Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
Es scheint sich also mal wieder zu bestätigen, dass Frauen über eine bessere Sozialkompetenz bzw. in diesem Fall soziale Wahrnehmung verfügen. Aber mal davon abgesehen: Lässt sich daraus schließen, dass Männer mit kantigen Gesichtszügen häufiger untreu sind? Naja, solange man es nicht an der Größe der Ohren erkennen kann.
Stellungnahme der Redaktion
Vielen Dank für Ihren Leserbrief. In dem beschriebenen Experiment schienen Frauen die Neigung zur Untreue der abgebildeten Männer tatsächlich anhand maskuliner Merkmale - insbesondere kantiger Gesichtszüge - auszumachen. Rechneten die Forscher um Gillian Rhodes die Maskulinität statistisch heraus, konnten die Probandinnen das Maß der Untreue nicht mehr gut einschätzen.
Erstaunlicherweise neigten Männer mit markanteren Zügen - nach eigenen Angaben - häufiger zum Seitensprung; der Zusammenhang zwischen Maskulinität und Untreue war aber eher klein. Eventuell könnten maskuline Männer aber auch ehrlicher ihre Eskapaden zugeben als ihre normalen Geschlechtsgenossen. Was wirklich dahinter steckt, ist also noch unklar.
Mit freundlichen Grüßen Liesa Klotzbücher Redaktion GuG
Der Beitrag zeigt die Diskrepanz zwischen innerem und äußerem Wissen auf. Mit anderen Worten: Die verschiedenen Sichtweisen unter den Betrachtungswinkeln des semiotischen Dreiecks werden dargelegt.
Versuche, diese Diskrepanz zu überwinden, wurden unternommen und veröffentlicht u.a. von Sri Aurobindo, Jean Gebser, Ken Wilber, Susanne Cook-Greuter und werden als "integrale Theorie" bezeichnet. Auch die Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Barbara Mettler-Meibom erwähnte diese Diskrepanz in ihrer Abschiedsvorlesung.
Mittlerweile gibt es zahlreiche Anhänger der integralen Bewegung. Sie warten wohl alle auf einen Artikel in GuG über die "integrale Theorie".
"In praise of misfits: Why business needs people with Asperger's syndrome, attention-deficit disorder and dyslexia" [ http://www.economist.com/node/21556230 ]
"Es ist ja noch ein Kind" - damit wurden in meiner Zeit Fehler von Kindern entschuldigt. Kinder sind ja noch unvollkommen. Laufen lernen: Das Kind fällt hin, steht auf und strahlt über das ganze Gesicht. Es ist das erste Mal alleine aufgestanden. Der Fehler löst ein Depressionsgefühl aus. Durch das Alleineaufstehen hat es neue Kenntnisse und Erfahrungen, wie das geht. Ein Erfolgserlebnis. Warum sich Kinder oft schon über kleine Dinge freuen können. Das Kind stellt sich die Aufgabe, mal in Spiegelschrift zu schreiben. Es geht und freut sich. Es ist, in dem es vieles noch durch Spielerei lernt. Das Kind schreibt in Spiegelschrift, das ist ein Fehler. Früher begründete man den Fehler damit, dass es noch unvollkommen ist. Sie haben keinen Grund gefunden.
"Ich erziehe meine Kinder so, wie ich erzogen worden bin." (Erziehung nach Sitte und Brauch) Darüber werden Kenntnisse und Erfahrungen über Generationen weitergegeben. "Einen Hut legt man nicht auf den Tisch", wenn das Kind seine Mütze zum ersten Mal auf den Tisch legt. Hierüber ist vieles weit verbreitet und löst sich sehr langsam über Generationen wieder auf.
Der Artikel von Christian Wolf weckte mein Interesse - leider aber war ich enttäuscht, vor allem, als ich den darin vorkommenden Teil über Schizophrenie las.
Zunächst wird im Beitrag zwischen dem Begriff einer Ursache und einer Korrelation nicht unterschieden: Korrekt ist, dass es erste Studien gibt, wonach die Verminderung der kortikalen grauen Substanz in verschiedenen Gehirnregionen bei Patienten mit Schizophrenie stärker ausgeprägt sein soll als bei anderen Patienten. Nicht richtig ist, ersteres daher als Ursache von letzterem anzusetzen. Erstens sind die Ursachen für Schizophrenie ja nach allem, was man aktuell weiß, ungleich komplexer und vielfältiger. Und zweitens ist eine Korrelation eben keine Ursache - die Ursache mag an ganz anderer Stelle liegen.
Auch fand ich es schade, dass Schizophrenie ausschließlich als "Denkstörung" bezeichnet wurde. Dazu muss man nicht einmal die Studie von Jon L. Karlsson aus "The British Journal of Psychiatry (2004): Psychosis and academic performance" und viele weitere Beiträge zitieren - immer wieder können wir lesen, dass mathematisch Hochbegabte ebenfalls ein erhöhtes Risiko besitzen, Merkmale einer Schizophrenie aufzuweisen.
Unter Umständen ist Schizophrenie also lediglich eine andersartige Form der Informationsverarbeitung - und ich möchte mir nicht anmaßen zu bewerten, ob dies unter allen Umständen eine Krankheit sein muss oder ob es nicht zunächst schlicht eine Form ist, unsere Welt wahrzunehmen. Meines Erachtens ist hier eine deutlich differenziertere Betrachtungsweise gefragt.
Nicht zuletzt fühlte ich mich auch ehrlich betroffen, im Artikel "Anomalien im Erleben und Verhalten" in einem Atemzug mit der Bewertung weiterer "Erkrankungen in der Pubertät" zu lesen. Ich denke, dass unsere Gesellschaft genau an solchen vorschnellen Identifikationen krankt - schade für uns, wenn wir so konformistisch und unkritisch denken: Wie viel kreatives Potenzial und wie viel Respekt gegenüber Andersartigkeit verlieren wir dabei?
Wurde in der Untersuchung die Variable "Herkunft" berücksichtigt? Ökonomische Besserstellung in der Jugend ermöglicht eine sorgenfreie und höherwertige Schul-/Ausbildung und führt auf diesem Umweg zu höheren Einkommen im späteren Leben. Falls diese Größe nicht herauspartialisiert wurde, handelt es sich um ein Artefakt.
Stellungnahme der Redaktion
Sehr geehrter Herr Kirsch,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Die Wissenschaftler Jan-Emmanuel De Neve und Andrew Oswald haben in ihrer Analyse das soziale Umfeld kontrolliert, indem sie ein besonderes Augenmerk auf Geschwister legten. Dabei stellten sie sicher, dass diese im selben Haushalt aufwuchsen - also unter gleichen finanziellen und sozialen Bedingungen. Der Vergleich innerhalb der Familien bestätigt die Hypothese der Forscher, laut der ein Zusammenhang zwischen Glück und späterem Einkommen besteht. Wer im Alter von 22 Jahren glücklicher war als sein Geschwister, verdiente mit 29 im Schnitt sechs Prozent mehr als seine Familenangehörigen im gleichen Alter.
Wollen, so blinkt es mir aus dem Herkunftswörterbuch entgegen, kommt von wählen.
"Ich will essen", bedeutet also: "Ich wähle zu essen."
Von "mehr wählen" oder "stärker wählen" oder von "sich (mehr) anstrengen beim Wählen" wird beim Essen keiner satt.
Von einmal wählen + einmal essen schon.
Imagination und Autosuggestion in Coué-Qualität können mehr möglich werden lassen, als selbst Kabarettisten glauben.
Gerade der Text von Eckart von Hischhausen zeigt doch, wie wunderbar und hundertprozentig seine eigene Autosuggestion bezüglich abnehmen funktioniert: Er konditioniert sich immer wieder, wo und wem und wie er "die kleinen Tütchen abnehmen" wird, und nichts kann dieses, sein Top-Programm dann aufhalten. Einfach beispielhaft!
Wir sollten alle mindestens so gut Autosuggestion lernen; es couét!
In der GuG-Ausgabe 10/2012 titulieren Sie in "Am Anfang war das Plagiat" salopp "unseren Hang zum Ideenklau". Die Redaktion mag das als Aufmerksamkeitsfang gewählt haben, doch es tobt gerade eine nicht unerhebliche politische Debatte um Informationsfreiheit versus Verwertbarkeit. Die implizite negative Wertung, welche in dieser Wortwahl zum Ausdruck kommt und im Artikel nicht allzu aufgelöst wird, macht mir Sorgen. Ideen-"klau" oder auch nur "Plagiat" nutzen eine von der Verwertungsindustrie immer gerne bemühte, jedoch willkürliche Metapher. Die Annahme, dass man Ideen "klauen" könne wie ein Fahrrad oder einen Hamburger, kommt aus dem Munde derer, die mit Weiterverkauf von Ideen Anderer gut Geld machen, besonders gerne. Abschließen möchte man sie dann gern, die Fahrräder, damit sie keiner klaut.
In anderen Kulturen ist es ein Zeichen der Ehrerbietung, einen Meister zu kopieren. Wir kennen immer noch das Wort "Hommage", das doch viel schöner klingt als "Ideenklau" und gleich nicht so negativ. Nachahmung, Resonanz, Imitationslernen - all das hätte man wählen können. Gerald Hüther führt in seiner "Evolution der Liebe" die Resonanz gar als das auf, was das Universum zusammenhält. Aber Ideenklau?
Ich lese Ihr Heft ausgesprochen gerne, in diesem speziellen Fall würde ich mich wohler fühlen, wenn eine Zeitschrift, die der Wissenschaft dient, sich dementsprechend positioniert. Wissenschaft ist "Zwerge auf den Schultern von Riesen" - auch eine viel schönere Metapher als "Ideenklau".
In Sachen "Sarrazin" gilt: Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Mit nüchterner distanzierter Sachlichkeit ist da wenig zu erreichen. Ich hoffe aber doch sehr, dass sich die Autoren ein Exemplar teilten. Wenn jeder eine Ausgabe des Buches gekauft hat, dann hat Sarrazin auch an seinen Kritikern gut verdient.
@Andreas Eisenrauch Ich stimme Ihnen zu: Der Mensch kann sich nicht aussuchen, welche Gedanken in seinem Bewusstsein auftauchen. Denn dazu müsste er alle möglichen Gedanken vor seinem Geist ausgebreitet haben, um dann daraus auswählen zu können. Was bewusst wird, entscheidet das Unterbewusstsein. Jedoch haben wir das Gefühl auch die "Einfälle" unseres Unterbewusstseins seien unsere und unser eigener Wille. Es geht aber auch anders: Schizophrene haben ja oftmals das Gefühl fremdgesteuert zu sein. Haben wir "Normale" hier jedoch Recht, nur weil wir in der Mehrheit sind?
In dem Falle dass uns bei einer Entscheidung alle Optionen bewusst sind (man im einfachsten Fall also nur ja oder nein sagen kann) und man nur eine auszuwählen braucht, ist diese Argumentation nicht mehr möglich. Hier liefert der gesunde Geist keine weiteren Einblicke mehr in seine Funktion, sondern es müssen "geistige Störungen" betrachtet werden. Jedoch ist sowieso nicht vorstellbar wie ein freier Wille überhaupt funktionieren sollte: Entweder eine Entscheidung hat einen Grund - dann ist sie nicht frei gefallen, oder sie hat keinen - dann war sie zufällig, und Zufall kann man schlecht als Willen bezeichnen. Weiterhin ist sowieso unvorstellbar wie wirklicher Zufall "funktioniert".
@Christoph Schwarz Sie schreiben: "Ihre Beispiele zeigen nur, dass ohne die Materie (oder durch Störungen) die geistigen Abläufe nicht mehr normal oder gar nicht mehr 'funktionieren'." Dann jedoch: "Aber auch dies zeigt nicht auf, in welche Richtung die Beeinflussung läuft."
Bei diesem Standpunkt müssen Sie mir wirklich ganz genau erläutern, wie man sich erklären soll, dass Demente nach und nach Ihre Persönlichkeit verlieren oder Depressive die Lust an allem. Wenn tatsächlich der Geist die Materie steuern sollte (und das könnte er auch in einem von Demenz geschädigtem Gehirn), dürfte dies nicht passieren - es sei denn, die Materie steuert den Geist.
Weiterhin gibt es ein sehr interessantes neurologisches Phänomen: Das PAP-Syndrom. Googlen Sie mal danach. Wer davon betroffen ist, kann keine Entscheidungen mehr treffen - obwohl er alles versteht und logisch denken kann, sein Geist also ansonsten nicht im Geringsten beeinträchtigt ist! Wie erklären Sie das?
Meine Interpretation ist: Durch den Indeterminismus, den die Quantenmechanik für die uns beobachtbare Welt (wohlgemerkt sagt die Physik nicht, dass die Welt "hinter den Kulissen" nicht doch deterministisch ist → De-Broglie-Bohm-Theorie) einführt, könnte ein von der Materie unabhängiger Geist jederzeit die Materie steuern. Jedoch beobachten wir dies nicht, sämtliche in meinem ersten Beitrag aufgezählten Gehirnstörungen liefern dafür (weltweit) zig-millionenfache Evidenz.
Wenn Quanteneffekte unmittelbar selbst physikalische Grundlage für geistiges Erleben sein sollten, dann würde dies noch überzeugender machen, dass kein Geist die Materie steuert (sondern diese geistiges Erleben hervorruft). Denn der Geist kann in vielfältiger Weise materiell beeinflusst werden, z.B durch Chemikalien (Psychopharmaka, Drogen) oder physikalisch (transkranielle Magnetstimulation, elektrisch Reizung, operative Eingriffe am Gehirn) - und dem könnte sich ein (rein) freier Geist mit Leichtigkeit entziehen. Wiederum zeigt die Wirklichkeit, dass dies nicht der Fall ist!
Es gibt noch mehr Hinweise auf die Unfreiheit des Denkens und Entscheidens. Und zwar aus dem täglichen Erleben der "ersten Person".
Wie kann es geschehen, dass während einer Abwägung entscheidende Gründe (ein Termin) nicht einfallen? Ein Grund, der nicht "von selbst" einfällt, ist für den Denkenden nicht existent. Könnte er seine Gedanken frei gestalten, dürfte das nicht passieren, dann könnte er seine Gründe aufrufen und müsste nicht auf den Einfall warten. Es ist ja oft sogar so, dass man weiß, dass man eine Information hat (sie liegt dann "auf der Zunge"), aber nicht auf sie zugreifen kann.
Was ist los, wenn man aus seiner Küche in einen anderen Raum geht, um sich ein Blatt Papier zu holen, auf dem man seine Einkaufsliste niederschreiben will und dort angekommen, vergessen hat, warum man in diesen Raum gegangen ist?
Wer oder was hat dem Menschen da seinen Willen genommen? Denn sicher ist, er war es nicht, er hat sich nicht in irgendeiner Weise anders entschieden, er wollte sich bis zuletzt, bis ihm sein Wille entfiel, sein Papier holen. Man kann also seinen Willen verlieren, noch während man daran ist, ihn in die Tat umzusetzen!
Das alles erlebt die erste Person, ganz unwissenschaftlich, mit sich selbst. Das Denken ist ein ununterbrocher Strom von Einfällen (deswegen haben wir diesen Begriff in unseren Sprachen). Die Einfälle lassen sich nicht erzwingen und nicht unterdrücken. Wenn ein Gedanke bewusst wird, dann ist sein Gehalt schon endgültig von einem unbewusst wirkenden Agenten bestimmt, er kann nur durch einen neuen Gedanken aus dem Bewusstsein verdrängt werden, aber niemals durch bewusste Intervention modifiziert werden.
Die Hirnforschung hat die plausibelste Erklärung für all diese Indikatoren der Unfreiheit parat: Es muss das Gehirn sein, dass den Gedankenstrom eines jeden Menschen generiert.
Ich habe Giovanni Frazzettos Artikel über das Thema Neurophilosophie mit Misstrauen und Enttäuschung gelesen. Zunächst das Misstrauen: Die Spalte "Auf einen Blick" (S. 58) verspricht dem Leser ein "Mehr als 'nur' Neurone". Dazu heißt es: "Viele Menschen setzen Gefühle sogar mit der Aktivität von Hormonen und Hirnarealen gleich." Da frage ich mich, woraus geistige Vorgänge denn sonst entstehen sollen, wenn nicht aus Hirnvorgängen. Entspricht nicht jedes einzelne Gefühl auch einem ganz eigenen Hirnzustand?
Geht Frazzetto tatsächlich von der descartesschen dualistischen Vorstellung eines biologischen Körpers im Gegensatz zu einem irgendwie immateriell gearteten Geistigen aus? Das legt zumindest sein folgender Gedanke nahe: "Emotionen entfalten sich zwar als biologischer Prozess, sie verdichten sich aber letztlich zu einer komplexen, persönlichen Angelegenheit." Meint der Autor wirklich, dass das "Persönliche" (Mentale / Emotionale / Geistige), sofern es sich "verdichtet", etwa nicht mehr biologisch sei? Eine solche Hypothese wird ja im weltanschaulichen Diskurs von manchen Philosophen vertreten, und es wäre höchst begrüßenswert, wenn der Autor Ross und Reiter nennen würde und erklärte, aus welcher Substanz das so genannte Persönliche besteht, sofern es nicht mehr biologisch ist. Darüber erfahren wir aber kein Wort.
Ich bin enttäuscht, dass Frazzetto das Thema Neurophilosophie offenbar hauptsächlich als Nachweis eines unüberwindlichen Gegensatzes zwischen "biologischen Laborstudien" und "subjektiver Innensicht" versteht. Er brauchte doch nur zu erläutern, dass praktische Lebensberatung Aufgabe der Psychologie ist, nicht der Neurologie. Letztere ist bekanntlich eine Grundlagenwissenschaft, in der - frei nach Immanuel Kant - die Bedingungen der Möglichkeit auch von Gefühlen, Gedanken und Verhalten erforscht werden.
Immer wieder trägt der Autor mit dem bloßen Hinweis auf Kultur, Moral, Kunst oder Philosophie Argumente vor, die nachweisen sollen, dass "Laborstudien" die "mentale Dimension" (nicht) vollständig erfassen". Fairerweise müsste man aber hinzufügen, dass auch psychologische Therapiemethoden nicht Gedanken lesen können. Wozu also die Verächtlichmachung neurowissenschaftlicher Forschungsmethoden?
Und welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Philosophie, wenn, mit Martin Heidegger, auf einmal Angst als nützliches Erkenntnismittel angepriesen wird? Für wen? Das beträfe allenfalls die Psychologie, von der expressis verbis im gesamten Text nicht einmal die Rede ist. Gefühle wie Angst spielen im Gesamtsystems Mensch eine bedeutsame Rolle. Es wäre verdienstvoll gewesen zu zeigen, dass in der Philosophie über ein solches Einzelbeispiel hinaus über Menschen- und Weltbilder diskutiert wird, die entweder in Übereinstimmung mit der Evolutionstheorie stehen und dabei auch das Geistige auf biologische Vorgänge zurückführen, oder aber rein intuitive Vorstellungen von dem Besonderen einer Person (höheres Bewusstsein / Ich etc.) vertreten, ohne sich in der Lage zu sehen, dieses näher zu erklären. Schade, das wäre ein interessantes Thema gewesen für einen Wissenschaftler, der sich mit Fragen der Neurophilosophie auskennt.
Sinn machen ...
19.12.2012, ENDRPHNFrauen sind eben besser
11.12.2012, E. SeitzerAber mal davon abgesehen: Lässt sich daraus schließen, dass Männer mit kantigen Gesichtszügen häufiger untreu sind?
Naja, solange man es nicht an der Größe der Ohren erkennen kann.
Vielen Dank für Ihren Leserbrief. In dem beschriebenen Experiment schienen Frauen die Neigung zur Untreue der abgebildeten Männer tatsächlich anhand maskuliner Merkmale - insbesondere kantiger Gesichtszüge - auszumachen. Rechneten die Forscher um Gillian Rhodes die Maskulinität statistisch heraus, konnten die Probandinnen das Maß der Untreue nicht mehr gut einschätzen.
Erstaunlicherweise neigten Männer mit markanteren Zügen - nach eigenen Angaben - häufiger zum Seitensprung; der Zusammenhang zwischen Maskulinität und Untreue war aber eher klein. Eventuell könnten maskuline Männer aber auch ehrlicher ihre Eskapaden zugeben als ihre normalen Geschlechtsgenossen. Was wirklich dahinter steckt, ist also noch unklar.
Mit freundlichen Grüßen
Liesa Klotzbücher
Redaktion GuG
Inneres und äußeres Wissen
10.12.2012, Urs HallerVersuche, diese Diskrepanz zu überwinden, wurden unternommen und veröffentlicht u.a. von Sri Aurobindo, Jean Gebser, Ken Wilber, Susanne Cook-Greuter und werden als "integrale Theorie" bezeichnet. Auch die Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Barbara Mettler-Meibom erwähnte diese Diskrepanz in ihrer Abschiedsvorlesung.
Mittlerweile gibt es zahlreiche Anhänger der integralen Bewegung. Sie warten wohl alle auf einen Artikel in GuG über die "integrale Theorie".
Schön zusammengefasst, hier geht's noch ein Schritt weiter
10.12.2012, Peter RostMuss es immer ein Fehler sein?
10.12.2012, Stefan PlenertKinder sind ja noch unvollkommen.
Laufen lernen: Das Kind fällt hin, steht auf und strahlt über das ganze Gesicht. Es ist das erste Mal alleine aufgestanden.
Der Fehler löst ein Depressionsgefühl aus. Durch das Alleineaufstehen hat es neue Kenntnisse und Erfahrungen, wie das geht. Ein Erfolgserlebnis. Warum sich Kinder oft schon über kleine Dinge freuen können.
Das Kind stellt sich die Aufgabe, mal in Spiegelschrift zu schreiben. Es geht und freut sich. Es ist, in dem es vieles noch durch Spielerei lernt.
Das Kind schreibt in Spiegelschrift, das ist ein Fehler. Früher begründete man den Fehler damit, dass es noch unvollkommen ist. Sie haben keinen Grund gefunden.
Interessanter Artikel
09.12.2012, Stefan Plenert(Erziehung nach Sitte und Brauch)
Darüber werden Kenntnisse und Erfahrungen über Generationen weitergegeben. "Einen Hut legt man nicht auf den Tisch", wenn das Kind seine Mütze zum ersten Mal auf den Tisch legt. Hierüber ist vieles weit verbreitet und löst sich sehr langsam über Generationen wieder auf.
Christopher Hitchens
04.12.2012, Helmut RottUnbefriedigender Umgang mit dem Thema Schizophrenie
03.12.2012, V. SpillnerZunächst wird im Beitrag zwischen dem Begriff einer Ursache und einer Korrelation nicht unterschieden: Korrekt ist, dass es erste Studien gibt, wonach die Verminderung der kortikalen grauen Substanz in verschiedenen Gehirnregionen bei Patienten mit Schizophrenie stärker ausgeprägt sein soll als bei anderen Patienten. Nicht richtig ist, ersteres daher als Ursache von letzterem anzusetzen. Erstens sind die Ursachen für Schizophrenie ja nach allem, was man aktuell weiß, ungleich komplexer und vielfältiger. Und zweitens ist eine Korrelation eben keine Ursache - die Ursache mag an ganz anderer Stelle liegen.
Auch fand ich es schade, dass Schizophrenie ausschließlich als "Denkstörung" bezeichnet wurde. Dazu muss man nicht einmal die Studie von Jon L. Karlsson aus "The British Journal of Psychiatry (2004): Psychosis and academic performance" und viele weitere Beiträge zitieren - immer wieder können wir lesen, dass mathematisch Hochbegabte ebenfalls ein erhöhtes Risiko besitzen, Merkmale einer Schizophrenie aufzuweisen.
Unter Umständen ist Schizophrenie also lediglich eine andersartige Form der Informationsverarbeitung - und ich möchte mir nicht anmaßen zu bewerten, ob dies unter allen Umständen eine Krankheit sein muss oder ob es nicht zunächst schlicht eine Form ist, unsere Welt wahrzunehmen. Meines Erachtens ist hier eine deutlich differenziertere Betrachtungsweise gefragt.
Nicht zuletzt fühlte ich mich auch ehrlich betroffen, im Artikel "Anomalien im Erleben und Verhalten" in einem Atemzug mit der Bewertung weiterer "Erkrankungen in der Pubertät" zu lesen. Ich denke, dass unsere Gesellschaft genau an solchen vorschnellen Identifikationen krankt - schade für uns, wenn wir so konformistisch und unkritisch denken: Wie viel kreatives Potenzial und wie viel Respekt gegenüber Andersartigkeit verlieren wir dabei?
Methodische Frage
30.11.2012, Arnim KirschÖkonomische Besserstellung in der Jugend ermöglicht eine sorgenfreie und höherwertige Schul-/Ausbildung und führt auf diesem Umweg zu höheren Einkommen im späteren Leben.
Falls diese Größe nicht herauspartialisiert wurde, handelt es sich um ein Artefakt.
Sehr geehrter Herr Kirsch,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Die Wissenschaftler Jan-Emmanuel De Neve und Andrew Oswald haben in ihrer Analyse das soziale Umfeld kontrolliert, indem sie ein besonderes Augenmerk auf Geschwister legten. Dabei stellten sie sicher, dass diese im selben Haushalt aufwuchsen - also unter gleichen finanziellen und sozialen Bedingungen. Der Vergleich innerhalb der Familien bestätigt die Hypothese der Forscher, laut der ein Zusammenhang zwischen Glück und späterem Einkommen besteht. Wer im Alter von 22 Jahren glücklicher war als sein Geschwister, verdiente mit 29 im Schnitt sechs Prozent mehr als seine Familenangehörigen im gleichen Alter.
Herzliche Grüße
Anneke Meyer
Redaktion GuG
Wer abnehmen will, muss abgeben
24.11.2012, Franz Josef Neffe"Ich will essen", bedeutet also: "Ich wähle zu essen."
Von "mehr wählen" oder "stärker wählen" oder von "sich (mehr) anstrengen beim Wählen" wird beim Essen keiner satt.
Von einmal wählen + einmal essen schon.
Imagination und Autosuggestion in Coué-Qualität können mehr möglich werden lassen, als selbst Kabarettisten glauben.
Gerade der Text von Eckart von Hischhausen zeigt doch, wie wunderbar und hundertprozentig seine eigene Autosuggestion bezüglich abnehmen funktioniert:
Er konditioniert sich immer wieder, wo und wem und wie er "die kleinen Tütchen abnehmen" wird, und nichts kann dieses, sein Top-Programm dann aufhalten.
Einfach beispielhaft!
Wir sollten alle mindestens so gut Autosuggestion lernen; es couét!
Franz Josef Neffe
Ideenklau
19.11.2012, Senana Lucia BruggerIn anderen Kulturen ist es ein Zeichen der Ehrerbietung, einen Meister zu kopieren. Wir kennen immer noch das Wort "Hommage", das doch viel schöner klingt als "Ideenklau" und gleich nicht so negativ. Nachahmung, Resonanz, Imitationslernen - all das hätte man wählen können. Gerald Hüther führt in seiner "Evolution der Liebe" die Resonanz gar als das auf, was das Universum zusammenhält. Aber Ideenklau?
Ich lese Ihr Heft ausgesprochen gerne, in diesem speziellen Fall würde ich mich wohler fühlen, wenn eine Zeitschrift, die der Wissenschaft dient, sich dementsprechend positioniert. Wissenschaft ist "Zwerge auf den Schultern von Riesen" - auch eine viel schönere Metapher als "Ideenklau".
Intelligenz = erblich?
18.11.2012, Paul R. WoodsMit nüchterner distanzierter Sachlichkeit ist da wenig zu erreichen.
Ich hoffe aber doch sehr, dass sich die Autoren ein Exemplar teilten. Wenn jeder eine Ausgabe des Buches gekauft hat, dann hat Sarrazin auch an seinen Kritikern gut verdient.
@Eisenrauch und Schwarz
17.11.2012, Dieter KenzeIch stimme Ihnen zu: Der Mensch kann sich nicht aussuchen, welche Gedanken in seinem Bewusstsein auftauchen. Denn dazu müsste er alle möglichen Gedanken vor seinem Geist ausgebreitet haben, um dann daraus auswählen zu können. Was bewusst wird, entscheidet das Unterbewusstsein. Jedoch haben wir das Gefühl auch die "Einfälle" unseres Unterbewusstseins seien unsere und unser eigener Wille. Es geht aber auch anders: Schizophrene haben ja oftmals das Gefühl fremdgesteuert zu sein. Haben wir "Normale" hier jedoch Recht, nur weil wir in der Mehrheit sind?
In dem Falle dass uns bei einer Entscheidung alle Optionen bewusst sind (man im einfachsten Fall also nur ja oder nein sagen kann) und man nur eine auszuwählen braucht, ist diese Argumentation nicht mehr möglich. Hier liefert der gesunde Geist keine weiteren Einblicke mehr in seine Funktion, sondern es müssen "geistige Störungen" betrachtet werden.
Jedoch ist sowieso nicht vorstellbar wie ein freier Wille überhaupt funktionieren sollte: Entweder eine Entscheidung hat einen Grund - dann ist sie nicht frei gefallen, oder sie hat keinen - dann war sie zufällig, und Zufall kann man schlecht als Willen bezeichnen. Weiterhin ist sowieso unvorstellbar wie wirklicher Zufall "funktioniert".
@Christoph Schwarz
Sie schreiben: "Ihre Beispiele zeigen nur, dass ohne die Materie (oder durch Störungen) die geistigen Abläufe nicht mehr normal oder gar nicht mehr 'funktionieren'." Dann jedoch: "Aber auch dies zeigt nicht auf, in welche Richtung die Beeinflussung läuft."
Bei diesem Standpunkt müssen Sie mir wirklich ganz genau erläutern, wie man sich erklären soll, dass Demente nach und nach Ihre Persönlichkeit verlieren oder Depressive die Lust an allem. Wenn tatsächlich der Geist die Materie steuern sollte (und das könnte er auch in einem von Demenz geschädigtem Gehirn), dürfte dies nicht passieren - es sei denn, die Materie steuert den Geist.
Weiterhin gibt es ein sehr interessantes neurologisches Phänomen: Das PAP-Syndrom. Googlen Sie mal danach. Wer davon betroffen ist, kann keine Entscheidungen mehr treffen - obwohl er alles versteht und logisch denken kann, sein Geist also ansonsten nicht im Geringsten beeinträchtigt ist! Wie erklären Sie das?
Meine Interpretation ist: Durch den Indeterminismus, den die Quantenmechanik für die uns beobachtbare Welt (wohlgemerkt sagt die Physik nicht, dass die Welt "hinter den Kulissen" nicht doch deterministisch ist → De-Broglie-Bohm-Theorie) einführt, könnte ein von der Materie unabhängiger Geist jederzeit die Materie steuern. Jedoch beobachten wir dies nicht, sämtliche in meinem ersten Beitrag aufgezählten Gehirnstörungen liefern dafür (weltweit) zig-millionenfache Evidenz.
Wenn Quanteneffekte unmittelbar selbst physikalische Grundlage für geistiges Erleben sein sollten, dann würde dies noch überzeugender machen, dass kein Geist die Materie steuert (sondern diese geistiges Erleben hervorruft). Denn der Geist kann in vielfältiger Weise materiell beeinflusst werden, z.B durch Chemikalien (Psychopharmaka, Drogen) oder physikalisch (transkranielle Magnetstimulation, elektrisch Reizung, operative Eingriffe am Gehirn) - und dem könnte sich ein (rein) freier Geist mit Leichtigkeit entziehen. Wiederum zeigt die Wirklichkeit, dass dies nicht der Fall ist!
@Kenze und @Schwarz - Epiphänomen
15.11.2012, Andreas EisenrauchWie kann es geschehen, dass während einer Abwägung entscheidende Gründe (ein Termin) nicht einfallen? Ein Grund, der nicht "von selbst" einfällt, ist für den Denkenden nicht existent. Könnte er seine Gedanken frei gestalten, dürfte das nicht passieren, dann könnte er seine Gründe aufrufen und müsste nicht auf den Einfall warten. Es ist ja oft sogar so, dass man weiß, dass man eine Information hat (sie liegt dann "auf der Zunge"), aber nicht auf sie zugreifen kann.
Was ist los, wenn man aus seiner Küche in einen anderen Raum geht, um sich ein Blatt Papier zu holen, auf dem man seine Einkaufsliste niederschreiben will und dort angekommen, vergessen hat, warum man in diesen Raum gegangen ist?
Wer oder was hat dem Menschen da seinen Willen genommen? Denn sicher ist, er war es nicht, er hat sich nicht in irgendeiner Weise anders entschieden, er wollte sich bis zuletzt, bis ihm sein Wille entfiel, sein Papier holen. Man kann also seinen Willen verlieren, noch während man daran ist, ihn in die Tat umzusetzen!
Das alles erlebt die erste Person, ganz unwissenschaftlich, mit sich selbst. Das Denken ist ein ununterbrocher Strom von Einfällen (deswegen haben wir diesen Begriff in unseren Sprachen). Die Einfälle lassen sich nicht erzwingen und nicht unterdrücken. Wenn ein Gedanke bewusst wird, dann ist sein Gehalt schon endgültig von einem unbewusst wirkenden Agenten bestimmt, er kann nur durch einen neuen Gedanken aus dem Bewusstsein verdrängt werden, aber niemals durch bewusste Intervention modifiziert werden.
Die Hirnforschung hat die plausibelste Erklärung für all diese Indikatoren der Unfreiheit parat: Es muss das Gehirn sein, dass den Gedankenstrom eines jeden Menschen generiert.
Neurotheologie
13.11.2012, Ernst Grewel, VelbertGeht Frazzetto tatsächlich von der descartesschen dualistischen Vorstellung eines biologischen Körpers im Gegensatz zu einem irgendwie immateriell gearteten Geistigen aus? Das legt zumindest sein folgender Gedanke nahe: "Emotionen entfalten sich zwar als biologischer Prozess, sie verdichten sich aber letztlich zu einer komplexen, persönlichen Angelegenheit." Meint der Autor wirklich, dass das "Persönliche" (Mentale / Emotionale / Geistige), sofern es sich "verdichtet", etwa nicht mehr biologisch sei? Eine solche Hypothese wird ja im weltanschaulichen Diskurs von manchen Philosophen vertreten, und es wäre höchst begrüßenswert, wenn der Autor Ross und Reiter nennen würde und erklärte, aus welcher Substanz das so genannte Persönliche besteht, sofern es nicht mehr biologisch ist. Darüber erfahren wir aber kein Wort.
Ich bin enttäuscht, dass Frazzetto das Thema Neurophilosophie offenbar hauptsächlich als Nachweis eines unüberwindlichen Gegensatzes zwischen "biologischen Laborstudien" und "subjektiver Innensicht" versteht. Er brauchte doch nur zu erläutern, dass praktische Lebensberatung Aufgabe der Psychologie ist, nicht der Neurologie. Letztere ist bekanntlich eine Grundlagenwissenschaft, in der - frei nach Immanuel Kant - die Bedingungen der Möglichkeit auch von Gefühlen, Gedanken und Verhalten erforscht werden.
Immer wieder trägt der Autor mit dem bloßen Hinweis auf Kultur, Moral, Kunst oder Philosophie Argumente vor, die nachweisen sollen, dass "Laborstudien" die "mentale Dimension" (nicht) vollständig erfassen". Fairerweise müsste man aber hinzufügen, dass auch psychologische Therapiemethoden nicht Gedanken lesen können. Wozu also die Verächtlichmachung neurowissenschaftlicher Forschungsmethoden?
Und welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Philosophie, wenn, mit Martin Heidegger, auf einmal Angst als nützliches Erkenntnismittel angepriesen wird? Für wen? Das beträfe allenfalls die Psychologie, von der expressis verbis im gesamten Text nicht einmal die Rede ist. Gefühle wie Angst spielen im Gesamtsystems Mensch eine bedeutsame Rolle. Es wäre verdienstvoll gewesen zu zeigen, dass in der Philosophie über ein solches Einzelbeispiel hinaus über Menschen- und Weltbilder diskutiert wird, die entweder in Übereinstimmung mit der Evolutionstheorie stehen und dabei auch das Geistige auf biologische Vorgänge zurückführen, oder aber rein intuitive Vorstellungen von dem Besonderen einer Person (höheres Bewusstsein / Ich etc.) vertreten, ohne sich in der Lage zu sehen, dieses näher zu erklären. Schade, das wäre ein interessantes Thema gewesen für einen Wissenschaftler, der sich mit Fragen der Neurophilosophie auskennt.