogen werden.
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