Wearables: Elektronik, die unter die Haut geht
Göran Gustafsson sieht Menschen an und denkt an Autos – und zwar an Modelle, die schon vor einigen Jahrzehnten vom Band rollten. Heute, erläutert Gustafsson, sind Fahrzeuge vollgestopft mit modernen Sensoren, Computern und fortschrittlichen Kommunikationssystemen, die vor Problemen warnen, so lange sich diese noch leicht beheben lassen. Bei solchen Wagen kommt es daher nur selten zu gravierenden Pannen.
"Warum haben wir nicht eine ähnliche Zukunftsvision für unsere Körper?", fragt sich Gustafsson, der als Ingenieur beim schwedischen Elektronikunternehmen Acreo mit Sitz in Kista arbeitet. Zusammen mit seinem Team versucht er wie auch viele andere Forschergruppen auf der ganzen Welt eine solche Vision real werden zu lassen. Gesundheitliche Probleme sollen nicht unentdeckt bleiben, bis eine Person schließlich im Krankenhaus landet – das medizinische Äquivalent zu einer Autopanne. Stattdessen hoffen die Teams auf eine Zukunft, in der Menschen ebenso mit Sensoren ausgestattet sind wie Autos und damit über ein ähnliches Frühwarnsystem verfügen.
Gemeinsam mit Forschern der schwedischen Universität Linköping entwickelten Gustafsson und seine Kollegen unterschiedliche Sensoren, die auf der Haut getragen werden oder implantiert werden müssen, sowie ein körperinternes Netzwerk, in dem sich die Geräte untereinander verbinden lassen, ohne dabei von außen zugänglich zu sein. Die Ansätze anderer Gruppen reichen von elektronischen Pflastern, die eine Versteifung von Arterien registrieren – ein Hinweis auf einen drohenden Herzinfarkt –, bis hin zu Messgeräten, die epileptische Anfälle erkennen und automatisch Medikamente direkt in die betroffenen Gehirnareale liefern.
Diese medizinischen Helfer der nächsten Generation sollen im Einklang mit dem Körpergewebe arbeiten, statt wie die meisten Schrittmacher und andere elektronische Geräte, die bereits im Einsatz sind, davon isoliert zu sein. Diesen Grad an Integration zu erreichen, ist keine leichte Aufgabe. Das gilt insbesondere für Materialwissenschaftler: Einerseits müssen die Schaltkreise drastisch schrumpfen, andererseits braucht es biegsame und dehnbare Elektronik, die zudem verträglich mit dem umgebenden Gewebe ist. Zusätzlich werden innovative Ansätze für Schnittstellen mit dem Körper benötigt. Um die Vision von Gustafsson – nach der elektronische Geräte den Körper tagtäglich überwachen und mit Medikamenten versorgen – umzusetzen, gilt es auch neue Energiequellen und neue Wege der Datenübertragung zu entwickeln.
"Ich habe noch keinen Arzt getroffen, der sagt: 'Das ist doch Zukunftsmusik, komm in 20 Jahren noch mal vorbei'"John Rogers
Dennoch lässt allein die Aussicht darauf, die Gesundheitsvorsorge erheblich zu verbessern und gleichzeitig die Kosten dafür zu senken, sowohl Wissenschaftler als auch Ärzte die Herausforderung annehmen, berichtet John Rogers von der University of Illinois in Urbana-Champaign. "Ich habe noch keinen Arzt getroffen, der sagt: 'Das ist doch Zukunftsmusik, komm in 20 Jahren noch mal vorbei'. Stattdessen entgegnen sie: 'Wow, das ist cool. Hier sind drei Ideen, wie wir das gegenwärtig einsetzen können – und wie können wir am besten mit einer Zusammenarbeit beginnen?'"
Sensoren im und am Körper sind eine natürliche Fortführung von Smartphones und anderen tragbaren Geräten, sagt Rogers. "Elektronik kommt uns immer näher, und ich finde es ganz natürlich, sich vorzustellen, dass sie schließlich eng mit dem Körper verwoben ist."
Hautnah
Nach "Wearables" werden drahtlose Sensoren folgen, die direkt auf der Haut angebracht sind und dort eine Vielzahl von Vitalparametern aufzeichnen, darunter etwa Temperatur, Puls und Atemfrequenz. Beugen, Strecken und Wölben gehören leider zur Biologie, sagt Rogers, weshalb sich konventionelle Elektronik aus steifen Siliziumwafern nur bedingt für solche Sensoren eignet.
Sein Team entwickelt "epidermale Elektronik": biegsame, biologisch abbaubare Pflaster voller Sensoren, die der Patient kaum spürt. Aufgebracht werden sie wie abwaschbare Tattoos. In den Pflastern findet sich zwar auf Silizium basierende Elektronik, allerdings in einer sehr dünnen Variante, die mit Hilfe eines Stempels auf ein elastisches Trägermaterial aufgebracht wird. Den nötigen Strom beziehen die Pflaster entweder aus nahen Magnetfeldern oder durch Radiowellen, aufgefangen von s-förmigen Drähten und Antennen, die sich ebenfalls problemlos dehnen, verdrehen und biegen können. "Sie weisen eine wellenförmige Geometrie auf, und wenn man sich streckt, können sich diese Wellenformen entsprechend anpassen, wie bei einer Ziehharmonika", erläutert Rogers.
Rogers gründete zusammen mit Kollegen das Spin-off-Unternehmen MC10, mit Sitz in Lexington, Massachusetts. Noch 2016 sollen erste Modelle des Pflasters unter dem Namen "BioStamps" auf den Markt kommen. Die Sensoren darin messen die elektrische Aktivität des Herzens, Hautfeuchtigkeit, Körpertemperatur und UV-Belastung. Die Pflaster werden zunächst für Privatkunden erhältlich sein, so Rogers, aber eigentliches Ziel sei die Medizin. Ergebnisse werden in Kürze von einer Studie an der Intensivstation für Neugeborene am Carle Foundation Hospital in Urbana erwartet. Dort setzen Ärzte die Pflaster ein, um die Vitalfunktionen von Neugeborenen zu überwachen – und das ohne störende Kabel und Messgeräte. MC10 arbeitet zudem mit dem in Brüssel ansässigen Pharmaunternehmen UCB zusammen: Man erprobt ein Pflaster für Parkinsonpatienten, das registriert, wann Tremores auftreten. Auf diese Weise lässt sich der Krankheitsverlauf verfolgen und ebenso, ob die Patienten ihre Medikamente einnehmen.
Während die Pflaster von Rogers relativ klein sind, entwickelte der Ingenieur Takao Someya von der Universität Tokio eine mit Sensoren beladene elektronische Haut, die sich in viel größerem Format herstellen lässt. Seine neueste Kreation ist nur einen Mikrometer dick und so leicht, dass sie wie eine Feder in der Luft schwebt. Dennoch ist der dünne Film stabil genug, um sich etwa auf Ellbogen oder Knie bei Bewegungen zu dehnen und kräuseln. Die Sensoren können beispielsweise Temperatur – als Indikator für eine Wundinfektion –, Feuchtigkeit, Puls und Sauerstoffkonzentration im Blut erfassen. Kakao Someya verzichtet dabei komplett auf Silizium und greift stattdessen auf von Natur aus weiche organische Komponenten aus kohlenstoffbasierten Polymeren und andere Materialien zurück. Organische Schaltkreise können auf Kunststofffolien gedruckt werden, wodurch sie sich nicht nur kostengünstig, sondern auch leicht in großen Mengen herstellen lassen. Und sie sind vielseitig: Sie funktionieren bei hohen Temperaturen ebenso wie in wässrigen Umgebungen.
Auch Zhenan Bao, Ingenieurin an der Stanford University in Kalifornien, ist von der Haut begeistert. Ihr Team stellt dünne Drucksensoren her, indem es mikrometergroße Gummipyramiden zwischen zwei Folien fixiert. Selbst eine leichte Berührung presst die Spitzen der Pyramiden zusammen und beeinflusst so den Stromfluss zwischen den Folien. Die Sensoren ließen sich beispielsweise zur Herzüberwachung nutzen, indem sie messen, wie schnell sich Druckwellen durch Arterien bewegen. Versteifte Blutgefäße können so aufgespürt und einem möglichen Herzinfarkt kann frühzeitig vorgebeugt werden. Im Jahr 2015 hat die amerikanische Food and Drug Administration einen drahtlosen Drucksensor zugelassen, der bei Menschen mit schweren Herzleiden direkt ins Herz implantiert werden kann. Eine ähnliche Aufgabe könnte der Sensor von Bao und ihren Kollegen auf der Hautoberfläche erledigen.
"So nützlich elektronische Pflaster auf der Haut auch sein mögen, deutlich mehr Informationen lassen sich im Körperinneren gewinnen"
So nützlich elektronische Pflaster auf der Haut auch sein mögen, deutlich mehr Informationen lassen sich im Körperinneren gewinnen. "Nicht ohne Grund nimmt man Ihnen im Krankenhaus Blut ab", sagt Michael Strano, Chemieingenieur am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. "Es gibt Marker im Blut, anhand derer sich Krankheiten sehr gut vorhersagen lassen."
Doch tiefer in den Körper einzudringen, bringt neue Herausforderungen. Im Idealfall sollen Sensoren unter der Haut nicht nur schadstofffrei sein, so Strano, sondern auch über Jahre im Körper verbleiben und dort pausenlos funktionieren können. Dabei müssen sie biokompatibel sein, sie dürfen also keine körpereigene Immunreaktion auslösen. Bisher erfüllen die meisten Sensoren jedoch nicht alle diese Ansprüche zugleich. In Sensoren, die chemische Signale – so genannte Biomarker – im Blut nachweisen, kommen beispielsweise oft biologische und sich sehr schnell zersetzende Materialien zum Einsatz. Strano zufolge schränkt dies gegenwärtig eingesetzte Sensoren, mit denen Diabetespatienten in Echtzeit ihren Blutzucker überwachen können, massiv ein: Die Geräte weisen Glukose durch eine Enzymreaktion nach, die Wasserstoffperoxid erzeugt. Letzteres zersetzt die Sensoren so schnell, dass sie innerhalb von Wochen ausgetauscht werden müssen.
Auf der Suche nach einer besseren Lösung entwickelten Strano und seine Kollegen synthetische, langlebige Detektormaterialien, die sich mit einem Gel auf Wasserbasis mischen und anschließend wie bei einer Tätowierung in die Haut injizieren lassen. Die "Tinte" bei dieser Tätowierung besteht aus Kohlenstoffnanoröhren, beschichtet mit herabhängenden Polymersträngen. Nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip können nur bestimmte Moleküle – nämlich die gesuchten Biomarker – an der chemischen Struktur der Polymerstränge andocken. Binden Biomarker an das Polymer, verändern sich die optischen Eigenschaften der Nanoröhren: Scheint nun Licht auf die Tätowierung, verrät ein leichter Schimmer die Gegenwart des Biomarkers.
Strano und sein Team haben Sensoren aus Kohlenstoffnanoröhrchen gebaut, die den Stickoxidgehalt im Blut messen. Dieser Entzündungsmarker kann auf eine Infektion oder sogar Krebs hinweisen. Momentan arbeitet die Gruppe an einem Sensor für Glukose und Cortisol, der sich als Biomarker für Stress beim Monitoring von Posttraumatischen Belastungsstörungen und Angststörungen als nützlich erweisen könnte. In Mäusen verrichtete der Stickoxidsensor für 400&bsp;Tage seine Arbeit. Laut Strano war noch kein anderer implantierter chemischer Sensor solange in Betrieb – und das, ohne eine Immunreaktion hervorzurufen. Wie andere Sensortypen abschneiden, wird derzeit noch erforscht. "Die Langzeiteffekte von elektronischen Materialien, insbesondere von solchen auf Kunststoffbasis und organischen Stoffen, sind noch unbekannt", bestätigt Bao.
"Seit Kurzem arbeitet Strano an Geräten, die auch Wirkstoffe im Körper freisetzen können"
Seit Kurzem arbeitet Strano mit dem MIT-Ingenieur Daniel Anderson gemeinsam an Geräten, die nicht nur als Sensoren dienen, sondern auch Wirkstoffe im Körper freisetzen können. Die beiden wollen Mikrochips, die von ihrem Kollegen und MIT-Ingenieur Robert Langer entwickelt wurden, so anpassen, dass diese auf eine Reihe von Auslösern reagieren und entsprechende in Polymerkapseln eingeschlossene Medikamente abgeben. Die ersten klinischen Studien am Menschen für diese "Apotheke auf einem Chip" – ohne Sensoren – wurden 2012 an acht Frauen mit Osteoporose durchgeführt.
Bis solche Geräte verschiedene Krankheiten zuverlässig erkennen und selbstständig behandeln, dürfte allerdings noch viel Zeit vergehen – außer vielleicht im Fall von Diabetes mellitus, der intensiv erforscht wurde. Die von Strano entwickelten Sensoren binden bereits wie gewünscht an ihre Zielmoleküle. Doch was Schwankungen in den nachgewiesenen Biomarkern tatsächlich über die Gesundheit aussagen, so der Wissenschaftler, bleibt noch eine offen. Sein Team erstellt Computermodelle von Biomarkern im Körper und kann damit austesten, wo sich ein Sensor befinden und wie schnell er reagieren sollte, um nützliche Informationen zu liefern. "Häufig muss man sich auf viele verschiedene sensorische Parameter stützen, um eine Entscheidung zu treffen. Ist nur ein chemischer Stoff überexprimiert, reicht das nicht", erläutert Elektroingenieur Magnus Berggren von der Universität Linköping, der mit Gustafsson zusammenarbeitet.
Bewegliches Ziel
Manche Forscher haben es auf noch tiefer im Körper liegende Regionen abgesehen – Flexibilität und Biokompatibilität spielen dabei eine noch wichtigere Rolle. Denn reibt ein starrer Sensor an einem bewegten Organ, wie etwa Herz oder Gehirn – bei jedem Atemzug verlagern sich die Zellen darin minimal –, wird der Körper diesen schnell mit Narbengewebe ummanteln. Und bewegen sich die Sensoren relativ zum Organ, wären die damit aufgenommenen Werte in jedem Fall fragwürdig.
George Malliaras von der École Nationale Supérieure des Mines de Saint-Étienne im französischen Gardanne und seine Kollegen arbeiten an einer biegsamen Alternative zu den relativ starren Sensoren, mit denen man derzeit charakteristische elektrische Muster im Gehirn von Menschen mit Epilepsie oder Parkinson aufzeichnet. Hergestellt aus organischen, leitfähigen Polymeren, reagiert diese flexible Elektronik auf chemische Signale – den Ionenfluss, der die elektrischen Muster hervorruft. Dadurch wird nicht nur die Empfindlichkeit erhöht, es schafft für Forscher auch "eine ganz neue Schnittstelle zur Biologie", so der Bioelektronikingenieur.
Die neueste Kreation des Teams kann das Feuern einzelner Neurone registrieren, berichtet Malliaras. Sie wurde bereits in Ratten sowie in zwei Menschen getestet, die sich wegen ihrer Epilepsie einer Operation unterzogen. Wird der Prozess umgekehrt, fügt er hinzu, kann der Sensor auch Medikamente freisetzen. Als Ionenpumpen bezeichnete Geräte in der organischen Elektronik reagieren auf eine angelegte Spannung und geben Wirkstoffe in Form winziger geladener Teilchen aus einem Reservoir ab. Gemeinsam mit der Gruppe an der Universität Linköping und dem französischen Institut für Gesundheit und medizinische Forschung in Marseille koppelt Malliaras Team seinen Epilepsiesensor an eine Ionenpumpe, die bei Anfällen im richtigen Teil des Gehirns geeignete Medikamente ausschüttet. Berggren und seine Kollegen von der Universität Linköping haben eine ähnliche Technik verwendet, um einen "Schrittmacher für Schmerzen" zu entwickeln, der Schmerzmittel direkt ins Rückenmark abgibt.
Am Laufen halten
Jedes elektrische Gerät benötigt Strom. Liegen die Sensoren auf oder nahe der Haut, können integrierte Antennen die Energie drahtlos bereitstellen – vorausgesetzt eine externe Energiequelle befindet sich in der Nähe. Geräte im Körperinneren sind dagegen meist auf Batterien angewiesen, die Platz brauchen und zudem regelmäßig ausgetauscht werden müssen. Und bei einigen Geräten wie der Ionenpumpe zur Schmerzlinderung von Berggren schlängeln sich Drähte durch darüberliegendes Gewebe – was nicht nur unpraktisch ist, sondern auch ein Infektionsrisiko darstellt.
Zhong Lin Wang vom Georgia Institute of Technology in Atlanta suchte in den vergangenen zehn Jahren nach Wegen, derartige Probleme zu umgehen. Der Nanowissenschaftler will dafür die mechanische Energie nutzen, die wir beim Laufen oder sogar Atmen erzeugen. "Wir überlegten uns zunächst, wie sich Körperbewegung in Strom umwandeln ließe", so Wang.
"Wangs neuester Ansatz nutzt Reibungselektrizität, um die Bewegung des Ein- und Ausatmens in Energie umzuwandeln"
Sein neuester Ansatz nutzt Reibungselektrizität – lange eher ein lästiges Phänomen –, um die Bewegung des Ein- und Ausatmens in Energie umzuwandeln und so einen Schrittmacher zu betreiben. Der Generator besteht aus zwei unterschiedlichen Polymeroberflächen, die zwischen Elektroden eingeklemmt und über einen Schaltkreis verbunden sind. Atmet der Patient nun ein und wieder aus, berühren sich die Oberflächen und es findet eine Ladungstrennung statt – das Gleiche passiert, wenn man mit einem Wolltuch über einen Luftballon reibt. Auf Grund der erzeugten elektrischen Spannung fließt ein Strom durch den Draht. "Sobald man ein- und ausatmet, sich hin- und herbewegt, aufsteht oder sich hinsetzt, wird Energie erzeugt", erläutert Wang.
Seit 2014 testet Wang das System in Ratten und konnte mit einem nur wenige Papierlagen dicken Bauteil bereits einige Milliwatt an Energie produzieren. Inzwischen erprobt sein Team dieselbe Technik auch bei Schweinen.
Das Team um Rogers entwickelte eine biologisch abbaubare Batterie mit Elektroden aus Magnesium und weiteren Metallen, die in geringen Konzentrationen unbedenklich sind und sich langsam im Körper auflösen. "Manche Geräte sollen ein Leben lang im Patienten verbleiben. In anderen Fällen muss und soll das Gerät nur vorübergehend seinen Dienst tun", sagt Rogers.
Privatsphäre
Die Technik verspricht revolutionär zu sein. Doch die Aussicht auf einen verkabelten Körper, der Daten an einen externen Computer oder medizinisches Zentrum sendet, birgt auch eine potenzielle Gefahr – mit der sich die Entwickler von Wearables bereits konfrontiert sehen: Hacking. "Wird ein Halbleiterchip im Inneren des Körpers eingesetzt, stellt Hacking ein ernsthaftes Problem dar", sagt Someya.
Eine Lösung wäre, die Daten schon auf dem Gerät auszuwerten und dadurch die drahtlos übertragene Datenmenge zu verringern. Gänzlich auf eine solche Übertragung zu verzichten, wäre ein weiterer Ansatz. In einer bis jetzt noch nicht veröffentlichten Studie hat das schwedische Team eine Art Intranet für den menschlichen Körper entwickelt, in dem Signale mit niedriger Frequenz übertragen werden – wobei das Wasser im Körper als Leitung dient. Um Informationen zwischen Geräten oder von einem Gerät auf ein Smartphone zu senden, müssen die Benutzer diese mit den Händen berühren. Infolgedessen reicht eine geringe Signalstärke aus, und die Daten lassen sich so nicht einfach abgreifen. Zudem schont man Sendefrequenzen, die bereits von Mobiltelefonen und WLAN-Routern überladen sind. "Die Daten werden nur innerhalb des Körpers übermittelt und offengelegt", ergänzt Berggren. Dem Wissenschaftler zufolge kann das System bereits Daten zwischen entsprechend präparierten Geräten und einem Smartphone über den Körper austauschen und wird in Kürze auch Sensoren auf der Haut einbinden.
Aber unabhängig davon, wie gut die Geräte sind, so berichtet Malliaras, müssen sich Vorreiter bei neuen Materialien mit einer Flut von medizinischen Verordnungen herumschlagen. Zudem fürchten sich Chemikalienlieferanten davor, dass fehlerhafte Geräte möglicherweise Klagen nach sich ziehen. "Beides hemmt die Einführung neuer Materialien stark", erklärt der Forscher.
Berggren und seine Mitarbeiter bei Acreo gehören zu den Ersten, die eine Reihe von Geräten miteinander verknüpfen wollen, indem sie den Menschen verkabeln. Doch geben sie gerne zu, dass es mehrerer Firmen und Forscherteams sowie der Beteiligung von Versicherungen und Gesundheitsdienstleistern bedarf, um die Vision in die Realität umzusetzen.
Berggren weiß, dass es große Hürden gibt. "Die Herausforderung liegt darin, alles zusammenzufügen", sagt er. "In der Automobilindustrie hat man es geschafft, und es ist beeindruckend. Nur selten sieht man Wagen mit einer Panne am Straßenrand stehen. Ob sich dies auch für Menschen erreichen lässt, ist noch ungewiss – auf jeden Fall ist es einen Versuch wert."
Malliaras stimmt zu. "Ein Auto besitzt man in der Regel kürzer als zehn Jahre", sagt er. "Einen Körper will man aber für 80 oder 90 Jahre behalten; er ist viel kostbarer."
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