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Kommentare - - Seite 1078

Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
  • Zu Gardners Rezension...

    18.09.2007, Ingo-Wolf Kittel, Augsburg
    . . . die jetzt auch hier bei wissenschaft-online zu finden ist:

    Gardner behauptet, "dass kein heute lebender Philosoph oder Naturwissenschaftler auch nur die nebelhafteste Ahnung davon hat, wie Bewusstsein und sein unzertrennlicher Begleiter, der freie Wille, aus einem materiellen Gehirn entstehen (was sie zweifellos tun)". Dabei hat er versäumt, die Psychologen auch nur zu erwähnen.

    Grundlage und Entwicklung unseres Bewusstseins zu rekonstruieren ist bereits vor gut dreißig Jahren in den USA unternommen worden – von Gardners Landsmann, dem verstorbenen Princeton-Psychologen Julian Jaynes, in seinem Werk The Origin of Consciousness.... (Ein Überblick über Jaynes' grundlegende Ideen ist hier zu finden und der komplette Text der deutschen Übersetzung seines Werkes hier.) Seine Überlegungen können vielleicht heute leichter nachvollzogen werden, wenn die Reflexionen seines philosophischen Kollegen Colin McGinn zur menschlichen Vorstellungsfähigkeit in dessen Buch Mindsight ("Das innere Auge") berücksichtigt würden. Es stellt ein Dokument dafür dar, dass auch Philosophen wieder wagen, sich über die Fragen nach Art und Natur des menschlichen "Geistes" und damit des Denkens hinaus auch der Frage nach der Natur unseres Bewusstseins zu stellen - nachdem hierzulande der Essener Ordinarius Dirk Hartmann in seiner Arbeit Philosophische Grundlagen der Psychologie mit bewährter deutscher Gründlichkeit schon vorher aufgeräumt und eine begründete Ordnung in die verschiedenen Verwendungsweisen der Worte "bewusst" und "Bewusstsein" gebracht hat.

    Dagegen ist die (emotive) Volitions- oder Handlungspsychologie, in der die Art und Weise menschlichen Wollens und davon abhängig gemachten Handelns expliziert wird, wissenschaftlich gut ausgebaut – und sogar relativ einfach darzustellen, bis hin zu dem Grund, weswegen wir in unserem Wollen uns nicht nur frei erleben, sondern tatsächlich unabhängig sind. (s. die 3. Arbeit hier).
  • Sprache und Physik

    18.09.2007, Rainer Willkomm, Stuttgart
    Die Messvorschrift zur Bestimmung der Geschwindig eines Gegenstandes hat man früher in der Schule gelernt: Man bestimme z.B. die Zeit, die ein Gegenstand benötigt, um eine Messstrecke zu passieren. Wenn bei gleichlanger Messstrecke die Zeit gegenüber einer früheren Messung kürzer wird, bedeutet dies, dass der Gegenstand schneller ist.
    Im Artikel Klimawandel - Minusbilanzen taucht nun aber so etwas wie "schnellere Fließgeschwindigkeiten" auf. Was zum Teufel bedeutet das, wie kann man von so etwas wie "Fließgeschwindigkeiten" feststellen, welche Zeit sie zum passieren einer Messstrecke benötigt oder ob sie gar schneller geworden ist?

    Genauso tauchen oft Formulierungen wie "wärmere Temperatur" oder "kältere Temperaturen" auf. Mit einem Thermometer läßt sich die Temperatur eines Gegenstandes bestimmen bzw. Aussagen darüber treffen ob er wärmer oder kälter geworden ist. Aber wie lassen sich die dazu erforderliche Messung bei abstrakten Begriffen wie "Temperatur" durchführen.

    Wie soll die Pisa-Generation den Umgang mit physikalischen Begriffen lernen, wenn selbst im "Spektrum der Wissenschaft" ein derart dunstumwobener Sprachgebrauch Einzug hält?
  • Waffeneinsatz

    13.09.2007, Andreas Heinisch Halle /Saale
    Es geht wieder los - wer baut die gefährlichste Waffe, und wer setzt diese ein! Eine große Frechheit und Obszönität ist es, den Menschen weiszumachen, "diese Waffe ist zwar gefährlich, doch nicht so schlimm wie die A-Bombe". Natürlich eine angeblich "saubere Waffe", sie wirkt nicht radioaktiv. Doch wem diese "Bombe" irgendwann einmal auf dem Kopf geworfen wird, der muss auch unweigerlich sterben. Denn dafür wird ja diese Bombe gebaut und wer sie hat, möchte sie auch einsetzen!

    Ist das nicht pervers? Anstatt man daran arbeitet, wie sich Menschen untereinander friedlich begegnen, Handel treiben, die Weltmedizin verbessert und den Welthunger und die Armut bekämpft, konstruiert man unter dem viel strapazierten Begriff "wissenschaftlich" weiterhin gefährliche Waffen.

    Die Russen müssen es ja wissen, mit ihren A-Bombenversuchen und Militärtechnikversuchen im Allgemeinen haben sie ganze Landstriche in ihrer Heimat verseucht, obwohl in diesen Gebieten noch unzählige Menschen leben.

    Ein Menschenleben zählt dort überhaupt nichts. Es war in Russland so, es ist auch heute noch so und wird in Zukunft dort auch noch so sein! Unter dem Motto, die Natur zerstören, aber wir haben die Macht!

    Deshalb finde ich den Beitrag von Klaus Deistung gut.
  • Waffeneinsatz

    13.09.2007, Klaus Deistung, Wismar
    Je mehr Waffen es gibt – umso mehr werden auch eingesetzt. Das stellt sich in den USA ganz deutlich auch bei den Handfeuerwaffen dar. Die Atomwaffen wurden eingesetzt – auch zur Machtdemonstration. Damals hat die Sowjetunion nachgezogen – und heute ist Russland auf dem Weg waffentechnisch wieder mit den USA gleichzuziehen. Technisch hat jede Seite bei der einen oder anderen Technik die Nase vorn – so war es auch bei der Weltraumtechnik und das zeigt sich auch hier wieder.
    So eine „Vakuum“-Bombe mit 7 t Sprengstoff kommt an die Sprengkraft von 1 kt Kernwaffen – hier meist Artilleriegranaten – heran. Da aber solche Bomben auch als Präzisionswaffen lasergesteuert werden können, bringt eine unsymmetrische Aerosolwolke wegen hoher Gebäude nur selten Sprengkraftverluste. Eine entsprechend hohe Zündung wirkt dem in Grenzen entgegen.
    Es bleibt eine gefährliche Waffe – und ob nun 95% oder 90% der maximalen Sprengkraft erreicht werden – den Opfern hilft das nicht mehr!
  • Anstoß für altruistisches Verhalten

    12.09.2007, G. Graf, Goslar
    Nach meiner persönlichen Erfahrung ist ein ganz wichtiger Anstoß für altruistisches Verhalten von Menschen ihre Intelligenz: Menschen sind in der Lage, sich eine bestimmte Situation auch aus der Perspektive eines anderen Menschen vorzustellen. Deshalb haben die meisten Menschen erhebliche Hemmungen, zum Beispiel einen anderen Menschen zu verletzen oder zu töten. Wegen unserer Fähigkeit, uns in andere Menschen hineinzudenken, empfinden wir Mitleid; können wir uns mit anderen Menschen freuen.
  • Sowieso

    11.09.2007, Jonas Schnaitmann, München
    Kann man denn ernsthaft daran zweifeln, dass diese Technik NICHT irgendwann einmal zur Verbesserung der Gehirnleistung eingesetzt wird?
    Die Technik wird reifen, sich ihr Einsatz damit erheblich vereinfachen - und spätestens dann ist es soweit. Denn auch jetzt schon wird "Gehirntuning" von Gesunden mit Mitteln, die eigentlich nicht dazu gedacht sind, betrieben: Studenten, die in einer Lernphase Ritalin nehmen beispielsweise.
    Andere ehemalige Science-Fiction-Themen (z.B. zeit.de/2007/27/P-Hugh-Herr) miteinbeziehend, darf man seiner Fantasie freien Lauf lassen ...
  • Roboter läuft rückwärts!

    11.09.2007, (Zuschrift von www.waldoni.de)
    Die Zeichnung auf Seite 79 im Heft 9/07 ist falsch! Der Roboter, der als Angeber bezeichnet wird, müsste rückwärts laufen, damit die Kugel vorwärts rollt – das kann man leicht mit zwei Fingern auf einer Murmel ausprobieren.
  • Mensch-Tier-Embryonen

    06.09.2007,
    Vielen Dank für diesen sehr interessanten, Überblick schaffenden Artikel über dieses schwierige Thema!
  • Wahrscheinlichkeit vernachlässigt

    03.09.2007, Ting Chen, Mainz
    Das Wunderliche an diesem Artikel ist für mich, dass der Autor sich darüber wundert, dass er keine logische Erklärung für das Ergebnis des Experiments gibt. Für mich zeigt das Experiment nicht, dass die Menschen unrational handeln, sondern höchstens, wie realitätsfern manche Spieltheoteriker sind.

    Zuerst scheint mir, dass der Autor ständig das Ziel des Spiels wechselt. Was ist das Ziel des Spiels? Wie der Autor selbst (korrekt) definiert hat, ist es, einen möglichst hohen Geldgewinn einzufahren. Jedoch beim Herleiten seines rationalen Ergebnisses scheint es plötzlich darum zu gehen, einen höheren Gewinn als der Gegenspieler zu erhalten. Für mich ist ein Gewinn von 97 Euro, selbst wenn mein Gegner 101 Euro gewinnt, immer noch erstrebenswerter als ein Gewinn von 2 Euro.

    Vor allem wenn ich eine 80%ige Wahrscheinlichkeit habe, einen Gewinn von, sagen wir, 50 Euro zu erhalten, erscheint mir dieses höhere und geringfügig unsichere Ergebnis erstrebenswerter als eine 100%ige Wahrscheinlichkeit, 2 Euro zu erhalten.

    Damit komme ich zu dem zweiten Punkt: Der Autor hat einen wichtigen Faktor in seiner Berechnung vernachlässigt: die Wahrscheinlichkeit.

    Betrachten wir zuerst einen extremen Sonderfall: Angenommen, der Gegner des Spielers ist ein Automat, der nach dem Prinzip des Optimums spielt, wie der Autor es geschildet hat, das heißt, er spielt immer 2 Euro. In diesem Fall würde jeder Spieler ebenfalls 2 Euro spielen, und kein Spieler würde einen anderen Wert spielen, einfach weil die Wahrscheinlichkeit, dass man etwas Besseres gewinnt, bei null liegt.

    Nun betrachten wir einen etwas interessanteren Fall: Angenommen, diesmal spielt der Automat eine Zufallszahl zwischen 2 und 100. Das heißt, wenn der Spieler 51 Euro setzt, würde er eine 50%ige Wahrscheinlichkeit haben, mehr zu erhalten. Und ich erwarte in diesem Fall auch, dass der Spieler, je nach persönliche Neigung, mehr oder weniger um die 50 Euro setzen würde.

    Offenbar schätzen menschliche Spieler die Wahrscheinlichkeit, dass das Gegenüber ebenfalls um oder mehr als 90 Euro setzt, recht groß ein, und damit kann man sehr gut das Ergebnis erklären, was dem Autor so rätselhaft erscheint.

    Es ist also die "gesunde Menschenkenntnis", die den Menschen beim Urlaubsdilemma zu einem besseren Spieler gegenüber den "optimalen" Spieler macht, und das ist durchaus rational.
  • Homo ludens - oder Gier

    01.09.2007, Dr. W. Priebsch, Kiel
    Das Problem des Urlauberdilemmas löst sich, wenn man es nicht mathematisch rational, sondern mit gesundem Menschenverstand betrachtet.
    Die Wahl des Nash-Gleichgewichts hat nur einen Vorteil: Der Gewinn von zwei Euro ist garantiert. Wenn man Glück hat, werden es maximal vier Euro. Das ist nicht viel und entspricht wohl nicht dem Wert der Vase. Also wird die untere Grenze für die Wertangabe immer der Preis der Vase sein. Aber selbst wenn man die Vase geschenkt bekommen hat und sie auch keinen ideellen Wert für den Besitzer darstellt, ist der Gewinn von zwei Euro recht gering. So gering, dass man die sicheren zwei Euro durchaus riskieren kann, um vielleicht einen wesentlich höheren Gewinn erzielen zu können. Also gibt man den höchsten Wert an - denn der Partner wird vermutlich genauso denken.
    Aus demselben Grund spielen viele Menschen Lotto. Auch hier winken hohe Gewinne bei zwar sehr geringen Wahrscheinlichkeiten (die jedoch immer größer als null sind), aber für einen verhältnismäßig geringen Einsatz.
    Also steckt hinter dem realen Verhalten der Menschen nicht Altruismus, sondern, wie so oft, der homo ludens.
  • Subjektive Bewertung 2. Versuch :-)

    31.08.2007, Maik Sonnenberg, Düsseldorf
    Die hitzige Diskussion über das Urlauberdilemma zeigt deutlich, dass die aus dem spieltheoretischen Modell abgeleitete rationale Entscheidung unserer Intuition und dem "gesunden Menschenverstand" völlig zuwider läuft.
    Es sei mir daher gestattet, hier noch ein wenig mitzumischen 

    Die spieltheoretischen Modelle gehen (wie alle Modelle) von bestimmten Annahmen aus, welche die Realität möglichst gut beschreiben sollen. In unserem Beispiel sind es u. a. folgende Bedingungen:

    a) alle Spieler handeln rational
    b) alle Spieler wissen, dass alle Spieler rational handeln

    Beide Bedingungen sind für die Bestimmung des Nash-Gleichgewichtes unabdingbar, obgleich uns allen bewusst ist, dass sie die Realität nur annähernd beschreiben. Schließlich ist niemand von uns perfekt. Bei vielen Spielen ist dieses kleine Manko jedoch unerheblich. Die Voraussagen der Modelle stimmen gut mit der Realität überein, wie zum Beispiel beim Gefangenendilemma, bei welchem übrigens auch die Annahme b) nicht zwingend ist. Das Optimum ist stets das Geständnis und als solches unserem Verstand leicht zugänglich.

    Es gibt allerdings auch Situationen, da versagt der "gesunde Menschenverstand" systematisch bei vielen oder gar fast allen von uns. Auch wenn wir fest davon überzeugt sind, rational zu denken /zu entscheiden / zu handeln, liegen wir oft knallhart daneben. Menschen wie David Copperfield verdienen mit diesem Umstand ihren Lebensunterhalt.

    Ein Beispiel ist das Urlauberdilemma. Hier kann bereits das Risiko eines nicht rational handelnden Gegenspielers die sonst rationale Strategie ins Gegenteil verkehren. Optimal wird dann u. U. die Entscheidung für 100 Geldeinheiten. Das Lustige daran ist: Kollektives Versagen des Verstandes führt hier zu einer Steigerung des Gewinns. Sprich: weil wir dumm sind, sind wir besser…oder: Dummheit als evolutionärer Vorteil? 
    Mit Altruismus oder Kooperation, wie einige spekulieren, hat das rein gar nichts zu tun.

    Es stellt sich vielmehr die Frage, warum unser Verstand bei diesem Problem versagt. Möglicherweise hat unser Gehirn Probleme, unbedeutende Details (geringe Strafgebühr) im Entscheidungsprozess angemessen zu würdigen. Aber das ist reine Spekulation.

    Nichtsdestotrotz möchte ich abschließend noch einmal auf den Lösungsansatz aus meinem ersten Post verweisen, in dem eine subjektiv "unbedeutende" Strafgebühr bei der Ermittlung des Nash-Gleichgewichtes unberücksichtigt bleibt. Erst eine empfindliche Strafe vermag den Spielern die rationale Strategie zu vergegenwärtigen. Wo die Schmerzgrenze jedoch im individuellen Fall zu suchen ist, bleibt offen.
  • Golfstrom...

    29.08.2007, D.F. Ostach
    Also sehr interessant, dieser Artikel, obwohl ich noch so klein bin (12 ganze Jahre!!!). Ich hab viel gelernt, aber nicht alles gelesen.
    Das wars auch schon. Tschüss!
  • Mehr als nur Mathematik

    29.08.2007, Hans Pröpper, Korschenbroich
    Die Überschrift "Moderne Mathematik ..." ist insofern irreführend, als daraus geschlussfolgert werden könnte, dass nur eine solche die Konstruktionsprinzipien der beschriebenen Knotenmuster zu erhellen in der Lage sei. Die damalige Herstellung ihrer Strukturen beruhte aber auf dem bereits vorhandenen hohen Stand mathematisch-geometrischer Kenntnisse und deren Anwendung. Denn die Herstellung von standardisierten Kacheln in Großserien und deren anschließender Verlegung war nur möglich, nachdem zuvor das Schema durchkonstruiert worden war.
    Der Artikel nimmt leider nur kurz Bezug auf die Topkapi-Rolle, die schon vor mehr als zehn Jahren entdeckt und mathematisch ausgewertet wurde. Die Bedeutung ihrer Auswertungen für das Verstehen der Knotenmuster wird nicht erwähnt und ebenso wird die diesbezügliche Literatur nicht genannt.
    Alle diese Muster, ob real (z.B. Fußböden) oder als Pläne (z.B. Topkapi-Rolle), lassen sich mathematisch-geometrisch, auch wenn sie de facto durch einen Rahmen begrenzt sind, ad infinitum, also weltumspannend ausdehnen. Hierin kommt nach meiner Interpretation der weltumspannende ideologische Anspruch des Islam zum Ausdruck.
    Die im Artikel angesprochenen Knotenmuster mit ihren geometrischen Figuren lassen sich auch auf das sog. Castel del Monte / Apulien übertragen, wodurch gemäß meinen Untersuchungen offenbar wird, dass dieses Bauwerk den Herrschaftsanspruch Friedrich II. (1. Hälfte 13. Jahrh.), als kaiserlichem Universal-Herrscher, konzentriert und potenziert zum Ausdruck bringt. Dieses Bauwerk wurde in seiner spezifischen Gestalt nur möglich durch die geistige Nähe Friedrichs II. zum Islam und dessen o.g. geometrischen Ausdrucksformen.

  • Höhere Strafgebühr könnte zum Nash-Gleichgewicht führen

    28.08.2007, Otto Stump, Köln
    Die Spieltheorie lässt sich nach meiner Meinung auf die Schadenersatzforderung von Tanja und Markus wegen der zerbrochenen Vasen nicht anwenden: Das Ziel beider ist ja nach der Schilderung im Artikel, eine möglichst hohe Entschädigung herauszuholen und nicht etwa mehr zu erhalten als der andere Geschädigte. Selbst wenn beide die Spieltheorie beherrschen und zudem raffgierig sind, ist ihnen klar, dass das Nash-Gleichgewicht ein schlechtes Geschäft wäre. Um 2 Euro Schadenersatz zu erhalten, wird kaum jemand, der sich einen Urlaub auf einer Pazifikinsel erlauben kann, Zeit verschwenden.
    Die Geschichte wäre nur stimmig, wenn das Ziel darin bestände, auf keinen Fall weniger zu bekommen als sein Konkurrent. Da das aber nicht die Aufgabe ist, würden wohl beide den Schaden mit (etwa) 100 Euro angeben. Bekäme der andere dann 4 Euro mehr als man selbst, wäre das immer noch besser, als mit 2 Euro abgespeist zu werden.

    Die im Artikel geschilderten Experimente bestätigen ja auch im wesentlichen eine solche Logik.

    Um die Aufgabe realistischer zu machen, müsste mindestens eine höhere Strafgebühr (z.B. 20 Euro) angesetzt werden. In diesem Fall könnte Missgunst eher zu einem Nash-Gleichgewicht führen.

  • Das Argument mit der Induktion ist falsch

    28.08.2007, Kai Petzke
    Die im Artikel anfangs dargestellte Induktion mit dem Ergebnis, dass beide Spieler den niedrigstmöglichen Wert als "rationale" Entscheidung wählen müssten, wäre nur dann zulässig, wenn beide Spieler gezwungen wären, die Wahl ihres Gegenspielers korrekt zu erraten und ihre Entscheidung strikt danach auszurichten. Das ist aber hier nicht der Fall.

    Der rationale Spieler wird vielmehr Folgendes tun: Er wird versuchen, für jede mögliche Wahl des Gegenspielers eine Wahrscheinlichkeit zu ermitteln und dann diejenige Zahl wählen, die bei der gegebenen Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Wahl des Gegners seine Gewinnchance optimiert.

    Im konkreten Spiel mit einer Zahl zwischen 2 und 100 und einer Strafe von 2 für denjenigen, der die größere Zahl wählt, bzw. einem Bonus von 2 für den mit der kleineren Zahl, gibt es 99 verschiedene Möglichkeiten, was der Gegner wählen kann. Nennen wir diese Zahl y. Die allererste Annahme ist vielleicht, dass der Gegner einfach willkürlich eine Zahl auswürfelt. Jede Wahl würde damit mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/99 erfolgen. Welche eigene Wahl x ist nun die erfolgversprechendste? Nun, in 100–x Fällen liegt dann die Wahl des Gegners höher, und man verdient x+2. In einem Fall liegt der Gegner gleichauf, und man verdient x. Und dann kommen noch die Fälle hinzu, in denen der Gegner ein y im Bereich von 2 bis x–1 wählt, und man y–2 verdient. Damit ergibt sich folgender Erwartungswert für den eigenen Gewinn:

    G = 1/99 * ((100–x) * (x+2) + x + Σ y=2x–1(y–2)
    = 1/99 * ((100–x) * (x+2) + x + Σ y=0x–3y
    = 1/99 * ((100–x) * (x+2) + x + (x–3)*(x–2)/2)
    = 1/198 * (–x2 + 193x + 406)

    Die rationale Entscheidung ist nun, dasjenige x zu wählen, für das G maximal wird. Das ist bei der konkreten Formel, einer nach unten offenen Parabel, am Scheitelpunkt der Fall, der sich zu x = 193/2 ergibt. Das ist eine gebrochene Zahl, so dass die daneben liegenden ganzen Zahlen 96 oder 97 optimal sind.
    Der bei vollkommen zufälliger Wahl des Gegners durchschnittlich zu erwartende Gewinn liegt für x=96 oder x=97 dann knapp über 49.

    Zwar wählt der Gegner bei der eigenen Wahl von 96 oder 97 mit hoher Wahrscheinlichkeit eine kleinere Zahl und verdient somit mehr. Dennoch hat man mit dieser Wahl seine eigene Gewinnchance optimiert. Es geht ja in dem Spiel darum, seinen Gewinn zu optimieren, und nicht darum, mehr zu verdienen als der Gegner! Nur dann, wenn man unbedingt den Gegner schlagen will, wäre x=2 die richtige Wahl.

    In der nächsten Induktionsschleife kann man nun die Wahrscheinlichkeitsverteilung anpassen. Schließlich macht der Gegner ja dieselbe Rechnung wie ich. Damit kommt auch er zum Ergebnis, dass eine hohe eigene Wahl für ihn sinnvoll ist. Folglich erscheint eine neue Wahrscheinlichkeitsverteilung realistisch, bei der der Gegner eine der Zahlen von 90 bis 100 mit je 1/11 Wahrscheinlichkeit wählt. Damit ist es nicht sinnvoll, eine eigene Zahl kleiner als 89 zu wählen. Auch 90 ist besser als 89, da man mit 90 in zehn Fällen (falls der Gegner mindestens 91 gewählt
    hatte) eine Einheit mehr verdient, und nur in einem Fall (falls der Gegner ebenfalls 90 gewählt hatte) eine Einheit weniger. Für den Wertebereich 90 bis 100 ergibt sich mit der neuen Wahrscheinlichkeitsverteilung folgende
    Gewinnerwartung:

    G = 1/11 * ((100–x) * (x+2) + x + Σ y=90x–1(y–2)
    = 1/22 * (–x2 + 193x –7250)

    Das Maximum der Gewinnerwartung liegt damit weiterhin unverändert bei x=96 bzw. x=97. Durch die neue Wahrscheinlichkeitsverteilung steigt lediglich der zu erwartende Gewinn von knapp über 49 auf fast 94 Einheiten.

    Somit kommt man schon nach einem Iterationsschritt zu dem streng rationalen Ergebnis, dass die optimale Strategie ist, einen Wert im oberen Bereich (z.B. von 90 bis 100) zufällig auszuwählen. Diese Lösung ist auch stabil.

    Statt einer Gleichgewichtung eines eingeschränkten Wertebereiches kann man auch eine Ungleichgewichtung aller möglichen Werte vornehmen. So könnte man jedem Wert eine Wahrscheinlichkeit proportional zu dem Erwartungswert seiner Gewinnwahrscheinlichkeit zuordnen. Auch diese Variante ist stabil und konvergiert schnell nach wenigen Zyklen. Auch weitere von mir geteste Verteilungsfunktionen, die hohe Erwartungswerte übergewichten (z. B. G(x)n mit n=1, ..., 10 oder selbst eG(x), natürlich jeweils mit Renormierung der Summe aller Wahrscheinlichkeiten auf 1) konvergieren erstaunlich schnell und stabil.

    Anhand der oben dargestellten Rechnung erkennt man auch, warum es unsinnig ist, die größtmögliche Zahl 100 auszuschließen. Schließlich führt dieser Ausschluss sofort zu einer Verringerung des optimalen x-Wertes und zu geringeren Erwartungswerten. Durch den Ausschluss verlieren also beide Spieler.

    Die im Artikel als "rational" beschriebene Wahl x=2 verbleibt somit nur dann richtig, wenn es darum geht, unbedingt gegen den Gegner zu gewinnen, also mehr zu verdienen als er. Doch dieses war ja nicht die Aufgabenstellung, sondern die Maximierung des eigenen Gewinns. Und für diese ist bei den gegebenene Randbedingungen (Strafe = 2; Auswahlbereich = 2 bis 100) es sinnvoller, eine hohe Zahl zu wählen. Die Strafe von 2, wenn der Gegner drunter bleibt (was wahrscheinlich ist!), fällt weniger ins Gewicht, als der zusätzliche Gewinn, wenn der Gegner ebenfalls hoch wählt.

    Fällt die Strafe für die Wahl der höheren Zahl deutlich höher aus, konvergiert das Verfahren hingegen oft dazu, dass nur die kleinste Zahl gewählt wird. Dieses ist insbesondere dann der Fall, wenn bei dem iterativen Verfahren Bewertungsfunktionen verwendet werden, die höhere Gewinnchancen stark übergewichten.
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