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Rauschdrogen: Wie wirkt und schadet Crystal Meth?

Nicht nur die Fernsehserie "Breaking Bad" hat Methamphetamin populär gemacht. In Teilen Deutschlands ist die Droge auf dem Vormarsch, denn der Amphetaminverwandte ist billig und leicht zu bekommen. Doch im Vergleich zu Amphetamin selbst ist Crystal Meth nicht nur wirksamer, sondern auch deutlich schädlicher für Gehirn und Geist.
Metamphetamin

Was ist Crystal Meth?

Die weißen Kristalle des Crystal Meth sind keine neue Erfindung, im Gegenteil. Die psychoaktive Flüssigkeit mit dem systematischen Namen (S)-N-Methyl-1-phenyl-propan-2-amin stellte erstmals 1893 der japanische Chemiker Nagayoshi Nagai her. In den 1920er Jahren dann kristallisierten Chemiker mit Hilfe von Salzsäure den Feststoff, der heute als Crystal Meth bekannt ist: das Methamphetamin-Hydrochlorid in kristalliner Form.

(S)-Methamphetamin (links) und (R)-Methamphetamin

Mit der Entwicklung des Hydrochlorids wurde der Stoff für die Medizin nutzbar – und für den Krieg: Als "Panzerschokolade" hielt Methamphetamin Wehrmachtssoldaten während des Blitzkriegs an der Westfront wach. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb der Stoff leicht zugänglich, unter anderem als Medikament gegen Depression und Übergewicht; verbreiteter war er allerdings als Aufputschmittel in Beruf und Sport. In den USA seit 1970 verboten, blieb Methamphetamin in Deutschland unter dem Handelsnamen Pervitin bis 1988 erhältlich.

Methamphetamin ist strukturell sehr einfach aufgebaut, besitzt allerdings ein so genanntes Stereozentrum: An einem Kohlenstoffatom können die Molekülteile in zwei chemisch identischen, aber spiegelbildlichen Anordnungen auftreten. Es gibt also zwei spiegelbildlich verschiedene Varianten der Substanz, von denen eine, (S)-N-Methamphetamin, stärker wirkt als ihr Gegenstück (R)-N-Methamphetamin und deswegen oft gezielt hergestellt wird. Nur die gewünschte Variante chemisch herzustellen ist deutlich anspruchsvoller als ein Gemisch beider. Deswegen enthält illegal hergestelltes Methamphetamin meist beide Formen, sofern nicht Ephedrin als Ausgangsmaterial fungiert.

Wie wirkt (S)-N-Methamphetamin im Körper?

Methamphetamin wirkt anregend auf Körper und Geist – Nutzer berichten von einem wahren Energieschub, zusammen mit Euphorie und gesteigerter Libido. Außerdem unterdrückt die Substanz das Hungergefühl und erhöht Puls und Blutdruck. Nach längerer Nutzung macht Methamphetamin abhängig [1].

Illegales Meth-Labor (Ausstellungsstück) | In diesem aus beschlagnahmten Materialien aufgebauten Meth-Labor deutet alles auf eine Variante der Nagai-Route hin: Im Vordergrund das Medikament Sudafed Pseudoephedrin, und die Orangefärbung des Kühlers am rechten Bildrand verrät das Jod.

Als kleines, gut fettlösliches Molekül überwindet Methamphetamin die Blut-Hirn-Schranke und dringt leicht ins Gehirn ein. Dort erhöht es auf noch nicht ganz geklärte Weise die Konzentration der Neurotransmitter Serotonin und Dopamin außerhalb der Nervenzellen.

Vermutlich kehrt das Molekül die Funktion der Neurotransmittertransporter in den Zell- und Vesikelmembranen der Nervenenden einfach um: Aus den synaptischen Vesikeln, die normalerweise beim Nervenimpuls Neurotransmitter schubweise ausstoßen, sickern die Botenstoffe unter Methamphetamin-Einwirkung die ganze Zeit ins Zellplasma und anschließend durch weitere Transporter in der äußeren Zellmembran in den Raum zwischen den Zellen [2]. Dort erhöhen sie die Neurotransmitterkonzentration im synaptischen Spalt; langfristig verursachen sie Neurotransmittermangel in den Neuronen. Beides zusammen verursacht die erwünschten und unerwünschten Symptome.

Durch diesen Effekt wirkt Methamphetamin als Wiederaufnahmehemmer und führt dazu, dass Nervenzellen durch die Neurotransmitter stärker aktiviert werden.

Seine nicht ungefährliche Wirkung auf Herz und Gefäßsystem beruht wahrscheinlich auf der Freisetzung von Noradrenalin aus den Nervenzellen des sympathischen Nervensystems. Die Basis der psychischen Wirkungen sowie die Effektivität von Amphetaminen bei der Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) sind bislang ungeklärt. Forscher vermuten, dass auch hier die Aktivierung des noradrenergen Systems im Gehirn eine Rolle spielt. Außerdem unterdrücken Opioidrezeptor-Antagonisten einige Effekte des Methamphetamins, was für eine Beteiligung körpereigener Opiate spricht.

Ist die Substanz noch legal erhältlich?

Heute ist (S)-Methamphetamin nur noch als Medikament gegen ADHS und krankhaftes Übergewicht erhältlich. Das (R)-Methamphetamin dagegen kann man in Form von Nasensprays rezeptfrei bekommen, es dient in geringen Konzentrationen zum Abschwellen der Nasenschleimhäute. Die Medikamente gelten allerdings wegen der Gefahren des Methamphetaminkonsums als zu riskant, gemessen am Nutzen.

Welche Schäden verursachen Methamphetamin-Präparate?

Methamphetamine haben eine Reihe schädlicher Nebenwirkungen, insbesondere bei hoher Dosierung. Eine akute Überdosierung zeigt sich in Form einer Art überdrehten Deliriums mit Übelkeit, Herzrasen, Panikattacken und anderen Symptomen. Durch die akute Erhöhung des Blutdrucks und der Herzschlagrate können dabei lebensbedrohliche Komplikationen bis hin zum Herzstillstand auftreten. Außerdem sind Nierenversagen, Hirnblutungen und Schlaganfall als Todesursachen bei Metamphetamin-Überdosen bekannt [3].

Häufiger treten bei regelmäßigem Konsum langfristige negative Folgen auf. Zum einen macht Methamphetamin auf Dauer süchtig. Untersuchungen deuten darauf hin, dass Dopaminmangel im Streifenkörper des Gehirns dafür verantwortlich ist: Methamphetamin setzt Dopamin aus den Nervenzellen frei, so dass die Vorräte schnell erschöpft sind [4]. In hohen Dosen dämpft die Substanz dauerhaft die für die Weiterleitung von Nervensignalen zuständigen präsynaptischen Enden der Axone im Streifenkörper, was vermutlich zur Suchtentstehung beiträgt und möglicherweise dafür sorgt, dass Entzugserscheinungen vergleichsweise lang andauern. Die Rolle des Dopamins in diesem Hirnbereich untersuchen Suchtforscherinnen und Suchtforscher intensiv, allerdings sind die genauen Zusammenhänge bis heute nicht ganz geklärt. Zum Beispiel bleibt rätselhaft, ob die Effekte im Streifenkörper aus dem Absterben von Nervenzellen oder aus einer Veränderung des Dopaminhaushalts resultieren.

Ein dauerhaft reduzierter Dopamingehalt im Streifenkörper tritt auch bei Parkinsonpatienten auf, und wie jüngere Forschungen zeigen, erhöht langjähriger Methamphetaminkonsum das Parkinsonrisiko deutlich [5]. Im Gegensatz zu dem chemisch verwandten Amphetamin ist Methamphetamin außerdem giftig für Nervenzellen – möglicherweise aktiviert Methamphetamin Apoptose-Signalwege und löst so den programmierten Zelltod aus.

Auch im übrigen Körper scheint Methamphetamin langfristig Schaden anzurichten, insbesondere am Herz-Kreislauf-System. Daten zeigen, dass regelmäßiger Gebrauch das Risiko für Arteriosklerose und andere Gefäßerkrankungen deutlich erhöht und auf Dauer das Herz verändert [6]. Forscher vermuten auch, dass parallel dazu das Herzinfarktrisiko steigt.

Ein beträchtlicher Anteil aller Methamphetaminnutzer ist von psychischen Störungen und Krankheiten betroffen. In einer US-Studie von 2004 hatte ein Drittel der untersuchten Konsumenten mindestens einmal Psychopharmaka verschrieben bekommen, ein Viertel war wegen psychischer Krankheiten in stationärer Behandlung. Besonders Psychosen treten im Zusammenhang mit Methamphetamin häufiger auf als bei anderen Drogen und zehnmal so oft wie in der Gesamtbevölkerung. Auch mit Depression und Suizidversuchen ist Methamphetamingebrauch assoziiert, je nach Untersuchung zeigt von einem Viertel bis mehr als die Hälfte der Nutzer entsprechende Symptome [7].

Eine häufig genannte Nebenwirkung dagegen zweifeln viele Fachleute inzwischen an: den so genannten Meth-Mund. Dabei sollen Konsumenten schneller Karies bekommen und im Lauf der Zeit ihre Zähne verlieren, weil die Droge unter anderem Mundtrockenheit und Zähneknirschen auslösen kann. Indessen weisen aber immer mehr Wissenschaftler darauf hin, dass verschreibungspflichtige Medikamente mit diesen Nebenwirkungen nicht zu Zahnverlust führen.

Wie stellt man Methamphetamin-Hydrochlorid im Labor her?

Es gibt sechs gängige Syntheserouten für Methamphetaminsalze. Zwei davon erzeugen ein 1:1-Gemisch beider Enantiomere und gehen vom Phenylazeton aus, einer gängigen, aber heute genehmigungspflichtigen Industriechemikalie. Bei dieser Verbindung braucht man lediglich den Sauerstoff durch eine Methylaminogruppe zu ersetzen, und dafür gibt es zwei recht einfache Möglichkeiten: einerseits die Reduktive Aminierung, die quasi die "klassische" Methode der Drogenköche war, bis die US-Regierung den Zugang zu den nötigen Chemikalien deutlich erschwerte, und andererseits die so genannte Leuckart-Wallach-Reaktion mit Methylformamid.

Beliebter jedoch, weil diese Reaktionen lediglich die gewünschte Form des Methamphetamins erzeugen, sind die Syntheserouten, die von Ephedrin und seinem Verwandten Pseudoephedrin ausgehen. Beide sind Naturstoffe, die in vielen Arten der Pflanzenfamilie Ephedraceae vorkommen, und zum Beispiel in Medikamenten gegen Schnupfen enthalten. In Deutschland sind alle ephedrinhaltigen Präparate rezeptpflichtig. Die von Ephedrin ausgehenden Reaktionen benötigen meist sehr reaktive Chemikalien, so dass illegale Methamphetaminlabore oft von der Feuerwehr entdeckt werden.

Die so genannte Nagai-Route, benannt nach Nagayoshi Nagai, und ihre Abwandlungen ist heute die bekannteste Methode. Einige Varianten dieser Reaktion sind riskant, weil dabei weißer Phosphor und das sehr giftige Phosphingas entstehen können – eine Reaktion, der sich der Protagonist der Fernsehserie "Breaking Bad" in der Pilotfolge bedient, um zwei verfeindete Drogendealer auszuschalten.

Mindestens ebenso gefährlich ist ein Verfahren, das man im englischsprachigen Raum als "Shake 'n' Bake" bezeichnet; man verwendet dort Bleiche, Ammoniumnitrat, Lithium und Lampenöl, um das Ausgangsmaterial zu hydrieren. Dieses Verfahren ist bekannt für seine unerwünschten und heftigen Nebenreaktionen.

  • Quellen
[1] Drug Alcohol Depend 58, 2006, S. 198–204
[2] CMAJ 178, 2008, S. 1679–1682
[3] Karch, S.B.: Karch's pathology of drug abuse, 3rd edn. Boca Raton: CRC Press, 2002
[4] R Kostrzewa (Hg.), Handbook of Neurotoxicity. Springer, New York, S. 349–358
[5] Drug Alcohol Depend. 10.1016/j.drugalcdep.2011.06.013, 2011
[6] Addiction 102, 2007, S. 1204–1211
[7] Addiction 101, 2006, S. 1473–1478

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