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Kommentare - - Seite 1070

Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
  • Einige zusätzliche Anmerkungen

    16.01.2008, Klaus Kretschel
    1. Die blumige Geschichte zum Urlauberdilemma ist zwar nett zur Veranschaulichung, kann aber leicht auf falsche Fährten führen. Meine erste Assoziation war "Dieser diktatorische Versicherungsmensch kriegt's mit meinem Rechtsanwalt zu tun!", die zweite "Die meisten Menschen sind halbwegs ehrlich, also darf der angegebene Wert nur knapp über dem echten Wert der Vase liegen." (Ein kleiner Bonus für den Ärger ist erlaubt.)
    Inwieweit man sich bei späteren Überlegungen von solchen Assoziationen frei machen kann, ist schwer zu sagen.

    2. Wie schon in der Virginia-Studie festgestellt, ist das Verhalten der Mitspieler sehr stark von der Höhe des Bonus abhängig. Basu scheint sich darüber zu wundern, ich verstehe allerdings nicht wieso. Es ist doch bekannt, dass der "Durchschnittsmensch" lieber einen kleinen Verlust hinnimmt, der mit großer Wahrscheinlichkeit eintritt, als auf die Möglichkeit auf einen großen Gewinn verzichtet, der mit geringer Wahrscheinlichkeit eintritt. Das Paradebeispiel ist der Lottospieler, der wider besseres Wissen jede Woche von Neuem spielt.

    Im Standard-Urlauberdilemma ist der Anreiz offensichtlich groß genug (der Bonus klein genug), sodass viele Leute das Maximum spielen: 55% in der Virginiastudie und selbst unter Spieltheoretikern (Hohenheimer Versuch) fast 20% (plus fast 50 % Werte zwischen 95 und 99).

    3. Die "vollkommen rationale" Strategie à la Hofstadter führt ebenfalls auf den Wert 100. Wie Sie erwähnen, führte sein Experiment zu (lediglich) 30% Teilnehmern, die dieser Strategie folgten, und wenn ich mich richtig erinnere, hat kein einziger von ihnen die korrekte Begründung dafür gegeben.

    Allerdings würde ich dieses Ergebnis positiver werten als Sie: Wenn ich die Maximalstrategie unter diesen Umständen spiele und annehme, dass die übrigen 70% eine nach Ihrem Artikel nahezu optimale Strategie spielen (Auszahlung ca. 94.5), bekomme ich als Auszahlung (3 * 5.5 - 7 * 2) / 10 = 0.25 mehr als sie (5.5 = 100 - 94.5). Unter den Spieltheoretikern würde ich Verlust machen, unter den Teilnehmern der Virginiastudie einen erheblich höheren Gewinn.

    Da diese Strategie aber nicht mit der Irrationalität der Mitspieler rechnet, ist sie zweifellos riskanter. Eine kleine Modifikation ist daher möglicherweise erfolgreicher: Ich spiele mit gewissen Wahrscheinlichkeiten 99 oder 100. Bei gleicher Gewichtung senkt das meine Auszahlung um 0.75 (gegen die identische Strategie beträgt meine Auszahlung in den vier gleich wahrscheinlichen Fällen 101, 100, 99 und 97, das macht im Erwartungswert 99.25). Verglichen mit den 94.5 ist das wenig Verlust. Eine höhere Gewichtung für 99 macht die Strategie agressiver, eine niedrigere macht sie kooperativer. Aggressiv gewinnt zwar gegen kooperativ, macht aber gegen gleiche Strategie mein Ergebnis schlechter.

    Die zunächst naheliegende Idee, 98 mit einzubeziehen, würde wieder auf die Iteration nach unten führen und muss daher verworfen werden. Außerdem kann ich mit 98 bestenfalls 100 erzielen, also auf keinen Fall einen höheren Gewinn erzielen.

    4. Leser M. Rummey wies darauf hin, dass das Verhalten der Spieler auch davon abhängt, wie sie ihre Mitspieler charakterlich einschätzen bzw. meinen, von ihnen eingeschätzt zu werden. In einem unbeeinflussten Umfeld würde ich jederzeit eine der unter 3. geschilderten Strategien spielen (wahrscheinlich 99). Würde allerdings "Spektrum der Wissenschaft" jetzt ein Turnier ansetzen, hätte ich Bedenken. Schließlich haben Sie sich ziemlich klar gegen Kooperation ausgesprochen (als sinnvolle Strategie), und für die meisten Leser dürften Sie als Autorität gelten, der sie folgen. Damit dürfte die Anzahl der Kooperationswilligen deutlich unter 30% liegen.

    Interessant wäre es, zwei Turniere zu spielen: Eines nach heutigen Voraussetzungen, ein zweites, in dem Sie eine Kooperationsstrategie befürworten.


    Es gäbe noch einiges mehr dazu zu sagen, über soziale Kontrolle, Fairness, die Erwartung oder Befürchtung, bei einem Gegenspieler möglicherweise doch eine Gelegenheit zur Revanche zu erhalten oder sie ihm geben zu müssen, usw. Aber das würde hier zu weit führen.

    Stellungnahme der Redaktion

    Das mit der Autorität höre ich gerne (glaube ich aber nicht wirklich – ich habe eher den Eindruck, unsere Leser ziehen es vor, selber zu denken). Aber dass ich mich gegen Kooperation ausgesprochen hätte? Bestimmt nicht, und Herr Basu schon gar nicht! Was ist herausgekommen? Nichtkooperativität im Urlauberdilemma ist im Effekt selbstschädigend und wird weitgehend nicht praktiziert, auch von professionellen Spieltheoretikern nicht. Das nenne ich nicht eine Empfehlung zur Nichtkooperativität. Sie ist halt rational im Sinne der Spieltheorie, und da ist das Problem. Aber das ist eher ein Problem der Spieltheorie.



    Es sieht so aus, als hätte das von Ihnen vorgeschlagene zweite Turnier bereits stattgefunden, und zwar in Form des Preisausschreibens in der vergangenen Juli-Ausgabe. Die dort erzählte blumige Geschichte ("Ein romantischer Abend zu zweit") legt Kooperation nahe, und ein unerwartet hoher Anteil der Teilnehmer ist dieser Idee gefolgt. Lesen Sie demnächst die Auswertung in der Februarausgabe.



    Christoph Pöppe




    Wahrscheinlich habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt: Unter "kooperativer Strategie" verstand ich hier ausschließlich die Wahl 100. Und die haben Sie in Ihrem Artikel doch wirklich nicht favorisiert.

    Klaus Kretschel


    Stimmt. Christoph Pöppe

  • Autobahnbrücke durch Dresden

    16.01.2008, Andreas Werner
    Sie treffen mit Ihrem Artikel den Nagel auf den Kopf. Was in Dresden geschieht, spottet jeder Beschreibung. Ohne Rücksicht auf Verlust des Weltkultur- und Weltnaturerbes und ohne die Entscheidungen von 21 Verfahren in der Hauptsache abzuwarten, werden Tatsachen geschaffen, Hunderte von Bäumen abgeholzt, und das Weltnaturerbe an seiner sensibelsten, d.h. breitesten Stelle zerstört. "Für das Welterbe kann man sich nichts kaufen", so die FDP Dresden. Was vor kurzem Dirk Niebel/FDP der Bundesregierung vorgeworfen hat, findet sich genau so in Dresden: Seilschaften wie zu DDR-Zeiten, Hand in Hand jedoch mit Lobbyisten der Autoindustrie. Hier geht Unglaubliches vor sich. Bitte berichten Sie weiter aus Dresden!
  • Den Teufel spürt das Völkchen nie...

    15.01.2008, Dr. Andreas Heertsch, Arlesheim/CH
    ...und wenn er sie beim Kragen hätte“ (1)

    Der Physiker und Publizist Martin Urban läuft in seinem Essay „Die Kunst, den Zweifel auszuhalten“ Sturm gegen die Gläubigen und Fundamentalisten. Seine genüsslich ausgeteilte Häme übersieht allerdings einen weiteren, zentralen Fundamentalismus: Den Physiker Urban selbst, der _glaubt_, dass „eine nichtmaterielle, geistige Entität die materiellen Prozesse in unserem Gehirn“ nicht beeinflussen könne. Dieser Glaube an einen monistischen Materialismus ist selbstreferenziell: „Glaubet, so werdet ihr finden.“
    Könnte er sich das eigene Bewusstsein zum Erfahrungsfeld der Beobachtung machen, so würde er entdecken, dass er sein Gehirn nur als _Spiegel_ benutzt, um sich des Geistigen im Alltagsbewusstsein bewusst zu werden. Ehe dieses Feld jedoch zugänglich wird, muss sich _gerade_ der Wissenschaftler erst einmal mit vielen eigenen Ängsten auseinandersetzen(2). Beispielsweise mit dem Vorurteil, dass alles, was sich im eigenen Bewusstsein abspielt, subjektiv sei. Wer das nicht zulassen kann, der wird nur finden, dass es nichts zu finden gibt.

    „die Kunst, den Zweifel auszuhalten“ist also - wer hätte es gedacht? - beliebig vertiefbar.

    (1) Goethe, Joh. Wolfgang v.; "Faust I", Auerbachs Keller
    (2) Heertsch, Andreas; Geistige Erfahrung im Alltag, Stuttgart 2007, Kap. "Die Angst des Wissenschaftlers vor der Imagination"
  • Die Macht des Schicksals

    15.01.2008, Bernd Krause
    Glaubt die Menschheit eigentlich immer noch, dass sie unsterblich ist? Was ist an den Veränderungen des irdischen Klimas so "beunruhigend", außer dass die Species Mensch bedroht ist? Millionen von Tierarten sind bereits ausgestorben, weil sie den Veränderungen des Planeten Erde nicht gewachsen waren - und Millionen werden ihnen noch folgen. Der Mensch wird eine davon sein. Oder sind Kontinentaldrift und kontinuierliche klimatische Veränderungen seit dem Erscheinen des Homo sapiens sapiens auf dem "Blauen Planeten" etwa zum Stillstand gekommen...?
    Liebe Menschheit, finde Dich doch endlich damit ab, dass Du sterblich bist!
  • Iteriertes Urlauberdilemma

    14.01.2008, Klaus Kretschel, Alling
    Da ich die Artikel erst jetzt gelesen habe, konnte ich leider nicht früher dazu beitragen. Christoph Pöppe fasst schön die Leserbriefe zusammen (die zum großen Teil auch meine Einwände wiederspiegeln), kommt dann aber wie auch einige Leser zu einem Ergebnis, über das ich mich sehr wundern muss und das in dieser Allgemeinheit falsch ist.

    Kurz ausgedrückt schreibt er, dass "Unberechenbarkeit rational ist" und die optimale Strategie eine Zufallsauswahl mit hohem Gewicht auf Zahlen zwischen ca. 90 – 95 ist, die einen Erwartungswert von gut 94 ergibt. Wieso ist niemandem aufgefallen, dass diese Aussage allen Untersuchungen der letzten Jahrzehnte zum Gefangenendilemma widerspricht? Danach muss eine erfolgreiche Strategie kooperativ, berechenbar und rachsüchtig sein. Das einfachste Beispiel, das sich in vielen Untersuchungen als sehr robust und erfolgreich erwiesen hat, ist "Tit for tat".

    Und wie sich nach kurzem Überlegen herausstellt, ist "Tit for tat" auch im iterierten Urlauberdilemma eine sehr gute, vielleicht sogar optimale Strategie. Sie beginnt mit 100 und spielt dann immer die Zahl, die der Mitspieler im letzten Zug gemacht hat. Jeder halbwegs intelligente Mitspieler wird sie nach wenigen Zügen erkennen und feststellen, dass er mit jeder Abweichung von der Kooperation 100 seinen Erwartungswert verringert. Somit erzielt sie gegen "rationale" Mitspieler einen Erwartungswert, der mit der Spieldauer asymptotisch gegen 100 geht.

    Selbstverständlich lässt sich leicht ein "Anti tit for tat" angeben, das gegen "Tit for tat" immer gewinnt, mit einem mittleren Vorsprung von etwa 3,9. Nur sinkt bei Anwendung dieser Strategie der eigene Erwartungswert leider auf ca. 52, und das ist nun mal nicht der Sinn der Sache. Mehr noch: Je größer man den mittleren Vorsprung wählt, desto kleiner wird der eigene Erwartungswert. (Einzelheiten erspare ich mir, lässt sich leicht nachrechnen. Auch Zufallsstrategien können gegen "Tit for tat" nur schlechtere Ergebnisse als "asymptotisch gegen 100" erreichen.)

    Fazit: "Tit for tat" zwingt seinen Mitspieler gewissermaßen zur Kooperation; nur destruktive Strategien können seinen Erfolg verhindern.

    Wie konnte Christoph Pöppe das entgehen? Ich vermute, er hat eine implizite Voraussetzung gemacht, die in der Realität nicht zutrifft, nämlich dass die Mitspieler kein Gedächtnis haben und die einzelnen Spielzüge damit voneinander unabhängig sind (auch sein letztes Beispiel "...immer 95" deutet darauf hin). In der Spieltheorie wird diese Voraussetzung m. W. häufig gemacht; hier ist sie aber falsch. Ein vollkommen rationaler Mitspieler ist kein Würfel, sondern hat ein Gedächtnis, und wenn das bereits im Gefangenendilemma berücksichtigt wurde, warum dann hier nicht?
    Stellungnahme der Redaktion

    Meine vermeintliche Denkblockade findet eine einfache Auflösung: Es geht nicht um das iterierte Urlauberdilemma, sondern um das Urlauberdilemma schlechthin! Die beiden Urlaubsreisenden haben sich zuvor nie gesehen und sehen sich hinterher nie wieder. Keiner von beiden hat einen Anlass, einen Vertrauensvorschuss zu geben, der sich später vielleicht auszahlt: Es gibt kein Später.



    Aber da findet doch eine Iteration statt, nämlich die iterierte Elimination dominierter Strategien? Schon – aber die spielt sich gänzlich im Kopf der Beteiligten ab. Es gibt nicht etwa mehrere Runden des Urlauberdilemmas.



    Was Sie über das iterierte Urlauberdilemma schreiben, bin ich bereit, Ihnen auf der Stelle zu glauben. Das Urlauberdilemma ist ja ein bis ins Absurde erweitertes Gefangenendilemma; da verwundert es nicht, dass die iterierten Versionen eine gewisse Ähnlichkeit miteinander haben, bis hin zu Tit for Tat als der kanonischen Strategie.



    Christoph Pöppe

  • Kernaussage nicht schlüssig

    13.01.2008, Dr. Reinhard Born, Immenstaad
    Der Autor zeichnet ein sehr undifferenziertes Bild von gläubigen (=naiven) Menschen und Wissenschaftlern (=Intellektuelle). Auch Menschen, die an einen Gott glauben, denken nach und leben im Zweifel! Insofern halte ich die Kernaussage des Aufsatzes (Menschen glauben, weil sie sonst die Ungewissheit ihres Daseins nicht ertragen), für nicht schlüssig. Könnte es vielmehr sein, dass der Mensch, der ja ein irrationales Wesen ist, die aus der Ratio hergeleiteten Erkenntnisse als nicht so bedeutend einstuft, wie Wissenschaftler annehmen? Schließlich hilft dem sinnsuchenden Menschen weder eine Stringtheorie zur Erklärung des Ursprungs, noch die Erkenntnis, dass wir nur ein unsinniges Zufallsprodukt sind. Der Trend zu mehr Religiosität könnte bedeuten, dass die Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnis, seit der Aufklärung höchstes Ziel menschlichen Strebens, nicht mehr absolut als solches angesehen wird!
  • Mit der Farbe verbunden

    11.01.2008, Patricia Meier
    Diese Phänomene sind für Nicht-Synästhetiker schwer vorstellbar. Die Empfindungen sind wohl auch nicht bei allen gleich oder gleich stark.

    Meine Erfahrung zeigt, dass die Buchstaben nicht direkt eingefärbt erscheinen, also nicht aus dem Text hervorstechen, sondern mit einer bestimmten Farbe verbunden sind. Eher vergleichbar mit einem Wort, das automatisch mit einem Bild assoziiert wird (z.B. Paris mit seinem Wahrzeichen, da sieht man im Text nicht statt des Wortes ein Bildchen, das den Eiffelturm zeigt)

    Deshalb überraschen mich die Resultate der Studie nicht im geringsten.

    Gruß
    P. Meier
  • Zweifel aushalten oder beseitigen

    11.01.2008, Ronald Sinda Wessobrunn
    Es stimmt, dass es scheinbar ein Problem ist, Wahrheit zu definieren. Wie in dem Artikel schon erwähnt, fragte schon Pontius Pilatus damals hoch philosophisch, „Was ist Wahrheit?“ Und in der Tat, auf diese Frage alleine, gibt es keine schnelle Antwort. Ähnlich, wenn 10 Personen mit unterschiedlich langen Hölzern behaupten, für sie hat dieses Holz die richtige Länge. Vergleichbar ist es mit dem Begriff Religion. Viele haben eine Religion, die für „sie“ die beste ist. Ist das Wahr? Was soll man da Zweifeln? Eindeutiger wird es allerdings, wenn man sich auf etwas bezieht, z.B. die 10 Personen, auf das metrische System. Jeder sagt, sein Holzstab ist genau 1m lang. Da alle Stäbe unterschiedlich lang sind, sind Zweifel an dem Wahrheitsgehalt natürlich angebracht. Sobald man sich aber auf etwas bezieht, ist es möglich herauszufinden wer diesem Bezugssystem, der Wahrheit, am nächsten kommt. Das bedeutet natürlich, mit dem Bezugssystem sehr gut vertraut zu sein oder zu werden. Wenn sich z.B. eine Kirche auf die Bibel bezieht, ist mit einer genauen Erkenntnis derselben überprüfbar, wer sich daran hält oder wer nicht. Wer an deren Früchten erkennbar ist, hat diese Wahrheit. Die Bibel verlangt nicht blind, ohne Zweifel zu glauben. (Der „Witz“ in dem Artikel, von dem Rabbi der nicht lügen kann, ist nicht lustig, da jeder der das liest, sich freut, ein Paradoxon entdeckt zu haben. Damit wird aber der Rabbi automatisch zu einem Lügner verurteilt ohne dabei die fundamentalsten Regeln der Wahrheitsfindung anzuwenden.) Hier in der Bergpredigt Mat 7:16-20 wird diese der Wahrheitsfindung dienliche Regelschleife beschrieben. Wer kennt aber die Bibel schon so gut, um sie so anwenden zu können? Ob die Bibel nun selbst die Wahrheit enthält, ist wieder ein anderes Thema. Warum sagt z.B. Jesus in Mat 11:25 „Ich preise dich öffentlich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du diese Dinge vor den Weisen und Intellektuellen verborgen und sie Unmündigen geoffenbart hast.” Es ist also nicht leicht und nicht nur mit Mühe verbunden zu entscheiden, wo Zweifel angebracht sind oder wo man lernen und vertrauen sollte. Das bedeutet, nicht leichtgläubig zu sein. Scheinbar ist diese Fähigkeit nicht alleine den Weisen und Intellektuellen gegeben. Man braucht daher nicht in zwei Welten leben. Sonst muss man in seinem Leben immer den Zweifel aushalten, ob es nicht doch eine Wahrheit gibt. Ich denke, es sollte einen Artikel geben, nicht mit dem Titel „Die Kunst den Zweifel auszuhalten“ sondern, „Die Kunst zu erkennen, wann Zweifel vernünftig sind und wann man aktiv werden soll.“ Wenn sich jemand diese Mühe gemacht hat, mit dem ist natürlich keine „Diskussion“ mehr darüber möglich, das ist richtig, aber zu jeder Zeit eine Disputation.


  • Ideologen kreisen um sich selbst

    10.01.2008, Reiner Vogels, Swisttal-Odendorf
    Die Antwort von Martin Urban auf den Leserbrief von Heinz-Dieter Zutz ist wie auch sein Artikel selbst schon ein klassisches Beispiel dafür, dass manche ideologisch fixierten Religionskritiker und Atheisten nur um sich selbst kreisen und den kritischen Dialog mit Andersdenkenden scheuen. Offensichtlich hindern Ängste sie daran, sich den Argumenten ihrer Kritiker zu stellen. In einer Art letztlich nur psychologisch zu erklärenden Projektion werfen sie dann den von Ihnen als "Fundamentalsten" beschimpften Andersdenkenden vor, mit ihnen könne man nicht diskutieren, ja ein Dialog mit ihnen sei geradezu gefährlich.

    Diese Haltung führt dazu, das sie am Ende nur noch um sich selbst kreisen, nur noch mit denen sprechen, die ihre Ansichten teilen, und sich in ihren Gesprächen mit Gleichgesinnten nur noch gegenseitig bestätigen, wie klug sie doch seien und wie naiv, irrational oder unaufgeklärt die anderen.

    Solche Gesprächszirkel verkommen am Ende zu reinen In-group-Veranstaltungen, deren einziger Effekt auf Außenstehende die Erzeugung totaler Langeweile ist. Religionssoziologisch entwickeln sie sich zu sektiererischen Kleingruppen am Rande der Gesellschaft.

    Ich kann "Spektrum der Wissenschaft" nur davor warnen, sich zu einem publizistischen Forum für derartige In-group-Zirkel zu machen. Es kann ja nicht im Interesse der Redaktion liegen, im Wettbewerb um die langweiligste Zeitschrift der Welt einen der vorderen Plätze zu belegen.

    Wir Christen werden zwar offen sein für ernsthafte Gesprächsangebote, wir werden uns aber keinen Gesprächen aufdrängen und uns schon gar nicht in die In-group-Zirkel der Ideologen hineinzudrängen versuchen. Statt dessen werden wir weiter unsere Gemeinden aufbauen und die Ideologen sich selbst überlassen. Die christlichen Kirchen haben in den 2000 Jahren ihrer Geschichte bisher immer siegreich am Grabe ihrer Gegner gestanden. Sie werden auch die Sekten der Atheisten und fundamentalistischen Religionskritiker überleben.

    Als Nietzsches Zarathustra vom Berg herabstieg und im Wald einen Menschen traf, der von sich sagte, dass er Gott lobe, wunderte er sich, dass dieser Mensch so hinterwäldlerisch sei, dass er noch nicht begriffen habe, dass Gott tot sei. Wenn ich heute die religionskritischen Beiträge im Spektrum der Wissenschaft lese, wundere ich mich, das es immer noch gebildete Zeitgenossen gibt, die es noch nicht mitbekommen haben, dass der Atheismus längst tot ist.
  • Fundamentalismus bekämpfen

    10.01.2008, Heinz-Dieter Zutz, Bielefeld
    Jeden Satz dieses Artikels kann man unterstreichen, doch Martin Urban geht in seinen Überlegungen nicht weit genug. Anknüpfen möchte ich an die Bemerkung, Fundamentalisten könne man nicht überzeugen. Das ist richtig, aber trotzdem sollte man bei jeder Gelegenheit die Auseinandersetzung mit ihnen suchen, denn es gibt immer Zuhörer und die können vielleicht überzeugt werden. Bei jüngeren Zuhörern können Zweifel an dem religiösen Absolutheitsanspruch gesät werden und das ist der Anfang kritischer Reflexion.

    Zu der Frage, wie sich Ideologien in Gehirne einbetonieren können, möchte ich folgende Hypothese wagen: Eng verbunden mit dem Fundamentalismus ist die Verdammung der Sexualität. Kinder, die in einer sexual-feindlichen Atmosphäre aufwachsen, werden verunsichert, wenn sie ihre eigene Sexualität entdecken und halten sie für eine Krankheit, die nur sie allein betrifft. Das natürliche Schamgefühl wird auf alles Geschlechtliche fixiert. Schamgefühl haben alle Menschen, wenn sie gegen die Regeln der Gemeinschaft verstoßen. Aber nur bei Fundamentalisten ist sie auf Nacktheit und Sexualität bezogen.

    Fundamentalisten wollen ihre Kinder dem öffentlichen Erziehungssystem entziehen, weil dort eine gewisse Freiheit herrscht. Nicht nur im Religions- und Biologieunterricht werden andere Inhalte angeboten, als diese Leute verlangen, sondern vor allem auch beim Sport- und Schwimmunterricht, weil man da freizügig mit seinem Körper umgeht. Bei Fundamentalisten wird die Sexualität nicht nur tabuisiert, sondern verteufelt. Die Kinder werden mit dieser Methode emotional so lange gezwickt und beschnitten, bis nur noch Bonsai-Menschen übrig bleiben und das ist die nächste Generation der Fundamentalisten.

    Für den Fundamentalismus ist die Verdammung der Sexualität sehr wichtig, denn wenn es gelingt, die Sexualität eines Menschen zu unterdrücken, dann ist er auch bereit, religiöse und politische Bevormundung zu akzeptieren. Fundamentalismus ist nicht nur verbunden mit Intoleranz, sondern auch extrem feindlich der Freiheit im Denken und im Handeln gegenüber. Das kann man auch in der Politik nachweisen: Politische Unfreiheit ist sehr oft mit der Unterdrückung der Sexualität verknüpft.

    Aber die Indoktrination von Kindern kennt noch viele andere Formen. Wer den Dokumentarfilm „Jesus Camp“ über ein evangelikiales Sommerlager in den USA gesehen hat, weiß wie Kinder durch religiöse Gruppen missbraucht werden können. Da werden Parolen eingehämmert und junge Menschen zu blinden Kämpfern für das Christentum herangezüchtet. Diese Methode kommt einer Vergewaltigung gleich.

    Eine andere Variante des Fundamentalismus ist das Intelligent Design, eine Ideologie, die sich wissenschaftlich verkleidet, aber genau das Gegenteil beabsichtigt. Jede Wissenschaft muss die eigenen, bisher erarbeiteten Positionen immer wieder kritisch beleuchten und überdenken. Mit solchen Fragestellungen werden neue Fenster aufgestoßen, durch die man in die Richtung schauen kann, in der sich Wissenschaft weiter- entwickeln muss. Diese Kritik ist wichtig und richtig, doch sie stellt die Erkenntnisse der bisherigen Wissenschaft nicht grundsätzlich in Frage.

    Die Apologeten des Intelligent Design übernehmen solche Fragestellungen und behaupten, durch sie würde die gesamte Biologie, besonders die Evolutionslehre, aber auch Physik, Astronomie, Paläontologie und Archäologie widerlegt. Über diese Art der Scheinwissenschaft könnte man eigentlich lächeln, doch diese Leute sind von missionarischem Eifer erfüllt und wollen allen Menschen ihre fundamentalistisch-christliche Brille mit Scheuklappen verpassen. Es darf eigentlich nicht schwer fallen, solche Machenschaften als Pseudowissenschaft zu entlarven. Man muss nur die Energie aufbringen, sich der Diskussion zu stellen.

    Das Weltbild der Kreationisten erscheint den meisten Menschen als lächerlich, doch sie meinen es todernst. Wenn man unsere Welt betrachtet, haben in vielen Bereichen die Fundamentalisten das Sagen und bestimmen die Weltpolitik weit gehend. Präsident Bush ist Fundamentalist und er hat verkündet, er wolle einen Kreuzzug gegen den Islam führen. Weil er sehr scharfe Kritik von allen Seiten geerntet hat, wurde dieser Satz nicht wiederholt, aber seine Politik ist die eines Kreuzzugs geblieben. Obwohl die christlichen Fundamentalisten nur eine verschwindend kleine Minderheit sind, ist ihr Einfluss enorm und sie versuchen, im Namen aller Christen zu sprechen und zu handeln.

    Der christliche Fundamentalismus ist zurzeit mit dem jüdischen Fundamentalismus verbündet. In Israel herrschen nach wie vor die Kräfte, die 1995 Jitzchak Rabin ermordet haben, weil er eine Politik der Aussöhnung und des Friedens eingeleitet hat. 1994 erhielt Rabin gemeinsam mit seinem damaligen Außenminister Schimon Peres und dem damaligen Chef der palästinensischen Autonomiegebiete, Jassir Arafat, den Friedensnobelpreis. Nach dem Mord ist die israelische Friedenspolitik gegenüber den Palästinensern nicht weiter geführt worden. Die Mörder sind zwar verurteilt worden, doch der bestehende Konflikt wird immer weiter angeheizt - mit dem Hinweis auf den islamischen Fundamentalismus.

    Der islamische Fundamentalismus ist seit der Gründung des Islam eine bedeutende Kraft und erhält in jüngster Zeit immer mehr Zulauf. Der Krieg der USA und Israels gegen islamische Länder hat den Islamismus nur gestärkt. Die Selbstmordattentäter werden von ihren Glaubensbrüdern als Märtyrer angesehen. Das ist wie mit der Hydra, der 7 Köpfe nachwachsen, wenn man einen abschlägt. Mit militärischen Mitteln kann man dem islamischen Fundamentalismus nicht beikommen, es sei denn, man setzt Atomwaffen ein. Die Götter der Juden, Christen und Moslems mögen das verhindern. An dieser Stelle wird die Absurdität der gesamten Situation klar, denn eigentlich handelt es sich nur um ein und denselben Gott für den angeblich alle Fundamentalisten kämpfen.

    Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass es Märtyrer in der Anfangszeit des Christentums waren, die mit ihrem Opfer das Christentum vorangebracht haben. Viele Christen wurden im Römischen Reich verfolgt und den Löwen vorgeworfen. Die Märtyrer waren große Vorbilder, denen viele nacheiferten. Danach ging das Christentum gestärkt aus den Verfolgungen hervor, sodass Kaiser Constantin sich genötigt sah, es zur Staatsreligion zu machen, obwohl er selbst bis zu seinem Sterbebett Heide blieb.

    Wichtig für uns alle ist, dass der Fundamentalismus bekämpft wird, nicht nur der islamische. Der Kampf in der christlichen Welt muss von den Christen geführt werden. Die Juden müssen überall auf der Welt, wo sie leben, den jüdischen Fundamentalismus bekämpfen, anstatt sich mit den friedensfeindlichen Kräften zu solidarisieren. Allen, die den Krieg mit dem Islam für unausweichlich ansehen, kann man nur zurufen: Wenn nur ein Zehntel des Geldes, dass für den Krieg ausgegeben wird, in den Frieden investiert würde, wäre der Frieden zu erreichen. Die friedfertigen Kräfte im Islam müssen gestärkt werden. Dann wird es auch den friedlich gesinnten Moslems gelingen, die Kämpfer für den Islam zurückzudrängen.
    Stellungnahme der Redaktion

    Antwort des Autors Martin Urban:


    Anders als Herr Zutz, bin ich gegen die öffentliche Auseinandersetzung der Naiven mit den Ewiggestrigen. Denn es ist ein strategisches Ziel der Kreationisten in den USA, etwa aus der Kaderschmiede „Discovery Institute“ in Seattle, sowie mittlerweile auch ihrer Helfer in der Bundesrepublik, die Schöpfungslehre als gleichberechtigt mit der wissenschaftlichen Evolutionstheorie im Unterricht zu verankern. Wer den Repräsentanten der protestantischen Fundamentalisten ein Forum gibt, bringt sie diesem Ziel näher. Die evangelische und die katholische Kirchengemeinde in meinem Wohnort, Gauting bei München, zum Beispiel haben gerade zu einem „Ökumenischen Seminar Schöpfung vs. Evolution“ Ende Januar 2008 eingeladen, bei dem eben das passiert. Der als Repräsentant der Kreationisten Geladene, übrigens ein Professor an der TU München, gehörte selbst dem Discovery Institute eine Zeitl ang an. Fundamentalisten kennen keinen Zweifel, wohl aber, solange diese noch nicht total verbogen sind, ihre heranwachsenden Kinder. Deshalb muss der Staat dafür sorgen, dass die gesetzliche allgemeine Schulpflicht auch durchgesetzt wird, was mittlerweile in Deutschland zunehmend nicht mehr der Fall ist.
    Zutz hat im übrigen Recht, das Machtinstrument der Kirchen ist die Sexualmoral. Das verwundert nicht, wenn man, wie die katholische Kirche, ihr Bodenpersonal im Zölibat leben lässt. Die Körperfeindlichkeit hat eine alte christliche Tradition, insbesondere auch bei den evangelischen Fundamentalisten. Herr Zutz hat ebenfalls Recht, wenn er beschreibt, dass sich der Fundamentalismus nicht nur im Christentum, sondern gleicherweise im Judentum wie im Islam findet. Relikte aus einer archaischen, patriarchalischen Welt. Ich betone allerdings in meinen Büchern, dass es unsere Aufgabe ist, uns mit unserem, dem christlichen Fundamentalismus im intellektuellen Disput auseinanderzusetzen, und nicht, wie immer häufiger Politiker und Repräsentanten der Kirchen dies tun, mit dem Finger auf die fundamentalistischen Muslime zu zeigen. Mir geht es nicht allein um eine verquere Sexualmoral. Vielmehr vor allem darum, die Bibel und die christlichen Rituale, insbesondere die Deutung des Todes Jesu und den Opferkult des Abendmahls, historisch-kritisch und zugleich auch mit dem Wissen der Naturwissenschaften zu analysieren. Das tun die Fach-Theologen mit ihren Mitteln natürlich längst, wenn auch meist sehr vorsichtig, insbesondere wenn sie katholisch sind. Aber die Kirchen tun dies nicht, sie nehmen diese Erkenntnisse nicht auf, und von den Naturwissenschaften verstehen sie und auch die Theologen im Allgemeinen ohnedies nichts. Unaufgeklärte Christen aber können, das ist die Erfahrung der letzten Jahre in den USA, zu einer Gefahr für die Demokratie werden. Eben davor hat im Oktober 2007 der Europarat in einer Resolution die Europäer und speziell die Deutschen ausdrücklich gewarnt.

    Martin Urban, im Januar 2008

  • Wem zum Vorteil?

    09.01.2008, Ing. Peter Sinnl
    CUI BONO - diese Frage sollte man bei allen Aktivitäten in der menschlichen Gesellschaft voranstellen.
    Wenn man den Nutzen von Handlungen dem "Problem-Lösung-System" Mensch unterstellt, dann finden sich viele Handlungsweisen sinngerecht - richtig oder unrichtig - in den Ablauf von Organisationen/Institutionen eingebettet. So wird's aber nicht erklärt: Man stellt immer den allgemeinen Nutzen voran, sozusagen als Ideologie - die hilft aber den Hilfsbedürftigen in den seltensten Fällen (vielleicht zufällig).
    Es ist, als würde man Einzelschicksale generalisieren.
    Jede Hierarchie dient vornehmlich der Erhaltung ihrer selbst - dazu beutet sie ihre Individualitäten aus - von oben nach unten in zunehmendem Maß.
    In anarchischen Systemen findet das ebenso statt; nur sind die Netzwerke nicht offen gelegt.

    Religionsgemeinschaften sind die letzten absolutistischen Feudalsysteme - manche tragen sogar totalitäre Züge.

    Die Frage nach der Wahrheit ist bestimmt durch die "Wirklichkeit" im konstruktivistischen Sinn. Sie ist individuell ebenso wie die akzeptierten Antworten. Man kann sie jedenfalls nicht statistisch ermitteln, noch in so genannten "Gesetzen" definieren. Aber man kann den Transfer durch ein höchstmögliches Maß an Ehrlichkeit und Selbsterkenntnis verbessern.

  • Genau elf Jahre?

    08.01.2008, Liane Mayer
    Man hört die ganze Zeit überall, der Sonnenfleckenzyklus würde 11 Jahre dauern (bzw. 22, wenn man die Polarität berücksichtigt).
    Aber wäre das nicht ein erstaunlicher Zufall, wenn es wirklich genau 11 (22) Jahre wären? Die Sonne "weiß" ja vermutlich nicht, wie lange die Erde für eine Runde um sie braucht und hätte wohl auch keinen Anlass, sich irgendwie danach zu richten.

    Ich würde daher eher erwarten, dass ein Zyklus vielleicht 11,35 oder 10,82 Jahre dauert, oder sonst irgendeinen nicht ganzzahligen Wert.
    Ist das so und es wird nur immer gerundet, oder tritt wirklich der oben beschriebene unwahrscheinliche Fall ein? Oder weiß man es gar nicht genau?
    Stellungnahme der Redaktion



    Sehr geehrte Frau Mayer,



    im Durchschnitt dauert ein Sonnenfleckenzyklus etwa elf Jahre, wobei aber Schwankungen von mehreren Monaten möglich sind. So trafen sich im April 2007 Astronomen zum Austausch ihrer neuen Daten. Das Fazit der Tagung: Der neue Zyklus sollte im März 2008 beginnen - plus oder minus sechs Monate.



    Mit freundlichen Grüßen

    Maike Pollmann

  • Bewusstsein, Datenverarbeitung mit Hilfe geeigneter Sensorik

    08.01.2008, Dr. Jan Neumann
    Bei der Diskussion um die Entstehung von Bewusstsein vermisse ich bisher die Auseinandersetzung mit den Bewusstseinsinhalten. Sich einer Sache, Person oder sonst irgendetwas bewusst zu sein, bedeutet doch, es in einen assoziativen Kontext zu stellen. Das wiederum bedarf eines gewissen "Wiedererkennungswertes" der Bewusstseinsinhalte und damit einer Modellvorstellung. Selbst das Bewusstsein über sich selbst kommt nicht ohne eine Modellvorstellung aus. Ein Kleinkind lernt erst im Laufe seiner ersten Lebensmonate mit Hilfe von Sinneseindrücken, welche Körperteile originärer Bestandteil seiner selbst sind.
    Diese Überlegung führt sofort zur nächsten These: Bewusstsein bedarf der Kommunikation mit der Außenwelt über Sinnesorgane. Ohne die Reize von Sinnesorganen gibt es kein "Wiedererkennen" und damit keinen Kontext, in den mein Bewusstsein etwas einordnen könnte. Auch ein noch so komplexer Computer, der nicht über "Sinnesorgane" verfügt, wird nicht in der Lage sein, sich ein Modell über sich selbst - oder etwas anderes - zu schaffen, wessen er dann bewusst werden könnte. Meiner eigenen Körperlichkeit werde ich mir dadurch bewusst, dass ständig Druck-, Schmerz-, Kälte- und Wärmereize u.s.w., die aus meinem Körper stammen, auf mein Gehirn einströmen. Das Gehirn selbst entzieht sich diesem körperlichen Empfinden, was die Beschäftigung mit seinen inneren Strukturen ohne die Hilfe unserer Sinnesorgane, über die wir es naturwissenschaftlichen Experimenten "von außen" unterwerfen können, unmöglich macht.
    Ich wage deshalb die Umformulierung von Descartes These: "Ich denke, also bin ich" in "Ich fühle, also bin ich".
    Die Frage, ob Bewusstsein durch "Hardware" repräsentiert wird, wie es Koch präferiert, oder durch Software, die mal in diesem, mal in jenem Bereich des Computers Gehirn abläuft, wie Frau Greenfield postuliert, lässt sich sicher irgendwann durch verfeinerte Experimente entscheiden, die die mechanistischen Vorgänge im Gehirn noch besser sichtbar machen als bisher.
    Für Frau Greenfields These spricht die ihrem Modell innewohnende größere Flexiblität und der damit einhergehende geringere notwendige Hardwareaufwand, was es wesentlich kleineren Gehirnen als dem menschlichen schon ermöglichen sollte, bewusstseinsähnliche Prozesse zu entwickeln, was evolutionär nur Vorteile bringen kann.
    Insgesamt scheint mir Bewusstsein kein qualitatives Merkmal zu sein, das vorhanden ist oder nicht, sondern eine quantiative Eigenschaft komplexer Datenverarbeitung in Verbindung mit geeigneter Sensorik.

  • Zur Rezension "unser kläglich Brot" von D. Lingenhöhl

    07.01.2008, J.Götz
    Sehr geehrter Herr Lingenhöhl,

    ich konnte das rezensierte Buch leider noch nicht lesen. Die von Ihnen verbreiteten Furcht, die alten Apfelsorten sterben aus, kann ich nicht ganz zustimmen. In meiner Nähe befindet sich die Genbank Obst in Sachsen. Dort hatte ich Gelegenheit, 1500 verschiedene Apfelsorten gleichzeitig ausgestellt zu sehen. Darunter sehr viele alte Sorten. Ich denke, die Wahrheit liegt wohl in der Mitte: Meine Familie bevorzugt eher Sorten vom Großhandel, ich selbst eine Mischung von alten und neuen Sorten. Was die Lagerfähigkeit anbetrifft, hängt das von den Sorten und den Bedingungen ab: Die letzten meiner eigenen Äpfel verzehren wir im April - vergleichbar mit industriell gelagerten. Leider wollen viele Kunden gutaussehendes billiges Obst. Gute Ware hat ihren Preis, die als "Bio-" oder "Ökoware" deklarierten Äpfel haben die versprochene Qualität meist nicht, doch den Preis.
  • So einfach war er nicht!

    06.01.2008, Dr. Hans Georg von Heydebreck, Hohenzollernstr. 24, 45128 Essen
    Voller Neugierde und mit großen Erwartungen las ich Robert Shapiros neuesten Artikel zum Thema „Ein einfacher Ursprung des Lebens“. Leider hält er nicht, was der Titel verspricht.

    Überzeugend wirkt zwar der Hinweis auf die extreme Unwahrscheinlichkeit der spontanen Entstehung einer ersten selbst replizierenden RNA mit dem Vergleich eines Golfballs, der ohne Golfspieler ganz von allein nur „unter der Einwirkung natürlicher Kräfte wie Erdbeben, Stürmen, Regengüssen und so weiter“ einen 18-Löcher Golfkurs absolviert.

    Der daraus gezogene Schluss, dass die RNA sich nicht zufällig „von allein“ gebildet haben kann, ist daher absolut nachvollziehbar. Nur leider leidet die von Shapiro vorgeschlagene Gegentheorie „Stoffwechsel zuerst“, wie Steven A. Benner in seinem Antwortkommentar richtig feststellt, unter demselben Problem. Dass sich Moleküle von allein bilden, die reaktiv genug sind, um an Stoffwechselreaktionen teilzunehmen, ohne sich gleich wieder zu zersetzen, ist genau so unwahrscheinlich. Es verwundert daher nicht, dass es bisher nicht gelungen ist, einen kompletten entsprechenden Zyklus in Gang zu bringen, oder zu zeigen, dass er sich selbst aufrecht erhalten und in einem Evolutionsprozess weiter entwickeln kann.

    Shapiro stellt folgerichtig am Schluß fest, dass „alle Szenarien zum nierdermolekularen Ursprung des Lebens also zugegebener Maßen hypothetisch“ bleiben.

    Wenn ein angesehener Biochemieprofessor am Ende eines langen Forscherlebens zu diesem Schluß kommt – und er steht mit dieser resignierenden Feststellung ja nicht allein - , so erhebt sich doch die Frage, warum nahezu die gesamte Naturwissenschaft es ablehnt, eine Planung, ein „intelligent Design“ bei der Entstehung des Lebens auch nur in Betracht zu ziehen.

    Der Biochemiker Michael J. Behe hat dazu schon in seinem 1996 in den USA erschienenen grundlegenden Buch „Darwin`s Blackbox“, das jetzt auch in deutscher Sprache vorliegt und auch die seitdem in der Wissenschaft zu dem Thema – leider im wesentlichen ergebnislos – geführte Diskussion in einem ergänzenden 12. Kapitel enthält, ausführlich Stellung genommen. Aus der Sicht eines Biochemikers, nicht eines Philosophen, hat er darauf hingewiesen, dass in der belebten Natur, insbesondere bei der Entstehung des Lebens, aber auch beim Aufbau bestimmter menschlicher oder tierischer Organe oder Prozesse wie zum Beispiel des Auges oder der Blutgerinnung bei Säugetieren, eine so genannte „irreduzible Komplexität“ vorliegt (ähnlich wie bei einer Mausefalle), die eine schrittweise evolutionäre Entwicklung zwar nicht unmöglich, aber ohne irgendeine Steuerung äußerst unwahrscheinlich macht. So unwahrscheinlich, wie der von Shapiro jetzt zitierte Golfball, der seinen Weg zum letzten Loch allein findet, und in einigen Fällen so unwahrscheinlich, dass nicht einmal die Milliarden Jahre, seitdem das Weltall nach dem neuesten Stand der Physik besteht, ausgereicht hätten, eine entsprechende „zufällig“ Entwicklung eintreten zu lassen. Daraus leitet er folgerichtig ab, dass ein „intelligent Design“ dahinter stehen muß, wie es uns ja bei allen menschlichen Produkten von der Mausefalle bis zum Computer geläufig ist.

    Leider scheint die „seriöse“ Wissenschaft eine derartige Erklärung zu scheuen wie der Teufel das Weihwasser! Dabei sind Shapiro und Behe doch gar nicht so weit auseinander. Beide konstatieren, dass ein Prozess irreduzibler Komplexität „von allein“, also durch ungeheuer viele kleine Schritte entstehen kann, dass dies aber ungeheuer unwahrscheinlich ist. Der einzige Unterschied ist der, dass Shapiro seit über 20 Jahren – und zwar jetzt doch schon deutlich resignierend, wie sein Artikel zeigt - auf ein erfolgreiches Experiment wartet, das die ungeheure Unwahrscheinlichkeit seiner Hypthesen verringert, während Behe – gewissermaßen mit dem gesunden Menschenverstand - davon ausgeht, dass ein planender Geist – er spricht nicht einmal von Gott oder dem Schöpfer – da sein muss, der diese Prozesse irreduzibler Komplexität ausgedacht und gesteuert haben muss, so dass sie zwar bis zu ihrer Realisierung immer noch viel mehr Zeit benötigten als alle vom Menschen erdachten Prozesse, aber eben doch in die uns aus der Geologie geläufigen erdgeschichtlichen Zeiträume hineinpassten. Man könnte auch sagen, dass sich Shapiro und Behe darin unterscheiden, dass letzterer ein „Corriger la fortune“ in der Erd-Geschichte zulassen will, während Shapiro und seine Anhänger noch immer ausschließlich an den reinen Zufall glauben!

    Es wäre zu wünschen, dass auch Ihre Zeitschrift, zu deren Abonnenten ich seit über 30 Jahren zähle, sich dieses Themas und der von Michael Behe und anderen vertretenen Theorie des „Intelligent Design“ etwas intensiver annähmen.

    von.heydebreck@manferrostaal.com

    06. Januar 2008



    Stellungnahme der Redaktion

    Spektrum der Wissenschaft wird erst im November dieses Jahres sein 30jähriges Bestehen feiern. Und zur Theorie des Intelligent Design haben wir schon mehrfach Stellung bezogen.



    Leider greift sich Herr Dr. Heydebreck aus dem Artikel von Shapiro nur das heraus, was zu seinen Vorstellungen passt. So unterschlägt er aus dem Antwortkommentar von Steven A. Brenner die Schilderung, wie ein früher als unlösbar angesehenes Problem bei der Entstehung einer RNA-Welt plötzlich eine sehr einfache Erklärung gefunden hat. Im übrigen irrt Herr Dr. Heydebreck in der Annahme, Shapiro habe sein Leben lang über die in Spektrum vertretene These eines niedermolekularen Lebensursprungs geforscht. Diese These vertritt er erst seit seiner Emeritierung vor wenigen Jahren. Er selbst schreibt in seinem Artikel, dass es bisher so gut wie keine Experimente dazu gibt. Nur deshalb bezeichnet er die Theorie als noch rein hypothetisch



    Zu Michael J. Behe und seinem Konzept der irreduziblen Komplexität sei auf den folgenden Beitrag bei Wikipedia verwiesen:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Nichtreduzierbare_Komplexität

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