Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
Wenn geistige Vorgänge im Gehirn abgebildet sind, dort auch lokalisierbar sind, ist damit ja noch nicht gesagt, wer was beeinflusst: der Geist die Materie oder umgekehrt. Ihre Beispiele zeigen nur, dass ohne die Materie (oder durch Störungen) die geistigen Abläufe nicht mehr normal oder gar nicht mehr "funktionieren". Aber auch dies zeigt nicht auf, in welche Richtung die Beeinflussung läuft. So denke ich: Der Geist ist nicht unabhängig von der Materie, sondern bedarf der Materie, um funktionieren zu können. D.h. aber noch lange nicht, dass die Materie den Geist absolut determiniert. Mir scheint da viel eher ein Wechselverhältnis zu sein.
Ohne das Buch gelesen zu haben, fürchte ich, dass das - aus meiner Sicht - zentrale Argument für den "geistigen Determinismus" nicht behandelt wird. Dieses besteht in der vielfach gemachten Beobachtung, dass "geistiges Erleben" durch materielle Prozesse hervorgerufen und damit dadurch bestimmt (determiniert) wird (und nicht umgekehrt der Geist auf die Materie einwirkt). Ob diese materiellen Prozesse wiederum determiniert im Sinne der Physik sind, ist nicht relevant, da geistiges Erleben sich erwiesenermaßen eben nicht selbst erzeugen kann, sondern von der Materie abhängt. Als Beweise für diese Behauptung seien einige neurologische Befunde genannt, die es ansonsten nicht geben dürfte:
Depressionen (warum sind viele Depressive antriebs- und lustlos, wenn doch der Geist unabhängig von der Materie ist?)
Koma - ohne Schädigung des Großhirns (wieso wachen solche Patienten nicht auf, obwohl ihr gesamtes Großhirn intakt ist?)
Epilepsie (das Paradeargument gegen die Annahme, der Geist könne auf die Materie wirken, das Gegenteil ist der Fall)
Demenz, Alzheimer, Rett-Syndrom, Neuronale Ceroid-Lipofuszinose (Zerfall der Struktur des Gehirns führt auch zum Zerfall des Geistes)
Schlaganfall (wieso können manche Patienten - auf Grund einer Hirnschädigung - eine Körperhälfte nicht mehr fühlen und bewegen oder "vergessen" sogar, dass sie eine zweite Körperhälfte haben? Wieso sind manche Menschen nach einem Schlaganfall nicht mehr in der Lage, sich neue Sachverhalte zu merken oder vergessen ihre gesamte bisherige Biographie? Wieso können manche Menschen nach Schlaganfällen nicht mehr sehen und bemerken dies vielleicht nicht einmal [Anton-Syndrom]?)
Alle diese Befunde dürfte es - meiner Meinung nach - nicht geben, wenn der Geist nicht von der Materie bestimmt würde, sondern umgekehrt die Materie beeinflussen könnte. Wie sonst wären diese Befunde erklärbar?
woher wissen Sie, dass Paviane und Berberaffen kaum darüber nachdenken, was andere Artgenossen wissen? Und zwar in solch einer signifikanten Abweichung gegenüber dessen, was bei unseren Artgenossen stattfindet, dass damit ein Forschungsergebnis einhergehen kann.
Ich frage nach, weil ich über viele Jahrzehnte beobachte, dass "Wissenschaftler" gerade mit Unterscheidungen zwischen Mensch und (sonstigem) Tier häufig sehr schnell hergeholt, unhaltbar oder einfach nur unwissenschaftlich bzw. falsch agieren. Insbesondere wird dabei - auf mich anthropozentristisch fanatisch (und beim Leser einschleimend) wirkend - oftmals eine Erkenntnis proklamiert, die bei näherem Hinsehen nur eine Mutmaßung sein kann. Dies unterstelle ich Ihnen nicht.
Über eine Begründung für ihr Forschungsergebnis würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen Manfred Stöckigt
Stellungnahme der Redaktion
Antwort unserer Interviewpartnerin Julia Fischer: Lieber Herr Stöckigt,
eine gut begründete Antwort würde den Rahmen dieser Rubrik sprengen. Darf ich Sie deshalb freundlich auf mein kürzlich erschienenes Buch "Affengesellschaft" (Suhrkamp Verlag) verweisen, in dem ich ausführlich auf die Forschung eingehe, die meiner Einschätzung zu Grunde liegt?
das geht so nicht und es macht auch keinen Sinn, nämlich zu urteilen, ohne das Buch gelesen zu haben. Was "legitimiert" Sie denn dann dazu? Und was soll denn da komisch sein, wenn ein Philosoph ein - übrigens nicht nur - philosophisches Buch empfiehlt? Brigitte Falkenburg ist ja auch Physikerin.
Sie würden vieles verstehen, was Sie jetzt - anscheinend - nur halb wissen (Sie benutzen ja auch etwas zu häufig das Wort "irgendwie"). Das alles behaupte ich im Übrigen, weil ich das Buch gelesen habe.
Auch die Autorin bestreitet ja nicht, dass mentales Erleben im Gehirn "lokalisiert" ist und dort irgendwelche Dinge passieren. Mehr weiß die Hirnforschung im Grunde auch nicht, und trotzdem werden die erfolgreichen Ansätze der Hirnforschung im Buch nicht bestritten, sondern gut beschrieben.
... scheint es in der Philosophie durchaus zu geben, jedenfalls nach der "Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie", die unter der Federführung des vielfach ausgezeichneten Konstanzer Philosophen Jürgen Mittelstrass seit 2005 in zweiter Auflage (und gegenüber der ersten in offenbar doppeltem Umfang) im Stuttgarter Metzler-Verlag erscheint.
Die Begehung von Gräueltaten ist nicht genetisch vorprogrammiert, sondern die zum Überleben erforderliche Aggressivität ist angeboren und kann durch gesellschaftliche Verhältnisse zur menschenverachtenden Brutalität geformt werden. Die schrecklichsten Gräueltaten vollbringen Individuen, wenn sie sich als Vertreter bzw. Diener einer höheren Macht, am besten des Willens Gottes, verstehen.
Auch auf die Gefahr hin, dass das hier zu einem Privatgespräch unter Statistiknerds ausufert – ein weiterer Kommentar zu Ihrer Antwort.
Sie unterstreichen vollkommen zu Recht, dass die Quote falsch positiver Resultate immer im Dunkeln bleiben wird. Dabei erwähnen Sie auch, dass sich der so genannte Beta-Fehler laut Wahrscheinlichkeitstheorie nicht abschätzen ließe. Das ist korrekt – allerdings nur für einen ganz bestimmten Fall, in dem (fast) sinnfreie Hypothesen miteinander verglichen werden. Der Beta-Fehler lässt sich immer dann abschätzen, wenn eine Mindestgröße für den Effekt von Interesse festgelegt wird.
Fragen wir zum Beispiel, ob sich der IQ von Erst- und Zweitgeborenen unterscheidet, macht es Sinn festzulegen, ab welcher Größe ein etwaiger Unterschied von Interesse wäre (zum Beispiel sind solche Unterschiede bedeutungslos, die kleiner sind als die Messgenauigkeit unseres Tests). Wir könnten die kontrastierten Hypothesen also folgendermaßen bestimmen: "Der IQ von Erst- und Zweitgeborenen unterscheidet sich nicht bedeutsam" vs. "Der IQ von Erst- und Zweitgeborenen unterscheidet sich um mindestens X Punkte". Immer wenn wir solche Hypothesen vergleichen, können wir auch den Beta-Fehler abschätzen.
Der einzige Fall, in dem sich der Beta-Fehler nicht abschätzen lässt, ist der, in dem wir unbestimmte Hypothesen wie die folgenden vergleichen: "Der IQ von Erst- und Zweitgeborenen unterscheidet sich um exakt Null" vs. "Der IQ von Erst- und Zweitgeborenen unterscheidet sich irgendwie". Und "irgendwie" ist hier beim Wort zu nehmen! Jeder noch so kleine Unterschied zwischen den Geschwistern wird hier zu einem signifikanten Ergebnis führen, sobald unsere Stichprobe groß genug ist. Theoretisch auch ein Unterschied von einem Milliardstel IQ-Punkt! Und nimmt man diese Art von Hypothesen beim Wort, dann haben Sie einen merkwürdigen Nebeneffekt: Falsch positive Ergebnisse gibt es per Definition – überhaupt nicht mehr! Denn "irgendwie" werden sich tatsächlich alle denkbaren verglichenen Gruppen unterscheiden, spätestens in der unendlichen Stelle nach dem Komma.
Selbstverständlich interessiert sich niemand für einen Unterschied von einem Milliardstel IQ-Punkt. Und die meisten Psychologen gehen davon aus, dass sie Hypothesen testen, für die es auch falsch positive Ergebnisse geben kann (solche, die falsch sein könnten). Warum werden dann trotzdem so oft unbestimmte Hypothesen getestet? Zum einen ist es oft schwer zu bestimmen, ab welcher Größe ein Effekt von Interesse wäre. Ab wie vielen IQ-Punkten genau fangen wir an einen Unterschied interessant zu finden? Zum anderen führt in der Praxis nicht jeder winzige Effekt zu signifikanten Ergebnissen, da die Stichprobengrößen meist überschaubar sind.
Und genau hier liegt wohl der Hund begraben: Mit der Wahl einer Stichprobengröße legen Forscher gleichzeitig (und womöglich unbewusst) fest, welche Effektgrößen sie interessieren – eben solche, die man realistischer Weise mit einer bestimmten Stichprobengröße entdecken kann.
All das ist reichlich kompliziert und bringt zumindest meinen Kopf zum rauchen. Schließlich gibt es eine Menge zu beachtender Fallstricke bei der Interpretation eines statistischen Ergebnisses. Glücklicherweise gibt es einen einfachen Weg, sich einen Überblick zu verschaffen: Das so genannte "Konfidenzintevall". Das Konfidenzintervall zeigt an, welche Effektgrößen auf Grund der Daten einer Stichprobe plausibel erscheinen. Und daran lässt sich vieles ablesen. Zum Beispiel übersetzt sich die Frage nach statistischer Signifikanz in die Frage, ob der Wert Null außerhalb des Konfidenzintervalls liegt. Ist dies nicht der Fall, können wir weiterfragen, ob die Werte im Konfdenzintervall eine interessante Größe haben oder eher trivial erscheinen. Und im Falle eines nicht signifikanten Ergebnisses können wir fragen, ob das Konfidenzintervall trotzdem interessante Effektgrößen einschließt. Außerdem werden Konfidenzintervalle kleiner mit größer werdenden Stichproben. Ist das Konfidenzintervall also zu weit um ein abschließendes Urteil zu fällen, wissen wir, dass wir mehr Daten benötigen. Beim Lesen eines Fachartikels lohnt es sich also, Ausschau nach dem Konfidenzintervall zu halten.
Mit besten Grüßen Benjamin de Haas
Stellungnahme der Redaktion
Herzlichen Dank, Herr de Haas, für Ihre Präzisierung. Wie man sieht, verbirgt hinter mancher zugespitzten Formulierung in einem Kommentar doch eine ziemlich lange und komplizierte Geschichte.
Ein neurophilosophischer Beitrag: Ich arbeite, meine und schreibe als Agnostiker, - dennoch als Mensch -, zum Thema: "Das gottlose Gehirn" (unvollendet). Darin geht es um eine evolutionsbiologische Klärung der Begriffe Religiosität und Glaube und eine kritische Auseinandersetzung mit deren Institutionalisierungen in den Religionen und der Kirche. Es wird der Grundsatz vertreten, dass sich selbst die "reine wissenschaftliche" Betrachtungen und Logik der Wahrheit nur annähern kann. Wahrheit ist insofern inexistent, da sie sich jeder Beweisform entzieht und damit evolutionsbiologisch zur Notwendigkeit als Suchelement nach Religiosität und des Glaubens wurde, denn ohne die Annahme der Wahrheit oder zumindest deren Vermutung wäre existentielles Leben in einer subjektiv wahrgenommenen Welt in ihrem gesicherten und angstfreien Raum kaum möglich. Insofern komme ich zur Auffassung, dass wenn es um die Erkenntnis der Wahrheit geht, kein wirklicher Unterschied zwischen Religion und Wissenschaft besteht. Es sei denn, man konstruiert dieses Dilemma. Der Agnostiker ist Atheist, offen für jede spekulative, so genannte Form der Wahrheit, die der Mensch, auch "Gott", allerdings in seiner momentanen Verfasstheit nie erkennen kann. Näheres über das Öffnen eines virtuellen Grabens beim Verfasser dieser Zeilen.
Steve Ayan berichtete im Zusammenhang mit dem "Reproducibility Project" über das Risiko falsch positiver Befunde in der Psychologie. Dabei ging er auch auf die statistische Methode des "Signifikanztestens" ein und die dabei übliche Fehlertoleranz von fünf Prozent. Er schloss, aus dieser Fehlertoleranz ergebe sich: "Jedes 20. Resultat ist Murks - per Definition!"
Der Murks mit der Logik des Signifikanztestens ist, dass man sie so leicht missversteht. Die Interpretation Ayans ist der wohl populärste Irrtum in Bezug auf die von ihm erwähnte Fehlertoleranz. Diese Fehlertoleranz wird im Fachjargon "Alpha-" oder "Fehler-I-Risiko" genannt und tatsächlich meist auf fünf Prozent festgelegt. Das bedeutet allerdings nicht, dass fünf Prozent der signifikanten Ergebnisse falsch positive sind. Das festgelegte Risiko bezieht sich umgekehrt darauf, dass in fünf Prozent der Fälle, in denen eine falsche Hypothese getestet wird, das Ergebnis trotzdem signifikant ausfällt.
Aber ist das nicht das Gleiche? Nein! Zwei Beispiele: Stellen wir uns vor, 50 Prozent der Leser von "Gehirn und Geist" sind weibliche Deutsche. Folgt daraus, dass 50 Prozent aller weiblichen Deutschen "Gehirn und Geist" lesen? Wohl kaum. Wenn wir das Ganze auf die Praxis des Signifikanztestens übertragen, müssen wir einfach nur folgendes Gedankenexperiment wagen: Stellen wir uns vor, alle Hypothesen, die Psychologen jemals einfielen, seien in Wahrheit falsch. Bei einer Fehlertoleranz von fünf Prozent würden trotzdem fünf Prozent der Experimente signifikante Ergebnisse liefern. Aber von diesen signifikanten Ergebnissen wären dann 100 Prozent falsch positive! Umgekehrt läge der Anteil der falsch positiven bei 0 Prozent für den Fall, dass Psychologen nur "wirklich richtige" Hypothesen testeten.
Der Anteil der falsch Positiven an der Gesamtheit signifikanter Ergebnisse hängt mit dreierlei zusammen: - dem Risiko, eine falsche Hypothese zu akzeptieren (das Ayan thematisierte) - der Wahrscheinlichkeit, ein signifikantes Ergebnis zu erhalten, wenn eine richtige Hypothese getestet wird (dem sogenannten Beta- oder Fehler-II-Risiko, das wenig beachtet wird) - dem Anteil der richtigen Hypothesen an den getesteten Hypothesen (den wir niemals kennen können)
Und das ist nur die statistische Theorie! Dann erst kommen Faktoren wie der Publikationsdruck und das Stochern nach Signifikanz ins Spiel. Aber leider wird uns auch das "Reproducibility Project" keine endgültigen Antworten liefern können. Kann eines der getesteten Ergebnisse nicht reproduziert werden, so sagt das in aller Regel nämlich weniger über die vermeintliche Falschheit der zugrunde liegenden Hypothese aus, als ein signifikantes Ergebnis über ihre Richtigkeit sagen würde.
Stellungnahme der Redaktion
Sehr geehrter Herr de Haas,
Sie haben völlig Recht: Der so genannte Alpha-Fehler (oder "Fehler 1. Art") bezeichnet den Fall, dass ein statistischer Signifikanztest positiv ausfällt, obwohl die getestete Hypothese falsch ist. Hierfür wird per Konvention eine Toleranz von fünf Prozent zugrunde gelegt. Nun prüfen Forscher in Experimenten aber (hoffentlich) auch so manche wahre Hypothese - und produzieren dabei des Öfteren positive Befunde. Die zweite Möglichkeit "Murks" zu produzieren - nämlich ein nicht signifikantes Ergebnisse bei zutreffender Theorie (auch Beta- oder Fehler 2. Art genannt) -, kommt in den publizierten Forschungsberichten nur selten vor, weil negative Resultate per se kaum veröffentlicht werden.
Wie Sie weiter richtig schreiben, wissen wir nicht, welchen Anteil die "eigentlich" richtigen Hypothesen unter allen getesteten haben. Auch lässt sich die Gefahr von Beta-Fehlern laut Wahrscheinlichkeitstheorie gar nicht näher eingrenzen. Alles was wir haben, ist also eine Festlegung des Risikos falsch positiver Resultate - und ein unkalkulierbares Reich der "Wahrheit" dahinter.
Langer Rede kurzer Sinn: Niemand kennt die tatsächliche Zahl der falschen Studienergebnisse - sollte meine Aussage "Jedes 20. Resultat ist Murks" dies suggeriert haben, so tut es mir leid. Sie beschrieb lediglich die statistische Normsetzung für einen bestimmten Fall: den beschriebenen Alpha-Fehler. Zudem gibt es, wie im Kommentar ausgeführt, sehr gute Gründe dafür anzunehmen, dass die wahren Murks-Quote weit höher liegt.
Möglicherweise sind Menschen, welche mehr Dopamin im Gehirn zur Verfügung haben, vertrauensvoller als Menschen mit weniger Dopamin. Bei dieser Studie haben die Probanden eventuell mehr oder weniger misstrauisch auf die ungewöhnliche Therapie reagiert und damit den Plazeboeffekt nachhaltig beeinflusst.
Ein ähnliches Ergebnis konnte bei Probanden gefunden werden, bei denen das Serotonin über ein kurzfristiges Reduzieren der Tryptophanzufuhr über die Nahrung reduziert wurde. Bei diesen konnte ein größerer Gerechtigkeitssinn festgestellt werden, anders ausgedrückt haben diese einfach ungehalten auf offensichtliche Ungerechtigkeit reagiert.
meine kritische Sicht galt nicht Ihrer Redaktion, sondern der Untersuchung an sich. Es wäre gerade für Laien hilfreich zu wissen, dass die Ergebnisse nicht generalisiert werden dürfen. Dennoch neigt die Sozialpsychologie dazu, genau dies zu tun.
Dass Sie sich als Redaktion an die Fakten einer wissenschaftlichen Untersuchung halten, ist löblich, und genau so sollte es ja sein, immerhin sind Sie ja nicht für die Untersuchung verantwortlich.
Aber da es Ihre Zeitschrift ist, wäre es sinnvoll, eine Anmerkung diesbezüglich zu machen, da Sie ja schließlich eine Fachzeitschrift vertreten, die Laien darüber aufklären möchte, wie das Gehirn funktioniert. Mit Halbwissen hat man schon ziemlichen Schaden verursacht. Dies ist übrigens keine Kritik, sondern ein Hinweis darauf, dass gerade Generalisierungen in neuronale Sackgassen führen. Was den Sinn und Zweck Ihrer Zeitschrift ja dann verfehlen würde. Zumindest wenn ich davon ausgehe, dass Sie eine Aufklärungsfunktion damit übernehmen. Ich weiß, es ist schwer, allem gerecht zu werden. Aber gerade die Generalisierungen, die aus diesem Bericht besonders hervorstechen, sind es, die Menschen eher schaden als nützen. Dabei sind wir in der Lage, diese zu hinterfragen. Dennoch haben aber leider nicht alle Menschen, die Ihre Zeitschrift lesen, dieses Wissen.
Ganz offenkundig verführt dieses kontroverse Thema, zwei extreme Positionen einzunehmen.
Da es jedoch ein Thema mit durchdringender gesellschaftlicher Bedeutung ist, ist es fahrlässig, die Polemik des Kritikers als übertrieben darzustellen, nur weil diese Polemik die eigene Befindlichkeit berührt. Auch damit kann Sachlichkeit und eine vernunftgeleitete Debatte abhanden gekommen. Womöglich ist sie auch nicht zu erwarten, denn zu oft führt die Reaktion auf Polemik zur Verkehrung ihrer Thesen ins Gegenteil oder zu ihrem Verdrängen in die Neutralität. Daher wäre es angebrachter gewesen, wenn Reinhard Meyer sich auf einige wenige kritische Punkte aus dem Buch Spitzers konzentriert und die Behauptungen konstruktiv relativiert hätte. Eine Gegenthese ohne Synthese ist mangelhaft ...
Manfred Spitzer als kompetenter Wissenschaftler wird seine professionellen Gründe haben, weshalb er die Polemik als Mittel wählt, um seinen Standpunkt darzulegen. Solche Befangenheit bei einem Wissenschaftler zu sehen, sollte Anlass sein, ihn ernst zu nehmen.
Ein adaptives System sollte schließlich eher (möglichen) falschen Alarm in Kauf nehmen, anstatt sich an einen Zustand zu gewöhnen, in welchem das Signal graduell gedämpft wird, weil es von der Gefahr, vor welcher es warnen soll, bereits neutralisiert wurde.
Spitzers Polemik leitet zu viel Wasser auf die Mühlen derer, die gerne sorglos mit den neuen Medien umgehen möchten. Es gibt bessere Bücher zu diesem Themenkreis (z.B. Gerhard Roth: Lernen braucht Persönlichkeit), aber die finden nicht die notwendige Resonanz in der Öffentlichkeit, weil sie nicht mit so viel Getöse daherkommen.
Es ist anscheinend immer wieder in der Sozialpsychologie der Fall, dem Gehirn auf die Schliche zu gehen und zu generalisieren. Weder steht in dem Bericht, was einen Menschen dazu bringt, es tun zu können (ein erhaltenes Geschenk weiterzugeben), und andere es wiederum nicht können. Es gibt psychologisch gesehen so einige Gründe, warum es für manche Menschen möglich ist, dies zu tun und für andere nur mit Gewissensbisse. Stattdessen wird in diesem Bericht auch noch generalisiert, dass der Schenkende damit keine Probleme habe, was mit seinem Geschenk passiere. Also wenn schon Untersuchungen, dann bitte ohne generalisierte Deutungen, dann sind diese Berichte auch glaubwürdig von Wert.
Stellungnahme der Redaktion
Sehr geehrte Frau Albus,
zunächst einmal möchten wir uns für Ihren kritischen Blick bedanken. Rückmeldungen sind für uns sehr wichtig, um sicherzustellen, dass die Gratwanderung zwischen nüchterner und leserfreundlicher Darstellung von wissenschaftlichen Erkenntnissen gelingt.
Ebendiese zwingt uns, Forschungsergebnisse teils vereinfacht darzustellen. Dennoch halten wir uns an die Fakten. So haben wir in der Nachricht nicht erwähnt, warum es manchen Menschen leichter fällt als anderen, ein erhaltenes Präsent wiederzuschenken, denn diese Frage hat die betreffende Studie nicht behandelt. Natürlich spielen dabei - wie Sie in Ihrem Brief schon anmerkten - verschiedene psychologische Faktoren eine Rolle.
In Alltagssituationen kommen außerdem viele individuelle Elemente zusammen, die in wissenschaftlichen Studien nicht berücksichtigt werden können. Dies hat zur Folge, dass "Ausreißer" oft nicht erfasst werden. Diese Beschränkung ist aber auch die Grundlage dafür, überhaupt Schlüsse ziehen zu können.
@Dieter Kenze
13.11.2012, Christoph SchwarzIhre Beispiele zeigen nur, dass ohne die Materie (oder durch Störungen) die geistigen Abläufe nicht mehr normal oder gar nicht mehr "funktionieren". Aber auch dies zeigt nicht auf, in welche Richtung die Beeinflussung läuft.
So denke ich: Der Geist ist nicht unabhängig von der Materie, sondern bedarf der Materie, um funktionieren zu können. D.h. aber noch lange nicht, dass die Materie den Geist absolut determiniert. Mir scheint da viel eher ein Wechselverhältnis zu sein.
Kritik an der Kritik des neuronalen Determinismus
11.11.2012, Dieter KenzeDepressionen (warum sind viele Depressive antriebs- und lustlos, wenn doch der Geist unabhängig von der Materie ist?)
Koma - ohne Schädigung des Großhirns (wieso wachen solche Patienten nicht auf, obwohl ihr gesamtes Großhirn intakt ist?)
Epilepsie (das Paradeargument gegen die Annahme, der Geist könne auf die Materie wirken, das Gegenteil ist der Fall)
Demenz, Alzheimer, Rett-Syndrom, Neuronale Ceroid-Lipofuszinose (Zerfall der Struktur des Gehirns führt auch zum Zerfall des Geistes)
Schlaganfall (wieso können manche Patienten - auf Grund einer Hirnschädigung - eine Körperhälfte nicht mehr fühlen und bewegen oder "vergessen" sogar, dass sie eine zweite Körperhälfte haben? Wieso sind manche Menschen nach einem Schlaganfall nicht mehr in der Lage, sich neue Sachverhalte zu merken oder vergessen ihre gesamte bisherige Biographie? Wieso können manche Menschen nach Schlaganfällen nicht mehr sehen und bemerken dies vielleicht nicht einmal [Anton-Syndrom]?)
Alle diese Befunde dürfte es - meiner Meinung nach - nicht geben, wenn der Geist nicht von der Materie bestimmt würde, sondern umgekehrt die Materie beeinflussen könnte. Wie sonst wären diese Befunde erklärbar?
Freitag der 13.
10.11.2012, KatiProfil
09.11.2012, Manfred Stöckigtwoher wissen Sie, dass Paviane und Berberaffen kaum darüber nachdenken, was andere Artgenossen wissen? Und zwar in solch einer signifikanten Abweichung gegenüber dessen, was bei unseren Artgenossen stattfindet, dass damit ein Forschungsergebnis einhergehen kann.
Ich frage nach, weil ich über viele Jahrzehnte beobachte, dass "Wissenschaftler" gerade mit Unterscheidungen zwischen Mensch und (sonstigem) Tier häufig sehr schnell hergeholt, unhaltbar oder einfach nur unwissenschaftlich bzw. falsch agieren. Insbesondere wird dabei - auf mich anthropozentristisch fanatisch (und beim Leser einschleimend) wirkend - oftmals eine Erkenntnis proklamiert, die bei näherem Hinsehen nur eine Mutmaßung sein kann. Dies unterstelle ich Ihnen nicht.
Über eine Begründung für ihr Forschungsergebnis würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Stöckigt
Antwort unserer Interviewpartnerin Julia Fischer:
Lieber Herr Stöckigt,
eine gut begründete Antwort würde den Rahmen dieser Rubrik sprengen. Darf ich Sie deshalb freundlich auf mein kürzlich
erschienenes Buch "Affengesellschaft" (Suhrkamp Verlag) verweisen, in dem ich ausführlich auf die Forschung eingehe, die meiner Einschätzung zu Grunde liegt?
Mit besten Grüßen
J. Fischer
Erst lesen, dann urteilen
08.11.2012, Alexander Köberleindas geht so nicht und es macht auch keinen Sinn, nämlich zu urteilen, ohne das Buch gelesen zu haben. Was "legitimiert" Sie denn dann dazu? Und was soll denn da komisch sein, wenn ein Philosoph ein - übrigens nicht nur - philosophisches Buch empfiehlt? Brigitte Falkenburg ist ja auch Physikerin.
Sie würden vieles verstehen, was Sie jetzt - anscheinend - nur halb wissen (Sie benutzen ja auch etwas zu häufig das Wort "irgendwie").
Das alles behaupte ich im Übrigen, weil ich das Buch gelesen habe.
Auch die Autorin bestreitet ja nicht, dass mentales Erleben im Gehirn "lokalisiert" ist und dort irgendwelche Dinge passieren. Mehr weiß die Hirnforschung im Grunde auch nicht, und trotzdem werden die erfolgreichen Ansätze der Hirnforschung im Buch nicht bestritten, sondern gut beschrieben.
Glauben Sie mir, da hat alles "Hand und Fuß".
Wesentlich mehr gesichertes Wissen ...
07.11.2012, Ingo-Wolf KittelDas Individuum wird zum Untier gemacht
30.10.2012, Rudi ZimmermanWie werden wir schlau aus dem Murks?
30.10.2012, Benjamin de HaasVielen Dank für ihre schnelle Antwort!
Auch auf die Gefahr hin, dass das hier zu einem Privatgespräch unter Statistiknerds ausufert – ein weiterer Kommentar zu Ihrer Antwort.
Sie unterstreichen vollkommen zu Recht, dass die Quote falsch positiver Resultate immer im Dunkeln bleiben wird. Dabei erwähnen Sie auch, dass sich der so genannte Beta-Fehler laut Wahrscheinlichkeitstheorie nicht abschätzen ließe. Das ist korrekt – allerdings nur für einen ganz bestimmten Fall, in dem (fast) sinnfreie Hypothesen miteinander verglichen werden. Der Beta-Fehler lässt sich immer dann abschätzen, wenn eine Mindestgröße für den Effekt von Interesse festgelegt wird.
Fragen wir zum Beispiel, ob sich der IQ von Erst- und Zweitgeborenen unterscheidet, macht es Sinn festzulegen, ab welcher Größe ein etwaiger Unterschied von Interesse wäre (zum Beispiel sind solche Unterschiede bedeutungslos, die kleiner sind als die Messgenauigkeit unseres Tests). Wir könnten die kontrastierten Hypothesen also folgendermaßen bestimmen: "Der IQ von Erst- und Zweitgeborenen unterscheidet sich nicht bedeutsam" vs. "Der IQ von Erst- und Zweitgeborenen unterscheidet sich um mindestens X Punkte". Immer wenn wir solche Hypothesen vergleichen, können wir auch den Beta-Fehler abschätzen.
Der einzige Fall, in dem sich der Beta-Fehler nicht abschätzen lässt, ist der, in dem wir unbestimmte Hypothesen wie die folgenden vergleichen: "Der IQ von Erst- und Zweitgeborenen unterscheidet sich um exakt Null" vs. "Der IQ von Erst- und Zweitgeborenen unterscheidet sich irgendwie". Und "irgendwie" ist hier beim Wort zu nehmen! Jeder noch so kleine Unterschied zwischen den Geschwistern wird hier zu einem signifikanten Ergebnis führen, sobald unsere Stichprobe groß genug ist. Theoretisch auch ein Unterschied von einem Milliardstel IQ-Punkt! Und nimmt man diese Art von Hypothesen beim Wort, dann haben Sie einen merkwürdigen Nebeneffekt: Falsch positive Ergebnisse gibt es per Definition – überhaupt nicht mehr! Denn "irgendwie" werden sich tatsächlich alle denkbaren verglichenen Gruppen unterscheiden, spätestens in der unendlichen Stelle nach dem Komma.
Selbstverständlich interessiert sich niemand für einen Unterschied von einem Milliardstel IQ-Punkt. Und die meisten Psychologen gehen davon aus, dass sie Hypothesen testen, für die es auch falsch positive Ergebnisse geben kann (solche, die falsch sein könnten). Warum werden dann trotzdem so oft unbestimmte Hypothesen getestet? Zum einen ist es oft schwer zu bestimmen, ab welcher Größe ein Effekt von Interesse wäre. Ab wie vielen IQ-Punkten genau fangen wir an einen Unterschied interessant zu finden? Zum anderen führt in der Praxis nicht jeder winzige Effekt zu signifikanten Ergebnissen, da die Stichprobengrößen meist überschaubar sind.
Und genau hier liegt wohl der Hund begraben: Mit der Wahl einer Stichprobengröße legen Forscher gleichzeitig (und womöglich unbewusst) fest, welche Effektgrößen sie interessieren – eben solche, die man realistischer Weise mit einer bestimmten Stichprobengröße entdecken kann.
All das ist reichlich kompliziert und bringt zumindest meinen Kopf zum rauchen. Schließlich gibt es eine Menge zu beachtender Fallstricke bei der Interpretation eines statistischen Ergebnisses. Glücklicherweise gibt es einen einfachen Weg, sich einen Überblick zu verschaffen: Das so genannte "Konfidenzintevall". Das Konfidenzintervall zeigt an, welche Effektgrößen auf Grund der Daten einer Stichprobe plausibel erscheinen. Und daran lässt sich vieles ablesen. Zum Beispiel übersetzt sich die Frage nach statistischer Signifikanz in die Frage, ob der Wert Null außerhalb des Konfidenzintervalls liegt. Ist dies nicht der Fall, können wir weiterfragen, ob die Werte im Konfdenzintervall eine interessante Größe haben oder eher trivial erscheinen. Und im Falle eines nicht signifikanten Ergebnisses können wir fragen, ob das Konfidenzintervall trotzdem interessante Effektgrößen einschließt. Außerdem werden Konfidenzintervalle kleiner mit größer werdenden Stichproben. Ist das Konfidenzintervall also zu weit um ein abschließendes Urteil zu fällen, wissen wir, dass wir mehr Daten benötigen. Beim Lesen eines Fachartikels lohnt es sich also, Ausschau nach dem Konfidenzintervall zu halten.
Mit besten Grüßen
Benjamin de Haas
Herzlichen Dank, Herr de Haas, für Ihre Präzisierung. Wie man sieht, verbirgt hinter mancher zugespitzten Formulierung in einem Kommentar doch eine ziemlich lange und komplizierte Geschichte.
Mit besten Grüßen
Steve Ayan
Wahrheit
30.10.2012, Dr. Thomas von LievenDer Murks mit dem Murks
30.10.2012, Benjamin de HaasDer Murks mit der Logik des Signifikanztestens ist, dass man sie so leicht missversteht. Die Interpretation Ayans ist der wohl populärste Irrtum in Bezug auf die von ihm erwähnte Fehlertoleranz. Diese Fehlertoleranz wird im Fachjargon "Alpha-" oder "Fehler-I-Risiko" genannt und tatsächlich meist auf fünf Prozent festgelegt. Das bedeutet allerdings nicht, dass fünf Prozent der signifikanten Ergebnisse falsch positive sind. Das festgelegte Risiko bezieht sich umgekehrt darauf, dass in fünf Prozent der Fälle, in denen eine falsche Hypothese getestet wird, das Ergebnis trotzdem signifikant ausfällt.
Aber ist das nicht das Gleiche? Nein! Zwei Beispiele: Stellen wir uns vor, 50 Prozent der Leser von "Gehirn und Geist" sind weibliche Deutsche. Folgt daraus, dass 50 Prozent aller weiblichen Deutschen "Gehirn und Geist" lesen? Wohl kaum. Wenn wir das Ganze auf die Praxis des Signifikanztestens übertragen, müssen wir einfach nur folgendes Gedankenexperiment wagen: Stellen wir uns vor, alle Hypothesen, die Psychologen jemals einfielen, seien in Wahrheit falsch. Bei einer Fehlertoleranz von fünf Prozent würden trotzdem fünf Prozent der Experimente signifikante Ergebnisse liefern. Aber von diesen signifikanten Ergebnissen wären dann 100 Prozent falsch positive! Umgekehrt läge der Anteil der falsch positiven bei 0 Prozent für den Fall, dass Psychologen nur "wirklich richtige" Hypothesen testeten.
Der Anteil der falsch Positiven an der Gesamtheit signifikanter Ergebnisse hängt mit dreierlei zusammen:
- dem Risiko, eine falsche Hypothese zu akzeptieren (das Ayan thematisierte)
- der Wahrscheinlichkeit, ein signifikantes Ergebnis zu erhalten, wenn eine richtige Hypothese getestet wird (dem sogenannten Beta- oder Fehler-II-Risiko, das wenig beachtet wird)
- dem Anteil der richtigen Hypothesen an den getesteten Hypothesen (den wir niemals kennen können)
Und das ist nur die statistische Theorie! Dann erst kommen Faktoren wie der Publikationsdruck und das Stochern nach Signifikanz ins Spiel. Aber leider wird uns auch das "Reproducibility Project" keine endgültigen Antworten liefern können. Kann eines der getesteten Ergebnisse nicht reproduziert werden, so sagt das in aller Regel nämlich weniger über die vermeintliche Falschheit der zugrunde liegenden Hypothese aus, als ein signifikantes Ergebnis über ihre Richtigkeit sagen würde.
Sehr geehrter Herr de Haas,
Sie haben völlig Recht: Der so genannte Alpha-Fehler (oder "Fehler 1. Art") bezeichnet den Fall, dass ein statistischer Signifikanztest positiv ausfällt, obwohl die getestete Hypothese falsch ist. Hierfür wird per Konvention eine Toleranz von fünf Prozent zugrunde gelegt. Nun prüfen Forscher in Experimenten aber (hoffentlich) auch so manche wahre Hypothese - und produzieren dabei des Öfteren positive Befunde. Die zweite Möglichkeit "Murks" zu produzieren - nämlich ein nicht signifikantes Ergebnisse bei zutreffender Theorie (auch Beta- oder Fehler 2. Art genannt) -, kommt in den publizierten Forschungsberichten nur selten vor, weil negative Resultate per se kaum veröffentlicht werden.
Wie Sie weiter richtig schreiben, wissen wir nicht, welchen Anteil die "eigentlich" richtigen Hypothesen unter allen getesteten haben. Auch lässt sich die Gefahr von Beta-Fehlern laut Wahrscheinlichkeitstheorie gar nicht näher eingrenzen. Alles was wir haben, ist also eine Festlegung des Risikos falsch positiver Resultate - und ein unkalkulierbares Reich der "Wahrheit" dahinter.
Langer Rede kurzer Sinn: Niemand kennt die tatsächliche Zahl der falschen Studienergebnisse - sollte meine Aussage "Jedes 20. Resultat ist Murks" dies suggeriert haben, so tut es mir leid. Sie beschrieb lediglich die statistische Normsetzung für einen bestimmten Fall: den beschriebenen Alpha-Fehler. Zudem gibt es, wie im Kommentar ausgeführt, sehr gute Gründe dafür anzunehmen, dass die wahren Murks-Quote weit höher liegt.
Steve Ayan
Redaktion GuG
Spannende Studie, aber vielleicht doch ein Bios
28.10.2012, Elmar KainzEin ähnliches Ergebnis konnte bei Probanden gefunden werden, bei denen das Serotonin über ein kurzfristiges Reduzieren der Tryptophanzufuhr über die Nahrung reduziert wurde. Bei diesen konnte ein größerer Gerechtigkeitssinn festgestellt werden, anders ausgedrückt haben diese einfach ungehalten auf offensichtliche Ungerechtigkeit reagiert.
Oberflächlicher Bericht oder oberflächliche Untersuchung?
23.10.2012, Andrea Albusmeine kritische Sicht galt nicht Ihrer Redaktion, sondern der Untersuchung an sich. Es wäre gerade für Laien hilfreich zu wissen, dass die Ergebnisse nicht generalisiert werden dürfen. Dennoch neigt die Sozialpsychologie dazu, genau dies zu tun.
Dass Sie sich als Redaktion an die Fakten einer wissenschaftlichen Untersuchung halten, ist löblich, und genau so sollte es ja sein, immerhin sind Sie ja nicht für die Untersuchung verantwortlich.
Aber da es Ihre Zeitschrift ist, wäre es sinnvoll, eine Anmerkung diesbezüglich zu machen, da Sie ja schließlich eine Fachzeitschrift vertreten, die Laien darüber aufklären möchte, wie das Gehirn funktioniert. Mit Halbwissen hat man schon ziemlichen Schaden verursacht. Dies ist übrigens keine Kritik, sondern ein Hinweis darauf, dass gerade Generalisierungen in neuronale Sackgassen führen. Was den Sinn und Zweck Ihrer Zeitschrift ja dann verfehlen würde. Zumindest wenn ich davon ausgehe, dass Sie eine Aufklärungsfunktion damit übernehmen. Ich weiß, es ist schwer, allem gerecht zu werden. Aber gerade die Generalisierungen, die aus diesem Bericht besonders hervorstechen, sind es, die Menschen eher schaden als nützen. Dabei sind wir in der Lage, diese zu hinterfragen. Dennoch haben aber leider nicht alle Menschen, die Ihre Zeitschrift lesen, dieses Wissen.
Ich danke Ihnen für die Beachtung meiner Zeilen.
Herzliche Grüße
Andrea Albus
Wer den Affen warnen möchte, der schlachte ein Huhn
22.10.2012, Dalibor AndrejewDa es jedoch ein Thema mit durchdringender gesellschaftlicher Bedeutung ist, ist es fahrlässig, die Polemik des Kritikers als übertrieben darzustellen, nur weil diese Polemik die eigene Befindlichkeit berührt. Auch damit kann Sachlichkeit und eine vernunftgeleitete Debatte abhanden gekommen. Womöglich ist sie auch nicht zu erwarten, denn zu oft führt die Reaktion auf Polemik zur Verkehrung ihrer Thesen ins Gegenteil oder zu ihrem Verdrängen in die Neutralität. Daher wäre es angebrachter gewesen, wenn Reinhard Meyer sich auf einige wenige kritische Punkte aus dem Buch Spitzers konzentriert und die Behauptungen konstruktiv relativiert hätte. Eine Gegenthese ohne Synthese ist mangelhaft ...
Manfred Spitzer als kompetenter Wissenschaftler wird seine professionellen Gründe haben, weshalb er die Polemik als Mittel wählt, um seinen Standpunkt darzulegen. Solche Befangenheit bei einem Wissenschaftler zu sehen, sollte Anlass sein, ihn ernst zu nehmen.
Ein adaptives System sollte schließlich eher (möglichen) falschen Alarm in Kauf nehmen, anstatt sich an einen Zustand zu gewöhnen, in welchem das Signal graduell gedämpft wird, weil es von der Gefahr, vor welcher es warnen soll, bereits neutralisiert wurde.
Ein Bärendienst
21.10.2012, Roland SchröderOberflächlicher Bericht oder oberflächliche Untersuchung?
19.10.2012, Andrea AlbusWeder steht in dem Bericht, was einen Menschen dazu bringt, es tun zu können (ein erhaltenes Geschenk weiterzugeben), und andere es wiederum nicht können. Es gibt psychologisch gesehen so einige Gründe, warum es für manche Menschen möglich ist, dies zu tun und für andere nur mit Gewissensbisse.
Stattdessen wird in diesem Bericht auch noch generalisiert, dass der Schenkende damit keine Probleme habe, was mit seinem Geschenk passiere.
Also wenn schon Untersuchungen, dann bitte ohne generalisierte Deutungen, dann sind diese Berichte auch glaubwürdig von Wert.
Sehr geehrte Frau Albus,
zunächst einmal möchten wir uns für Ihren kritischen Blick bedanken. Rückmeldungen sind für uns sehr wichtig, um sicherzustellen, dass die Gratwanderung zwischen nüchterner und leserfreundlicher Darstellung von wissenschaftlichen Erkenntnissen gelingt.
Ebendiese zwingt uns, Forschungsergebnisse teils vereinfacht darzustellen. Dennoch halten wir uns an die Fakten. So haben wir in der Nachricht nicht erwähnt, warum es manchen Menschen leichter fällt als anderen, ein erhaltenes Präsent wiederzuschenken, denn diese Frage hat die betreffende Studie nicht behandelt. Natürlich spielen dabei - wie Sie in Ihrem Brief schon anmerkten - verschiedene psychologische Faktoren eine Rolle.
In Alltagssituationen kommen außerdem viele individuelle Elemente zusammen, die in wissenschaftlichen Studien nicht berücksichtigt werden können. Dies hat zur Folge, dass "Ausreißer" oft nicht erfasst werden. Diese Beschränkung ist aber auch die Grundlage dafür, überhaupt Schlüsse ziehen zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Amelie Tokaj
Redaktion GuG