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Hervorragend an Ihrem Beitrag finde ich, wie die üblichen Einwände aus der atheistischen Mottenkiste elegant abgefertigt werden. Gewünscht hätte ich mir einen Hinweis auf Eckhart, der - wie Flasch dargelegt hat - von der Kirche daran gehindert wurde, den Nachweis zu führen, christlicher Glaube sei vernünftig: Denn wenn jeder das einsehen könnte, wozu dann noch Papst und Offenbarung? Ärgerlich ist jedoch, dass es hier - auch wenn von einem katholischen Theologen wohl erwartbar - nur um "Glauben" (als Substantiv) im Sinn einer festen Ordnung manifester kognitiver Gewissheiten geht. Denn gerade damit, so die "negative Theologie", geht es nicht: Wenn Benedikt z. B. Gott als "vernünftige Macht" beschreibt, so nimmt er mit eben dieser Festlegung "den Willen zur Macht als den Grundzug alles Seienden", d. h. für ihn ist Macht - und nicht etwa Liebe, so Heidegger 1943 in: Nietzsches Wort ,Gott ist tot' (Holzwege, Frankfurt 2003, S. 253), "das wirkend-wirksame Prinzip dessen, was jetzt geschieht". Eben das aber - nämlich, dass der Mensch der Moderne Macht und Vernunft verabsolutiert und vergöttlicht habe - sei "der metaphysische Sinn des metaphysisch gedachten Wortes ,Gott ist tot'". Zudem hängen solche angeblich verbindlichen "Inhalte" - ebenso wie sämtliche Religionslehren, Kirchen und Theologien! - letztlich parasitär (im Sinn von Serres) von der Tatsache ab, dass wir alle - ob Christen oder Atheisten - ja immer nur glauben können, dass es gut ist, weiterzumachen. Mit Hilfe eines wissenschaftlichen Wahrheitsbegriffs könnten wir jedenfalls niemals sagen: Wir wissen, dass unser Leben einen Sinn hat. Jener feine Unterschied zwischen glauben und wissen als Tätigkeit (bzw. Kants "praktischer Vernunft") wird allerdings auch für Agnostiker und "Freidenker" wichtig, wenn man keine Neigung hat, sich von heutigen utilitaristischen "Ethikern" vorzaubern zu lassen, wie sie (Popper zum Trotz) Tatsachen in angebliche "Werte" verwandeln. Bei so viel moralischer Alchimistenkunst des "Konsens" plädiere ich darum lieber gleich für Religion, bzw. Glaubensfreiheit als Menschenrecht: "Religion gibt die Kraft, das, was man tut, für gut zu halten. [.] Die Ethik scheint von der Illusion zu leben, dass es dafür gute, letztlich überzeugende, intersubjektiv stichhaltige Gründe geben könne. Diese Annahme ist aber heute kaum mehr zu halten." (Luhmann, "Die Moral der Gesellschaft", Frankfurt 2008, S. 208). Diese Ansicht findet sich jedoch bereits bei Platon: "Was gut ist und was nicht, o Phaidros, müssen wir dafür einen anderen fragen?"
Ein interessantes Gespräch, aber seine Schwäche liegt in der fehlenden Eindeutigkeit verwendeter Begriffe. So setzt z.B. Dr. Voland mit der Rede von "den Dogmen der Religion" einfach voraus, dass klar sei, welche damit gemeint seien. Das sind sie aber keineswegs, nicht einmal im Raum der christlichen Religion, geschweige denn in anderen Religionen. Der Sprechakt eines Bekenntnisses braucht nicht unbedingt auf Dogmen zu beruhen. Auch der Begriff "Offenbarung" wird verwendet, als bestünde völlige Einigkeit zwischen den Gesprächspartnern darüber, was er inhaltlich meint. Prof. Löffler kam kaum dazu, hier aus seiner Sicht zu präzisieren. Insofern bewegte das ganze Gespräch doch letztlich sehr an der Oberfläche.
Vielen Dank für die beiden interessanten Artikel. Ich persönlich habe immer den Eindruck, dass sich solche Diskussionen auf einem sehr verallgemeinerten und philosophischen Niveau abspielen.
Ich würde gerne einmal auf sehr konkrete Glaubensinhalte zu sprechen kommen. Was glauben "wissenschaftlich geprägte" Christen eigentlich konkret?
Beispiele die genau so im Glaubensbekenntnis stehen wären: - Jesus ist nach drei Tagen von den Toten auferstanden (und wurde laut Bibel danach von mehreren Zeugen lebendig gesehen) - Das ewige Leben einer unsterblichen Seele
Andere Beispiele, an die üblicherweise geglaubt wird: - Jungfrauengeburt beziehungsweise Zeugung durch den Heiligen Geist (oder ist das etwa auch im übertragenen Sinn zu verstehen?) - Gott erhört Gebete - Gott kann Sünden verzeihen aber gegebenenfalls auch betrafen - Es gibt Wunder
Meiner Meinung nach widersprechen alle diese Beispiele sehr konkret allen uns bekannten Naturgesetzen.
Des Weiteren ergeben sich eine Menge problematische Fragen, wenn man an die oben genannten Beispiele glauben möchte. Beispiele:
- Wo und was ist der "Himmel", in denen die unsterblichen Seelen ewig weiterleben? Voraussetzung wäre zum Beispiel eine unendliche Aufnahmefähigkeit für neu hinzukommende Seelen. - Wann genau verlässt die unsterbliche Seele den Körper? Was ist zum Beispiel bei einer schweren Demenz, wenn der Körper noch unter den Lebenden weilt, alle Charaktereigenschaften usw., die den Menschen einst ausmachten, aber längst verschwunden sind? Geht die Seele hier etwa stückchenweise in den Himmel? Geht die Seele vor dem körperlichen Tod? - Apropos Ewigkeit: Was ist das genau? (Denn das Universum wie wir es kennen, ist, nach allem, was wir wissen, zwar sehr langlebig, aber nicht ewig) - Wie kann jemand von den Toten auferstehen? - Warum zeigte sich Jesus kurz nach seiner Auferstehung einer ganzen Reihe von Zeugen und taucht dann 2000 Jahre lang nicht mehr auf? - Warum nimmt die Anzahl der "Wunder" in moderner Zeit ab? - Warum kann man die Wirksamkeit von Gebeten (ähnlich Strafen für Sünden) nicht statistisch nachweisen?
Andere Religionen glauben in den konkreten Glaubensinhalten an ganz andere Dinge. Was ist nun "richtig"? Nach welchen Kriterien definiert sich, was Aberglaube, eine Sekte oder Blödsinn ist?
Wenn man an die genannten und ähnlichen Glaubensinhalte nicht glaubt, stellen sich die unangenehmen Fragen nicht. Vielmehr gibt es sogar eine Menge schlüssige, verifizierbare Erklärungen, wie zum Beispiel Menschen auf die Idee kamen, dass es eine unsterbliche Seele geben könnte.
"… wenn wir uns staatliche (!) Theologen leisten, hat das Vorteile für unsere Gesellschaft: Wir bewahren uns einen integrativen Teil der abendländischen Kultur: Kleriker erhalten eine vernunftverpflichtete Ausbildung, was nicht zu besseren(?) Predigten führt, sondern auch die gemäßigten Kräfte in den Kirche stärkt, unsere Kinder erhalten einen besseren Religionsunterricht, der sie eher religionsmündig macht als schlechter Unterricht oder gar keiner (…), die Kirchen können ihr soziales Engagement organisieren und fokussieren: Für unsere Fragen nach den letzten Zusammenhängen der Welt und dem Sinn des Lebens erhalten wir Antworten (!?) …" Schade, dass dabei nicht klar wird, welche Antworten wir denn mit dem christlichen Glauben erhalten können! Gerade nachdem die gängigsten Widersprüche so klar aufgelistet wurden (interessant wäre ja auch, ob man den gegebenen Grundlagentexten je den "Kindergartenbereich" verlassen kann?) und es mal wieder keine "Auflösung" gab … Wir sollen also für die Ausbildung der Theologen weiterhin bezahlen, damit diese nicht in den Fundamentalismus abdriften? Besteht da Gefahr? Warum? Liegt es an der Textsammlung einer alten Hirtenkultur und deren Auslegung? Das ist natürlich ein gewichtiges Argument … Seltsam ist auch, dass immer wieder behauptet wird (s. o.), Fundamentalismus oder Gräueltaten haben nichts mit Glauben zu tun … wohl doch mit einer bestimmten Auslegung religiöser Texte und sind somit zumindest eine Ursache … so ein wenig scheint das zusammenzuhängen?!? Was ist bitte genau "besserer" Religionsunterricht? Was soll bitte religionsmündig bedeuten? Wenn man Kindern ausschließlich von einer dominanten Religion berichtet? Obwohl es so viele auf der Welt gibt? So viele andere interessante Antworten auch aus der Philosophie?
Seltsam erscheint mir auch, dass es in unserer Zeit - da ja mittlerweile Vernunft und Wissenschaft eine weitaus größere Rolle spielen - Gott als "höchst-vernünftig" oder als "vom Wesen her vernünftig" beschrieben wird. Woher diese Wandlung? Eine neue Deutung? Eine Projektion?
In früheren Jahren galt Gott auch als strafend, eifersüchtig mitunter auch rachsüchtig. Oder auch mal hinterlistig: "Noch einmal sprach der Herr zu Mose, er sagte,"Wenn du nach Ägypten kommst, dann vollbringe vor dem Pharao die Wunder, zu denen ich dich bevollmächtigt habe. Ich werde ihn so starrsinnig machen, dass er das Volk nicht gehen lässt." Buch Ezechiel, Kap. 20, Vrs 21
Die Kinder der vergangenen Generationen können noch "ein Lied" davon singen, wie viel Angst und Schrecken dieses Bild von einem strafenden, allmächtigen Gott ihnen vermittelt hat. Ähnlich war ja die Gesellschaft strukturiert. Nur wer sich konform, gehorsam, demütig etc. verhielt, der würde mit der Güte desselbigen belohnt … Die Vorstellung von Gott wird dem vorherrschenden Werten der Zeit angepasst? Sozusagen eine zeitgemäße Vorstellung und eine ge-update-te Version? Was wäre, wenn wir wieder in andere Zeiten mit anderen Werten rutschen würden?
Herr Dr. Tapp schreibt über die Gemeinsamkeiten von Wissenschaft und Religion, dass auch Wissenschaftler in ihren Prämissen auf “Glaube” angewiesen sind. Dem könnte man zwei Dinge entgegenhalten: 1) Mit einer solchen Argumentation kann alles auf “Glaube” zurückgeführt werden, denn die Frage nach einer unverrückbaren Wahrheit konnte, soweit mir bekannt, noch nicht beantwortet werden. Alle Erfahrung ist letztendlich Glaube. 2) Stellt sich für einen “Nicht-Religionswissenschaftler” heraus, dass seine Glaubensprämissen (volkstümlich: Annahmen) nicht zutreffen, kann er diese anpassen. Sein Forschungsgebiet ändert sich, aber sein Wissen wächst. Einem Religionswissenschaftler ist dies nicht möglich, da die Anpassung seiner Prämissen sogleich den Tod seiner wissenschaftlichen Disziplin nach sich zieht. Nicht nur das, auch sein Glaube ist zumindest erschüttert.
Der Autor behauptet unter Punkt 3 in AUF EINEN BLICK, dass die Theologie „viele der allgemein akzeptierten Kriterien von Wissenschaftlichkeit … erfüllt“. Er bleibt uns aber die Nennung dieser Kriterien schuldig. Seine Ausführungen kulminieren stattdessen in der Tautologie: „Man könnte also wissenschaftliche Theologie für möglich halten unter der Bedingung, dass es sich erst noch erweisen muss, ob Theologie selbst eine Wissenschaft ist oder nicht.“
Wie wissenschaftlich ist nun die (katholische) Theologie?
1. Das poppersche Abgrenzungskriterium zwischen wissenschaftlichen und metaphysischen Theorien besteht in der Falsifizierbarkeit. Wenn wir dieses mal anerkennen wollen, dann wäre der Gottesglaube als eine empirische Theorie zu behandeln, die sich der Kritik stellen muss wie jede andere wissenschaftliche Theorie. Darüber hinaus muss der Gottesglaube deduktive Schlüsse zulassen, die sich daraufhin prüfen lassen, ob sie zutreffen oder nicht. Beispielsweise sollte der Theologe anerkennen, dass es einen Gott dann nicht gibt, wenn die systematischen Wirkungen, die er Gott zuschreibt, in der Lebenswelt nicht beobachtet werden. Immunisierungsstrategien sollten nicht erlaubt sein. Eine mögliche Immunisierung bestünde beispielsweise in der Behauptung, Gott entscheide immer selbst darüber, ob er wirken wolle oder nicht. Auch in der Naturwissenschaft sind Immunisierungen von Theorien unerwünscht, mindestens sehr suspekt. Was nicht falsifizierbar ist, hat den Charakter des Beliebigen. Andererseits fordert die Wissenschaftlichkeit nicht den Gottesbeweis. Keine empirische Theorie kann bewiesen werden. Die Quantentheorie ist zwar exzellent bewährt, sie ist aber nicht bewiesen. Auch der Urknall ist nicht bewiesen.
2. Der wissenschaftliche Diskurs soll herrschaftsfrei sein (Habermas). Da im wissenschaftlichen Diskurs selten Bestätigungen gesucht werden, meistens jedoch die Fetzen fliegen, ist Autorität ständig in Gefahr, vom Sockel gestoßen zu werden. Eine Institution, die um jeden Preis ihre Autorität bewahren will wie die katholische Kirche, muss deshalb den Diskurs lenken. Notfalls muss sie zu repressiven Maßnahmen greifen (siehe Absetzung von Hans Küng). Die freie Wissenschaft ist dagegen dem jeweiligen wissenschaftlichen Problem verpflichtet und sonst nichts und niemandem.
Diese beiden Kriterien halte ich für notwendig, vielleicht sind sie sogar hinreichend für den Anspruch der Wissenschaftlichkeit. Die katholische Theologie erfüllt keins davon.
Die im Artikel konstruierte Begriffsgegensätzlichkeit Vernunft-Glaube führt meiner Meinung nach nicht weiter. Vernunft halte ich nicht für ein Kriterium für Wissenschaftlichkeit. Ideologien usurpieren gewöhnlich den Vernunftbegriff für sich. Keine Ideologie gibt zu, dass sie unvernünftig wäre. Voraussetzung für einen gelingenden Diskurs ist vor allem, dass man sich über das Problem einig ist und dass ein gemeinsames Interesse an dessen Lösung besteht. Die „Vernunft“ stellt sich dann von selbst ein.
Da gibt es an deutschen Universitäten Lehrstühle für Dogmatik. Bei manchem hehren Wissenschaftler treibt schon die Lehrstuhlbezeichnung den Puls hoch. Soll der Steuerzahler aus seinem knappen Wissenschaftsbudget noch die Lehre von Dogmen finanzieren? Falls über diesen Weg noch ein intellektueller Austausch mit der katholischen Kirchenführung möglich sein sollte, dann spräche dies für die Beibehaltung dieser Lehrstühle. Außerdem bliebe die Universität weiter ein Sprachrohr für die kritischen Stimmen abgesetzter Kirchenlehrer.
Stellungnahme der Redaktion
Über diesen Leserbrief müsste ich sehr viel sagen – er enthält viele ernst zu nehmende kritische Gedanken. Zunächst gebe ich Ihnen vollkommen Recht mit Ihrer Eingangskritik: Ja, um Theologie als Wissenschaft vollkommen zu rechtfertigen, müsste man mehr, sogar viel mehr sagen, als ich in diesem Artikel unterbringen konnte. Ihre Forderung nach der Zulassung deduktiver Schlüsse, nach dem Ausschluss von Immunisierung, dem Problem von Herrschaftsfreiheit versus lehramtlicher Autorität usw. halte ich für zentrale Bedingungen für Wissenschaftlichkeit. Ich widerspreche Ihnen aber energisch, wenn Sie einfach so behaupten, dass die Theologie diese Kriterien nicht erfüllt. Um das zu beurteilen, sollte man sich die Praxis theologischer wissenschaftlicher Arbeit anschauen und diese dann fair beurteilen. Ohne empirische Datengrundlage ist eine solche Behauptung nicht haltbar. Und noch ein letztes Wort zu den geschmähten Lehrstühlen für Dogmatik. Lehrstühle für Dogmatik sollen nicht primär Dogmen aufrichten, einhämmern oder gar permanent Glaubensbekenntnisse absondern. Ihr Ziel ist es, die Gesamtheit der christlichen Glaubenslehre historisch, begrifflich und denksystematisch zu erforschen. Wenn man ein ernsthaftes Interesse daran hat, was überhaupt Grundaussagen des Christentums sind, wie sie sich verstehen lassen, wie sie sich an unsere modernen gesellschaftlichen Debatten anschließen lassen und wie man sie mit unseren sonstigen Wissensbeständen in Einklang bringen kann, dann muss man Dogmatiker (in diesem speziellen Sinn) beschäftigen. Niemand anders sichert die „semantischen Potentiale“ (Habermas) des Christentums so, wie seine Dogmatikprofessoren. Etwas paradox Klingendes zum Abschluss: Unter den Theologen, die ich bislang kennen lernen durfte, waren die Dogmatiker oft die „undogmatischsten“!
Dass das Universum ewig existiert bzw. möglicherweise aus dem Nichts entstanden ist, oder ob es ein Gott geschaffen hat: Beide Varianten sind wohl gleich wahrscheinlich oder unwahrscheinlich und für den menschlichen Geist nicht zu begreifen. Es handelt sich also in beiden Fällen um Glaubensfragen, da sich diese letzten Erkenntnisse auch einer wissenschaftlichen Klärung entziehen. Naturwissenschaften können immer weiter ins Unbekannte vorstoßen, aber es gibt Horizonte, hinter die die Wissenschaft nicht wird blicken können. Wenn es also eine Glaubensfrage ist, kann man es sich auch aussuchen, welcher Theorie man anhängen möchte. Theologen erkennen wissenschaftliche Ergebnisse mit größerer zeitlicher Verzögerung an. Sie laufen sozusagen der Wissenschaft hinterher. Sie machen (heute) keine eigenen Aussagen (mehr). Das wird so fortgehen bis zu oben genannten letzten Fragen, die nicht zu beantworten sind, und dann wird die Theologie den Rest unangefochten für sich reklamieren.
Glaube ist ein willentlicher Akt und bildet ein in sich geschlossenes System. Niemand glaubt versehentlich oder gegen seinen Willen. Wissen dagegen ist offen. Neues Wissen kann alte Überzeugungen über den Haufen werfen, sofern man wissen und nicht glauben will. Herr Voland übersieht aber ein strukturelles Problem. Ein Großteil der Menschen, SdW-Leser eingeschlossen, sind eben nicht Fachleute, die die Erkenntnisse der Naturwissenschaft nachvollziehen können, sondern interessierte Laien. Und denen bleibt dann auch nichts anderes übrig als alles, was über ihre jeweilige Bildung hinausgeht, zu glauben, nur eben den Wissenschaftlern. Wer ist denn in der Lage Einstein, Heisenberg und viele andere wirklich zu verstehen. Deren Erkenntnisse werden der Bevölkerung doch auch mit mehr oder weniger tauglichen Bildern nahegebracht. Selbst viele Wissenschaftler müssen sich auf die Aussage ihrer Kollegen verlassen, da eine Überprüfung der Erkenntnisse wiederum nur einem kleinen Kreis von Forschern mit Zugang zu teuren Instrumenten und langen Verfahren möglich ist.
Eine Form der Argumentation von Herrn Löffler finde ich merkwürdig und auch ärgerlich. Wenn die Theologen an den Unis mit ihrer Interpretation der alten Schriften schon lange über den naiven Gottesglauben hinaus sind, dann frage ich mich, warum nicht die ganze Theologengemeinschaft geschlossen aufsteht und sagt, dass das, was auf den Kanzeln der Kirchen erzählt wird, Mumpitz ist. Denn dort wird immer noch das Bild von dem gütigen oder strafenden „Alten Mann mit Bart”, dem bösen „Mister Smith” Teufel und den strahlenden Engeln weitergegeben. Hier ist der eigentliche Unterschied in der Vermittlungsmethodik der Wissenschaft und der Theologie zu sehen. Wissenschaftler sind immer bestrebt ihre Erkenntnisse der Welt mitzuteilen, ob in Fachpublikationen oder populären Magazinen wie SdW. Die breite Öffentlichkeit soll den Fortschritt in der Erkenntnis miterleben. Bei den Theologen muss man den Eindruck haben, dass Ergebnisse ihrer Tätigkeit am liebsten nur dem kleinen Kreis von anderen Theologen weitergegeben werden. Der Rest der Gemeinde könnte verschreckt werden. Also wird in Kirchen weiter an einem persönlichen Gott, der sich auch um ein Individuum kümmert, mit Riten, Pomp und viel Brimborium gebastelt. Bei den gegebenen Hierarchien aller Religionen: welcher Pfarrer, Rabbi, Imam oder wer auch immer wird da aufstehen und in der Öffentlichkeit sagen, dass alles ganz anders ist.
Stellungnahme der Redaktion
Eine halbernste Eingangsfrage: In welchen (noch mit Kanzeln bestückten) Kirchen verkehren Sie denn, dass sich dieser verheerende Gesamteindruck einstellt? (Ich habe freilich auch den Eindruck, dass es Einzelpersonen und Randgrüppchen gibt, die seltsam mythologische Gottesbilder hochhalten, aber der Mainstream ist anders. Der alte Bärtige etc. sind herumgereichte Klischees, mehr nicht). Aber Ihre Frage trifft natürlich einen ernsthaften Punkt: Theologie hat ,- ähnlich wie andere Wissenschaften - das Problem, wie man sie populär so vermitteln kann, so dass es gerade noch sachgemäß ist, dabei aber für ein gemischtes Laienpublikum auch noch verständlich (und möglichst auch noch begeisternd - Predigten etc. sind ja keine Wissenschaftlichen Vorlesungen). Das glückt mal besser, mal schlechter, und manche Metaphorik mag danebengehen. Der Unterschied zur Populärwissenschaft etwa in den Naturwissenschaften ist dabei aber gar nicht so groß: Auch sie soll gerade noch sachgemäß sein, dabei aber verständlich und einladend-begeisternd. Auch das gelingt mal besser, mal schlechter, und auch dort gibt es meiner Wahrnehmung nach ein nicht allzu schmales Marktsegment, das beim Fachmann nur Kopfschütteln auslöst.
Jedem, der sich tiefergehend mit dem Thema Vernunft und Glaube befasst, empfehle ich das Buch: „Wenn es keinen Gott gibt“, Leczek Kolakowski, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau, 1992, ISBN 3-451-04067-0, und man sollte sich auch mit Karl Jaspers: „Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung“ auseinandergesetzt haben. Die Beiträge in Spektrum der Wissenschaft, Januar 2012, zum Thema Vernunft und Glaube sind bestenfalls Randnotizen zu den tief greifenden Gedanken in den Büchern dieser Philosophen. Angesichts der Breite und Gründlichkeit der philosophischen Gedanken dort erscheinen mir die Beiträge in Spektrum der Wissenschaft zu diesem Thema etwas naiv; jedenfalls sind hier keine neuen Gedanken enthalten und die Darstellung ist oft sehr verschwommen. Sehr geehrter Herr Tapp: Die unteren beiden Absätze Ihres Beitrages “Vernunft und Glaube” (Seite 56) haben mich etwas ratlos gemacht. Einerseits sagen Sie: „Denn dem Selbstverständnis der Christen zufolge ist der Glaube nichts, was man sich selbst gemacht hat, sondern ein Geschenk, das man durch eine lange Traditionskette hindurch aus Gnade erhalten hat.“ Im nächsten Absatz behaupten Sie: „Was aber heißt hier „der Glaube“? Schließlich ist es keineswegs deckungsgleich, was in kirchlichen Lehrtexten steht, in Predigten verkündet, im Religionsunterricht gelehrt oder von den Christen tatsächlich geglaubt wird.“ Da frage ich mich, wer oder was die lange Traditionskette zur Gnade hin aufrechterhält; und wie steht es mit der Gnade eines empfangenen Glaubens, der nicht das ist, woran die Christen tatsächlich glauben? Wenn es keine Kirchen, Synagogen, Moscheen gäbe, wie stünde es dann mit den Traditionsketten? Zitat, Seite 56,57: „Fundamentaltheologie geht davon aus, dass Glaube etwas mit religiösen Überzeugungen zu tun hat, also mit bestimmten Inhalten, die für wahr gehalten werden; daneben aber auch mit Vertrauen und einer persönlich-existentiellen Antwort auf eine göttliche Offenbarung.“ Ihre Formulierung ist so keineswegs zwingend. Denn auch der Glaube „Gott existiert nicht“ ist eine persönlich-existentielle, religiös weltanschauliche Antwort mit bestimmten Inhalten, die für wahr gehalten werden, und sie deckt sich mithin mit der ersten Aussage über den Glauben in dem oben zitierten Absatz. Der zweite Teil, eingeleitet mit „daneben aber auch …“ sollte wohl eher simpel „und“ bedeuten, denn „daneben“ ist keine eindeutige logische Zuordnung. Ich vermute, Sie wollten sagen: Fundamentaltheologie geht davon aus, dass religiöser Glaube das Vertrauen und die persönlich-existentielle Antwort auf die Inhalte einer für wahr gehaltenen göttlichen Offenbarung ist. Auf Seite 61, vorletzter Absatz, erwähnen Sie Habermas’ These, dass Wissenschaftler für ihre Prämissen Gewissheit beanspruchen müssen und damit auf einen Akt der Anerkennung oder des Glaubens angewiesen sind. Dann fragen Sie, ob es sich dabei um etwas Ähnliches handelt, wie bei den Glaubensvoraussetzungen der Theologie. Das ist doch genau Ihr Thema! Und genau diese zentrale Frage lassen Sie ohne jedes weitere Wort im Raum stehen! Stattdessen schreiben Sie seitenweise über Dinge, die jeder an diesem Thema Interessierte ohnehin kennen wird und versuchen eine Rechtfertigung der Theologie als Wissenschaft. Zu dem letzten Absatz Ihres Beitrages über die Unmöglichkeiten zweier Wahrheiten im Glauben einerseits und in den Naturwissenschaften andererseits: So „offenkundig unmöglich“ (Ihre Aussage) ist das nun wirklich nicht: Thomas von Aquino hatte damit keine Probleme. Für ihn gab es eine Wahrheit der Theologie, die für die außerweltlichen Erfahrungen galt, und eine philosophische Wahrheit, die sich auf die weltlichen Erkenntnisse bezog. Beide mussten nicht deckungsgleich sein, da sie nach Thomas für verschiedene Erkenntnisstufen galten. Diese Auffassung scheint in der katholischen Kirche immer noch dominant zu sein; so kann auch die Rede Benedikts XVI. in Regensburg verstanden werden. Aber auch die Naturwissenschaften kennen zwei sich klassisch scheinbar widersprechende Wahrheiten für gleiche physikalische Objekte an. Beispiel: Aussage a) Elektronen verhalten sich wie Wellen. Aussage b) Elektronen verhalten sich wie Partikel. Es kommt hier also auch auf die Bedingungen des Experimentes, also die vom Beobachter gewünschte Wahrheit an, wie uns das Objekt Elektron erscheint. Ich zitiere Kolakowski: “Die Frage, was für uns wirklich oder unwirklich ist, entscheidet im praktischen und nicht im philosophischen Engagement; das Wirkliche ist, wonach Menschen sich wirklich sehnen.“ Das ist aber auch eine Frage der Kultur, in der wir leben. Dieser Aspekt wird bei Ihnen überhaupt nicht erwähnt. Die abendländische, christlich geprägte Kultur - und nur diese - hat einen großen Teil ihres unverwechselbaren Charakters durch die Auseinandersetzungen der Theologie, der Philosophie und der Naturwissenschaft mit den Begriffen: göttliche Offenbarung (christliche), Wahrheit, Wissen, Glaube und Vernunft entwickelt. Die dabei entstandenen Gedankengebäude sind so prägend geworden, dass selbst ein überzeugter abendländischer Atheist sich dieser seit seiner Geburt wirksamen Prägung nicht entziehen kann. Bei allen Erkenntnistheorien beleuchtet die seit dreieinhalb Jahrtausenden andauernde Auseinandersetzung die Szene der heutigen Diskussionen. Aus diesem Grunde halte ich die Theologie in allen ihren Fassetten für würdig, an den Universitäten gelehrt zu werden.
Stellungnahme der Redaktion
Sehr geehrter Herr Schufmann, ich danke Ihnen für Ihre Hinweise auf Jaspers und Kolakowski. Ob mein Aufsatz nur eine „Randnotiz“ zu deren Werken ist? Nun, wenn es sich um Werke von solchem Rang handelt, nehme ich es als Kompliment, dazu eine „Randnotiz“ zu sein! Sie formulieren eine spannende Frage, nämlich, ob man es christentumsintern denken kann, dass „Gnadenwirkungen“ darin bestehen, dass Nichtchristen etwas besser sehen als die Christen selbst. Ist die Überzeugung, dass Gott nicht existiert, ähnlich existenziell wie ein Gottesglaube? Ich würde sagen, er kann es sein, ist es aber meistens nicht. Oft ist es nur die bequeme Alternative. Und Märtyrer für den Atheismus muss man lange suchen. Schließlich zu dem Problem zweier Wahrheiten. Hier muss man unterscheiden zwischen dem, was ich meinte, und dem, was Sie ganz richtig erwähnen. Nach Thomas von Aquin gibt es zwei Arten von Wahrheiten ,– natürliche und übernatürliche –, was ihm heute viel Kritik der Theologen einträgt. Was ich meinte, war aber etwas ganz anderes, nämlich ob es zwei Wahrheiten geben kann, die sich widersprechen, sprich: p und non-p sind beide wahr. Das ist logisch unmöglich. Dass allerdings p und q beide wahr sind, auch wenn p und q zu verschiedenen „Arten“ von Wahrheiten gehören, ist gut möglich – und das nehmen wir im Alltag auch ständig an. Z. B. dass ich gerade am Computer sitze, ist eine ganz andere Art von Wahrheit, als dass 2+2=4 ist. Es gibt in der Mittelalterforschung jedoch auch Diskussionen darüber, ob Thomas von Aquin tatsächlich zwei Arten von Wahrheit, eine „doppelte Wahrheit“, vertreten hat (Anneliese Maier).
"Die Klimaforschung trägt daran allerdings eine Mitschuld: Sie hat der Politik gewissermaßen eine Steilvorlage geliefert." Wer ist bitte Herr oder Frau "Klimaforschung"? Es gibt verschiedene Klimaforscher und unterschiedliche Forschungsansätze, aber nicht "die Klimaforschung".
Herr Latif selber hat sich Anfang der 2000er Jahre (als es mehrere milde Winter hintereinander gab) so weit aus dem Fenster gelehnt, dass er schlicht heruntergefallen ist, als er im Wortsinne behauptete: "Kalte Winter mit langen Frostperioden und Schnee wird es in Deutschland in nächster Zukunft nicht mehr geben." Nach den letzten beiden Wintern mit langen Dauerfrostperioden und viel Schnee gab es in verschiedenen Foren heftiges Hohngelächter speziell über diese Aussage!
Wie konnte er auf Grundlage des damaligen, sehr beschränkten Wissens über Klimaentwicklungen so etwas behaupten? Das war das Gegenteil von wissenschaftlich. Ich nehme an, dass er sich viel mehr in seiner Rolle als Medienmann gefiel.
Ich persönlich gehe auch davon aus, dass die Menschheit den Planeten aufheizt, aber was ist an diesem ominösen 2-Grad-Ziel-Gerede wissenschaftlich? Es weiß doch niemand genau, wie sich das Gesamtsystem mit Ozeanströmungen, Wolkenbildung, Sonneneinfluss usw. auch ohne menschlichen Einfluss entwickeln wird. Aber wenn ich da irgendetwas nicht richtig verstehe, bin ich dankbar für Erklärungen.
so sehr ich es auch schätze,l wenn Fehler eingestanden werden - hier ist Selbstkritik nur in geringem Masse gefordert. Wie auch @Paule betont, ist das eher zu vernachlässigen. Ich teile allerdings nicht seine Schlussfolgerung.
Nein, die Wissenschaft und ihre Ergebnisse sind Einigen unbequem, und die Kampagne gegen sie läuft seit Jahren. Am Ende werden Sie gewinnen - aber das ist denen egal, solange sie das Unvermeidliche nur hinausgezögert haben bis die 2 Grad nicht mehr zu halten sind und nur noch großtechnische Lösungen helfen - an denen man dann wieder verdienen kann. Es ist widerlich, aber vielen ist egal, was nach ihnen kommt.
Ich hoffe, Sie verzagen nicht und legen den Finger weiter in die Wunde.
Leider bringt Vernachlässigung des Themas über lange Zeit eine Summierung der Wirkungen. Der Wunsch und das Ignorieren verhindert nichts. Ebenso lang, wie sich der Zustand aufbaut, wird das Zurückdrängen der Ergebnisses andauern.
Ich glaube, die Klimaforschung hat sich ihren Bedeutungsschwund selbst zuzuschreiben. Die Kommunikation wirkte in den vergangenen 10 Jahren einfach viel zu ideologisch und einseitig - die lächerlich unbedeutenden Vorwürfe rund um Himalaja-Gletscher & Co. haben letztlich sicher kaum eine Rolle gespielt. Wenn man schlimmste Katastrophen prognostiziert und das Ganze nur mit Statistik und nachträglichen Prognosen auf dem Niveau der Volkswirtschaftslehre untermauert (statt mit harter Physik), darf man sich über mangelnde Glaubwürdigkeit nicht beschweren. Nun wird die Rechnung dafür präsentiert. Eine ungeheuere Chance ist vertan.
Und welchen Nutzen hat die "Religion" beziehungsweise was für Aussagen und Vorhersagen macht sie beziehungsweise machen Menschen, die sich auf die "Religion" berufen, denn ganz konkret?
Man wird sehr schnell feststellen, dass die Existenzbehauptung von "Religion" allein schon Propagandamittel ist, um eine Basis für Begrifflichkeiten wie "Seele/n" oder "Götter" erst zu erschaffen, welche selbst auch nur Projektionsworte sind, die nach Belieben und Situation, gedehnt, verdreht oder verbogen werden.
Man weiß überhaupt nicht, was diese Begriffe eigentlich meinen (daher gibt es so viele Auslegungen in "Glaubensfragen" wie es Menschen gibt), man verfängt sich lediglich in philosophische Luftschlössern, um mit jenen Agitationsbegriffen andere ganz klar definierte Begriffe völlig auszuhöhlen und zu unterminieren. Wie zum Beispiel gesellschaftliche Regeln und Gesetze, Lebewesen oder Bewusstseinsinhalte.
Ich empfehle jedem, die ganze Diskussion einmal rein sprachmechanistisch zu betrachten.
Dies ist natürlich den Vertretern der so genannten "Theologie" schmerzlich bewusst (zumindest einem Teil), und so versuchen sie auch Hypothesen und Modellbildung innerhalb der Wissenschaft aufzuweichen (mit Hilfe von Agitationsbegriffen = Glaubenssatzungen), die wohl definierten Begriffe, wie eben den der Wissenschaftlichkeit zu relativieren, um dadurch selbst eine Existenzberechtigung ableiten zu können.
Eigentlich ist es eine einseitige Aufkündigung, der zuvor propagierten Kompatibilität zwischen der "Welt konkreter Symbole und verifizierbarer beziehungsweise falsifizierbarer Sprachbezüge und Eigenschaftszuweisungen" und der "Welt der Fantasiebegriffe und Schachtelsätze X und Y" (je nachdem welche Definition von "Religion" man auch immer heranzieht, sofern diese über sprachliche Entkernungsmechanismen verfügen.)
Ihre Grundlage findet der persönliche Glaube und Zusammenhänge, die so nicht da sind, in der Mustererkennung des Gehirns - Dopaminspiegel etc.
Elegant abgefertigt
23.12.2011, Bernhard Beckervon der Kirche daran gehindert wurde, den Nachweis zu führen, christlicher Glaube sei vernünftig: Denn wenn jeder das einsehen könnte, wozu dann noch Papst und Offenbarung? Ärgerlich ist jedoch, dass es hier - auch wenn von einem katholischen Theologen wohl erwartbar - nur um "Glauben" (als Substantiv) im Sinn einer festen Ordnung manifester kognitiver Gewissheiten geht. Denn gerade damit, so die "negative Theologie", geht es nicht: Wenn Benedikt z. B. Gott als "vernünftige Macht" beschreibt, so nimmt er mit eben dieser Festlegung "den Willen zur Macht als den Grundzug alles Seienden", d. h. für ihn ist Macht - und nicht etwa Liebe, so Heidegger 1943 in: Nietzsches Wort ,Gott ist tot' (Holzwege, Frankfurt 2003, S. 253), "das wirkend-wirksame Prinzip dessen, was jetzt geschieht". Eben das aber - nämlich, dass der Mensch der Moderne Macht und Vernunft verabsolutiert und vergöttlicht habe - sei "der metaphysische Sinn des metaphysisch gedachten Wortes ,Gott ist tot'". Zudem hängen solche angeblich verbindlichen "Inhalte" - ebenso wie sämtliche Religionslehren, Kirchen und Theologien! - letztlich parasitär (im Sinn von Serres) von der Tatsache ab, dass wir alle - ob Christen oder Atheisten - ja immer nur glauben können, dass es gut ist, weiterzumachen. Mit Hilfe eines wissenschaftlichen Wahrheitsbegriffs könnten wir jedenfalls niemals sagen: Wir wissen, dass unser Leben einen Sinn hat. Jener feine Unterschied zwischen glauben und wissen als Tätigkeit (bzw. Kants "praktischer Vernunft") wird allerdings auch für Agnostiker und "Freidenker" wichtig, wenn man keine Neigung hat, sich von heutigen utilitaristischen "Ethikern" vorzaubern zu lassen, wie sie (Popper zum Trotz) Tatsachen in angebliche "Werte" verwandeln. Bei so viel moralischer Alchimistenkunst des "Konsens" plädiere ich darum lieber gleich für Religion, bzw. Glaubensfreiheit als Menschenrecht: "Religion gibt die Kraft, das, was man tut, für gut zu halten. [.] Die Ethik scheint von der Illusion zu leben, dass es dafür gute, letztlich überzeugende, intersubjektiv stichhaltige Gründe geben könne. Diese Annahme ist aber heute kaum mehr zu halten." (Luhmann, "Die Moral der Gesellschaft", Frankfurt 2008, S. 208). Diese Ansicht findet sich jedoch bereits bei Platon: "Was gut ist und was nicht, o Phaidros, müssen wir dafür einen anderen fragen?"
Nur an der Oberfläche
23.12.2011, Erdmute WittmannKonkrete Glaubensinhalte?
23.12.2011, Dr. Tina Gottwald, EschbronnIch würde gerne einmal auf sehr konkrete Glaubensinhalte zu sprechen kommen. Was glauben "wissenschaftlich geprägte" Christen eigentlich konkret?
Beispiele die genau so im Glaubensbekenntnis stehen wären:
- Jesus ist nach drei Tagen von den Toten auferstanden (und wurde laut Bibel danach von mehreren Zeugen lebendig gesehen)
- Das ewige Leben einer unsterblichen Seele
Andere Beispiele, an die üblicherweise geglaubt wird:
- Jungfrauengeburt beziehungsweise Zeugung durch den Heiligen Geist (oder ist das etwa auch im übertragenen Sinn zu verstehen?)
- Gott erhört Gebete
- Gott kann Sünden verzeihen aber gegebenenfalls auch betrafen
- Es gibt Wunder
Meiner Meinung nach widersprechen alle diese Beispiele sehr konkret allen uns bekannten Naturgesetzen.
Des Weiteren ergeben sich eine Menge problematische Fragen, wenn man an die oben genannten Beispiele glauben möchte. Beispiele:
- Wo und was ist der "Himmel", in denen die unsterblichen Seelen ewig weiterleben? Voraussetzung wäre zum Beispiel eine unendliche Aufnahmefähigkeit für neu hinzukommende Seelen.
- Wann genau verlässt die unsterbliche Seele den Körper? Was ist zum Beispiel bei einer schweren Demenz, wenn der Körper noch unter den Lebenden weilt, alle Charaktereigenschaften usw., die den Menschen einst ausmachten, aber längst verschwunden sind? Geht die Seele hier etwa stückchenweise in den Himmel? Geht die Seele vor dem körperlichen Tod?
- Apropos Ewigkeit: Was ist das genau? (Denn das Universum wie wir es kennen, ist, nach allem, was wir wissen, zwar sehr langlebig, aber nicht ewig)
- Wie kann jemand von den Toten auferstehen?
- Warum zeigte sich Jesus kurz nach seiner Auferstehung einer ganzen Reihe von Zeugen und taucht dann 2000 Jahre lang nicht mehr auf?
- Warum nimmt die Anzahl der "Wunder" in moderner Zeit ab?
- Warum kann man die Wirksamkeit von Gebeten (ähnlich Strafen für Sünden) nicht statistisch nachweisen?
Andere Religionen glauben in den konkreten Glaubensinhalten an ganz andere Dinge. Was ist nun "richtig"? Nach welchen Kriterien definiert sich, was Aberglaube, eine Sekte oder Blödsinn ist?
Wenn man an die genannten und ähnlichen Glaubensinhalte nicht glaubt, stellen sich die unangenehmen Fragen nicht. Vielmehr gibt es sogar eine Menge schlüssige, verifizierbare Erklärungen, wie zum Beispiel Menschen auf die Idee kamen, dass es eine unsterbliche Seele geben könnte.
Ich freue mich auf eine interessante Diskussion.
Welche Antworten erhalten wir denn?
23.12.2011, K. StoellgerSchade, dass dabei nicht klar wird, welche Antworten wir denn mit dem christlichen Glauben erhalten können! Gerade nachdem die gängigsten Widersprüche so klar aufgelistet wurden (interessant wäre ja auch, ob man den gegebenen Grundlagentexten je den "Kindergartenbereich" verlassen kann?) und es mal wieder keine "Auflösung" gab …
Wir sollen also für die Ausbildung der Theologen weiterhin bezahlen, damit diese nicht in den Fundamentalismus abdriften? Besteht da Gefahr? Warum? Liegt es an der Textsammlung einer alten Hirtenkultur und deren Auslegung? Das ist natürlich ein gewichtiges Argument …
Seltsam ist auch, dass immer wieder behauptet wird (s. o.), Fundamentalismus oder Gräueltaten haben nichts mit Glauben zu tun … wohl doch mit einer bestimmten Auslegung religiöser Texte und sind somit zumindest eine Ursache … so ein wenig scheint das zusammenzuhängen?!?
Was ist bitte genau "besserer" Religionsunterricht? Was soll bitte religionsmündig bedeuten? Wenn man Kindern ausschließlich von einer dominanten Religion berichtet? Obwohl es so viele auf der Welt gibt? So viele andere interessante Antworten auch aus der Philosophie?
Seltsam erscheint mir auch, dass es in unserer Zeit - da ja mittlerweile Vernunft und Wissenschaft eine weitaus größere Rolle spielen - Gott als "höchst-vernünftig" oder als "vom Wesen her vernünftig" beschrieben wird. Woher diese Wandlung? Eine neue Deutung? Eine Projektion?
In früheren Jahren galt Gott auch als strafend, eifersüchtig mitunter auch rachsüchtig. Oder auch mal hinterlistig: "Noch einmal sprach der Herr zu Mose, er sagte,"Wenn du nach Ägypten kommst, dann vollbringe vor dem Pharao die Wunder, zu denen ich dich bevollmächtigt habe. Ich werde ihn so starrsinnig machen, dass er das Volk nicht gehen lässt." Buch Ezechiel, Kap. 20, Vrs 21
Die Kinder der vergangenen Generationen können noch "ein Lied" davon singen, wie viel Angst und Schrecken dieses Bild von einem strafenden, allmächtigen Gott ihnen vermittelt hat. Ähnlich war ja die Gesellschaft strukturiert. Nur wer sich konform, gehorsam, demütig etc. verhielt, der würde mit der Güte desselbigen belohnt …
Die Vorstellung von Gott wird dem vorherrschenden Werten der Zeit angepasst? Sozusagen eine zeitgemäße Vorstellung und eine ge-update-te Version?
Was wäre, wenn wir wieder in andere Zeiten mit anderen Werten rutschen würden?
Der Unterschied ist ...
23.12.2011, Frank Schock, Rohrschach (Schweiz)Dem könnte man zwei Dinge entgegenhalten:
1) Mit einer solchen Argumentation kann alles auf “Glaube” zurückgeführt werden, denn die Frage nach einer unverrückbaren Wahrheit konnte, soweit mir bekannt, noch nicht beantwortet werden. Alle Erfahrung ist letztendlich Glaube.
2) Stellt sich für einen “Nicht-Religionswissenschaftler” heraus, dass seine Glaubensprämissen (volkstümlich: Annahmen) nicht zutreffen, kann er diese anpassen. Sein Forschungsgebiet ändert sich, aber sein Wissen wächst.
Einem Religionswissenschaftler ist dies nicht möglich, da die Anpassung seiner Prämissen sogleich den Tod seiner wissenschaftlichen Disziplin nach sich zieht. Nicht nur das, auch sein Glaube ist zumindest erschüttert.
Dogmatik wissenschaftlich?
23.12.2011, Dr. Wolfram GorischWie wissenschaftlich ist nun die (katholische) Theologie?
1. Das poppersche Abgrenzungskriterium zwischen wissenschaftlichen und metaphysischen Theorien besteht in der Falsifizierbarkeit. Wenn wir dieses mal anerkennen wollen, dann wäre der Gottesglaube als eine empirische Theorie zu behandeln, die sich der Kritik stellen muss wie jede andere wissenschaftliche Theorie. Darüber hinaus muss der Gottesglaube deduktive Schlüsse zulassen, die sich daraufhin prüfen lassen, ob sie zutreffen oder nicht. Beispielsweise sollte der Theologe anerkennen, dass es einen Gott dann nicht gibt, wenn die systematischen Wirkungen, die er Gott zuschreibt, in der Lebenswelt nicht beobachtet werden. Immunisierungsstrategien sollten nicht erlaubt sein. Eine mögliche Immunisierung bestünde beispielsweise in der Behauptung, Gott entscheide immer selbst darüber, ob er wirken wolle oder nicht. Auch in der Naturwissenschaft sind Immunisierungen von Theorien unerwünscht, mindestens sehr suspekt. Was nicht falsifizierbar ist, hat den Charakter des Beliebigen. Andererseits fordert die Wissenschaftlichkeit nicht den Gottesbeweis. Keine empirische Theorie kann bewiesen werden. Die Quantentheorie ist zwar exzellent bewährt, sie ist aber nicht bewiesen. Auch der Urknall ist nicht bewiesen.
2. Der wissenschaftliche Diskurs soll herrschaftsfrei sein (Habermas). Da im wissenschaftlichen Diskurs selten Bestätigungen gesucht werden, meistens jedoch die Fetzen fliegen, ist Autorität ständig in Gefahr, vom Sockel gestoßen zu werden. Eine Institution, die um jeden Preis ihre Autorität bewahren will wie die katholische Kirche, muss deshalb den Diskurs lenken. Notfalls muss sie zu repressiven Maßnahmen greifen (siehe Absetzung von Hans Küng). Die freie Wissenschaft ist dagegen dem jeweiligen wissenschaftlichen Problem verpflichtet und sonst nichts und niemandem.
Diese beiden Kriterien halte ich für notwendig, vielleicht sind sie sogar hinreichend für den Anspruch der Wissenschaftlichkeit. Die katholische Theologie erfüllt keins davon.
Die im Artikel konstruierte Begriffsgegensätzlichkeit Vernunft-Glaube führt meiner Meinung nach nicht weiter. Vernunft halte ich nicht für ein Kriterium für Wissenschaftlichkeit. Ideologien usurpieren gewöhnlich den Vernunftbegriff für sich. Keine Ideologie gibt zu, dass sie unvernünftig wäre. Voraussetzung für einen gelingenden Diskurs ist vor allem, dass man sich über das Problem einig ist und dass ein gemeinsames Interesse an dessen Lösung besteht. Die „Vernunft“ stellt sich dann von selbst ein.
Da gibt es an deutschen Universitäten Lehrstühle für Dogmatik. Bei manchem hehren Wissenschaftler treibt schon die Lehrstuhlbezeichnung den Puls hoch. Soll der Steuerzahler aus seinem knappen Wissenschaftsbudget noch die Lehre von Dogmen finanzieren? Falls über diesen Weg noch ein intellektueller Austausch mit der katholischen Kirchenführung möglich sein sollte, dann spräche dies für die Beibehaltung dieser Lehrstühle. Außerdem bliebe die Universität weiter ein Sprachrohr für die kritischen Stimmen abgesetzter Kirchenlehrer.
Über diesen Leserbrief müsste ich sehr viel sagen – er enthält viele ernst zu nehmende kritische Gedanken. Zunächst gebe ich Ihnen vollkommen Recht mit Ihrer Eingangskritik: Ja, um Theologie als Wissenschaft vollkommen zu rechtfertigen, müsste man mehr, sogar viel mehr sagen, als ich in diesem Artikel unterbringen konnte. Ihre Forderung nach der Zulassung deduktiver Schlüsse, nach dem Ausschluss von Immunisierung, dem Problem von Herrschaftsfreiheit versus lehramtlicher Autorität usw. halte ich für zentrale Bedingungen für Wissenschaftlichkeit. Ich widerspreche Ihnen aber energisch, wenn Sie einfach so behaupten, dass die Theologie diese Kriterien nicht erfüllt. Um das zu beurteilen, sollte man sich die Praxis theologischer wissenschaftlicher Arbeit anschauen und diese dann fair beurteilen. Ohne empirische Datengrundlage ist eine solche Behauptung nicht haltbar.
Und noch ein letztes Wort zu den geschmähten Lehrstühlen für Dogmatik. Lehrstühle für Dogmatik sollen nicht primär Dogmen aufrichten, einhämmern oder gar permanent Glaubensbekenntnisse absondern. Ihr Ziel ist es, die Gesamtheit der christlichen Glaubenslehre historisch, begrifflich und denksystematisch zu erforschen. Wenn man ein ernsthaftes Interesse daran hat, was überhaupt Grundaussagen des Christentums sind, wie sie sich verstehen lassen, wie sie sich an unsere modernen gesellschaftlichen Debatten anschließen lassen und wie man sie mit unseren sonstigen Wissensbeständen in Einklang bringen kann, dann muss man Dogmatiker (in diesem speziellen Sinn) beschäftigen. Niemand anders sichert die „semantischen Potentiale“ (Habermas) des Christentums so, wie seine Dogmatikprofessoren. Etwas paradox Klingendes zum Abschluss: Unter den Theologen, die ich bislang kennen lernen durfte, waren die Dogmatiker oft die „undogmatischsten“!
Christian Tapp
Einige Anmerkungen zum Thema Wissenschaft und Religion
23.12.2011, Gerhard WeilandGlaube ist ein willentlicher Akt und bildet ein in sich geschlossenes System. Niemand glaubt versehentlich oder gegen seinen Willen. Wissen dagegen ist offen. Neues Wissen kann alte Überzeugungen über den Haufen werfen, sofern man wissen und nicht glauben will. Herr Voland übersieht aber ein strukturelles Problem. Ein Großteil der Menschen, SdW-Leser eingeschlossen, sind eben nicht Fachleute, die die Erkenntnisse der Naturwissenschaft nachvollziehen können, sondern interessierte Laien. Und denen bleibt dann auch nichts anderes übrig als alles, was über ihre jeweilige Bildung hinausgeht, zu glauben, nur eben den Wissenschaftlern. Wer ist denn in der Lage Einstein, Heisenberg und viele andere wirklich zu verstehen. Deren Erkenntnisse werden der Bevölkerung doch auch mit mehr oder weniger tauglichen Bildern nahegebracht. Selbst viele Wissenschaftler müssen sich auf die Aussage ihrer Kollegen verlassen, da eine Überprüfung der Erkenntnisse wiederum nur einem kleinen Kreis von Forschern mit Zugang zu teuren Instrumenten und langen Verfahren möglich ist.
Eine Form der Argumentation von Herrn Löffler finde ich merkwürdig und auch ärgerlich. Wenn die Theologen an den Unis mit ihrer Interpretation der alten Schriften schon lange über den naiven Gottesglauben hinaus sind, dann frage ich mich, warum nicht die ganze Theologengemeinschaft geschlossen aufsteht und sagt, dass das, was auf den Kanzeln der Kirchen erzählt wird, Mumpitz ist. Denn dort wird immer noch das Bild von dem gütigen oder strafenden „Alten Mann mit Bart”, dem bösen „Mister Smith” Teufel und den strahlenden Engeln weitergegeben. Hier ist der eigentliche Unterschied in der Vermittlungsmethodik der Wissenschaft und der Theologie zu sehen. Wissenschaftler sind immer bestrebt ihre Erkenntnisse der Welt mitzuteilen, ob in Fachpublikationen oder populären Magazinen wie SdW. Die breite Öffentlichkeit soll den Fortschritt in der Erkenntnis miterleben. Bei den Theologen muss man den Eindruck haben, dass Ergebnisse ihrer Tätigkeit am liebsten nur dem kleinen Kreis von anderen Theologen weitergegeben werden. Der Rest der Gemeinde könnte verschreckt werden. Also wird in Kirchen weiter an einem persönlichen Gott, der sich auch um ein Individuum kümmert, mit Riten, Pomp und viel Brimborium gebastelt. Bei den gegebenen Hierarchien aller Religionen: welcher Pfarrer, Rabbi, Imam oder wer auch immer wird da aufstehen und in der Öffentlichkeit sagen, dass alles ganz anders ist.
Eine halbernste Eingangsfrage: In welchen (noch mit Kanzeln bestückten) Kirchen verkehren Sie denn, dass sich dieser verheerende Gesamteindruck einstellt? (Ich habe freilich auch den Eindruck, dass es Einzelpersonen und Randgrüppchen gibt, die seltsam mythologische Gottesbilder hochhalten, aber der Mainstream ist anders. Der alte Bärtige etc. sind
herumgereichte Klischees, mehr nicht). Aber Ihre Frage trifft natürlich einen ernsthaften Punkt: Theologie hat ,- ähnlich wie andere Wissenschaften - das Problem, wie man sie populär so vermitteln kann, so dass es gerade noch sachgemäß ist, dabei aber für ein gemischtes
Laienpublikum auch noch verständlich (und möglichst auch noch begeisternd - Predigten etc. sind ja keine Wissenschaftlichen Vorlesungen). Das glückt mal besser, mal schlechter, und manche Metaphorik mag danebengehen. Der Unterschied zur Populärwissenschaft etwa in den Naturwissenschaften ist dabei aber gar nicht so groß: Auch sie soll gerade noch sachgemäß sein, dabei aber verständlich und einladend-begeisternd. Auch das gelingt mal besser, mal schlechter, und auch dort gibt es meiner Wahrnehmung nach ein nicht allzu schmales Marktsegment, das beim Fachmann nur Kopfschütteln auslöst.
Danke für Ihr Interesse, Winfried Löffler
Wenn es keinen Gott gäbe
23.12.2011, G. SchufmannSehr geehrter Herr Tapp: Die unteren beiden Absätze Ihres Beitrages “Vernunft und Glaube” (Seite 56) haben mich etwas ratlos gemacht. Einerseits sagen Sie: „Denn dem Selbstverständnis der Christen zufolge ist der Glaube nichts, was man sich selbst gemacht hat, sondern ein Geschenk, das man durch eine lange Traditionskette hindurch aus Gnade erhalten hat.“
Im nächsten Absatz behaupten Sie: „Was aber heißt hier „der Glaube“? Schließlich ist es keineswegs deckungsgleich, was in kirchlichen Lehrtexten steht, in Predigten verkündet, im Religionsunterricht gelehrt oder von den Christen tatsächlich geglaubt wird.“
Da frage ich mich, wer oder was die lange Traditionskette zur Gnade hin aufrechterhält; und wie steht es mit der Gnade eines empfangenen Glaubens, der nicht das ist, woran die Christen tatsächlich glauben? Wenn es keine Kirchen, Synagogen, Moscheen gäbe, wie stünde es dann mit den Traditionsketten?
Zitat, Seite 56,57: „Fundamentaltheologie geht davon aus, dass Glaube etwas mit religiösen Überzeugungen zu tun hat, also mit bestimmten Inhalten, die für wahr gehalten werden; daneben aber auch mit Vertrauen und einer persönlich-existentiellen Antwort auf eine göttliche Offenbarung.“
Ihre Formulierung ist so keineswegs zwingend. Denn auch der Glaube „Gott existiert nicht“ ist eine persönlich-existentielle, religiös weltanschauliche Antwort mit bestimmten Inhalten, die für wahr gehalten werden, und sie deckt sich mithin mit der ersten Aussage über den Glauben in dem oben zitierten Absatz. Der zweite Teil, eingeleitet mit „daneben aber auch …“ sollte wohl eher simpel „und“ bedeuten, denn „daneben“ ist keine eindeutige logische Zuordnung.
Ich vermute, Sie wollten sagen: Fundamentaltheologie geht davon aus, dass religiöser Glaube das Vertrauen und die persönlich-existentielle Antwort auf die Inhalte einer für wahr gehaltenen göttlichen Offenbarung ist.
Auf Seite 61, vorletzter Absatz, erwähnen Sie Habermas’ These, dass Wissenschaftler für ihre Prämissen Gewissheit beanspruchen müssen und damit auf einen Akt der Anerkennung oder des Glaubens angewiesen sind. Dann fragen Sie, ob es sich dabei um etwas Ähnliches handelt, wie bei den Glaubensvoraussetzungen der Theologie. Das ist doch genau Ihr Thema! Und genau diese zentrale Frage lassen Sie ohne jedes weitere Wort im Raum stehen! Stattdessen schreiben Sie seitenweise über Dinge, die jeder an diesem Thema Interessierte ohnehin kennen wird und versuchen eine Rechtfertigung der Theologie als Wissenschaft.
Zu dem letzten Absatz Ihres Beitrages über die Unmöglichkeiten zweier Wahrheiten im Glauben einerseits und in den Naturwissenschaften andererseits: So „offenkundig unmöglich“ (Ihre Aussage) ist das nun wirklich nicht: Thomas von Aquino hatte damit keine Probleme. Für ihn gab es eine Wahrheit der Theologie, die für die außerweltlichen Erfahrungen galt, und eine philosophische Wahrheit, die sich auf die weltlichen Erkenntnisse bezog. Beide mussten nicht deckungsgleich sein, da sie nach Thomas für verschiedene Erkenntnisstufen galten. Diese Auffassung scheint in der katholischen Kirche immer noch dominant zu sein; so kann auch die Rede Benedikts XVI. in Regensburg verstanden werden.
Aber auch die Naturwissenschaften kennen zwei sich klassisch scheinbar widersprechende Wahrheiten für gleiche physikalische Objekte an. Beispiel: Aussage a) Elektronen verhalten sich wie Wellen. Aussage b) Elektronen verhalten sich wie Partikel. Es kommt hier also auch auf die Bedingungen des Experimentes, also die vom Beobachter gewünschte Wahrheit an, wie uns das Objekt Elektron erscheint. Ich zitiere Kolakowski: “Die Frage, was für uns wirklich oder unwirklich ist, entscheidet im praktischen und nicht im philosophischen Engagement; das Wirkliche ist, wonach Menschen sich wirklich sehnen.“ Das ist aber auch eine Frage der Kultur, in der wir leben.
Dieser Aspekt wird bei Ihnen überhaupt nicht erwähnt. Die abendländische, christlich geprägte Kultur - und nur diese - hat einen großen Teil ihres unverwechselbaren Charakters durch die Auseinandersetzungen der Theologie, der Philosophie und der Naturwissenschaft mit den Begriffen: göttliche Offenbarung (christliche), Wahrheit, Wissen, Glaube und Vernunft entwickelt. Die dabei entstandenen Gedankengebäude sind so prägend geworden, dass selbst ein überzeugter abendländischer Atheist sich dieser seit seiner Geburt wirksamen Prägung nicht entziehen kann. Bei allen Erkenntnistheorien beleuchtet die seit dreieinhalb Jahrtausenden andauernde Auseinandersetzung die Szene der heutigen Diskussionen. Aus diesem Grunde halte ich die Theologie in allen ihren Fassetten für würdig, an den Universitäten gelehrt zu werden.
Sehr geehrter Herr Schufmann, ich danke Ihnen für Ihre Hinweise auf Jaspers und Kolakowski. Ob mein Aufsatz nur eine „Randnotiz“ zu deren Werken ist? Nun, wenn es sich um Werke von solchem Rang handelt, nehme ich es als Kompliment, dazu eine „Randnotiz“ zu sein!
Sie formulieren eine spannende Frage, nämlich, ob man es christentumsintern denken kann, dass „Gnadenwirkungen“ darin bestehen, dass Nichtchristen etwas besser sehen als die Christen selbst.
Ist die Überzeugung, dass Gott nicht existiert, ähnlich existenziell wie ein Gottesglaube? Ich würde sagen, er kann es sein, ist es aber meistens nicht. Oft ist es nur die bequeme Alternative. Und Märtyrer für den Atheismus muss man lange suchen.
Schließlich zu dem Problem zweier Wahrheiten. Hier muss man unterscheiden zwischen dem, was ich meinte, und dem, was Sie ganz richtig erwähnen. Nach Thomas von Aquin gibt es zwei Arten von Wahrheiten ,– natürliche und übernatürliche –, was ihm heute viel Kritik der Theologen einträgt. Was ich meinte, war aber etwas ganz anderes, nämlich ob es zwei Wahrheiten geben kann, die sich widersprechen, sprich: p und non-p sind beide wahr. Das ist logisch unmöglich. Dass allerdings p und q beide wahr sind, auch wenn p und q zu verschiedenen „Arten“ von Wahrheiten gehören, ist gut möglich – und das nehmen wir im Alltag auch ständig an. Z. B. dass ich gerade am Computer sitze, ist eine ganz andere Art von Wahrheit, als dass 2+2=4 ist. Es gibt in der Mittelalterforschung jedoch auch Diskussionen darüber, ob Thomas von Aquin tatsächlich zwei Arten von Wahrheit, eine „doppelte Wahrheit“, vertreten hat (Anneliese Maier).
Christian Tapp
Warum spricht Herr Latif nicht von persönlichen Fehlern?
22.12.2011, Detlef Piepke, MünsterHerr Latif selber hat sich Anfang der 2000er Jahre (als es mehrere milde Winter hintereinander gab) so weit aus dem Fenster gelehnt, dass er schlicht heruntergefallen ist, als er im Wortsinne behauptete: "Kalte Winter mit langen Frostperioden und Schnee wird es in Deutschland in nächster Zukunft nicht mehr geben." Nach den letzten beiden Wintern mit langen Dauerfrostperioden und viel Schnee gab es in verschiedenen Foren heftiges Hohngelächter speziell über diese Aussage!
Wie konnte er auf Grundlage des damaligen, sehr beschränkten Wissens über Klimaentwicklungen so etwas behaupten? Das war das Gegenteil von wissenschaftlich. Ich nehme an, dass er sich viel mehr in seiner Rolle als Medienmann gefiel.
Ich persönlich gehe auch davon aus, dass die Menschheit den Planeten aufheizt, aber was ist an diesem ominösen 2-Grad-Ziel-Gerede wissenschaftlich? Es weiß doch niemand genau, wie sich das Gesamtsystem mit Ozeanströmungen, Wolkenbildung, Sonneneinfluss usw. auch ohne menschlichen Einfluss entwickeln wird.
Aber wenn ich da irgendetwas nicht richtig verstehe, bin ich dankbar für Erklärungen.
Detlef Piepke
Einsatz von Bakteriophagen
22.12.2011, P. HofmannNicht Ihre Schuld
22.12.2011, Hermann Ottso sehr ich es auch schätze,l wenn Fehler eingestanden werden - hier ist Selbstkritik nur in geringem Masse gefordert. Wie auch @Paule betont, ist das eher zu vernachlässigen. Ich teile allerdings nicht seine Schlussfolgerung.
Nein, die Wissenschaft und ihre Ergebnisse sind Einigen unbequem, und die Kampagne gegen sie läuft seit Jahren. Am Ende werden Sie gewinnen - aber das ist denen egal, solange sie das Unvermeidliche nur hinausgezögert haben bis die 2 Grad nicht mehr zu halten sind und nur noch großtechnische Lösungen helfen - an denen man dann wieder verdienen kann. Es ist widerlich, aber vielen ist egal, was nach ihnen kommt.
Ich hoffe, Sie verzagen nicht und legen den Finger weiter in die Wunde.
Viel Glück und Segen im Neuen Jahr 2012!
Ihr
Hermann Ott
der Arbeitsmarkt ist Weltweit.
22.12.2011, wrentzschIst die Änderung nicht stark oder akut, wird sie nicht wahrgenommen.
22.12.2011, wrentzschDer Wunsch und das Ignorieren verhindert nichts.
Ebenso lang, wie sich der Zustand aufbaut, wird das Zurückdrängen der Ergebnisses andauern.
Eigener Fehler
21.12.2011, PauleWas ist denn die "allgemeine" Religionsdefinition - das ist hier die Frage
21.12.2011, Richard RiedhausMan wird sehr schnell feststellen, dass die Existenzbehauptung von "Religion" allein schon Propagandamittel ist, um eine Basis für Begrifflichkeiten wie "Seele/n" oder "Götter" erst zu erschaffen, welche selbst auch nur Projektionsworte sind, die nach Belieben und Situation, gedehnt, verdreht oder verbogen werden.
Man weiß überhaupt nicht, was diese Begriffe eigentlich meinen (daher gibt es so viele Auslegungen in "Glaubensfragen" wie es Menschen gibt), man verfängt sich lediglich in philosophische Luftschlössern, um mit jenen Agitationsbegriffen andere ganz klar definierte Begriffe völlig auszuhöhlen und zu unterminieren.
Wie zum Beispiel gesellschaftliche Regeln und Gesetze, Lebewesen oder Bewusstseinsinhalte.
Ich empfehle jedem, die ganze Diskussion einmal rein sprachmechanistisch zu betrachten.
Dies ist natürlich den Vertretern der so genannten "Theologie" schmerzlich bewusst (zumindest einem Teil), und so versuchen sie auch Hypothesen und Modellbildung innerhalb der Wissenschaft aufzuweichen (mit Hilfe von Agitationsbegriffen = Glaubenssatzungen), die wohl definierten Begriffe, wie eben den der Wissenschaftlichkeit zu relativieren, um dadurch selbst eine Existenzberechtigung ableiten zu können.
Eigentlich ist es eine einseitige Aufkündigung, der zuvor propagierten Kompatibilität zwischen der "Welt konkreter Symbole und verifizierbarer beziehungsweise falsifizierbarer Sprachbezüge und Eigenschaftszuweisungen" und der "Welt der Fantasiebegriffe und Schachtelsätze X und Y" (je nachdem welche Definition von "Religion" man auch immer heranzieht, sofern diese über sprachliche Entkernungsmechanismen verfügen.)
Ihre Grundlage findet der persönliche Glaube und Zusammenhänge, die so nicht da sind, in der Mustererkennung des Gehirns - Dopaminspiegel etc.